BGH Urteil v. - III ZR 328/08

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: OLG Karlsruhe, 15 U 83/05 vom LG Mannheim, 3 O 474/04 vom

Tatbestand

Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, ist Eigentümerin einer unter anderem mit Hallen bebauten Gewerbeimmobilie. Sie verlangt von der beklagten Versicherungsmaklerin Schadensersatz wegen fehlerhafter Aufklärung und Beratung.

Die Beklagte vermittelte der Klägerin 1997 den Abschluss eines Feuerversicherungsvertrags für das Objekt bei der W. Versicherung AG. Zuvor war die Liegenschaft anderweitig feuerversichert. Im Oktober 2002 kam es zu zwei Bränden. Das erste Schadensereignis führte zu einem Gebäudeneuwertschaden von 116.346 € und das zweite Feuer zu einem solchen von 772.139 €.

Bei der Schadensregulierung stellte sich heraus, dass die Gebäude unterversichert waren. Der Neuwertversicherungssumme von 2.073.394,01 € stand ein Gebäudewert von 2.731.280 € gegenüber. Die Versicherung leistete als Entschädigung für den ersten Schadensfall nur 88.317 € und für den zweiten lediglich 498.254 €. Die Klägerin stellte die Baulichkeiten nach dem zweiten Brand nicht wieder vollständig her.

Sie macht geltend, die Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, sie auf die Gefahr einer Unterversicherung aufgrund einer unrichtig ermittelten Versicherungssumme hinzuweisen und auf die Erhöhung der Versicherungssumme oder auf die Vereinbarung eines Verzichts auf den Unterversicherungseinwand mit dem Versicherer hinzuwirken. Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen der Kürzungen der Entschädigungsleistungen, die der Versicherer infolge der Unterversicherung vornahm.

In erster Instanz hat die Klage im wesentlichen Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat den Schadensersatz auf 26.405,41 € begrenzt (Kürzungsbetrag für den ersten Schadensfall abzüglich Prämienersparnis). Gegen die Klageabweisung im Übrigen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin.

Gründe

Die Revision ist zulässig und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist, sowie in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Dieses hat die Klageabweisung damit begründet, dass sich bei dem zweiten Schadensfall der Unterversicherungseinwand des Versicherers nicht ausgewirkt habe. Da die Klägerin die brandgeschädigten Gebäude nicht wieder hergestellt habe, habe sie keinen Anspruch gegen die Versicherung auf Ersatz des Neuwerts gehabt. Vielmehr habe sie lediglich den Zeitwert ersetzt verlangen können. Bei diesem Anspruch komme der Unterversicherungseinwand nicht zum Tragen. Dementsprechend habe die Versicherung den von einem Sachverständigen ermittelten Zeitwertschaden in Höhe von 410.827 € voll ersetzt. Es könne unterstellt werden, dass die Klägerin beabsichtigt habe, die Gebäude wieder zu errichten. Für die zur Gewährung einer Neuwertentschädigung notwendige Sicherstellung, dass die Baulichkeiten wieder hergestellt würden, sei aber zumindest der Abschluss von Bauverträgen notwendig. In diese Phase sei das lediglich im Planungsstadium befindliche Vorhaben der Klägerin zur Wiedererrichtung nie gelangt, so dass ein Anspruch auf die Neuwertspitze gegenüber der Versicherung nicht entstanden sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht deshalb, weil der Klägerin aufgrund des ersten Schadens im Hinblick auf den Unterversicherungseinwand des Versicherers 28.029 € gefehlt hätten. Zum einen seien die Schäden getrennt zu betrachten. Zum anderen habe die Klägerin selbst vorgetragen, dass ihr eine Fremdfinanzierung bis zu 114.000 € möglich gewesen sei. Deshalb sei die Deckungslücke aus dem ersten Brandschaden nicht für die unterbliebene Wiedererrichtung im zweiten Schadensfall maßgeblich gewesen.

II. Mit dieser Begründung lässt sich die Klageabweisung nicht aufrechterhalten.

1. Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach angenommen, weil diese es unterließ, auf die Gefahr einer Unterversicherung durch eine von Anfang an unrichtig ermittelte Versicherungssumme hinzuweisen, und sie hierdurch ihre Beratungs- und Aufklärungspflichten als Versicherungsmaklerin verletzte. Dies nimmt die Revision als ihr günstig hin und ist frei von rechtlichen Bedenken (vgl. zu den umfassenden Pflichten des Versicherungsmaklers z.B. Senatsurteil vom - III ZR 269/06 - NJW-RR 2007, 1503, 1504 Rn. 10). Auch die Revisionserwiderung erhebt insoweit keine Gegenrügen.

2. Dem Berufungsgericht ist weiter im Ausgangspunkt darin beizupflichten, dass nach § 11 Nr. 5 Buchst. a der Allgemeinen Bedingungen für die Feuerversicherung der W. Versicherung AG eine Entschädigung auf Neuwertbasis grundsätzlich nur gewährt wird, wenn der Versicherungsnehmer sicherstellt, dass er den Betrag verwenden wird, um Gebäude in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen, und ansonsten nur eine Entschädigung auf der Grundlage des Zeitwerts erfolgt (siehe auch § 97 VVG a.F.; vgl. nunmehr § 93 VVG n.F.). Zutreffend ist überdies, dass - nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sach- und Streitstand - die der Klägerin gewährte Versicherungsleistung den vollen Zeitwert der beschädigten Gebäude ohne Abzug für die Unterversicherung abdeckte. Deshalb ist es weiter richtig, wenn das Berufungsgericht davon ausgeht, die Pflichtverletzung der Beklagten, die zu der Unterversicherung geführt hat, habe sich bei dem zweiten Brand nicht ausgewirkt, sofern die Klägerin ungeachtet der Unterversicherung nicht willens oder in der Lage gewesen sei, die beschädigten Gebäude wieder herzustellen, da sie dann ohnehin nur einen Anspruch auf Zeitwertentschädigung gehabt habe, der von der Versicherung erfüllt worden sei.

