BAG Urteil v. - 5 AZR 774/08

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ArbZG § 4; BGB §§ 293 ff.; BGB § 615

Instanzenzug: LAG Frankfurt/Main, 5 Sa 1937/07 vom ArbG Kassel - 3 Ca 300/07 - Veröffentlichungen: Für die Amtliche Sammlung: Nein

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung von Zuschlägen für Pausen während der Nachtarbeit sowie an Sonn- und Feiertagen.

Der Kläger, Mitglied der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie Energie, war seit 1998 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Lagerarbeiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Firmentarifvertrag (FirmenTV) vom Anwendung, der zur Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit ua. Folgendes regelt:

"§ 3

Arbeitszeit

...

3. Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit

...

3.2 Als Nachtarbeit gilt die in der Zeit von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr geleistete Arbeit.

3.3 Die an Sonn- und Feiertagen in der Zeit von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr geleistete Arbeit gilt als Sonn- und Feiertagsarbeit.

...

3.6 Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit ist zuschlagspflichtig.

Die Zuschläge betragen:

...

b) für Nachtarbeit während der regelmäßigen Arbeitszeit|25 v.H.

c) für Arbeit an Sonntagen sowie an gesetzlichen Feiertagen, sofern diese auf einen Sonntag fallen|60 v.H.

...|

e) für Arbeiten an gesetzlichen Feiertagen, sofern diese nicht auf einen Sonntag fallen|100 v.H.

Die Zuschläge sind aus dem tariflichen Entgelt pro Stunde zu berechnen."

Die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit betrug 40 Stunden/Woche bzw. 8 Stunden/Tag ohne Ruhepausen. § 3 Ziff. 1.2 FirmenTV lässt eine abweichende Vereinbarung der Betriebsparteien zu.

Am schlossen die Betriebsparteien eine "Betriebsvereinbarung über 'Flexible Arbeitszeit'" (RahmenBV), in der es ua. heißt:

"4. Soll-Arbeitszeit

Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt gemäß Haustarifvertrag der V GmbH & Co. KG, Niederlassung K 40 Stunden (einschließlich 2 mal 15 Minuten bezahlte Pausen) für alle Vollzeit beschäftigten Arbeitnehmer.

Die tägliche Soll-Arbeitszeit beträgt bezogen auf eine 5-Tagewoche 1/5 der wöchentlichen Arbeitszeit, sofern einzelvertraglich keine andere Regelung (z. B. Teilzeit) getroffen ist.

5. Verteilung der Arbeitszeit

Die von den Tarifparteien vereinbarte Regelarbeitszeit von 40 Std./Woche 8 Std./Tag, (einschließlich 2-mal 15 Minuten bezahlte Pausen) wird durch die §§ 3,4,5 Abs. 1 ArbZG geregelt. ..."

Nach Ziff. 2 einer ebenfalls am abgeschlossenen weiteren Betriebsvereinbarung (BV), die für Mitarbeiter gelten soll, die in der von C abhängigen Produktion tätig sind, beträgt die regelmäßige tarifliche Wochenarbeitszeit 40 Stunden, die regelmäßige tägliche Arbeitszeit acht Stunden (einschließlich zwei mal 15 Minuten bezahlte Pausen) und die im Monatsentgelt zu vergütende Arbeitszeit 174,4 Stunden.

