Leitsatz
Leitsatz:
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Instanzenzug: LG Hanau, 2 S 340/06 vom AG Hanau - 35 C 110/03 - 15 -
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von den Beklagten die Räumung einer Wohnung in N., die diese seit 1988 von der Klägerin gemietet haben. In der Vergangenheit hatten die Parteien mehrfach über eine erhebliche, auf Baumängeln beruhende Schimmelbildung in der Wohnung gestritten, die die Klägerin schließlich bis Juni 2002 beseitigt haben will. Mit der am zugestellten Klageschrift kündigte die Klägerin das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs fristlos. Zur Begründung führte sie unter anderem aus:
"Seit August 2002 bezahlen die Beklagten überhaupt keine Miete mehr. Sie sind somit mit wenigstens zwei Mieten im Rückstand, so dass die Klägerin hiermit von ihrem Recht zur fristlosen Kündigung Gebrauch macht und diese ausspricht."
Die Beklagten haben einen Zahlungsverzug in Abrede genommen und geltend gemacht, dass die Mangelbeseitigung erfolglos verlaufen sei, was sie auch gegenüber der Klägerin beanstandet hätten. Angesichts der Schwere der Mängel, die die Wohnung praktisch unbewohnbar gemacht hätten, könnten sie die Miete zu 100 % mindern; zumindest stehe ihnen ein Zurückbehaltungsrecht zu, das sie berechtige, die volle Miete bis zur Mangelbeseitigung zurückzuhalten.
Das Amtsgericht hat ein für die Kündigung bestehendes Begründungserfordernis als nicht gewahrt angesehen und die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils durch ein am Schluss seiner Sitzung erlassenes Protokollurteil zur Räumung verurteilt. Dieses besteht aus einer von allen an der Entscheidung mitwirkenden Mitgliedern der Berufungskammer unterzeichneten Urteilsformel, die in der Sitzungsniederschrift in Bezug genommen und ihr als Anlage unverbunden nachgeheftet ist. Das zunächst vorläufig aufgezeichnete und nach Fertigstellung nur vom Vorsitzenden der Berufungskammer und der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterschriebene Protokoll enthält - allerdings ohne Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils sowie ohne eine Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen - Darlegungen zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils. Im unmittelbaren Anschluss daran stellt es die Verkündung des aus der Anlage ersichtlichen Urteils fest. Gegen dieses (Protokoll-)Urteil wenden sich die Beklagten mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision.
Gründe
Die Revision hat Erfolg.
I. Die Revision ist schon deshalb begründet, weil das angefochtene Protokollurteil des Berufungsgerichts verfahrensfehlerhaft unter Verstoß gegen § 315 Abs. 1 Satz 1 ZPO erlassen worden ist, wonach das Urteil von den bei der Entscheidung mitwirkenden Richtern zu unterschreiben ist. Dieser von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmangel kann nach Ablauf der in § 548 ZPO bezeichneten Frist von fünf Monaten nicht mehr durch Nachholung der fehlenden Unterschriften geheilt werden. Er hat zur Folge, dass es an den für eine revisionsrechtliche Nachprüfung notwendigen Entscheidungsgründen fehlt (vgl. , NJW-RR 2007, 141, Tz. 9 f.; vom - V ZR 243/04, NJW 2006, 1881, Tz. 15 f.).
1. Wird das Urteil eines Berufungsgerichts - wie hier - in der mündlichen Verhandlung verkündet, besteht für das Berufungsgericht die Möglichkeit der Absetzung eines Protokollurteils. Für dieses ist abweichend von § 315 Abs. 2 Satz 1 ZPO eine schriftliche Begründung entbehrlich, wenn die nach § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO an die Stelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen tretenden Darlegungen bereits in das Sitzungsprotokoll aufgenommen worden sind (§ 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Das ändert aber nichts an dem in § 315 Abs. 1 Satz 1 ZPO aufgestellten Erfordernis, dass das Urteil selbst von allen an der Entscheidung mitwirkenden Richtern zu unterschreiben ist. Neben der hier nicht gewählten Möglichkeit, dass das Sitzungsprotokoll - sofern es neben den erforderlichen Darlegungen nach § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO zugleich sämtliche nach § 313 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 ZPO erforderlichen Angaben enthält - von allen mitwirkenden Richtern unterschrieben wird, kann ein Protokollurteil auch in der Weise ordnungsgemäß ergehen, dass ein Urteil, welches alle nach § 313 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 ZPO erforderlichen Bestandteile enthält, von den mitwirkenden Richtern unterschrieben und mit dem Sitzungsprotokoll verbunden wird, um so den inhaltlichen Bezug zu den in das Sitzungsprotokoll verlagerten Darlegungen nach § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO herzustellen (, NJW-RR 2007, 1567, Tz. 8 ff.; Urteil vom - XI ZR 377/06, WM 2008, 1331, Tz. 10 ff.; jeweils m.w.N.). In allen Fällen muss das Urteil zudem schon im Zeitpunkt seiner Unterzeichnung durch die mitwirkenden Richter in vollständiger Form abgefasst sein, so dass es nicht ausreicht, wenn die nach § 311 Abs. 2 ZPO für die Verkündung regelmäßig erforderliche schriftlich abgefasste Urteilsformel bereits von den mitwirkenden Richtern unterschrieben wurde und dieses Schriftstück sodann mit dem zunächst vorläufig aufgezeichneten Sitzungsprotokoll nach dessen Herstellung verbunden wird ( aaO., Tz. 11).
2. Gemessen an diesen Anforderungen ist hier ein ordnungsgemäßes Protokollurteil nicht erlassen worden. Zwar trägt die als Anlage zur vorläufigen Protokollaufzeichnung zu den Akten genommene und ihr unverbunden nachgeheftete Urteilsformel die Unterschrift aller drei bei der Entscheidungsfindung mitwirkenden Richter der Berufungskammer. Diese Anlage könnte indessen selbst im Falle ihrer - wegen Ablaufs der in § 548 ZPO bezeichneten Frist aber ebenfalls nicht mehr möglichen (vgl. aaO., Tz. 13) - Verbindung mit dem hergestellten Sitzungsprotokoll nicht zum Bestandteil eines ordnungsgemäßen Protokollurteils werden. Denn abgesehen von einer Kurzbezeichnung der Parteien und den Namen der mitwirkenden Richter fehlen darin die nach § 313 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO erforderlichen Angaben, so dass die darauf gesetzten Unterschriften nicht den ganzen notwendigen Inhalt des Urteils und ebenso wenig den Inhalt des erst anschließend fertig gestellten Protokolls decken (vgl. aaO., Tz. 12). Das endgültige Sitzungsprotokoll erfüllt die Anforderungen gleichfalls nicht. Es ist nur vom Vorsitzenden der Berufungskammer (und der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle) unterschrieben worden und enthält im Übrigen weder die nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO erforderlichen Darlegungen noch die nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO erforderliche Urteilsformel.
3. Das Berufungsurteil kann auch nicht als sogenanntes Stuhlurteil nach § 310 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 ZPO aufrechterhalten werden, weil es abgesehen von seiner Lückenhaftigkeit bei den nach § 313 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO erforderlichen Angaben entgegen § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht mit Gründen versehen ist (§ 547 Nr. 6 ZPO), sondern nur die Urteilsformel enthält (vgl. aaO., Tz. 14).
II. Der dem Berufungsgericht unterlaufene Verfahrensfehler führt - ohne dass es auf die von den Beklagten in sachlicher Hinsicht erhobenen Revisionsrügen ankäme - gemäß § 547 Nr. 6, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens auf § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Fundstelle(n):
PAAAD-36687