Leitsatz
Leitsatz:
a) Auch ein vorübergehendes Leistungshindernis auf Seiten des Vorleistungsberechtigten kann ein Leistungsverweigerungsrecht des Vorleistungsverpflichteten gemäß § 321 Abs. 1 Satz 1 BGB begründen.
b) Das Bestehen eines solchen Leistungsverweigerungsrechts schließt den Verzug des Vorleistungsverpflichteten aus.
Gesetze: BGB § 321
Instanzenzug: KG, 16 U 21/08 vom LG Berlin, 8 O 62/07 vom Veröffentlichungen: Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja
Tatbestand
Mit notariellem Vertrag vom (UR-Nr. 47/2006) kaufte die Klägerin von der Beklagten die jeweils mit einem Mietshaus bebauten Grundstücke E straße 17 und S allee 70 für 3.050.000 €. In Nr. II. dieses Vertrags heißt es:
"2. Von dem Kaufpreis ist ein Teilbetrag von 300.000 € auf ein vom Notar errichtetes Notar-Anderkonto eingezahlt. Die Parteien weisen den Notar an, hiervon einen Teilbetrag von 100.000 € an den Verkäufer zur Auszahlung zu bringen. [...] Der Verkäufer tritt zur Sicherheit die ihm zustehende Grundschuld über 447.380,39 € [...] ab. [...]
Der weitergehende Kaufpreis von 2.750.000 € ist fällig und zahlbar bis zum und bis dahin auf das Notar-Anderkonto einzuzahlen.
3. [...] Der auf dem Notar-Anderkonto hinterlegte Kaufpreis ist von dem beurkundenden Notar an den Verkäufer bzw. die Gläubiger auszuzahlen, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen: [...]
c) Dem Notar liegen die Löschungsbewilligungen für sämtliche nicht übernommenen Belastungen in Abteilung II und III vor und zwar auflagenfrei oder nur unter der Auflage der Zahlung von Ablösebeträgen, die insgesamt nicht höher als der Kaufpreis sind. Die Aufhebung der Zwangsverwaltung muss sichergestellt sein. [...]
9. Ist der Kaufpreis nicht binnen zwei Wochen nach Fälligkeit geleistet worden, so schuldet der Käufer die auf dem Notaranderkonto zu hinterlegende Anzahlung als pauschalierten Schadensersatz. Die Parteien weisen den amtierenden Notar an, in diesem Fall den hinterlegten Betrag an den Verkäufer auszukehren [...]".
Ferner war vereinbart, dass Besitz, Nutzen und Lasten mit Wirkung vom Monatsersten nach vertragsgerechter Hinterlegung des Kaufpreises auf den Käufer übergehen sollten.
Mit notariellen Verträgen desselben Tages erwarb die Klägerin von der Beklagten drei weitere mit Mietshäusern bebaute Grundstücke, darunter das Grundstück P Straße 14, für insgesamt 12,5 Mio. € (UR-Nr. 46/2006) sowie von einer Grundstücksverwaltungsgesellschaft (nachfolgend: GmbH), deren alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin die Beklagte ist, das Grundstück T straße 55 für 950.000 € (UR-Nr. 48/2006). Der jeweilige Kaufpreis war bis zum auf ein Notaranderkonto zu zahlen.
Alle verkauften Grundstücke unterlagen der Zwangsverwaltung und waren mit Grundpfandrechten belastet, die aus den Kaufpreisen abgelöst werden sollten. Bei der Vorbereitung der Ablösung traten Schwierigkeiten auf: Die Hauptgläubigerin, der Grundpfandrechte an fünf der sechs Grundstücke zustanden, erteilte Ende März 2006 Löschungsbewilligungen, versah diese jedoch mit der einheitlichen Treuhandauflage der vollständigen Erfüllung sämtlicher gesicherter Ansprüche. Das Grundstück P Straße 14 war mit einer Briefgrundschuld in Höhe von 1,5 Mio. DM zugunsten der Beklagten belastet; der Brief war jedoch nicht auffindbar. Die Beklagte teilte dies dem Notar am mit; ferner beantragte sie, den Brief für kraftlos erklären zu lassen.
