BFH Beschluss v. - IX B 227/09 BStBl 2010 II S. 627

Halbabzugsverbot bei Ablösungsverlust

Leitsatz

Es ist geklärt, dass Erwerbsaufwand im Zusammenhang mit Einkünften aus § 17 Abs. 1 und Abs. 4 EStG nicht nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG nur begrenzt abziehbar ist, wenn dem Steuerpflichtigen keinerlei durch seine Beteiligung vermittelten Einnahmen zugehen (gegen BMF-Schreiben —Nichtanwendungserlass— vom , DStR 2010, 331)

Gesetze: EStG 2002 § 3 Nr. 40EStG 2002 § 3c Abs. 2 Satz 1EStG 2002 § 17 Abs. 1EStG 2002 § 17 Abs. 4FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1

Instanzenzug:

Gründe

1Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.

21. Die Rechtsfrage, ob bei tatsächlich fehlenden Einnahmen i.S. des § 3 Nr. 40 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr (2004) maßgebenden Fassung (EStG) das Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG anwendbar ist, hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—), weil sie geklärt ist.

3a) Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seiner Entscheidung vom IX R 42/08 (BFHE 225, 445, BStBl II 2010, 220) erkannt, dass der Abzug von Erwerbsaufwand (z.B. Betriebsvermögensminderungen, Anschaffungskosten oder Veräußerungskosten) im Zusammenhang mit Einkünften aus § 17 Abs. 1 und Abs. 4 EStG jedenfalls dann nicht nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG begrenzt ist, wenn der Steuerpflichtige keinerlei durch seine Beteiligung vermittelte Einnahmen hat. Der BFH hat diese Rechtsprechung mit Urteil vom IX R 8/09 (BFH/NV 2010, 399) bestätigt.

4b) Die in der Beschwerdebegründung des Beklagten und Beschwerdeführers (Finanzamt —FA—) vorgebrachten Gründe sind bereits vom BFH berücksichtigt worden und rechtfertigen es nicht, sich erneut mit der Sache in einem Fall zu befassen, in dem das Finanzgericht (FG) für den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO bindend festgestellt hat, dass der Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) aufgrund ihrer Beteiligung keine Einnahmen zugegangen sind (vgl. zur grundsätzlichen Bedeutung im Zusammenhang mit Nichtanwendungserlassen auch , BFHE 220, 1, BStBl II 2008, 380).

5aa) Wenn das FA auf § 3 Nr. 40 Buchst. c Satz 2 EStG i.V.m. § 17 Abs. 4 EStG verweist und daraus schließt, das Halbeinkünfteverfahren sei auch in Verlustfällen anwendbar (so auch das , DOK 2009/0722841, Deutsches Steuerrecht —DStR— 2010, 331), so steht diese Aussage nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des BFH wie auch der Vorinstanz und geht als Argument ins Leere.

6Denn um Verluste gemäß § 17 Abs. 2, Abs. 4 EStG geht es in dieser Rechtsprechung zunächst nicht. Vielmehr kommt es nach § 3c Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz EStG korrespondierend mit § 3 Nr. 40 Buchst. c Satz 2 EStG allein darauf an, ob Einnahmen anfallen. So stellt das Gesetz in § 3 Nr. 40 Buchst. c Satz 2 i.V.m. Satz 1 EStG die Hälfte des gemeinen Werts (der nach § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG als Veräußerungspreis und damit als Einnahme anzusehen ist) und nicht etwa den Gewinn (wie in § 8b Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes) steuerfrei und zieht umgekehrt in § 3c Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz EStG die damit (also mit den Einnahmen) in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden —im Einzelnen aufgeführten— Aufwendungen (z.B. Anschaffungskosten) folgerichtig ebenfalls nur zur Hälfte ab (siehe dazu grundlegend , BFHE 211, 273, BStBl II 2006, 171).

7Diese Situation ist auch gegeben, wenn ein Veräußerungspreis gezahlt wird oder —im Falle des § 17 Abs. 4 EStG— ein gemeiner Wert anzusetzen ist, die damit wirtschaftlich zusammenhängenden Aufwendungen die Einnahmen indes überschreiten und es zu einem Verlust kommt. Darüber hat der BFH bezogen auf § 3c Abs. 2 EStG noch nicht entschieden. Er hat sich nur zu Fallkonstellationen geäußert, in denen keinerlei Einnahmen angefallen waren (zur Diskussion im Schrifttum vgl. v. Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3c Rz C 21 und C 22, m.w.N; Desens in Herrmann/Heuer/Raupach, § 3c EStG Rz 54; Blümich/Erhard, § 3c EStG Rz 55).

