BVerwG Urteil v. - 6 C 29.08

Leitsatz

Leitsatz:

Unzuverlässig im Sinne des Waffengesetzes (§ 5 Abs. 2 Nr. 3) ist in der Regel auch derjenige, der verfassungsfeindliche Bestrebungen im Rahmen der Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen politischen Partei verfolgt.

Gesetze: GG Art. 21 Abs. 2; WaffG § 4; WaffG § 5 Abs. 2

Instanzenzug: VGH Ansbach, VGH Ansbach - - AZ.: GH 21 BV 07.586 vom VG München, VG München - - AZ.: VG M 7 K 05.5722 vom Veröffentlichungen: Amtliche Sammlung: nein; BGHR: nein; Fachpresse: ja

Gründe

I

Der Kläger war bis Anfang 2009 Vorsitzender der Deutschen Volksunion (DVU), einer politischen Partei, und ist weiterhin deren Mitglied. Er beantragte mit Schreiben vom beim Landratsamt München wegen Ablaufs des ihm am erteilten Waffenscheins zum dessen Verlängerung für drei Jahre. Der Waffenschein sollte zum Führen des Revolvers Smith & Wesson, Kal. 38 spez., Herstellungsnr. BDZ 31 62, berechtigen.

Das Landratsamt München lehnte mit Bescheid vom den Antrag des Klägers ab, weil er im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG unzuverlässig sei. Er gehe aktiv, ziel- und zweckgerichtet gegen das Schutzgut der verfassungsmäßigen Ordnung vor. Das folge aus der Funktion und Stellung des Klägers in der DVU sowie aus seiner Eigenschaft als Herausgeber der "Nationalzeitung".

Auf die bereits zuvor vom Kläger erhobene Untätigkeitsklage hat das Verwaltungsgericht den Beklagten mit Urteil vom unter Aufhebung des Bescheides vom verpflichtet, dem Kläger antragsgemäß einen Waffenschein zu erteilen.

Mit Urteil vom hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei im waffenrechtlichen Sinn zuverlässig (§ 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 WaffG). Entgegen der Meinung des Beklagten lasse sich seine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit nicht aus § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG herleiten. Ungeachtet der Frage des Vorliegens der Voraussetzungen sei die Vorschrift nicht anwendbar gegenüber der spezielleren Regelung in § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG. Danach besäßen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht, die Mitglied in einer Partei gewesen seien, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht nach § 46 BVerfGG festgestellt habe, wenn seit der Beendigung der Mitgliedschaft zehn Jahre noch nicht verstrichen seien. Diese Vorschrift knüpfe an die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei an. Aus ihr sei zu schließen, dass die parteioffizielle oder parteiverbundene Tätigkeit eines Parteimitglieds, das mit allgemein erlaubten Mitteln arbeite und nicht gegen die allgemeinen Strafgesetze verstoße, nur dann zur Annahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG führen könne, wenn diese Partei vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden sei. Da der Beklagte Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG ausschließlich in den Tätigkeiten des Klägers als Funktionär und Vorsitzender der DVU, als Herausgeber des publizistischen Sprachrohrs der DVU und in den von ihm gemachten Äußerungen sehe, seien die Bestrebungen als parteioffizielle und parteiverbundene Tätigkeiten vom Parteienprivileg umfasst und könnten nur dann zur Annahme einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers führen, wenn die DVU vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden sei. Dies sei bislang nicht geschehen.

