Leitsatz
Leitsatz:
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Instanzenzug: VG Berlin, VG 24 V 22.07 vom Veröffentlichungen: Amtliche Sammlung: nein; Fachpresse: nein
Gründe
I
Die am bzw. am geborenen Klägerinnen sind mazedonische Staatsangehörige und leben bei ihrem Großvater in Mazedonien. Sie begehren die Erteilung von Visa zum Zweck des Familiennachzugs zu ihrem in Deutschland lebenden Vater, der Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina ist. Die Ehe der Eltern der Klägerinnen wurde im April 2003 vom Amtsgericht Gostivar in Mazedonien geschieden. In dem Scheidungsurteil wurden Obhut, Versorgung, Erziehung und Unterhalt der Klägerinnen ihrem Vater zugesprochen, da die Mutter hierzu nicht in der Lage sei.
Der Vater der Klägerinnen war bereits im Februar 2002 nach Deutschland eingereist und heiratete nach seiner Scheidung eine deutsche Staatsangehörige. Ihm wurde daraufhin eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug und im Juli 2008 eine Niederlassungserlaubnis erteilt.
Unter dem beantragten die Klägerinnen bei der deutschen Botschaft in Skopje Visa zum Familiennachzug zu ihrem Vater. Die Botschaft lehnte die Anträge mit Bescheid vom ab, nachdem die Ausländerbehörde der Stadt Offenbach ihre Zustimmung verweigert hatte. Die Klägerinnen hätten keinen Nachzugsanspruch nach § 32 Abs. 3 AufenthG, da eine vollständige Übertragung des Sorgerechts auf ihren Vater nicht vorliege und im mazedonischen Familienrecht auch nicht vorgesehen sei. Härtefallgründe (vgl. § 32 Abs. 4 AufenthG) seien weder vorgetragen noch erkennbar. Das (nach § 20 AuslG i.V.m. § 104 Abs. 3 AufenthG eröffnete) Ermessen werde unter Berücksichtigung des Kindeswohls zu Lasten der Klägerinnen ausgeübt. Die Integration der Klägerinnen in die deutschen Lebensverhältnisse sei nicht aussichtsreich. Sie seien im Ausland aufgewachsen und der deutschen Sprache nicht mächtig. Es entspräche nicht dem Kindeswohl, sie aus dieser gewohnten Umgebung herauszureißen.
Dagegen haben die Klägerinnen Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin erhoben und Unterlagen zu den Einkünften ihres Vaters und seiner Ehefrau vorgelegt.
Mit Urteil vom hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Erteilung von Visa an die Klägerinnen verpflichtet. Es hat einen Nachzugsanspruch der Klägerinnen aufgrund einer entsprechenden Anwendung von § 32 Abs. 3 AufenthG bejaht. Zur Begründung hat es unter weitgehender Bezugnahme auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom - OVG 12 B 2.05 - im Wesentlichen ausgeführt: Es spreche zwar Einiges dafür, dass der Vater der Klägerinnen nach mazedonischem Familienrecht trotz der durch das Urteil des Amtsgerichts Gostivar erfolgten Sorgerechtsübertragung nicht einem personensorgeberechtigten Elternteil im Sinne von § 1631 BGB gleichzustellen sei, weil dem mazedonischen Recht die Ausübung der Personensorge durch nur einen Elternteil grundsätzlich fremd sei. Diese Frage brauche aber nicht abschließend geklärt zu werden. Selbst wenn ein alleiniges Personensorgerecht aus im mazedonischen Recht liegenden Gründen zu verneinen sein sollte, sei § 32 Abs. 3 AufenthG jedenfalls entsprechend anwendbar. Es stelle eine vom Gesetzgeber weder gesehene noch gewollte Regelungslücke dar, alle einem bestimmten Staat angehörenden Kinder von einem Anspruch auf Nachzug zu einem im Bundesgebiet lebenden Elternteil auszuschließen, wenn dies allein darauf beruhe, dass das Recht des Heimatstaates nur eine partielle und keine vollständige Sorgerechtsübertragung auf einen Elternteil kenne. Das Gesetzgebungsverfahren lege nahe, dass sich der Gesetzgeber bei der Formulierung in § 32 Abs. 3 AufenthG von der deutschen Rechtslage habe leiten lassen. Danach könne das Personensorgerecht vollständig auf einen