Die Klägerin zahlte am 20. und insgesamt 2.750.605,50 € auf das Notaranderkonto zu dem Vertrag UR-Nr. 47/2006. Zahlungen auf die beiden anderen Verträge leistete sie nicht.
Im August 2006 erklärten die Beklagte und die GmbH den Rücktritt von allen drei Verträgen. Mit Schreiben vom setzte die Klägerin der Beklagten und der GmbH eine Frist bis zum , um die Voraussetzungen für die vertragsgemäße Eigentumsumschreibung der Grundstücke zu schaffen, und erklärte unter dem den Rücktritt von den Verträgen. Die Grundstücke wurden noch im Oktober 2006 anderweitig veräußert.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Rückzahlung des gemäß Nr. II. 2. des Vertrages UR-Nr. 47/2006 ausgezahlten Betrages von 100.000 € Zug um Zug gegen Erteilung der Löschungsbewilligung für die abgetretene Grundschuld sowie die Zustimmung der Beklagten zur Auszahlung der sich auf dem Notaranderkonto befindlichen weiteren Anzahlung von 200.000 €. Die Beklagte macht im Wege der Widerklage Verzugszinsen in Höhe von 252.738,79 € geltend; ferner verlangt sie die Abgabe einer Löschungsbewilligung für die vorgenannte Grundschuld sowie die Zustimmung der Klägerin zur Auszahlung der auf dem Notaranderkonto hinterlegten 200.000 € an sich.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag und die Widerklage weiter. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
I. Das Berufungsgericht meint, die Klägerin sei gemäß §§ 323, 346 ff. BGB wirksam von den Kaufverträgen zurückgetreten. Dass sie ihre Leistung nicht innerhalb der vereinbarten Fristen erbracht habe, sei unschädlich. Aufgrund der sich bereits im März 2006 abzeichnenden Abwicklungsschwierigkeiten sei es ihr nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht zumutbar gewesen, die Kaufpreise ohne Vertragsänderung zu hinterlegen. Grundlage der vertraglichen Gestaltungen sei der zeitnahe Übergang des Besitzes und der Nutzungen der Mietshäuser auf die Klägerin gewesen. Hiermit sei aufgrund der nur einheitlich erteilten Treuhandauflage der Hauptgläubigerin, an die rund 13 Mio. € auszuzahlen gewesen wären, und der Probleme mit der Löschung der Eigentümerbriefgrundschuld nicht in vertretbarer Zeit zu rechnen gewesen. Für diese Hindernisse habe die Beklagte einzustehen. Folge des Rücktritts sei die Rückgewähr der demnach auch nicht fälligen Leistungen, so dass es auf die Frage des pauschalierten Schadensersatzes nicht ankomme. Da sich die Klägerin nicht in Verzug befunden habe, bestünden die mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüche nicht.
II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung im Ergebnis stand.
Klage
Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass die Klägerin die geleistete Anzahlung von 300.000 € gemäß § 346 Abs. 1 BGB zurückverlangen kann, so dass die Beklagte verpflichtet ist, die erhaltenen 100.000 € zurückzuzahlen und ihre Zustimmung zur Auszahlung der sich auf dem Notaranderkonto befindlichen 200.000 € zu erteilen.
1. Die Klägerin war gemäß § 323 Abs. 1 BGB berechtigt, von dem Kaufvertrag zur UR-Nr. 47/2006 zurückzutreten, nachdem sie der Beklagten zuvor erfolglos eine angemessene Frist bestimmt hatte, die Voraussetzungen für die Übertragung lastenfreien Eigentums zu schaffen. Die Leistung der Beklagten war fällig, da die Klägerin den - als Vorleistung geschuldeten - Kaufpreis von 3.050.000 € für die Grundstücke E straße 17 und S allee 70 im Zeitpunkt der Fristbestimmung auf das Notaranderkonto eingezahlt hatte.
