BAG Urteil v. - 10 AZR 1038/08

Zahlung einer Sicherheitszulage - Verwendung bei den Sicherheitsdiensten - Gleichbehandlung - Tarifauslegung

Gesetze: Anl I Vorbem BBesO A/B, § 1 TVG, Vorbem 8 BBesO A/B, Art 3 Abs 1 GG

Instanzenzug: Az: 21 Ca 253/07 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamburg Az: 1 Sa 31/08 Urteil

Tatbestand

1 Die Parteien streiten über die Zahlung einer Sicherheitszulage für den Zeitraum vom bis .

2 Der Kläger war bis zu seinem Ausscheiden am Mitarbeiter der Feuerwehr der Beklagten. Nach Ziffer 1 des Arbeitsvertrags richtete sich das Arbeitsverhältnis nach dem Manteltarifvertrag für Arbeiter der Länder vom und den diesen ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen.

3 Seit dem wurde der Kläger im Haussicherheitsdienst (nachfolgend: HSD) der Behörde für Inneres eingesetzt. In dem Gebäude sind die Behördenleitung, das Amt für Innere Verwaltung und Planung und im dritten Stock das Landesamt für Verfassungsschutz (nachfolgend: LfV) untergebracht. Dem HSD obliegen die Pförtner- und Wachdienste. Pförtnerlogen befinden sich im Eingangsbereich des Gebäudes und im dritten Stock. Der HSD ist fachlich dem Referat „Geheim- und Sabotageschutz“ des LfV zugeordnet. Eine Dienstvorschrift des LfV regelt die Arbeit. Die Einteilung des Schichtdienstes richtet sich nach einer Dienstanweisung der Feuerwehr. Der Kläger war im Tagesdienst im Erdgeschoss und zu einem geringen Zeitanteil in der Pförtnerloge im dritten Stock tätig. Die Stellen des HSD sind nicht im Stellenplan des LfV ausgewiesen.

§ 2 des Tarifvertrags über Zulagen an Arbeiter bei den Sicherheitsdiensten der Länder vom verhält sich über die Zahlung einer Sicherheitszulage wie folgt:

Die Vorbemerkung Nr. 8 der Anlage I Bundesbesoldungsordnungen A und B (nachfolgend: BBesO A/B) hat folgenden Wortlaut:

6 Die Mitarbeiter des HSD erhalten keine Sicherheitszulage.

7 Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Anspruch bestehe, weil der HSD dem LfV zugeordnet sei und er dauerhaft Tätigkeiten für das LfV erbracht habe. Es verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, dass ausschließlich die formelle Zugehörigkeit zum LfV die Zahlung der Zulage auslöse. Er sei den gleichen Erschwernissen und Gefährdungen ausgesetzt wie die Mitarbeiter des LfV.

Der Kläger hat beantragt,

9 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und die Auffassung vertreten, der Anspruch bestehe nicht, da der Kläger nicht auf einer Planstelle des LfV verwendet worden sei.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Gründe

11 Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.

12 I. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der Sicherheitszulage nach § 2 des Tarifvertrags über Zulagen an Arbeiter bei den Sicherheitsdiensten der Länder in Verbindung mit der Vorbemerkung Nr. 8 der Anlage I BBesO A/B. Das LfV ist als Einrichtung der Beklagten für den Verfassungsschutz zwar ein Sicherheitsdienst im Sinne der Vorbemerkung Nr. 8 Abs. 2 der Anlage I BBesO A/B. Der Kläger wurde jedoch nicht bei dem LfV verwendet.

13 1. Das Bundesarbeitsgericht hat zur wortgleichen Verweisung im Tarifvertrag über Zulagen an Angestellte bei den Sicherheitsdiensten des Bundes vom zur Vorbemerkung Nr. 8 Abs. 1 der Anlage I BBesO A/B die Auffassung vertreten, maßgebend sei allein die formelle Zugehörigkeit zu der Behörde oder Dienststelle, für deren Angehörige die Sicherheitszulage bestimmt sei ( - 3 AZR 214/80 - AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 54 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 33). Nur der Inhaber der begünstigten Stelle erhalte die Zulage. Auch das Bundesverwaltungsgericht stellt auf die organisationsrechtliche Zugehörigkeit des Beamten zu einem der abschließend aufgezählten Sicherheitsdienste ab ( - 2 C 9.97 - ZTR 1998, 236). Der Anspruch auf die Sicherheitszulage sei davon abhängig, dass der Beamte einem Personenkreis zugehöre, den der Dienstherr durch Zuordnung der Behörde und damit der dort Beschäftigten zu den Sicherheitsdiensten als zulageberechtigt bestimmt habe ( 2 C 9.97 - aaO; - 2 C 61.86 - BVerwGE 79, 22 zur Zulage nach Vorbemerkung Nr. 7 der Anlage I BBesO A/B).

14 2. Daran hält der Senat fest.

