BGH Beschluss v. - VI ZB 51/09

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: OLG Brandenburg, 12 U 31/09 vom LG Potsdam, 11 O 55/05 vom

Gründe

I. Der Kläger verlangt von der Beklagten Zahlung von Schmerzensgeld und die Feststellung, dass die Beklagte zum Ersatz der künftigen materiellen und immateriellen Schäden aus der ärztlichen Behandlung in ihrer Einrichtung am 25. und verpflichtet ist. Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Behandlung des Klägers durch die Ärzte der Beklagten unter medizinischen Gesichtspunkten weitgehend nicht zu beanstanden sei. Dies gelte trotz der in der Notaufnahme am unterbliebenen Untersuchung auf die genetisch bedingte Stoffwechselstörung MCAD (Medium Chain AcylCoA Dehydrogenase) und der Unterlassung einer sofortigen Wärmezufuhr nach der stationären Aufnahme am folgenden Tag. Der Kläger sei hinreichend mit Sauerstoff versorgt worden. Nicht akzeptabel und aus medizinischer Sicht unverständlich sei allerdings, dass die Ärzte der Beklagten versäumt hätten, unmittelbar nach der stationären Aufnahme die bestehende Hypoglykämie des Klägers festzustellen und Glukose zuzuführen. Jedoch habe sich dieses Versäumnis auf die gesundheitliche Situation des Klägers nicht mehr ausgewirkt. Aus dem Zustand des Klägers bei seiner Einlieferung müsse geschlossen werden, dass auch mit der früheren Gabe von Glukose dem Kläger nicht genug Kalorien zugeführt worden wären, um die Wirkung der bereits im Körper des Klägers vorhandenen Giftstoffe zu vermindern.

Gegen das am zugestellte Urteil hat der Kläger am Berufung eingelegt. Nach Verlängerung der Begründungsfrist hat er die Berufung mit Schriftsatz vom begründet. Das Berufungsgericht hat nach Erteilung eines Hinweises mit Fristsetzung zur Stellungnahme die Berufung durch den angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Die Berufungsbegründung genüge nicht den Anforderungen nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO. Sie beschränke sich auf die Wiederholung der Auffassung des Klägers, dass die Behandlung im Hause der Beklagten fehlerhaft gewesen sei, ohne jedoch konkret auf die dem Urteil zugrunde liegenden Ausführungen des Sachverständigen einzugehen und darzulegen, aufgrund welcher konkreten Anhaltspunkte im vorliegenden Fall Anlass zu einer erneuten Tatsachenfeststellung bestehe. Soweit der Kläger im Schriftsatz vom ausführlich zu den Ausführungen des Sachverständigen Stellung nehme und die Feststellungen des Sachverständigen teilweise als falsch oder widersprüchlich angreife und dazu ausführe, die fehlende bzw. nicht rechtzeitige Glukosezufuhr sei jedenfalls mitursächlich für die beim Kläger eingetretene Schädigung des Gehirns gewesen, seien diese Ausführungen nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erfolgt und könnten daher die fehlende Auseinandersetzung mit den tragenden Urteilsgründen im Rahmen der Berufungsbegründung nicht mehr heilen.

2. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig. Das Berufungsgericht versagt aufgrund von überspannten Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit der Berufungsbegründung dem Kläger den Zugang zur Berufungsinstanz. Die angefochtene Entscheidung beruht mithin auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und der Versagung wirkungsvollen Rechtsschutzes für den Beschwerdeführer (BGHZ 154, 288, 296; 159, 135, 139 f. zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).

a) § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO konkretisiert die inhaltlichen Anforderungen an die Berufungsgründe und trägt der verstärkten Funktionsdifferenzierung zwischen erster und zweiter Instanz Rechnung. Da die Berufung in erster Linie ein Instrument zur Fehlerkontrolle und Fehlerbeseitigung sein soll, muss sich sinnvoller Weise auch der Inhalt der Berufungsbegründung an dieser Zielsetzung orientieren. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und 3 ZPO sind auf das Prüfungsprogramm des § 513 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugeschnitten, § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ZPO auf das des § 513 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO. Nach § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche Gründe er ihnen entgegensetzt ( - NJW-RR 2008, 1308, 1309; Urteile vom - II ZR 16/04 - NJW-RR 2006, 499, 500; vom - IX ZR 228/02 - NJW 2003, 3345 und vom - IX ZR 389/97 - NJW 1998, 3126). Die Darstellung muss dabei auf den Streitfall zugeschnitten sein ( - NJW-RR 2007, 1363). Da das Berufungsgericht an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen grundsätzlich gebunden ist (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), muss die Berufung, die den festgestellten Sachverhalt angreifen will, eine Begründung dahin enthalten, warum die Bindung an die festgestellten Tatsachen ausnahmsweise nicht bestehen soll. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 und 4 ZPO regeln diese Anforderungen näher. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO muss der Berufungsführer konkrete Anhaltspunkte bezeichnen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche Gründe er ihnen entgegensetzt (Senat, Beschluss vom - VI ZB 81/04 - VersR 2006, 285 Rn. 8; BGHZ 162, 313, 317 f.; Beschluss vom - XI ZB 41/06 - NJW-RR 2008, 1308 Rn. 11 m.w.N.). Zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit genügt die Mitteilung der Umstände, die das Urteil aus der Sicht des Berufungsklägers in Frage stellen. Besondere formale Anforderungen werden nicht gestellt; für die Zulässigkeit der Berufung ist es insbesondere ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind (vgl. - NJW-RR 2003, 1580). Die Begründung des Beschwerdeführers genügt diesen Anforderungen.

b) In der Rechtsmittelschrift wendet er sich gegen die Würdigung des Landgerichts, dass der Beklagten ein Behandlungsfehler bei der ersten Behandlung des Klägers am in der Notfallaufnahme nicht anzulasten sei. Hierzu trägt der Beschwerdeführer vor, den Ärzten der Beklagten habe zum ersten Einlieferungszeitpunkt am bekannt sein müssen, dass im Gegensatz zu anderen Bundesländern im Lande Brandenburg bei älteren, aber auch bei im Jahr 2001 geborenen Kindern, im Rahmen der Untersuchung U1 ff. keine MCAD-Mangel-Untersuchungen über eine Stoffwechselerkrankung durchgeführt worden seien und deshalb dem Kläger in jedem Fall Flüssigkeit hätte zugeführt werden müssen. Hierfür bietet er Beweis an durch den Zeugen F. und Sachverständigengutachten. Er weist darauf hin, dass bei ausreichender Flüssigkeitszufuhr am die Krampfanfälle nicht aufgetreten wären.

Des Weiteren bemängelt der Kläger, dass das Landgericht Behandlungsfehler der Beklagten in Form von unterlassenen Maßnahmen gegen die Unterkühlung und die Sauerstoffunterversorgung nach der stationären Aufnahme des Klägers am verneint habe. Auch hierzu bietet er Beweis durch Sachverständigengutachten an.

Im Übrigen stimmt die Berufungsbegründung zwar in der Würdigung des Behandlungsgeschehens mit der im Urteil des Landgerichts überein, dass es inakzeptabel gewesen sei, dem Kläger nicht sofort nach der Aufnahme in das Krankenhaus Glykose zuzuführen. Doch behauptet der Beschwerdeführer, dass es bei rechtzeitiger richtiger Behandlung zu keiner Störung in dem nunmehr vorliegenden Ausmaße gekommen wäre und das Landgericht die damit verbundenen Leiden des Klägers verkannt habe. Mit Recht sieht die Rechtsbeschwerde darin die Rüge, dass das Landgericht unter Verkennung der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 10/96 - VersR 1997, 362 f.) eine bloße Mitursächlichkeit des groben Behandlungsfehlers für den Zustand des Klägers nicht in Erwägung gezogen habe.

c) Da mithin innerhalb der Berufungsfrist Gründe der Anfechtung genannt worden sind, ist die Berufung zulässig. Das Berufungsgericht wird danach zu prüfen haben, ob und gegebenenfalls inwieweit das Vorbringen im Schriftsatz des Klägers vom im Berufungsverfahren zu berücksichtigen ist (vgl. Senat, BGHZ 159, 245, 249).

Fundstelle(n):
UAAAD-36937