BFH Beschluss v. - IX B 132/09

Besteuerung von Schmiergeldzahlungen regelmäßig nicht sachlich unbillig

Gesetze: AO § 163, EStG § 22 Nr. 3

Instanzenzug:

Gründe

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Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

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1. Die Revision ist nicht zur Rechtsfortbildung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2  1. Alternative der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen.

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Die von dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) zur Entscheidung gestellten Rechtsfragen sind schon nicht hinreichend abstrakt, um im allgemeinen Interesse Leitsätze für die Auslegung der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen aufzustellen und damit eine Klärungsbedürftigkeit jenseits des konkreten Einzelfalls zu begründen. Vielmehr zielen sie darauf, die materiell-rechtliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung des Finanzgerichts (FG) im konkreten Streitfall in Zweifel zu ziehen. Im Übrigen ist die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nicht allein damit dargetan, dass der Bundesfinanzhof (BFH) hierzu noch keine Entscheidung getroffen hat.

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Auch soweit der Kläger die angebliche Unverhältnismäßigkeit der Besteuerung von empfangenen Schmiergeldern aus dem Umstand herleiten will, dass diese in einem späteren Veranlagungszeitraum an den Arbeitgeber abgeführt wurden, wendet er sich in der Sache gegen die materiell-rechtliche Richtigkeit der finanzgerichtlichen Entscheidung, legt aber nicht in substantiierter Weise einen Revisionszulassungsgrund dar.

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2. Die vom FG vorgenommene Beurteilung der sachlichen und persönlichen Unbilligkeit einer Besteuerung der streitbefangenen Bestechungsgelder ist in der Sache nicht zu beanstanden.

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a) Die vom Kläger erlittenen Nachteile aus der Abschnittsbesteuerung führen nicht zur sachlichen Unbilligkeit. Der BFH hat wiederholt entschieden, dass es hinzunehmen ist, wenn das in § 11 des Einkommensteuergesetzes (EStG) normierte Zu- und Abflussprinzip in einem Veranlagungszeitraum zu Ergebnissen führt, die als Folge der Einkommensteuerprogression oder fehlender tatsächlicher Ausgleichsmöglichkeiten steuerliche Belastungen bewirken (, BFHE 215, 481, BStBl II 2007, 315, m.w.N.). Es läuft daher den Wertungen des Gesetzgebers nicht zuwider, dass der Kläger die in den Streitjahren zugeflossenen Bestechungsgelder ohne Berücksichtigung der in späteren Veranlagungszeiträumen erfolgten Weiterleitung versteuern muss.

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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, da diese grundsätzlich auf den jeweils zu beurteilenden Einkommensermittlungs-/Veranlagungszeitraum zu beziehen ist (, BFHE 191, 274, BStBl II 2000, 396). Zwar kann die Erhebung (Einziehung) eines Einkommensteueranspruchs sachlich unbillig sein, wenn das Zusammenwirken verschiedener Regelungen zu einer hohen Steuerschuld führt, obgleich dem kein Zuwachs an Leistungsfähigkeit zugrunde liegt (, BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297). Der Kläger hat in den Streitjahren 1996 bis 1998 aber in Gestalt der Bestechungsgelder für ein steuerbares Verhalten —die Bevorzugung des Bestechenden— eine reale Mehrung seiner Leistungsfähigkeit erfahren (vgl. , BFH/NV 2004, 1212). Der Zufluss einer Einnahme i.S. von § 8 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 EStG setzt nicht voraus, dass dem Steuerpflichtigen der zugeflossene Vermögensvorteil auf Dauer (endgültig) verbleibt (, BFHE 190, 442, BStBl II 2000, 197, m.w.N.). Der Umstand, dass die Bestechungsgelder nach Zivilrecht einem Dritten geschuldet waren, ändert an der durch ihren Zufluss bewirkten Leistungsfähigkeitssteigerung im jeweiligen Veranlagungszeitraum nichts. Vielmehr stellt die Erfüllung dieser Verpflichtung durch den Kläger in Relation zu einem ursprünglichen steuerbaren Verhalten eine —wenn auch nicht freiwillige— Vermögensverwendung dar.

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b) Sachliche Unbilligkeit ergibt sich im Streitfall auch nicht daraus, dass der Kläger angesichts seiner sonstigen Einkünfte im Rahmen von § 22 Nr. 3 Satz 4 EStG in der für die Jahre 2000 bis 2001 geltenden Fassung ggf. keinen tatsächlichen Ausgleich der erlittenen Verluste mit positiven Einkünften erreichen wird (vgl. auch , BFH/NV 2001, 442). Denn auch diese Rechtsfolge ist in der gesetzlichen Regelung angelegt.