15 a) Die Sicherheitszulage nach der Vormerkung Nr. 8 der Anlage I BBesO A/B ist eine Stellenzulage iSv. § 42 BBesG ( 2 C 7.93 - Buchholz 240.1 BBesO Nr. 10; - 2 A 4.83 - ZBR 1984, 309). Stellenzulagen können für eine bestimmte Tätigkeit gewährt werden; dann wird die Verwendung in einer bestimmten Funktion (Tätigkeit) gefordert (Nr. 42.3.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesbesoldungsgesetz - BBesGVwV - vom ). Solche Zulagen enthalten zB die Vorbemerkungen Nr. 4, 5, 5a der Anlage I BBesO A/B. Nach dem Wortlaut der jeweiligen Regelung besteht der Anspruch dann, wenn eine Verwendung „als“ … erfolgt.

16 b) Wird in der Zulagenregelung die Verwendung in einer bestimmten Funktion nicht ausdrücklich gefordert, so wird die Zulage für den Zeitraum gewährt, in dem der Besoldungsempfänger in der maßgeblichen Funktionsgruppe, Beamtengruppe oder bei der in der Zulageregelung genannten Behörde oder Einrichtung verwendet wird (Nr. 42.3.2 BBesGVwV).

17 c) Die Sicherheitszulage nach der Vorbemerkung Nr. 8 der Anlage I BBesO A/B soll die erhöhten Anforderungen, die der Dienst bei den Sicherheitsbehörden seiner Art nach stellt, abgelten und einen Ausgleich schaffen für die besonderen Erschwernisse und Aufwendungen, mit denen Mitarbeiter von Sicherheitsdiensten regelmäßig und typischerweise belastet werden ( 2 C 7.93 - Buchholz 240.1 BBesO Nr. 10; - 6 A 1.80 - ZBR 1983, 206). Sie knüpft deshalb an die Zugehörigkeit zu einem Sicherheitsdienst an. Dies drückt der Wortlaut der Vorbemerkung Nr. 8 Abs. 1 der Anlage I BBesO A/B aus, indem er eine Verwendung „bei“ einem Sicherheitsdienst fordert.

18 3. Der Kläger wurde nicht „bei“ dem LfV verwendet. Die Planstellen des HSD sind nicht dem LfV zugeordnet. Aus der Unterstellung des HSD unter das Direktionsrecht des LfV ergibt sich diese Zuordnung nicht. Maßgeblich für den Anspruch auf die Sicherheitszulage ist die organisationsrechtliche Zugehörigkeit des Mitarbeiters ( 2 C 9.97 - ZTR 1998, 236). Diese ergibt sich aus dem Stellenplan, der durch den Haushaltsgesetzgeber festgestellt wird.

19 4. Auf die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge, das Landesarbeitsgericht habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt und zu den Dienstabläufen und der Arbeitsweise nicht den Leiter des LfV vernommen, kommt es nicht an. Ausschließlich die organisationsrechtliche Zuordnung des Klägers zum LfV kann den Anspruch begründen. Daran fehlt es.

20 II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung der Sicherheitszulage wegen einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Dieser Grundsatz wird nicht dadurch verletzt, dass nach § 2 Abs. 1 des Tarifvertrags über Zulagen an Arbeiter bei den Sicherheitsdiensten der Länder vom über die Verweisung auf die Vorbemerkung Nr. 8 der Anlage I BBesO A/B nicht auf eine bestimmte Tätigkeit, sondern auf die Zugehörigkeit zu einem Sicherheitsdienst abgestellt wird ( - AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 54 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 33).

21 1. Es kann dahinstehen, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber unmittelbar an Art. 3 Abs. 1 GG oder an dessen Grundsätze nur mittelbar gebunden sind (vgl.  - Rn. 49, DB 2010, 341; - 9 AZR 146/03 - zu I 3 b der Gründe, BAGE 108, 94; für eine nur mittelbare Bindung  - Rn. 21, NZA-RR 2010, 108). Auch bei einer nur mittelbaren Bindung verpflichtet die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte die Arbeitsgerichte dazu, Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen und deshalb Art. 3 GG verletzen. Dabei kommt den Tarifvertragsparteien aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen eine Einschätzungsprärogative und ein weiter Gestaltungsspielraum zu ( - Rn. 21, aaO; - 6 AZR 287/07 - Rn. 21, AP TVÜ § 11 Nr. 2).

22 2. Tarifvertragsparteien steht es grundsätzlich frei, die Voraussetzungen für die Zahlung von Zulagen festzulegen ( - Rn. 21). Sie können ihre Rechtssetzungsbefugnis auch im Wege einer Verweisung auf Vorschriften des Beamtenrechts ausüben (vgl.  - Rn. 16, BAGE 116, 346; - 6 AZR 323/02 - zu I 1 der Gründe, BAGE 107, 272). Diese Vorschriften gelten dann regelmäßig als tarifliche Rechtsnormen. Der auf Übernahme der gesetzlichen Vorschrift als Tarifnorm gerichtete Wille der Tarifvertragsparteien kommt dadurch zum Ausdruck, dass die gesetzliche Vorschrift ohne Übernahme in den Tarifvertrag nicht gelten würde ( - zu I 3 der Gründe, aaO).