Elternteil übertragen werden, während dem anderen Elternteil in der Regel lediglich ein Umgangsrecht zustehe. Der Gesetzgeber habe nicht in Erwägung gezogen, dass er damit ganze Nationen ohne eine vergleichbare Regelung von einem Anspruch auf Kindernachzug ausschließe. Nach den vorläufigen Anwendungshinweisen des Bundesministeriums des Innern müsse der hier lebende Elternteil ausnahmsweise nicht sorgeberechtigt sein, wenn die Sorgerechtsübertragung insbesondere wegen der Rechtsordnung des Herkunftsstaates aussichtslos erscheine. In diesen Fällen auf die Härteregelung in § 32 Abs. 4 AufenthG zurückzugreifen, sei nicht sachgerecht. Die hier in Rede stehende Fallkonstellation sei jedenfalls dann mit dem in § 32 Abs. 3 AufenthG geregelten Sachverhalt vergleichbar, wenn dem im Bundesgebiet lebenden Elternteil das Sorgerecht im größtmöglichen Umfang übertragen worden sei. Die Klägerinnen erfüllten schließlich auch die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung der Visa. Insbesondere sei die Sicherung des Lebensunterhalts gewährleistet, und es stehe ausreichender Wohnraum zur Verfügung.
Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision wendet sich die Beklagte gegen eine analoge Anwendung des § 32 Abs. 3 AufenthG auf Fälle, in denen nach der Rechtsordnung des Heimatstaates eine vollständige Übertragung des Sorgerechts nicht möglich ist.
Die Klägerinnen haben sich im Revisionsverfahren zur Sache nicht geäußert.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich am Verfahren beteiligt.
II
Die Sprungrevision der Beklagten (§ 134 Abs. 1 VwGO) ist zulässig und begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch der Klägerinnen auf Erteilung von Visa zum Zweck des Familiennachzugs zu ihrem hier lebenden Vater mit einer Begründung bejaht, die revisionsgerichtlicher Prüfung nicht standhält. Seine Annahme, ein Nachzugsanspruch der Klägerinnen ergebe sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 32 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), ist mit Bundesrecht nicht vereinbar. Mangels ausreichender Feststellungen im Urteil des Verwaltungsgerichts kann der Senat in der Sache selbst nicht abschließend entscheiden. Das Verfahren ist daher an das Verwaltungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
1. Nach § 32 Abs. 3 AufenthG ist dem minderjährigen Kind eines Ausländers, welches das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, eine Aufenthaltserlaubnis - und vor der Ausreise gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ein Visum - zu erteilen, wenn beide Eltern oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzen. Außerdem müssen zusätzlich die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels erfüllt sein (§§ 5, 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).
a) Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Nachzugsbegehren der Klägerinnen zunächst nach § 32 Abs. 3 AufenthG und nicht nach der Vorgängerregelung des § 20 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Ausländergesetz (AuslG) zu prüfen ist. Der Vater der Klägerinnen hat sich vor dem rechtmäßig in Deutschland aufgehalten, und die Klägerinnen selbst sind vor diesem Zeitpunkt geboren. Damit gilt nach § 104 Abs. 3 AufenthG hinsichtlich der personen- und familienbezogenen Nachzugsvoraussetzungen weiterhin § 20 AuslG, es sei denn das Aufenthaltsgesetz gewährt eine günstigere Rechtsposition. Dies ist hier der Fall, da § 32 Abs. 3 AufenthG bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis vermittelt, während § 20 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AuslG die Entscheidung über den Nachzug zu einem allein sorgeberechtigten Elternteil in das Ermessen der Ausländerbehörde stellt (vgl. BVerwG 1 C 32.07 - BVerwGE 131, 370 <372> Rn. 14 f.).