2. Eine vollständige Kaufpreiszahlung hätte zwar nicht vorgelegen, wenn die als Anzahlung geleisteten 300.000 € von der Klägerin gemäß Nr. II. 9. des Kaufvertrages als pauschalierter Schadensersatz geschuldet, also zu den im Juni 2006 gezahlten 2.750.605,50 € nicht hinzuzurechnen gewesen wären. So verhält es sich indessen nicht. Voraussetzung für den vereinbarten Verfall der Anzahlung als Schadensersatz war, dass der Kaufpreis nicht binnen zwei Wochen nach Fälligkeit geleistet wurde. Der Kaufpreisanspruch der Beklagten war jedoch nicht fällig im Sinne dieser Klausel (vgl. BGHZ 55, 198, 200). Denn zu dem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin den Kaufpreis leisten sollte (), stand ihr ein den Eintritt des Verzuges hinderndes Leistungsverweigerungsrecht zu.
a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bedarf es zur Begründung eines solchen Leistungsverweigerungsrechts seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes im Jahr 2002 allerdings keines Rückgriffs auf den Grundsatz von Treu und Glauben (so noch BGHZ 11, 80, 85; vgl. Soergel/Gsell, BGB, 13. Aufl., § 321 Rdn. 35). Voraussetzungen und Folgen eines auf die Gefährdung des Gegenleistungsanspruchs gestützten Leistungsverweigerungsrechts des Vorleistungsverpflichteten richten sich vielmehr nach § 321 BGB. Nach Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift kann derjenige, der aus einem gegenseitigen Vertrag vorzuleisten verpflichtet ist, die ihm obliegende Leistung verweigern, wenn nach Abschluss des Vertrages erkennbar wird, dass sein Anspruch auf die Gegenleistung durch mangelnde Leistungsfähigkeit des anderen Teils gefährdet wird (sog. Unsicherheitseinrede). Die Gefährdung des Gegenleistungsanspruchs braucht, anders als in der früher geltenden Fassung, nicht auf einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Vorleistungsberechtigten zu beruhen; auch sonstige drohende Leistungshindernisse begründen die Einrede, wenn sie geeignet sind, die Erbringung der Gegenleistung zu verhindern oder vertragswidrig zu verzögern, oder wenn eine vertragswidrige Beschaffenheit der Gegenleistung von einigem Gewicht zu erwarten ist (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 179). Die Gefährdung der Gegenleistung muss im Gegensatz zu der bisherigen Regelung in § 321 BGB nicht nach Vertragsschluss entstanden sein; es genügt, dass sie erst zu diesem Zeitpunkt erkennbar geworden ist.
b) Die Voraussetzungen der Unsicherheitseinrede sind hier gegeben.