3. Allerdings rügt die Revision mit Recht, die weitere Würdigung des Berufungsgerichts beruhe auf einer Übergehung entscheidungserheblichen Sachvortrags der Klägerin.

a) Nachdem die Beklagte sich in der zweiten Instanz darauf berufen hatte, die beim zweiten Brand beschädigten Gebäude seien nicht wieder hergestellt worden, ist die Klägerin dem mit dem Vorbringen entgegen getreten, gerade die von der Beklagten verursachte Unterversicherung habe dazu geführt, dass sie zur Wiedererrichtung der Hallen nach dem zweiten Feuer nicht in der Lage gewesen sei.

Insbesondere im Schriftsatz vom hat die Klägerin vorgetragen und anhand einer Tabellenkalkulation (Anlage K 22) näher erläutert, dass sie für die Wiedererrichtung der abgebrannten Gebäude insgesamt 1.018.655 € hätte aufbringen müssen. Bei der von der Versicherung angebotenen Regulierung auf Neuwertbasis unter Berücksichtigung der Abzüge wegen Unterversicherung hätte sie nur 775.302 € erhalten. Es sei eine Finanzierungslücke von 350.961 € entstanden. Diesen Betrag hätte sie nicht decken können. Ihren Gesellschaftern sei es nicht zumutbar gewesen, hierfür auf ihre Privatvermögen zurückzugreifen. Demgegenüber hätte sie lediglich ohne weiteres aufzubringende 3.684 € zuschießen müssen, wenn gegen die Versicherung ein Anspruch auf Neuwertentschädigung ohne Abzug für Unterversicherung bestanden hätte.

Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag übergangen. Zwar ist er in den Gründen zu I. des angefochtenen Urteils andeutungsweise angesprochen. In den Gründen zu II. ist das Vorbringen bei der rechtlichen Würdigung jedoch unberücksichtigt geblieben. Dort hat sich das Berufungsgericht nur mit einer Finanzierungslücke befasst, die durch das Fehlen von 28.029 € aus der Entschädigung für den ersten Brand entstanden ist.

b) Bei Berücksichtigung des übergangenen Vortrags hätte das Berufungsgericht die Klage, soweit sie in zweiter Instanz ohne Erfolg blieb, jedenfalls nicht ohne weitere Feststellungen abweisen dürfen.

Die Richtigkeit des mit Beweisantritten versehenen Vorbringens der Klägerin unterstellt, wäre es auch - als Schaden zuzurechnende - Folge der von der Beklagten verschuldeten Unterversicherung, dass die Klägerin gegenüber der Versicherung lediglich einen Anspruch auf Zeitwertentschädigung erlangte. Die Unterversicherung führte, wie die Revision auf der Grundlage der Berechnungen des Versicherers näher darlegt und von der Revisionserwiderung nicht in Frage gestellt wird, im Ergebnis dazu, dass die Versicherungsleistung auf Neuwertbasis jedenfalls um 186.014 € geringer ausfiel. Da die Klägerin beziehungsweise ihre Gesellschafter diesen Betrag sowie die zwischenzufinanzierenden 87.871 € (Neuwertspitze) nicht aufbringen konnten, unterblieb die Wiederherstellung des Gebäudes. Dies führte wiederum dazu, dass der Versicherer lediglich auf der noch geringeren Zeitwertbasis entschädigen musste. Demgegenüber wäre die Wiedererrichtung der Hallen möglich gewesen und auch vollzogen worden, wenn die Klägerin gegen die Versicherung einen Anspruch auf Neuwertersatz ohne Kürzung wegen Unterversicherung gehabt hätte.

Zwar ist das Rechenwerk der Klägerin, wie die Revision selbst einräumt, in einer Reihe von Punkten unklar. Gleichwohl war die Klage nicht abweisungsreif. Das Berufungsgericht hätte, soweit es die Berechnungen nicht für nachvollziehbar gehalten hätte, der Klägerin Gelegenheit geben müssen, ihren Vortrag zu ergänzen (§ 139 ZPO).

4. Da noch tatsächliche Feststellungen erforderlich sind, ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif, so dass sie an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO). Bei der neuen Entscheidung hat das Berufungsgericht auch Gelegenheit, sich mit dem weiteren Vorbringen der Revisionserwiderung auseinander zu setzen, auf das einzugehen im gegenwärtigen Verfahrensstadium keine Veranlassung besteht. Anzumerken ist allerdings, dass es bei einer Differenzbetrachtung für die Höhe des Schadensersatzanspruchs der Klägerin von Bedeutung sein kann, wenn der fiktive Verkehrswert der hypothetisch neu errichteten Gebäude hinter den von der Versicherung bei einer ungekürzten Neuwertentschädigung zu ersetzenden Baukosten zurückbleibt.

Fundstelle(n):
KAAAD-37305