b) Das Verwaltungsgericht hat auch zu Recht geprüft, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen solchen Nachzugsanspruch sowohl im Zeitpunkt der Vollendung des 16. Lebensjahres der Klägerin zu 1 als auch im Zeitpunkt seiner Entscheidung vorlagen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich insoweit auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz abzustellen, als es um die Frage geht, ob schon aus Rechtsgründen eine Erlaubnis erteilt oder versagt werden muss (vgl. BVerwG 1 C 20.03 - BVerwGE 121, 86 <88> m.w.N.; zum maßgeblichen Zeitpunkt bei der Überprüfung einer Ermessensentscheidung vgl. nachfolgend zu 3. b)). Dies gilt im Grundsatz auch für den Nachzugsanspruch von Kindern. Sofern diese Ansprüche allerdings an eine Altersgrenze geknüpft sind - wie hier die Vollendung des 16. Lebensjahres -, ist für die Einhaltung der Altersgrenze ausnahmsweise auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen (stRspr, zuletzt BVerwG 1 C 17.08 -, InfAuslR 2009, 270 zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen, Rn. 10 m.w.N., ebenso Urteile vom gleichen Tag in den Verfahren BVerwG 1 C 28.08, [...] Rn. 11 und BVerwG 1 C 29.08, [...] Rn. 13). Wenn die Altersgrenze im Laufe des Verfahrens überschritten wird, folgt daraus, dass die übrigen Anspruchsvoraussetzungen spätestens auch im Zeitpunkt des Erreichens der Altersgrenze vorgelegen haben müssen. Nach diesem Zeitpunkt eingetretene Sachverhaltsänderungen zugunsten des Betroffenen können grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Insoweit bedarf es mithin bei Anspruchsgrundlagen, die eine Altersgrenze enthalten, die der Betroffene im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Verhandlung oder Entscheidung überschritten hat, einer auf zwei unterschiedliche Zeitpunkte bezogenen Doppelprüfung (vgl. ebenfalls Urteile vom a.a.O. und vom - BVerwG 1 C 32.07 - BVerwGE 131, 370 <374> Rn. 17).
c) Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts kann ein Nachzugsanspruch der Klägerinnen allerdings nicht auf eine entsprechende Anwendung von § 32 Abs. 3 AufenthG gestützt werden. Zwar ist die in der Vorschrift vorgeschriebene Altersgrenze von 16 Jahren eingehalten, weil die Klägerinnen zum Zeitpunkt der Antragstellung im Februar 2007 das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten. Auch verfügte der Vater der Klägerinnen zu den nach den vorstehenden Ausführungen maßgeblichen Zeitpunkten über die erforderliche Aufenthalts- bzw. Niederlassungserlaubnis. Das Verwaltungsgericht hat jedoch nicht festgestellt, dass der Vater der Klägerinnen - wie nach § 32 Abs. 3 AufenthG erforderlich - der allein personensorgeberechtigte Elternteil war. Es hat die Frage, ob dem insoweit maßgeblichen mazedonischen Recht die Ausübung der Personensorge durch nur einen Elternteil grundsätzlich fremd ist, vielmehr im Ergebnis offen gelassen, weil nach seiner Auffassung die Vorschrift in diesem Fall jedenfalls entsprechend anzuwenden ist, wenn dem im Bundesgebiet lebenden Elternteil nach dem Recht des Heimatstaates des Kindes das Sorgerecht in dem größtmöglichen Umfang übertragen worden ist.
Dieser Auffassung ist der Senat bereits mit BVerwG 1 C 17.08 - (InfAuslR 2009, 270 zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen, Rn. 19 ff.; ebenso Urteile vom gleichen Tag in den Verfahren BVerwG 1 C 28.08 und BVerwG 1 C 29.08) entgegengetreten. Für eine analoge Anwendung des § 32 Abs. 3 AufenthG in diesen Fällen fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. Die Problematik, dass das Recht einzelner Herkunftsstaaten eine vollständige Übertragung der Personensorge auf einen Elternteil nicht kennt, ist dem Gesetzgeber spätestens bei der Novellierung des Aufenthaltsgesetzes durch das Richtlinienumsetzungsgesetz im August 2007 bekannt gewesen, er hat jedoch wegen der bestehenden Möglichkeit, in Härtefällen einen Nachzug im Ermessenswege zu gestatten, keinen Handlungsbedarf gesehen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird insoweit auf das Urteil des Senats vom - BVerwG 1 C 17.08 - a.a.O. Bezug genommen.