8bb) Die gleichen Erwägungen gelten letztlich auch für das weitere Argument, welches das FA ebenso wie das BMF (a.a.O.) anführt. Wenn nach den Grundwertungen des Halbeinkünfteverfahrens Gewinne und Verluste gleich behandelt werden sollen, so ändert das nichts daran, dass das Gesetz in § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG zunächst einen wirtschaftlichen Zusammenhang der dort aufgeführten Aufwendungen mit nach § 3 Nr. 40 EStG zum Teil steuerfreien Einnahmen fordert. Zwar ist unerheblich, in welchem Veranlagungszeitraum sie anfallen (§ 3c Abs. 2 Satz 1 EStG). Sie müssen aber —wie das Gesetz explizit verlangt— „anfallen”. Deshalb verlässt die Beschwerdebegründung, nach der es nicht entscheidend sein könne, ob Einnahmen letztlich tatsächlich angefallen sind, den gesetzlichen Rahmen, wie er sich aus dem Wortlaut des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG, der Entwurfsbegründung (vgl. BTDrucks 14/2683, S. 113 zu Nr. 3 —§ 3c—) und dem Zweck des Halbabzugsverbots, eine Doppelbegünstigung auszuschließen (BFH-Urteil in BFHE 225, 445, BStBl II 2010, 220, unter II.2. a.E.), ergibt.

9Der dem objektiven Tatbestand der Steuernorm zuordenbare wirtschaftliche Zusammenhang hat entgegen der Auffassung des FA nichts mit der Einkünfteerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen zu tun, die gegeben sein kann, auch wenn letztlich keine Einnahmen anfallen (vgl. , BFHE 226, 216, BStBl II 2010, 124).

10cc) Wenn es FA und BMF (a.a.O.) in diesem Kontext für unerheblich ansehen, ob auf der Ertragsebene aus der Beteiligung Einnahmen (Gewinnausschüttungen) zugeflossen sind und damit implizit nur auf „Gewinne oder Verluste” auf der Vermögensebene abstellen wollen, so entspricht diese Aussage nicht der gesetzgeberischen Prämisse des Halbeinkünfteverfahrens, in typisierender Betrachtung Veräußerungsgewinn und Gewinnausschüttung gleich zu stellen (grundlegend , BFHE 218, 251, BStBl II 2008, 551). Der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Körperschaft —auch bei Veräußerungen durch eine natürliche Person— wird wie eine Gewinnausschüttung besteuert, weil „die Veräußerung einer Beteiligung einer Totalausschüttung wirtschaftlich gleichkommt” (BTDrucks 14/2683, S. 96). Eine Trennung von Vermögens- und Ertragsebene, wie sie dem BMF (a.a.O.) vorschwebt und die zur Folge hätte, nur Einnahmen auf der Vermögensebene (also Veräußerungspreis, gemeiner Wert, BMF spricht demgegenüber immer von Gewinnen und Verlusten, siehe dazu oben unter aa) einzubeziehen, wäre nicht folgerichtig und dürfte deshalb auch bei der Interpretation des Begriffs der „Einnahmen” in § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG nicht angezeigt sein.

112. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2, 2. Halbsatz FGO ab.

Fundstelle(n):
BStBl 2010 II Seite 627
BB 2010 S. 1068 Nr. 18
BB 2010 S. 857 Nr. 15
BFH/NV 2010 S. 1022 Nr. 5
BFH/PR 2010 S. 201 Nr. 6
BStBl II 2010 S. 627 Nr. 11
DB 2010 S. 6 Nr. 14
DB 2010 S. 985 Nr. 18
DStR 2010 S. 639 Nr. 13
DStR-Aktuell 2010 S. 6 Nr. 13
DStRE 2010 S. 509 Nr. 8
DStZ 2010 S. 307 Nr. 9
EStB 2010 S. 163 Nr. 5
FR 2010 S. 715 Nr. 15
GmbH-StB 2010 S. 125 Nr. 5
GmbHR 2010 S. 136 Nr. 9
HFR 2010 S. 571 Nr. 6
NWB-Eilnachricht Nr. 15/2010 S. 1122
NWB-Eilnachricht Nr. 22/2010 S. 1727
StB 2010 S. 137 Nr. 5
StBW 2010 S. 290 Nr. 7
StBp. 2010 S. 208 Nr. 7
StC 2010 S. 11 Nr. 6
ZIP 2010 S. 5 Nr. 19
MAAAD-40410