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Da die Norm des § 22 Nr. 3 Satz 3 und 4 EStG in der für die Jahre 2000 und 2001 geltenden Fassung jedenfalls in der Anwendung auf den Streitfall verfassungsgemäß ist, kommt auch eine Ermessensbindung hinsichtlich der Annahme einer sachlichen Unbilligkeit aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht in Betracht.

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c) Sachliche Unbilligkeit folgt, anders als der Kläger meint, auch nicht aus dem Zusammenwirken von Abschnittsbesteuerung mit Zu- und Abflussprinzip. Denn aus einer Gesamtbeurteilung aller Normen ergibt sich nicht, dass die Erhebung der streitbefangenen Steuer nach dem Zweck des zugrundeliegenden Gesetzes nicht (mehr) zu rechtfertigen wäre und dessen Wertungen zuwiderliefe. Vielmehr ist die Besteuerung der Bestechungsgelder bei Zufluss gerade eine solche, die der gesetzliche Tatbestand typischerweise mit sich bringt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297).

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Soweit der Kläger sich auf die Entscheidung des (BVerfGE 81, 228, BStBl II 1990, 483) berufen möchte, lag dieser ein dem Streitfall nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Während im dort entschiedenen Fall eine doppelte Abschöpfung durch die Einkommensbesteuerung sowie eine Geldbuße für verfassungswidrig erklärt wurde, geht es im Streitfall nicht um zwei hoheitliche Belastungen desselben Leistungsfähigkeitspotenzials.

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d) Auch die Beurteilung der persönlichen Unbilligkeit der Nichtberücksichtigung der Weiterleitung der Bestechungsgelder an den Arbeitgeber des Klägers durch das FG ist nicht grob fehlerhaft. Selbst bei Erlassbedürftigkeit ist die Verwaltung nicht zur abweichenden Steuerfestsetzung verpflichtet, wenn es an der Erlasswürdigkeit fehlt. Vielmehr ist eine (ablehnende) Billigkeitsentscheidung nicht deswegen ermessensfehlerhaft, weil sie lediglich auf das Fehlen der Erlasswürdigkeit gestützt wird (BFH-Beschlüsse vom V B 71/88, BFH/NV 1990, 137; vom IV B 21/93, BFH/NV 1994, 606). Die finanzgerichtliche Gesamtwürdigung, wonach die Nichtabführung der Steuern für die Bestechungsgelder in den Jahren 1996 bis 1998 die Erlasswürdigkeit ausschließen, ist möglich. Ein Verstoß gegen den Grundsatz „ne bis in idem” liegt darin nicht. Denn die Einkommensteuer ist keine Strafe oder strafähnliche Sanktion (vgl. , BFHE 204, 531, BFH/NV 2004, 902). Das FG konnte das leistungsfähigkeitsbegründende Verhalten in Gestalt der Entgegennahme von Bestechungsgeldern in erheblichem Umfang und wiederholter Weise in seine Gesamtwürdigung miteinbeziehen. In diesem Kontext konnte das FG auch darauf abstellen, dass der Kläger seine finanzielle Situation dadurch verursacht hat, dass er die Schmiergelder von Anfang an nicht erklärt und versteuert hat. Denn der Umstand, dass ggf. diese Schmiergelder mit einem Herausgabeanspruch des Arbeitgebers belastet waren, wäre der steuerlichen Berücksichtigung des Zuflusses der Bestechungsgelder beim Kläger nicht entgegengestanden. Unerheblich ist danach, inwieweit der Kläger jenseits der vom FG in Bezug genommenen, vom Kläger vorgetragenen finanziellen Situation erlassbedürftig ist.

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3. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz zur Rechtsprechung des BFH zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

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Soweit sich der Kläger dagegen wendet, das FG habe keine Gesamtwürdigung im Sinne der benannten BFH-Rechtsprechung vorgenommen, macht er lediglich eine fehlerhafte Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze geltend, was die Revisionszulassung nicht rechtfertigen kann.

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Im Übrigen ist die finanzgerichtliche Entscheidung auch nicht greifbar gesetzwidrig, d.h. in einem solchen Maße fehlerhaft, dass das Vertrauen in die Rechtsprechung nur durch eine höchstrichterliche Korrektur wiederhergestellt werden könnte (vgl. ständige Rechtsprechung, BFH-Beschlüsse vom VII B 357/06, BFH/NV 2008, 113; vom III B 143/04, BFH/NV 2005, 1632; vom V B 72/02, BFH/NV 2003, 1597, jeweils m.w.N.). Denn es ist regelmäßig nicht sachlich unbillig, wenn der Steuerpflichtige empfangende Schmiergelder im Jahr des Zuflusses zu versteuern hat, ihre Abführung an seinen Arbeitgeber in einem späteren Veranlagungszeitraum aber mangels Verlustverrechnungsmöglichkeit nicht steuermindernd geltend machen kann.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 646 Nr. 4
CAAAD-37364