BAG Urteil v. - 10 AZR 103/09

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: Tarifvertrag über eine Zuwendung vom zwischen der Pro Seniore Consulting und Conception für Senioreneinrichtungen AG und ver.di § 3

Instanzenzug: LAG Berlin-Brandenburg, 18 Sa 1279/08 vom LAG Berlin-Brandenburg, 18 Sa 1771/08 vom ArbG Berlin, 36 Ca 1131/08 vom Veröffentlichungen: Für die Amtliche Sammlung: Nein

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über die Höhe einer tariflichen Zuwendung für die Monate November 2007 bis Oktober 2008.

Die Klägerin ist staatlich geprüfte Krankenpflegehelferin und Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Sie ist seit dem für die Beklagte tätig. Zwischen der Muttergesellschaft der Beklagten, der Pro Seniore Consulting und Conception für Senioreneinrichtungen AG, und ver.di wurden am ein Manteltarifvertrag (im Folgenden: MTV), ein Vergütungstarifvertrag (im Folgenden: VTV) sowie ein Tarifvertrag über eine Zuwendung (im Folgenden: ZTV) vereinbart.

§ 3 ZTV regelt die Höhe der Zuwendung wie folgt:

"(1) Die Höhe der Zuwendung beträgt 82 % (für Beschäftigte nach § 13 Abs. 2 des Manteltarifvertrages) bzw. 65 % (für Beschäftigte nach § 13 Abs. 3 des Manteltarifvertrages) der Bemessungsgrundlage.

(2) Bemessungsgrundlage ist die Vergütung die dem Arbeitnehmer für den Monat September zustand oder zugestanden hätte, wenn er gearbeitet hätte.

...

(5) Die Zuwendung gem. § 3 Abs. 1 wird in zwölf gleichen monatlichen Beträgen für jeden vollen Beschäftigungsmonat gezahlt. Beginn der Zahlung ist jeweils der November des Kalenderjahres.

..."

Nach § 12a Abs. 1 MTV besteht die Vergütung des Angestellten aus der Grundvergütung, dem Ortszuschlag und der allgemeinen Zulage, deren Beträge nach Abs. 2 in einem besonderen Tarifvertrag (VTV) vereinbart werden. Nach § 13 MTV richtet sich die Höhe der Vergütung nach den Vergütungstabellen. Diese sind als Anlage 1 bis 4 zum VTV vereinbart und weisen die Höhe der Vergütung, des Ortszuschlags und der allgemeinen Zulage aus. Nach § 10 Abs. 1 MTV erhält der Arbeitnehmer neben seiner Vergütung (§ 13) der Höhe nach näher bestimmte Zuschläge.

Die Verdienstabrechnung der Klägerin für den Monat September 2007 weist neben einer Grundvergütung, einem Ortszuschlag und einer allgemeinen Zulage einen Nachtzuschlag von 77,50 Euro, einen Sonntagszuschlag von 24,00 Euro und einen Zeitzuschlag Urlaub in Höhe von 152,15 Euro aus. Die Beklagte hat an die Klägerin im Zeitraum November 2007 bis Oktober 2008 monatlich eine gezwölftelte Sonderzuwendung in Höhe von 162,04 Euro brutto ohne Berücksichtigung der im September 2007 gezahlten Nacht-, Sonntags- und Zeitzuschläge gezahlt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, Bemessungsgrundlage der Zuwendung nach § 3 Abs. 2 ZTV sei der gesamte im Monat September 2007 gezahlte Lohn einschließlich aller Zuschläge. Sie hat, soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse, beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 207,84 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter zeitlicher Staffelung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und die Auffassung vertreten, Bemessungsgrundlage der Zuwendung sei lediglich die in § 12a MTV geregelte Vergütung.

Die Vorinstanzen haben dem genannten Klageantrag stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht beschränkt auf den Anspruch auf Zuwendung zugelassenen Revision greift die Beklagte das Urteil insoweit an und begehrt Klageabweisung.

Gründe

Die Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben dem Klageantrag, soweit er in der Revisionsinstanz noch anhängig ist, zu Unrecht entsprochen.

I. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus § 3 Abs. 1 ZTV für die Monate November 2007 bis Oktober 2008 in dem zwischen den Parteien noch streitigen Umfang.

1. Der ZTV, der MTV und der VTV finden kraft beiderseitiger Tarifbindung nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Die Beklagte ist Tarifvertragspartei dieser Tarifverträge, welche die Pro Seniore Consulting und Conception für Senioreneinrichtungen AG in Vertretung auch für sie mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossen hat (vgl. - BAGE 124, 240, 245 ff.).

2. Für den Streitzeitraum bestehende Zuwendungsansprüche nach § 3 Abs. 1 ZTV sind durch Zahlung erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB) bzw. der Klägerin rechtskräftig zugesprochen worden. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht. Die der Klägerin im September 2007 gezahlten Zuschläge sind nicht nach § 3 Abs. 2 ZTV Teil der Bemessungsgrundlage der Zuwendung.

a) Zwar lässt der Wortlaut von § 3 Abs. 2 ZTV ("die Vergütung") auch eine Auslegung der Norm zu, dass im Monat September gezahlte Zuschläge in die Bemessungsgrundlage einfließen können. Der Begriff "Vergütung" bedeutet nach allgemeinem Verständnis "Bezahlung" oder "Entlohnung". "Bezahlt" worden sind der Klägerin auch Zuschläge.