Zur Begründung seiner Revision hat der Beklagte u.a. ausgeführt, entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen bestehe kein Vorrang von § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG gegenüber § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG. Die entsprechenden Regelunzuverlässigkeitsgründe stünden vielmehr selbständig nebeneinander und knüpften an unterschiedliche Tatbestände an. Während nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG bereits die bloße Mitgliedschaft in einer Partei, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht festgestellt habe, (regelmäßig) zur Unzuverlässigkeit führe, werde nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a, Buchst. b WaffG ein bestimmtes Verhalten, nämlich das Verfolgen verfassungsfeindlicher Bestrebungen vorausgesetzt. Die Erwägung der Vorinstanzen, ein Vorgehen der Waffenbehörde nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG würde (bei Parteimitgliedern) entgegen Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG zu einer Prüfung durch Verwaltungsbehörden und -gerichte führen, ob die Ausrichtung einer Partei gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstoße, und damit Art. 21 Abs. 2 GG und das Parteienprivileg umgehen, verkenne den Prüfungsmaßstab der Waffenbehörde und die sich daraus ergebenden Konsequenzen und beruhe auf einem zu weiten Verständnis des Parteienprivilegs. Der Betätigungsfreiheit von Parteien werde dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass in § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei durch das Bundesverfassungsgericht vorausgesetzt werde, um ihren Mitgliedern nur auf Grund dieser Mitgliedschaft und ohne weitere Prüfung die waffenrechtliche Zuverlässigkeit abzusprechen. Es werde nicht verkannt, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungswidrigkeit einer Partei konstitutiv sei. Das bedeute jedoch nicht, dass jedes Verhalten im Rahmen parteipolitischer Tätigkeit erlaubt bzw. vom Parteienprivileg geschützt sei. Die Beurteilung eines Verhaltens auch im Rahmen einer Parteimitgliedschaft als verfassungsfeindliche Bestrebung nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG hänge also nicht von der Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Partei nach § 46 BVerfGG ab.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom und des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er verteidigt die Urteile der Vorinstanzen.

II

Die Revision ist zulässig und im ausgesprochenen Umfang begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht und ist deshalb aufzuheben (1.); da wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen eine abschließende Entscheidung über das Klagebegehren derzeit nicht möglich ist, muss die Sache gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verletzt Bundesrecht, weil dieser mit unzutreffenden Erwägungen die Anwendung des waffenrechtlichen Unzuverlässigkeitsgrundes der Verfolgung verfassungsfeindlicher Bestrebungen auf den Kläger für ausgeschlossen gehalten hat.

Mit der Klage wird ein noch zu erfüllendes Leistungsbegehren geltend gemacht, für dessen Beurteilung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz - vorliegend am - maßgeblich ist (Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Oktober 2008, § 113 Rn. 66 Fn. 307 m.w.N.). Anzuwenden ist demnach das Waffengesetz vom (BGBl. I 2002 S. 3970, 4592; 2003 I S. 1957) i.d.F. von Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Waffengesetzes und weiterer Vorschriften vom (BGBl. I S. 426). Einen Anspruch auf Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis hat gemäß § 4 Abs. 1 WaffG ein Antragsteller, der das 18. Lebensjahr vollendet hat (§ 2 Abs. 1 WaffG), die erforderliche Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG) und persönliche Eignung (§ 6 WaffG) besitzt, die erforderliche Sachkunde (§ 7 WaffG) und ein Bedürfnis nachgewiesen hat (§ 8 WaffG) und bei der Beantragung eines Waffenscheins eine Versicherung gegen Haftpflicht nachweist. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsverstoß angenommen, dass der Kläger die Voraussetzungen des Mindestalters, der Eignung, der erforderlichen Sachkunde, des Bedürfnisses und des Abschlusses einer ausreichenden Haftpflichtversicherung erfüllt; hinsichtlich dieser Anspruchsvoraussetzungen erhebt auch der Beklagte keine Einwände. Dagegen sind, wie der Beklagte zu Recht geltend macht, die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Zuverlässigkeit des Klägers nicht frei von Rechtsirrtum.

a) Nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG besitzt die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht, wer Mitglied in einer Partei war, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, wenn seit der Beendigung der Mitgliedschaft zehn Jahre noch nicht verstrichen sind. Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG ist regelmäßig unzuverlässig, wer einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt hat, die (u.a.) gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sind. Da das Bundesverfassungsgericht die etwaige Verfassungswidrigkeit der DVU nicht festgestellt hat, kann Anknüpfungspunkt für eine mögliche Unzuverlässigkeit des Klägers nicht seine Mitgliedschaft (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG) - und der frühere Vorsitz - in der DVU sein, sondern nur seine Betätigung (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG) für diese Partei, die der Beklagte als rechtsextrem einstuft.