23 3. Das Bundesverwaltungsgericht hat bisher keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Vorbemerkung Nr. 8 der Anlage I BBesO A/B geäußert. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts hat der Gesetzgeber im Besoldungsrecht eine verhältnismäßig weite Gestaltungsfreiheit ( - 2 BvR 343/66 ua. - zu B II 4 der Gründe, BVerfGE 26, 141). Jede Regelung des Besoldungsrechts ist unvollkommen, muss zwangsläufig generalisieren und typisieren und wird in der Abgrenzung unvermeidbare Härten mit sich bringen; sie wird insoweit unter irgendeinem Gesichtspunkt für die unmittelbar Betroffenen fragwürdig erscheinen. Unebenheiten, Friktionen und Mängel sowie gewisse Benachteiligungen in besonders gelagerten Einzelfällen müssen aber hingenommen werden, sofern sich für die Gesamtregelung ein vernünftiger Grund anführen lässt ( - Rn. 9, ZBR 2009, 126).

24 4. Auch durch Tarifvertrag kann die Abgeltung bestimmter Erschwernisse einer sicherheitsdienstlichen Tätigkeit im Rahmen einer typisierenden Betrachtung von der Zugehörigkeit zu einem Sicherheitsdienst abhängig gemacht werden ( - AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 54 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 33). Aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz folgt keine Verpflichtung, die Zulage allen Arbeitnehmern zu gewähren, die - auch dauerhaft - Tätigkeiten für diesen Sicherheitsdienst erbringen, ohne ihm organisatorisch zugeordnet zu sein. Gerade der Fall des Klägers, der nicht ausschließlich für das LfV, sondern auch für andere Dienststellen tätig war, zeigt, dass eine sachgerechte, jedem Einzelfall gerecht werdende Abgrenzung nicht möglich ist.

25 III. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung der Sicherheitszulage ist nicht mit der Begründung gerechtfertigt, die Beklagte habe durch die Zuordnung des HSD zum Stellenplan der Feuerwehr die Anwendung der Vorbemerkung Nr. 8 der Anlage I BBesO A/B in rechtsmissbräuchlicher Weise umgangen (§ 242 BGB).

26 1. Eine unzulässige Umgehung von Rechtsnormen liegt vor, wenn der Zweck einer zwingenden Rechtsnorm dadurch vereitelt wird, dass andere rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten missbräuchlich, dh. ohne einen im Gefüge der einschlägigen Rechtsnormen sachlich rechtfertigenden Grund verwendet werden. Dabei kommt es nicht auf die Umgehungsabsicht oder eine bewusste Missachtung der zwingenden Rechtsnorm an. Entscheidend ist die objektive Funktionswidrigkeit des Rechtsgeschäfts ( - Rn. 28, AP TVÜ § 1 Nr. 1; - 2 AZR 515/88 - zu 2 a der Gründe, EzBAT BAT § 53 Nr. 12).

27 2. Ein Umgehungssachverhalt liegt nicht vor. Die Ausbringung von Stellen im Haushaltsplan durch den Haushaltsgesetzgeber erfolgt gemäß dessen organisatorischer Gestaltungsfreiheit nach den Bedürfnissen der Verwaltung. Die gleiche Dispositionsfreiheit kommt dem Dienstherrn bei der Stellenplanbewirtschaftung zu. Auch diese erfolgt allein nach organisatorischen und verwaltungspolitischen Bedürfnissen ( - Rn. 30, BAGE 121, 91;  2 C 23.03 - zu 4 der Gründe, BVerwGE 122, 147).

28 3. Es liegt in der Gestaltungsfreiheit der Beklagten, den HSD im Rahmen der Stellenbewirtschaftung entweder dem LfV oder der Feuerwehr zuzuordnen. Sie hat in einem Gebäude mit mehreren Verwaltungseinrichtungen Wach- und Pförtnerdienste zu organisieren. Auf den Stellen des HSD werden feuerwehrdienstuntaugliche Beamte und Angestellte geführt, für die sonst keine Verwendungsmöglichkeit mehr bestehen würde. Es ist nicht zu beanstanden, dass verbleibende Verwendungsmöglichkeiten im angestammten Bereich der Feuer-wehr organisiert werden.

29 IV. Die Verfahrensrüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe seinen Beweisantritt für die Behauptung übergangen, es gebe Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die in dem Gebäude arbeiten und nach den geltenden Bestimmungen die Sicherheitszulage erhalten, obwohl sie nicht dem LfV unterstellt seien, genügt nicht den formalen Anforderungen des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO und ist deshalb unzulässig.

V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
YAAAD-42373