b) Der Wortlaut ist jedoch nicht eindeutig. Er steht einer Auslegung nicht entgegen, dass Bemessungsgrundlage der Zuwendung nach § 3 Abs. 2 ZTV lediglich die Vergütung nach § 12a MTV, bestehend aus Grundvergütung, Ortszuschlag und allgemeiner Zulage ist. Für diese Auslegung spricht der tarifliche Gesamtzusammenhang.

c) Die Tarifvertragsparteien differenzieren in den Bestimmungen des MTV sowie des VTV nahezu durchgängig zwischen einer "Vergütung" und einem "Zuschlag".

aa) Beide Tarifverträge sind zur Auslegung im Rahmen des tariflichen Gesamtzusammenhangs heranzuziehen. Sie sind zeitgleich mit dem ZTV vereinbart worden. Der ZTV nimmt zudem in § 1 und § 3 Abs. 1 auf den MTV Bezug. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass Tarifvertragsparteien von einheitlichen Begrifflichkeiten ausgehen und sie dementsprechend angewendet wissen wollen ( - EzA TVG § 4 Druckindustrie Nr. 34). Dies gilt erst recht, wenn die Tarifverträge wie vorliegend zeitgleich verhandelt und vereinbart worden sind.

bb) § 12a MTV definiert für die Tarifverträge den Begriff der "Vergütung". Danach besteht die Vergütung aus der Grundvergütung, dem Ortszuschlag und der allgemeinen Zulage. Die Höhe ergibt sich nach § 13 Abs. 1 MTV aus den Vergütungstabellen. In den Anlagen 1 bis 4 zu § 2 VTV werden die Grundvergütung, der Ortszuschlag und die allgemeine Zulage ausgewiesen. Zuschläge sind dagegen in § 10 MTV separat geregelt. Nach § 10 Abs. 1 MTV erhält der Arbeitnehmer ausdrücklich "neben seiner Vergütung (§ 13)" Zuschläge. Diese begriffliche Differenzierung zwischen einer "Vergütung" und einem "Zuschlag" spricht dafür, dass Bemessungsgrundlage der Zuwendung nach § 3 Abs. 2 ZTV die Vergütung nach §§ 12a, 13 MTV ist.

cc) Für eine Zuschläge einbeziehende Auslegung des Vergütungsbegriffs finden sich keine durchgreifenden Anhaltspunkte. Zwar ist nach § 13a MTV (Berechnung und Auszahlung der Vergütung) "die Vergütung" für den Kalendermonat zu berechnen und spätestens am fünften Werktag eines jeden Monats (Zahltag) für den vergangenen Monat nach dort näher bestimmten Modalitäten zu zahlen. Die gemeinsame Regelung der Fälligkeit sowie der Zahlungsmodalitäten der Vergütung nach § 13 MTV und der Zuschläge nach § 10 MTV lassen aber keinen Rückschluss auf einen auch im Übrigen einheitlichen tariflichen Vergütungsbegriff zu.

Lediglich in § 17 Abschn. I Abs. 3 Buchst. b und § 19 Abs. 1 Buchst. b MTV ist in Bezug auf die Berechnung der Krankenbezüge und der Urlaubsvergütung von einer "Vergütung für Überstunden-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit gemäß § 10" die Rede. Auch in diesem Zusammenhang nennt der MTV aber in erster Linie die "Vergütung gemäß § 13" (§ 17 Abschn. I Abs. 3 Buchst. a und § 19 Abs. 1 Buchst. a MTV).

Für die Berechnung der Urlaubs- und Krankenvergütung stellt der MTV zudem auf einen Referenzzeitraum von zwölf Monaten ab (§ 17 Abschn. I Abs. 3, § 19 Abs. 1 MTV). Weil unstete Vergütungsbestandteile in die Bemessungsgrundlage einfließen, definiert der Tarifvertrag einen Referenzzeitraum, der Zufälligkeiten in der Vergütungsberechnung ausschließt. Es ist fernliegend, dass die Bemessungsgrundlage der Zuwendung demgegenüber von der Zufälligkeit der Dienstplaneinteilung abhängig gemacht werden sollte. Eine solche Auslegung entspräche auch nicht einer sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren tariflichen Regelung.

dd) Soweit § 3 Abs. 2 ZTV als Bemessungsgrundlage der Zuwendung die Vergütung heranzieht, die dem Arbeitnehmer zugestanden hätte, wenn er gearbeitet hätte, ergibt sich daraus kein anderes Ergebnis. Die Krankenbezüge nach § 17 MTV und die Urlaubsvergütung nach § 19 MTV, in deren Berechnung nach § 17 Abschn. I Abs. 3 MTV bzw. § 19 Abs. 1 MTV die Zuschläge für Überstunden-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit nach § 10 MTV einfließen, sollten gerade nicht maßgebend für die Berechnung der Höhe der Zuwendung sein.

3. Ohne Einbezug der im September 2007 gezahlten Zuschläge ergibt sich ein Differenzbetrag zulasten der Klägerin iHv. monatlich 17,32 Euro zuzüglich darauf entfallender Zinsen für die Monate November 2007 bis Oktober 2008. In Höhe von insgesamt 207,84 Euro brutto zuzüglich darauf entfallender Zinsen war das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und im Tenor in Ziffer I 2 klarstellend neu zu fassen.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Unter Berücksichtigung des weiteren Obsiegens der Beklagten ändert sich die Kostenquote der instanzgerichtlichen Entscheidungen um 1 % zugunsten der Beklagten.

Fundstelle(n):
BAAAD-37253