b) Das Berufungsgericht hat zum Verhältnis von § 5 Abs. 2 Nr. 3 zu Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG die Ansicht vertreten, dass die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit im Zusammenhang mit parteioffizieller oder parteiverbundener Tätigkeit ausschließlich und abschließend nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG zu beurteilen sei; ansonsten käme dieser speziellen Vorschrift kein eigener Regelungsgehalt zu. Denn würde die parteipolitische Tätigkeit einer Würdigung nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG unterzogen, stellte das eine Umgehung des Parteienprivilegs dar, insbesondere könnten Verwaltungsbehörden und auch Verwaltungsgerichte entgegen der in Art. 21 Abs. 2 GG ausschließlich dem Bundesverfassungsgericht zugewiesenen Prüfungskompetenz faktisch über die Frage der Verfassungswidrigkeit einer politischen Partei entscheiden. Diese Ansicht verstößt gegen Bundesrecht. Die Auslegung nach Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck ergibt keinen Anwendungsvorrang der Unzuverlässigkeitsgründe in § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG gegenüber denjenigen in § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG. Der Rechtsgehalt von § 5 Abs. 2 Nr. 2 WaffG wird durch § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG ergänzt, aber nicht verdrängt (vgl. auch Lehmann, Aktuelles Waffenrecht, WaffG, § 5 Rn. 47):

Der Wortlaut des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG, der nicht auf demjenigen des § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG aufbaut, sondern grundlegend von ihm abweicht, enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass jene Vorschrift hinter dieser zurückzutreten hätte.

Die Gesetzessystematik spricht deutlich für ein Nebeneinander der beiden Vorschriften. Die fünf Fallgruppen des § 5 Abs. 2 WaffG sind generell nicht auf ein Ausschließlichkeitsverhältnis der einen zur anderen Fallgruppe angelegt. Was die Fallgruppen zu Nr. 2 und Nr. 3 im Besonderen angeht, unterscheidet sich das rein organisationsbezogene Merkmal der "Mitgliedschaft" in Nr. 2 wesentlich von dem tätigkeitsbezogenen Merkmal "Bestrebungen verfolgen" in Nr. 3. Ein weiterer Unterschied besteht bei der "Wohlverhaltensfrist", die bei Nr. 2 zehn Jahre, bei Nr. 3 aber nur fünf Jahre beträgt. Diese unterschiedliche tatbestandliche Ausgestaltung legt nicht die Annahme einer Gesetzeskonkurrenz im Sinne der Ausführungen des Berufungsgerichts nahe, sondern führt zur Annahme der Selbständigkeit der Tatbestände.

Die Entstehungsgeschichte des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG bestätigt diesen Befund. Nach der amtlichen Begründung zu dieser Vorschrift soll jedwede - individuelle oder kollektive - verfassungsfeindliche Betätigung in der Regel zur Annahme der Unzuverlässigkeit führen, wobei im Unterschied zu Nr. 2 der Begriff des "Verfolgens" verfassungsfeindlicher Bestrebungen auch in der kollektiven Fallvariante "als Mitglied" immer an eine aktive individuelle Betätigung anknüpfen soll. Die Vorstellung, dass dieser Ausschlusstatbestand generell nicht zum Tragen kommt, wenn die betreffenden Bestrebungen von dem Mitglied einer nicht verbotenen Partei im Rahmen seiner parteioffiziellen oder parteiverbundenen Tätigkeit verfolgt werden, verträgt sich mit diesen Motiven des Gesetzgebers ersichtlich nicht.

Schließlich steht auch der Normzweck der Annahme einer Ausschlusswirkung des § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG im Verhältnis zu § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG entgegen. Wie der Senat bereits bei früherer Gelegenheit betont hat, ist es das zentrale Anliegen des Waffengesetzes 2002, den Schutz der Allgemeinheit vor unzuverlässigen Waffenbesitzern zu verstärken, d.h. das mit jedem Waffenbesitz verbundene Risiko zu minimieren und nur bei Personen hinzunehmen, die das Vertrauen verdienen, in jeder Hinsicht ordnungsgemäß und verantwortungsbewusst mit der Waffe umzugehen ( BVerwG 6 C 24.06 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 93 Rn. 46 f., 65). Die These des Berufungsgerichts läuft darauf hinaus, dass das Verfolgen von Bestrebungen der in § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG genannten Art, obwohl es nach der Wertung des Gesetzes regelmäßig die Unzuverlässigkeit begründet, im Schatten der Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen Partei zum Nachteil der Allgemeinheit folgenlos bliebe. Das lässt sich mit dem Schutzzweck der Norm nicht vereinbaren.

c) Das Auslegungsergebnis, wonach der Unzuverlässigkeitsgrund des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG neben demjenigen aus § 5 Abs. 2 Nr. 2 WaffG anwendbar ist, hält der Überprüfung anhand der Maßstäbe des Verfassungsrechts stand.