Der Kläger arbeitete im Schichtdienst wöchentlich 40 Stunden. Diese Zeit beinhaltete insgesamt 2,5 Stunden bezahlte Pausen. Die Beklagte vergütete die Acht-Stunden-Schichten des Klägers einschließlich der beiden jeweils 15-minütigen Pausen mit einem Stundenlohn von 10,51 Euro brutto. Die anfallenden Zuschläge leistete sie nur auf die tatsächlich erbrachte Arbeit, nicht auf die Pausenzeiten. Für Pausen in der Nacht sowie an Sonn- und Feiertagen zahlte sie lediglich die Grundvergütung.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger die Zahlung der ihrer Höhe nach unstreitigen Zuschläge für die Pausenzeiten von insgesamt 40 Nacht-, Sonn- und Feiertagsschichten im Zeitraum März bis September 2007. Er meint, die Beklagte müsse nach dem FirmenTV für die Arbeitszeit von 40 Stunden/Woche Grundvergütung und Zuschläge leisten. Die Betriebsparteien seien nicht befugt gewesen, die Arbeitszeit mit der Folge einer Minderung der Vergütung zu verkürzen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 99,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins aus 17,34 Euro seit dem , aus 11,57 Euro seit dem , aus 24,15 Euro seit dem , aus 17,34 Euro seit dem , aus 10,24 Euro seit dem und aus 18,92 Euro seit dem zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der FirmenTV sehe Zuschläge nur für tatsächlich geleistete Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit vor. Die RahmenBV gehe nicht darüber hinaus, sondern verringere nur die tatsächliche wöchentliche Arbeitszeit durch Einräumung von bezahlten Pausen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht ist die Beklagte nicht vertreten worden. Der Kläger hat Erlass eines Versäumnisurteils beantragt.

Gründe

Die Revision ist nicht begründet. Sie ist trotz Säumnis der Revisionsbeklagten durch streitiges Endurteil zurückzuweisen (vgl. Senat - 5 AZR 355/08 - Rn. 9, AP BGB § 134 Nr. 26 = EzA BGB 2002 § 134 Nr. 4; - Rn. 36, AP BGB § 613a Nr. 343). Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Zuschlägen für Pausen während der Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit.

I. Ein Anspruch auf Zuschläge folgt nicht aus § 3 Ziff. 3.6 FirmenTV, der kraft beiderseitiger Tarifbindung unmittelbar und zwingend zwischen den Parteien galt, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG.

Nach § 3 Ziff. 3.6 FirmenTV ist Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit zuschlagspflichtig. Wie sich aus dem Wortlaut der Tarifnorm ergibt, muss es sich um Arbeit handeln. Pausen sind keine Arbeit, sondern eine Unterbrechung der Arbeit, § 4 Satz 1 ArbZG. Sie zählen nicht zur Arbeitszeit, § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG, und stellen weder Mehrarbeit noch Nacht-, Sonn- oder Feiertagsarbeit dar. Für sie sieht der FirmenTV keine Vergütung und keinen Zuschlag vor. Das wird durch § 3 Ziff. 3.2 und Ziff. 3.3 FirmenTV bestätigt, wonach die zu bestimmten Zeiten "geleistete" Arbeit als Nachtarbeit bzw. Sonn- und Feiertagsarbeit gilt.

II. Ein Anspruch auf Zuschläge für Pausen während Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit lässt sich nicht auf Ziff. 4, 5 RahmenBV stützen. Dasselbe gilt für Ziff. 2 BV, wenn trotz fehlender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zugunsten des Klägers davon ausgegangen wird, der Kläger unterfalle dem Geltungsbereich der BV. Die genannten Vorschriften räumen dem Arbeitnehmer zwar innerhalb der Regelarbeitszeit von 40 Stunden/Woche je Acht-Stunden-Schicht zwei mal 15 Minuten "bezahlte Pausen" ein. Bei Pausen während der Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit fallen jedoch keine Zuschläge an.

1. Die Betriebsvereinbarungen sagen nichts darüber aus, in welcher Höhe die Bezahlung der Pausen erfolgen soll. Bezahlte Pausen liegen auch dann vor, wenn sie einheitlich mit dem Grundlohn vergütet werden. Für eine Erhöhung der Grundvergütung besteht ebenso wenig ein Anhaltspunkt wie für eine Verminderung. Bezahlung zielt nicht zwingend auf Vergütung in derselben Höhe wie wenn gearbeitet worden wäre.