2. Das Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich aufgrund der darin getroffenen Feststellungen auch nicht bereits aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).
a) Ein Nachzugsanspruch der Klägerinnen in unmittelbarer Anwendung von § 32 Abs. 3 AufenthG kann aufgrund dieser Feststellungen nicht bejaht werden. Denn es kann nicht abschließend beurteilt werden, ob der Vater der Klägerinnen allein personensorgeberechtigt im Sinne dieser Bestimmung ist. Dieser Begriff ist mit Blick auf Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl EG Nr. 1 251 S. 12) - sog. Familienzusammenführungsrichtlinie - gemeinschaftsrechtlich auszulegen. Im Sinne dieser Bestimmung besitzt ein Elternteil das Sorgerecht nur, wenn er "allein" sorgeberechtigt ist, dem anderen Elternteil also bei der Ausübung des Sorgerechts keine substanziellen Mitentscheidungsrechte und -pflichten zustehen, etwa in Bezug auf Aufenthalt, Schule und Ausbildung oder Heilbehandlung des Kindes. Wegen der Einzelheiten dieser Auslegung wird ebenfalls auf das BVerwG 1 C 17.08 - a.a.O. Rn. 12 ff. verwiesen.
Ob der Vater der Klägerinnen - gemessen an diesen Maßstäben - die wesentlichen Entscheidungsrechte in Bezug auf die Person der Klägerinnen allein und ungeteilt besitzt, lässt sich den Feststellungen im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom - OVG 12 B 2.05 - über die insoweit maßgebliche Rechtslage in Mazedonien, die sich das Verwaltungsgericht in der hier angefochtenen Entscheidung zu eigen gemacht hat, nicht hinreichend eindeutig entnehmen (vgl. auch das ebenfalls die mazedonische Rechtslage betreffende BVerwG 1 C 28.08 - [...] Rn. 16). Da die Ermittlung des ausländischen Rechts den Tatsachengerichten vorbehalten ist, kann der Senat insoweit nicht zu einer abschließenden Entscheidung gelangen.
b) Ein Anspruch auf Erteilung von Visa kann aufgrund der bisherigen Feststellungen des Verwaltungsgerichts auch nicht aus § 20 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AuslG (i.V.m. § 104 Abs. 3 AufenthG) hergeleitet werden. Die besonderen tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind zwar erfüllt. Die Erteilung eines Visums nach dieser Bestimmung liegt aber im Ermessen der Behörde. Ein Nachzugsanspruch würde deshalb nur im Fall einer Ermessensreduzierung auf Null bestehen. Ob eine solche Ermessensreduzierung vorliegt, ist hinsichtlich der Klägerin zu 1 anhand der Sachlage im maßgeblichen Zeitpunkt der Vollendung des 16. Lebensjahres und in dem außerdem maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu beurteilen. Hinsichtlich der Klägerin zu 2, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist allein auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzustellen. Mangels ausreichender Feststellungen des Verwaltungsgerichts insbesondere zu der Betreuungssituation der Klägerinnen in Mazedonien und in Deutschland kann der Senat eine solche Ermessensreduzierung nicht abschließend prüfen oder gar bejahen.
c) Entsprechendes gilt für die ferner liegenden, aber auch noch nicht vom Verwaltungsgericht geprüften Anspruchsgrundlagen nach § 20 Abs. 4 Nr. 1 und 2 AuslG (i.V.m. § 104 Abs. 3 AufenthG), bei denen es schon hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen an ausreichenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts fehlt. Auch insoweit kommt daher nur eine Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht in Betracht.