Das Berufungsgericht hat aus dem Parteienprivileg in Art. 21 Abs. 2 GG gefolgert, dass die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit im Zusammenhang mit parteioffizieller oder parteiverbundener Tätigkeit ausschließlich und abschließend nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG beurteilt werden müsse, also erst angenommen werden dürfe, wenn diese Partei vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden sei. Dem ist nicht zu folgen.

Das Parteienprivileg des Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG, das die Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit einer politischen Partei ausschließlich in die Hand des Bundesverfassungsgerichts legt, bezieht sich nach dessen ständiger Rechtsprechung in erster Linie auf die Parteiorganisation. Es schützt die Partei in ihrem Bestand, solange ihre Verfassungswidrigkeit nicht festgestellt ist. Bis zu diesem Zeitpunkt darf die Partei in ihrer politischen Tätigkeit nicht behindert werden. Daneben erstreckt sich das Privileg des Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG auch auf die parteioffizielle bzw. parteiverbundene Tätigkeit der Funktionäre und Anhänger einer Partei, soweit sie mit allgemein erlaubten Mitteln arbeiten, insbesondere nicht gegen die allgemeinen, d.h. kein Sonderrecht gegen die Parteien enthaltenden Strafgesetze verstoßen (stRspr; s. nur - BVerfGE 47, 130 <139> m.w.N.). Das Parteienprivileg ist nach dieser Rechtsprechung rückbezogen auf die Aufgabe der Parteien aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG, bei der politischen Willensbildung mitzuwirken. Da die Parteien darauf angewiesen sind, politische Zielvorstellungen sowie Wege zur Zielerreichung zu formulieren und die Bürger von beiden zu überzeugen, müssen sie bis zur etwaigen Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit das Recht und die Möglichkeit haben, ungehindert auf die politische Willensbildung des Bürgers einzuwirken (BVerfG a.a.O. S. 140 f.). Daraus folgt z.B., dass die politischen Aktivitäten einer nicht verbotenen Partei sowie ihre Mitglieder und Anhänger weder durch Versammlungsverbote ( - NJW 2001, 2076) oder Redeverbote ( - NJW 2003, 1108), die sich auf die von der Partei vertretenen verfassungsfeindlichen Inhalte stützen, behindert werden dürfen noch etwa durch die Ablehnung von strafrechtlich nicht bedenklichen Wahlwerbespots ( u.a. - BVerfGE 47, 198) oder auch durch eine Ungleichbehandlung beim Zugang zu gemeindlichen Einrichtungen ( BVerwG 7 B 184.88 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 91).