aa) Auf Seiten der Beklagten war ein im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht bekanntes Leistungshindernis aufgetreten. Da sich der für die Löschung der auf dem Grundstück P Straße 14 lastenden Eigentümergrundschuld notwendige Grundschuldbrief wider Erwarten nicht im Besitz der Beklagten befand, konnte diese Belastung in absehbarer Zeit nicht gelöscht werden. Dies führte nicht nur dazu, dass die Erfüllung der Leistungspflicht der Beklagten aus dem Kaufvertrag UR-Nr. 46/2006 (mit dem das Grundstück P Straße verkauft wurde) gefährdet war, sondern auch diejenige aus dem Vertrag UR-Nr. 47/2006. Aufgrund der einheitlichen Treuhandauflage der Hauptgläubigerin, die etwa 13 Mio. € zu beanspruchen hatte, konnten die Voraussetzungen für eine lastenfreie Übertragung der mit dem Vertrag UR-Nr. 47/2006 verkauften Grundstücke nur geschaffen werden, wenn die Klägerin (mindestens) auch den aus dem Vertrag UR-Nr. 46/2006 geschuldeten Kaufpreis von 12,5 Mio. € auf das Notaranderkonto einzahlte, so dass er zur Befriedigung der Hauptgläubigerin zur Verfügung stand. Selbst wenn die Klägerin diese Leistung erbracht hätte, wäre eine lastenfreie Übertragung der durch den Vertrag UR-Nr. 47/2006 verkauften Grundstücke aber nicht möglich gewesen. Der Notar war nämlich durch Nr. II. 3.c) des Vertrages UR-Nr. 46/2006 angewiesen, den hinterlegten Kaufpreis von 12,5 Mio. € erst dann an die Gläubiger auszuzahlen, wenn ihm die Löschungsbewilligungen für sämtliche von der Klägerin nicht übernommenen Belastungen in Abteilung II und III vorlagen. Hierzu zählte auch die Eigentümergrundschuld. Insoweit konnte der Notar aber nicht von dem Vorliegen einer wirksamen Löschungsbewilligung ausgehen. Da der Grundschuldbrief nicht vorlag und sich deshalb nicht ausschließen ließ, dass die Grundschuld außerhalb des Grundbuchs an einen Dritten abgetreten worden war (vgl. §§ 1154 Abs. 1, 1192 BGB), stand nicht fest, wer Grundschuldgläubiger und damit berechtigt war, die Bewilligung gemäß § 19 GBO abzugeben. Folglich hätten aus dem Kaufpreis von 12,5 Mio. €, selbst wenn er hinterlegt worden wäre, keine Zahlungen an die Hauptgläubigerin vorgenommen werden können, was wiederum zur Konsequenz hatte, dass es der Beklagten nicht möglich war, die zu Gunsten der Hauptgläubigerin bestehenden Belastungen auf den mit dem Vertrag UR-Nr. 47/2006 verkauften Grundstücken zur Löschung zu bringen.
bb) Dass das Leistungshindernis im Hinblick auf das für den Grundschuldbrief eingeleitete Aufgebotsverfahren (§§ 1162, 1192 BGB) voraussichtlich ein vorübergehendes war, ist unerheblich. Der Vorschrift des § 321 Abs. 2 BGB, die dem Vorleistungspflichtigen ein Rücktrittsrecht einräumt, wenn der andere Teil nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist Zug um Zug gegen die Leistung nach seiner Wahl die Gegenleistung bewirkt oder Sicherheit geleistet hat, lässt sich entnehmen, dass der Vorleistungsverpflichtete keinen den vertraglichen Vereinbarungen widersprechenden Schwebezustand hinnehmen muss, der Anspruch des Vorleistungsverpflichteten also auch dann im Sinne der Vorschrift gefährdet ist, wenn infolge des Leistungshindernisses zu befürchten steht, dass die Gegenleistung nicht rechtzeitig erbracht werden wird.
So liegt es auch hier. Da die Nutzungen der Grundstücke, insbesondere die Mieterträge, nach der Einzahlung des Kaufpreises auf das Notaranderkonto auf die Klägerin übergehen sollten, dies aber nicht zu verwirklichen war, weil es dem Notar angesichts der genannten Hindernisse nicht möglich war, die Hauptgläubigerin zu befriedigen und so die Aufhebung der Zwangsverwaltungen zu erreichen, entsprach ein mehrmonatiger Schwebezustand, in dem die Klägerin den Kaufpreis hätte vorhalten müssen, ohne die Mieterträge zu dessen Finanzierung einsetzen zu können, nicht den vertraglichen Vereinbarungen. Eine andere Beurteilung folgt nicht aus den von der Revision herangezogenen Ausführungen in der Senatsentscheidung BGHZ 174, 61, 68 (Rdn. 25); denn diese betreffen die Vorschrift des § 275 Abs. 1 BGB, also die Frage der dauernden Unmöglichkeit einer Leistung.
cc) Entgegen der Auffassung der Revision schadet es schließlich nicht, dass sich die Klägerin erstmals Ende August 2006 auf ein Leistungsverweigerungsrecht wegen der Gefährdung ihres Gegenleistungsanspruchs berufen hat. Allerdings ist umstritten, ob schon das Bestehen des Einrederechts gemäß § 321 Abs. 1 Satz 1 BGB den Verzug des Vorleistungsverpflichteten ausschließt oder ob es hierfür der Erhebung der Einrede bedarf.
