BGH Beschluss v. - VII ZB 41/09

Leitsatz

Leitsatz:

Im Kostenfestsetzungsverfahren kommt die Anrechnung einer Geschäftsgebühr nach den Nummern 2300 bis 2303 RVG VV auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens nicht in Betracht, wenn beide Gebühren von verschiedenen Rechtsanwälten verdient worden sind.

Gesetze: RVG § 2 Abs. 2; RVG VV Anlage 1 Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4

Instanzenzug: LG München I, 5 OH 17798/07 vom OLG München, 11 W 1146/09 vom Veröffentlichungen: Amtliche Sammlung: nein; BGHR: ja; Nachschlagewerk: ja

Gründe

I. Die Parteien streiten darüber, ob die dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners erwachsene Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren in voller Höhe zu berücksichtigen ist.

Der Antragsgegner führte in der Wohnung der Antragstellerin Malerarbeiten aus. Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner ein selbständiges Beweisverfahren angestrengt. In diesem Verfahren haben die Parteien einen Vergleich geschlossen, wonach die Antragstellerin 81,22% und der Antragsgegner 18,78% der Kosten zu tragen haben.

Der im selbständigen Beweisverfahren anwaltlich vertretene Antragsgegner hatte vorgerichtlich einen anderen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung beauftragt. Der Antragsgegner hat die ihm erwachsenen Anwaltskosten mit 1.372 EUR zur Kostenausgleichung bekannt gegeben und dabei die volle 1,3-Verfahrensgebühr geltend gemacht.

Die Rechtspflegerin hat beim Kostenausgleich die ungekürzte Verfahrensgebühr berücksichtigt. Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt, soweit die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr nicht hälftig auf die Verfahrensgebühr des selbständigen Beweisverfahrens angerechnet worden ist. Das Beschwerdegericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Mit der von ihm zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter.

II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht ist der Ansicht, die vorgerichtlich erwachsene Geschäftsgebühr sei im Hinblick auf den Anwaltswechsel nicht gemäß der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG VV auf die Verfahrensgebühr des selbständigen Beweisverfahrens anzurechnen. Die Anrechnung habe ihren Grund darin, dass dem schon vorprozessual mit der Sache befassten und hierfür vergüteten Prozessbevollmächtigten im Hinblick auf den erfahrungsgemäß geringeren Einarbeitungs- und Vorbereitungsaufwand nur eine gekürzte Vergütung zugebilligt werden solle. Dies treffe bei einem nicht bereits außergerichtlich tätig gewordenen Rechtsanwalt nicht zu.

Eine Anrechnung könne auch nicht gemäß § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO vorgenommen werden. Nach dieser Vorschrift seien zwar grundsätzlich Mehrkosten, die durch einen nicht notwendigen Anwaltswechsel entstanden seien, nicht erstattungsfähig. Dies gelte jedoch nur bei einem Anwaltswechsel innerhalb des gerichtlichen Verfahrens. Die vorprozessual angefallenen Anwaltsgebühren zählten nicht zu den Prozesskosten und könnten daher auch nicht Gegenstand einer Kostenfestsetzung nach §§ 103 ff. ZPO sein.

Deshalb könne dem Antragsgegner auch nicht vorgeworfen werden, er habe gegen seine sich aus § 242 BGB ergebende Verpflichtung zur Geringhaltung der Prozesskosten verstoßen, indem er durch den späteren Anwaltswechsel die Anrechnung der Geschäftsgebühr verhindert habe.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die einem Rechtsanwalt vorgerichtlich erwachsene Geschäftsgebühr in Anwendung der Anrechnungsvorschrift der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG VV teilweise auf die im gerichtlichen Verfahren entstandene Verfahrensgebühr anzurechnen ist und der Prozessgegner sich im Kostenfestsetzungsverfahren auf diese Anrechnung berufen kann (vgl. z.B. , NJW 2008, 1323).

Eine Kürzung der Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren kommt nach dieser Rechtsprechung jedoch nur dann in Betracht, wenn im Innenverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant eine Anrechnung zu erfolgen hat. Entscheidend für die Anrechnung und damit für die von selbst einsetzende Kürzung der Verfahrensgebühr ist nämlich, ob der Rechtsanwalt zum Zeitpunkt des Entstehens der Verfahrensgebühr schon einen Anspruch auf eine Geschäftsgebühr aus seinem vorprozessualen Tätigwerden erlangt hat (, a.a.O.). Hat der erstmals im Verfahren tätige Anwalt eine solche Gebühr nicht verdient, wovon das Beschwerdegericht - von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen - ausgeht, so scheidet eine Anrechnung aus. Die von einem anderen, vorprozessual tätigen Anwalt verdiente Gebühr muss sich der prozessual tätige Anwalt nicht anrechnen lassen.

b) Die Antragstellerin macht geltend, aus dem Grundsatz, dass eine Partei die Kosten so gering wie möglich zu halten habe und aus Art. 3 GG folge, dass sie so gestellt werden müsse, als habe der Antragsgegner nur einen Anwalt beauftragt; in diesem Fall wäre die Verfahrensgebühr nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor Geltung des § 15 a RVG zu kürzen gewesen.

Diese Rüge ist unbegründet. Die Antragstellerin verkennt, dass die Anrechnungsregelung der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG VV nicht dem Schutz des Prozessgegners dient. Unabhängig davon, ob § 15 a RVG auf das vor seinem Inkrafttreten eingeleitete und zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendete Kostenfestsetzungsverfahren anwendbar ist (vgl. , NJW 2009, 3101; Beschluss vom - X ZB 1/09, in [...] dokumentiert), besteht kein Anlass die Verfahrensgebühr nur deshalb zu kürzen, weil eine Partei vorprozessual einen anderen Anwalt hatte, der allein die Geschäftsgebühr verdient hat.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
QAAAD-35521