Dagegen beeinträchtigt die Annahme einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit eines Parteimitglieds oder -anhängers nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG die von Art. 21 GG geschützte Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung nicht in rechtserheblicher Weise. Zwar kann grundsätzlich das, was dem Mitglied oder Anhänger einer Partei an parteioffizieller oder parteiverbundener Tätigkeit von Verfassungs wegen gestattet ist, nicht in anderen Rechtsbereichen mit nachteiligen Folgen verknüpft werden, soll nicht die Rechtsordnung zu sich selbst in Widerspruch treten (s. in diesem Sinne bereits BVerfG, Beschlüsse vom - 1 BvR 486/59 - BVerfGE 13, 46 <52> und vom - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <357 f.>). Dieser Grundsatz erleidet aber dann eine Ausnahme, wenn der Gesetzgeber aufgrund anderer Verfassungssätze verpflichtet oder jedenfalls berechtigt ist, eine abweichende Regelung zu treffen. So ist seit langem anerkannt, dass die gesetzliche Umsetzung der Verfassungsentscheidung in Art. 33 Abs. 5 GG, die vom Beamten das Eintreten für die verfassungsmäßige Ordnung fordert, nicht in Widerspruch zu Art. 21 Abs. 2 GG steht (stRspr seit dem a.a.O. S. 358 f.). Ebenso werden Reserveoffiziere und auch Wehrpflichtige der Bundeswehr durch das Parteienprivileg nur in Bezug auf politische Aktivitäten geschützt, welche sie unabhängig von ihrem militärischen Status für ihre Partei entfalten, während das Parteienprivileg nicht daran hindert, aus der Betätigung Rückschlüsse für den militärischen Pflichtenkreis zu ziehen ( BVerwG 6 C 4.03 - Buchholz 448.0 § 48 WPflG Nr. 4 S. 9 und vom - BVerwG 6 C 17.03 - Buchholz 448.0 § 29 WPflG Nr. 21 S. 8 f.). In solchen Zusammenhängen ist es unbeschadet des Art. 21 Abs. 2 GG Aufgabe der Verwaltungsbehörde bzw. des Verwaltungsgerichts, sich nötigenfalls eine eigene Überzeugung von den verfassungsfeindlichen Zielen einer Partei zu bilden. Unter den hier in Rede stehenden Umständen liegt es im Ergebnis nicht anders. Hier ist es zwar nicht eine verfassungsrechtlich besonders ausgeformte Pflichtenstellung des Betroffenen, wohl aber die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG herzuleitende allgemeine staatliche Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit, die den Gesetzgeber berechtigt, Gründe für eine regelmäßig anzunehmende waffenrechtliche Unzuverlässigkeit auch im Verhältnis zu Mitgliedern und Anhängern politischer Parteien aufzustellen und auszugestalten. Wegen der extremen Gefährlichkeit des Umgangs mit Waffen ist der Staat verfassungsrechtlich gehalten, die Allgemeinheit vor unzuverlässigen Waffenbesitzern wirksam zu schützen. Dabei ist es Sache des Gesetzgebers, im Hinblick auf den konkret betroffenen Lebensbereich im Einzelnen darüber zu entscheiden, ob, mit welchem Schutzniveau und auf welche Weise Situationen entgegengewirkt werden soll, die nach seiner Einschätzung zu Schäden führen können (vgl. - BVerfGE 110, 141 <159>). Der Gesetzgeber ist im Einklang mit seiner Schutzverpflichtung aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu der Einschätzung gelangt, dass die in § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG näher bezeichneten verfassungsfeindlichen Bestrebungen im Regelfall dazu führen, dass die betreffende Person nicht die Gewähr dafür bietet, in jeder Hinsicht ordnungsgemäß und verantwortungsbewusst mit der Waffe umzugehen. Diese Erwägung trägt die Vorschrift auch insoweit, als sie auf Mitglieder und Anhänger politischer Parteien anwendbar ist. Denn für die Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob die Betätigung, die nach der plausiblen Einschätzung des Gesetzgebers regelmäßig die Unzuverlässigkeit begründet, innerhalb oder außerhalb einer politischen Partei ausgeübt wird. Aus diesem Grunde wird durch die Anwendung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG auf die Mitglieder und Anhänger einer politischen Partei die verfassungsrechtlich garantierte Betätigungsfreiheit der Partei nicht verletzt. Vielmehr stellt sich § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG als eine Vorschrift dar, die - vergleichbar mit den allgemeinen, d.h. kein Sonderrecht gegen die Parteien enthaltenden Strafgesetzen - dem Schutz fundamentaler Rechtsgüter der Allgemeinheit dient und die daher - wiederum ähnlich den allgemeinen Strafgesetzen - für die Mitglieder und Anhänger der Parteien auch in Anbetracht des Art. 21 Abs. 2 GG ebenso Geltung beansprucht wie für alle anderen Bürger.

2. Der Senat kann auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht selbst entscheiden, ob der Kläger unzuverlässig im Sinne des § 5 WaffG ist. Denn zum einen steht bislang nicht fest, ob die von ihm innerhalb der DVU verfolgten Bestrebungen gegen die in § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG genannten Verfassungsgrundsätze verstoßen. Zum anderen bleibt zu klären, ob der langjährige Waffenbesitz des Klägers, falls sich Beanstandungen bislang nicht ergeben haben, die etwaige Vermutung der Unzuverlässigkeit widerlegt. Die insofern erforderlichen Feststellungen kann der Senat nicht selbst treffen. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 7 500 EUR festgesetzt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
YAAAD-35566