(1) Ein Teil der Literatur nimmt eine den Verzugseintritt hindernde Wirkung der Unsicherheitseinrede erst dann an, wenn der Vorleistungspflichtige seine Absicht, die ihm obliegende Leistung wegen der Gefährdung der Gegenleistung zu verweigern, dem Vorleistungsberechtigten mitgeteilt und diesem damit Gelegenheit gegeben hat, die Gegenleistung zu bewirken oder Sicherheit zu leisten und so das Leistungsverweigerungsrecht des Vorleistungspflichtigen auszuräumen (Soergel/Gsell, BGB, 13. Aufl., § 321 Rdn. 49; ebenso für § 321 BGB a.F.: Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 15 IV 6 a; U. Huber, Leistungsstörungen, Band I, § 13 II 5; H. Roth, Die Einrede des Bürgerlichen Rechts, S. 192).
(2) Für § 321 BGB a.F. hat der Senat demgegenüber angenommen, dass der bloße Bestand der Einrede einen Verzug des einredeberechtigten Vertragsteils ausschließt (Urt. v. , V ZR 21/58, WM 1959, 624, 625; ebenso schon RGZ 51, 170, 171 f.; offen gelassen von , WM 1961, 1372, 1373; ebenso Soergel/Wiedemann, BGB, 12. Aufl., § 321 Rdn. 37; Kast, Die Einrede des nichterfüllten Vertrages, S. 110). Hieran hält er auch nach der Neufassung der Vorschrift fest (ebenso Staudinger/Otto, BGB [2004], § 321 Rdn. 35; Bamberger/Roth/Grothe, BGB, 2. Aufl., § 321 Rdn. 9; Jauernig/Stadler, BGB, 13. Aufl., § 321 Rdn. 7; differenzierend MünchKomm-BGB/Emmerich, 5. Aufl., § 321 Rdn. 23 u. PWW/Medicus, BGB, 4. Aufl., § 321 Rdn. 10).
Die Unsicherheitseinrede des § 321 BGB betrifft Leistungspflichten aus gegenseitigen Verträgen, also solche, die von vornherein in wechselseitiger Abhängigkeit von einander stehen. Dieses Gegenseitigkeitsverhältnis ist der Grund dafür, dass schon das Bestehen der Einrede des nichterfüllten Vertrages (§ 320 BGB) nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und nahezu einhelliger Ansicht im Schrifttum den Eintritt des Schuldnerverzugs hindert (Senat, BGHZ 113, 232, 236; 116, 244, 249; Urt. v. , V ZR 190/02, NJW-RR 2003, 1318 f.; , NJW-RR 2007, 325, 327 f.; Urt. v. , LwZR 6/05, NJW 2007, 1269, 1272; MünchKomm-BGB/Emmerich, BGB, 5. Aufl., § 320 Rdn. 46; Staudinger/Otto, BGB [2004], § 320 Rdn. 46, jeweils m.w.N.). Entsprechendes gilt für das Einrederecht aus § 321 BGB. Die Verpflichtung zu einer Vorleistung betrifft lediglich die Modalitäten der Vertragsdurchführung und hebt die wechselseitige Abhängigkeit der Leistungspflichten aus dem gegenseitigen Vertrag nicht auf.