3.a) In dem erneuten erstinstanzlichen Verfahren wird zunächst zu prüfen sein, ob dem Vater der Klägerinnen nach mazedonischem Recht die alleinige Personensorge für die Klägerinnen im Sinne von § 32 Abs. 3 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Familienzusammenführungsrichtlinie übertragen worden ist. Hinsichtlich der gemeinschaftsrechtlichen Auslegung dieses Begriffs sind dabei die in der Leitentscheidung des Senats vom - BVerwG 1 C 17.08 - a.a.O. aufgeführten Grundsätze zu beachten. Falls danach ein alleiniges Sorgerecht des Vaters der Klägerinnen zu bejahen ist, müsste weiter geprüft werden, ob die Regelerteilungsvoraussetzung der Lebensunterhaltssicherung und das Erfordernis ausreichenden Wohnraums im Zeitpunkt der Vollendung des 16. Lebensjahres der Klägerin zu 1 (sowie gegebenenfalls auch der Klägerin zu 2) und auch noch im Zeitpunkt der erneuten gerichtlichen Entscheidung erfüllt sind. Dabei wären dann insbesondere auch eine zwischenzeitliche Trennung des Vaters der Klägerinnen von seiner Ehefrau und die daraus folgenden Änderungen seiner finanziellen Belastungen sowie der Wohnverhältnisse zu berücksichtigen. Soweit das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf Berechnungen der damaligen Beigeladenen vom 7. und davon ausgeht, der Lebensunterhalt sei in den dafür maßgeblichen Zeitpunkten gesichert gewesen, bemerkt der Senat, dass diese Annahme auf unzureichenden tatsächlichen Feststellungen beruhen dürfte. Der Schriftsatz vom , in dem die damalige Beigeladene den Lebensunterhalt erstmals als gesichert ansieht, enthält keinerlei Berechnungen, sondern nimmt auf die vom Vater der Klägerinnen und seiner Ehefrau vorgelegte Stellungnahme und vorläufigen Einnahmeüberschussrechnungen vom 1. Januar bis Bezug. Danach bleibt insbesondere unklar, von welchem Einkommen das Gericht und die damalige Beigeladene ausgegangen sind. Denn den vorgelegten Unterlagen lässt sich nicht ausreichend deutlich und belegbar entnehmen, ob und in welcher Höhe über die erwirtschafteten Jahresüberschüsse hinausgehende Einkünfte in den maßgeblichen Zeitpunkten nachhaltig erzielt wurden und damit auch für die Zukunft prognostiziert werden konnten. Gegebenenfalls wird bei mangelnder Sicherung des Lebensunterhalts auch zu entscheiden sein, ob ein Ausnahmefall vorliegt, der ein Absehen von der Regel nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gebietet.
b) Sollte das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangen, dass ein Nachzugsanspruch der Klägerinnen in unmittelbarer Anwendung von § 32 Abs. 3 AufenthG nicht besteht, wird es weiter prüfen müssen, ob die Klägerinnen einen Anspruch auf Erteilung von Visa oder zumindest einen Anspruch auf erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihre Visumsanträge nach § 20 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AuslG oder § 20 Abs. 4 AuslG haben. Dies erfordert, dass die Klägerinnen die jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums erfüllen, zu denen u.a. auch die Sicherung des Lebensunterhalts und das Vorhandensein ausreichenden Wohnraums gehören, und dass das Ermessen der Beklagten entweder zugunsten der Klägerinnen auf Null reduziert ist oder die Beklagte ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat, so dass insoweit zumindest ein Neubescheidungsanspruch besteht.
Bei der Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen wird das Verwaltungsgericht zu beachten haben, dass diese sowohl im Zeitpunkt der erneuten Verhandlung oder Entscheidung des Verwaltungsgerichts als auch im Zeitpunkt des Erreichens der jeweils maßgeblichen Altersgrenze erfüllt sein müssen. Dies ist bei § 20 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AuslG der Zeitpunkt der Vollendung des 16. Lebensjahres, bei § 20 Abs. 4 AuslG der Zeitpunkt der Vollendung des 18. Lebensjahres.
Bei der gerichtlichen Überprüfung des Ermessens ist ebenfalls die Sach- und Rechtslage in dem Zeitpunkt, der für die gerichtliche Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen maßgeblich ist, zugrunde zu legen. Der Senat hat seine bisherige Rechtsprechung, nach der bei Klagen auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels für die Überprüfung der Ermessensentscheidung regelmäßig der Zeitpunkt des Erlasses der letzten behördlichen Entscheidung maßgeblich war (vgl. BVerwG 1 C 2.94 - BVerwGE 97, 301 <310> m.w.N.) mit dem bereits zitierten BVerwG 1 C 17.08 - a.a.O. aufgegeben. Wegen der Einzelheiten wird auch insoweit auf dieses Urteil Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Beschluss:
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Revisionsverfahren auf 10 000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 und § 39 GKG).
Eckertz-Höfer
Prof. Dr. Dörig
Beck
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
VAAAD-37015