2. Die Betriebsvereinbarungen enthalten keinen ausreichenden Anhaltspunkt dafür, Pausen sollten als Arbeitsleistung nicht nur gerechnet, sondern auch wie tatsächlich geleistete Arbeit vergütet werden. Die Regelung der bezahlten Pausen findet sich in den Betriebsvereinbarungen jeweils als Klammerzusatz im Zusammenhang mit deklaratorisch gefassten Hinweisen auf die tarifliche Regelarbeitszeit. Die Verwendung des Wortes "einschließlich" spricht dafür, dass die Betriebsparteien die Pausen unter die Regelarbeitszeit fallen lassen wollten. Statt 40 Stunden/Woche bzw. 8 Stunden/Tag ohne Ruhepausen sollte die regelmäßige Arbeitszeit 40 Stunden/Woche bzw. 8 Stunden/Tag einschließlich bezahlter Pausen betragen. Das betrifft (nur) die Arbeitszeit, nicht jedoch die Höhe der Vergütung der Pausen.

III. Ein Anspruch auf Zuschläge für Pausen während Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit ergibt sich nicht aus Annahmeverzug gem. §§ 611, 615 Satz 1 BGB.

1. Während der - bezahlten - Pausen kann die Beklagte nicht in Annahmeverzug geraten sein, § 297 BGB, weil der Kläger aus Rechtsgründen nicht leistungsfähig war. Nach § 4 ArbZG mussten bei den Acht-Stunden-Schichten Ruhepausen von mindestens 30 Minuten eingelegt werden.

2. Die Beklagte kam auch nicht für eine halbe Stunde vor oder nach jeder Acht-Stunden-Schicht in Annahmeverzug. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger nach § 3 Ziff. 1.1 FirmenTV eine tatsächliche Beschäftigung von acht Stunden je Schicht verlangen konnte oder die durch die Betriebsvereinbarungen erfolgte faktische Verkürzung der Arbeit um eine halbe Stunde täglich mittels Umwandlung der unbezahlten Pausen in bezahlte Pausen und ihrer Anrechnung auf die Arbeitszeit durch die Öffnungsklausel in § 3 Ziff. 1.2 FirmenTV gedeckt war. Denn es fehlt an einem entsprechenden Angebot der Arbeitsleistung.

a) Der Annahmeverzug des Arbeitgebers setzt das Angebot der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer voraus, §§ 293 ff. BGB. Durch die Festlegung der Schichten einschließlich der Pausen hat die Beklagte konkludent erklärt, sie werde nur 7,5 Stunden Arbeit je Schicht annehmen. Für eine zusätzliche Arbeitsleistung des Klägers wäre zudem wegen § 4 ArbZG eine Schichtverlängerung durch die Beklagte erforderlich gewesen. Nach § 295 BGB würde deshalb ein wörtliches Angebot oder die Aufforderung des Klägers, ihn pro Schicht tatsächlich acht Stunden zu beschäftigen, genügen. Der besondere Fall des § 296 BGB (Entbehrlichkeit des Angebots) liegt dagegen nicht vor. Im ungekündigt bestehenden Arbeitsverhältnis kann anders als nach Ausspruch einer Kündigung regelmäßig nicht angenommen werden, der Arbeitgeber habe eine vorzunehmende Handlung nicht rechtzeitig vorgenommen (vgl. Senat - 5 AZR 19/05 - Rn. 17, AP BGB § 615 Nr. 114 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 12). Macht der Arbeitgeber von einem (vermeintlichen) Recht Gebrauch, die Arbeitszeitdauer zu bestimmen, kommt § 296 BGB nicht zur Anwendung. Vielmehr muss der Arbeitnehmer die Arbeit anbieten (Senat - 5 AZR 504/06 - Rn. 19, AP BGB § 615 Nr. 121 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 20).

b) Der Kläger hat in den Tatsacheninstanzen nicht vorgetragen, er habe angeboten, weiterhin acht Stunden täglich ausschließlich der Pausen zu arbeiten, oder sich gegen die faktische Verkürzung der Arbeitszeit aufgrund der Betriebsvereinbarungen gewandt. Soweit der Kläger erstmals in der Revisionsbegründung - pauschal - behauptet, er habe seine Arbeitskraft vollschichtig angeboten, handelt es sich um (unsubstantiiertes) neues Vorbringen, das gem. § 559 Abs. 1 ZPO nicht berücksichtigt werden kann.

IV. Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

Fundstelle(n):
BB 2010 S. 308 Nr. 6
BB 2010 S. 696 Nr. 10
FAAAD-36647