(3) Allerdings ist zu bedenken, dass der Vorleistungsberechtigte nicht immer zu erkennen vermag, ob die Vorleistung wegen einer Gefährdung des Gegenleistungsanspruchs zurückgehalten wird. Nur wenn er dies weiß, kann er aber von der ihm durch § 321 Abs. 1 Satz 2 BGB eingeräumten Möglichkeit Gebrauch machen, die Einrede durch Sicherheitsleistung oder durch das Bewirken seiner Leistung abzuwenden (so zutreffend Soergel/Gsell, BGB, 13. Aufl., § 321 Rdn. 49). Das zwingt indes nicht dazu, die aus dem Bestehen der Einrede folgenden Wirkungen abweichend von § 320 BGB zu behandeln. Die Interessen des Vorleistungsberechtigten werden dadurch gewahrt, dass es dem anderen Vertragsteil auf Nachfrage oder auf eine Aufforderung zur Leistung hin obliegt, den Grund der Leistungsverweigerung zu nennen (vgl. Staudinger/Otto, BGB [2004], § 321 Rdn. 35 a.E. u. 36). Erfährt der Vorleistungsberechtigte, dass die Vorleistung wegen Gefährdung der Gegenleistung zurückgehalten wird, hat er Gelegenheit, die Einrede abzuwenden. Äußert sich sein Vertragspartner nicht, kann er nach § 323 Abs. 1 BGB vorgehen und sich von dem Vertrag lösen. Dem Vorleistungsverpflichteten ist es dann verwehrt, nachträglich die Einrede des § 321 BGB zu erheben; dies folgt aus dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB).
Entgegen der Ansicht der Revision ist daher keine "unbefristete Schwebelage" bei dem Vollzug des Vertrages zu befürchten. Der Vorleistungsberechtigte kann, wenn die Gegenseite die Vorleistung nicht erbringt und sich nicht spätestens mit der Leistungsaufforderung gemäß § 323 Abs. 1 BGB auf die Einrede des § 321 Abs. 1 BGB beruft, von dem Vertrag zurücktreten. Umgekehrt ist es dem Vorleistungsverpflichteten, dessen Gegenleistung gefährdet ist, möglich, den Schwebezustand zu beenden, indem er dem Vorleistungsberechtigten eine angemessene Frist bestimmt, in welcher dieser Zug um Zug gegen die Leistung nach seiner Wahl die Gegenleistung zu bewirken oder Sicherheit zu leisten hat; nach erfolglosem Ablauf der Frist kann er sich von dem Vertrag lösen (§ 321 Abs. 2 BGB).
(4) In dem hier zu beurteilenden Sachverhalt ist es der Klägerin schon deshalb möglich, sich nachträglich auf die Einrede des § 321 Abs. 1 Satz 1 BGB zu berufen, weil der Beklagten das aus der Nichtauffindbarkeit des Grundschuldbriefs folgende (zeitweilige) Leistungshindernis und die damit verbundene Gefährdung des Gegenleistungsanspruchs der Klägerin bekannt waren. Die Beklagte macht im Übrigen auch nicht geltend, dass sie die Einrede, hätte die Klägerin sie bereits vor der vereinbarten Fälligkeit der Kaufpreiszahlung erhoben, durch Sicherheitsleistung oder durch Erbringung der Gegenleistung hätte abwenden wollen.
Widerklage
Das Berufungsgericht nimmt ferner zu Recht an, dass die Widerklage unbegründet ist. Verzugszinsen wegen verspäteter bzw. unterbliebener Einzahlung der geschuldeten Kaufpreise kann die Beklagte nicht verlangen, weil der Klägerin aus den zu II. 2. b) dargelegten Gründen hinsichtlich aller drei Verträge ein Leistungsverweigerungsrecht zustand und sie sich daher mit der Erbringung ihrer Vorleistung nicht in Verzug befand. Demgemäß ist die Anzahlung der Klägerin von 300.000 € auch nicht nach Nr. II. 9. des Vertrags UR-Nr. 47/2006 oder entsprechender Vereinbarungen in den beiden anderen Verträgen verfallen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstelle(n):
BB 2010 S. 386 Nr. 8
NJW 2010 S. 1272 Nr. 18
NJW 2010 S. 8 Nr. 8
XAAAD-37276