Leitsatz
Leitsatz:
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe
Das Landgericht hat den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Unterbringung der Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt. Hiergegen wendet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen entfachte die Beschuldigte, die schon tagelang Selbstmordgedanken gehegt und sogar einen entsprechenden Versuch unternommen hatte, unter Verwendung von Brennspiritus ein Feuer im Dachgeschoss des unter anderem von ihr und ihrem Ehemann bewohnten Mehrfamilienhauses, um sich durch Einatmen von Rauchgasen zu töten. Beim Anblick des Feuers erschrak sie jedoch und verließ fluchtartig den Dachboden; auch ihr anschließender Versuch, sich vor einen Zug zu werfen, scheiterte, weil der Triebwagenführer rechtzeitig eine Schnellbremsung einleitete. Da das Feuer frühzeitig entdeckt wurde, konnten die anwesenden Hausbewohner das Gebäude unverletzt verlassen. Der entstandene Sachschaden beträgt etwa 60.000 EUR.
Die Strafkammer ist - sachverständig beraten - rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Beschuldigte bei Begehung der Tat wegen einer schweren krankhaften seelischen Störung nicht einsichtsfähig gewesen war. Die Beschuldigte leide seit mehr als 30 Jahren an einer affektiven Störung im Sinne einer schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen (ICD 10: F 32.3). Obwohl sie seit dem Jahre 1993 medikamentös behandelt werde, habe sich ihr Zustand fortlaufend verschlechtert. Zudem seien seit 2006 grenzwertige psychotische Symptome in Form von Beziehungsideen aufgetreten, die auf ihre jeweiligen Nachbarn gerichtet seien. Zwischen Dezember 2006 und Dezember 2007 habe ihre Suizidalität drei stationäre Aufenthalte in einer psychiatrischen Klinik erforderlich gemacht.
2. Die Voraussetzungen für eine Unterbringung der Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB hat das Landgericht mit folgender Begründung verneint:
Zwar dauere die schwere krankhafte seelische Störung fort. Entgegen der Auffassung der gehörten Sachverständigen Dr. S. ergebe die Gesamtwürdigung der Person der Beschuldigten und der Anlasstat jedoch nicht, dass von ihr infolge ihres Zustands weitere erhebliche Straftaten zu erwarten seien und sie deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei. Das folge schon daraus, dass die Beschuldigte, obwohl sie seit vielen Jahren an der depressiven Störung leide, bisher weder strafrechtlich in Erscheinung getreten sei noch fremdaggressives Verhalten gezeigt habe. Außerdem sei die Fremdgefährdung bei der Anlasstat nur "bei Gelegenheit" einer beabsichtigten Selbsttötung der Beschuldigten erfolgt und stünde nicht in Bezug zu der wahnhaften Symptomatik in Form von "grenzwertigen" Beziehungsideen.
3. Die Ablehnung der Unterbringung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Der Tatrichter ist zwar nicht gehindert, von dem Gutachten eines vernommenen Sachverständigen abzuweichen, da dieses stets nur Grundlage der richterlichen Überzeugungsbildung sein kann (, BGHR StPO § 261 Sachverständiger 5). Will er aber eine Frage, für deren Beantwortung er sachverständige Hilfe in Anspruch genommen hat, im Widerspruch zu dem Gutachten beantworten, muss er die Gründe hierfür in einer Weise darlegen, die dem Revisionsgericht die Nachprüfung erlaubt, ob er das Gutachten zutreffend gewürdigt und aus ihm rechtlich zulässige Schlüsse gezogen hat. Hierzu bedarf es einer erschöpfenden Auseinandersetzung mit den Darlegungen des Sachverständigen, insbesondere zu den Gesichtspunkten, auf welche das Gericht seine abweichende Auffassung stützt (vgl. BGH a.a.O.; = NStZ-RR 2006, 242, 243; Beschluss vom - 3 StR 333/01 m.w.N.). Dies lässt die angefochtene Entscheidung vermissen.
Soweit das Landgericht entgegen dem Sachverständigengutachten eine qualifizierte Steigerung der affektiven Störung in den letzten beiden Jahren vor der Anlasstat verneint und dabei darauf abstellt, dass die Vorstellung der Beschuldigten, einem "Nachbarschaftsterror" ausgesetzt zu sein, zeitlich und örtlich auf eine frühere Wohnsituation beschränkt sei, lässt es außer Acht, dass die Beschuldigte auch in ihrer neuen Mietwohnung die unbegründete und übertriebene Sorge hegte, ihre Vermieter wollten sie wegen ihrer Krankheit "loswerden" und die Nachbarn würden hinter ihrem Rücken schlecht über sie reden.
b) Schon im Ansatz fehl geht die weitere Überlegung der Strafkammer, wonach gegen eine qualifizierte Steigerung der affektiven Störung spreche, dass die Beschuldigte auf den "akustischen Nachbarschaftsterror" nicht mit fremdaggressivem Verhalten reagiert habe. Nach den Ausführungen der Sachverständigen zum Krankheitsbild ist dieses zwar nicht durch Fremdaggression, sondern durch ausgeprägte Suizidalität gekennzeichnet. Da die Beschuldigte bei ihren Selbsttötungsbestrebungen aber, wie die Sachverständige ausgeführt hat, mögliche Folgen für Dritte ausblendet, entsteht aus einer erhöhten Suizidalität auch eine erhöhte Gefahr für die Allgemeinheit.
4. Wegen des aufgezeigten Rechtsfehlers unterliegt das Urteil insgesamt der Aufhebung. Die Möglichkeit, die Beschuldigte belastende, für sich genommen rechtsfehlerfrei getroffene Feststellungen zum äußeren Tathergang teilweise aufrecht zu erhalten, scheidet aus, da die Beschuldigte das Urteil insoweit nicht hätte anfechten können (vgl. , NStZ-RR 2000, 300 m.w.N.).
Sollte der neue Tatrichter eine fortdauernde Gefährlichkeit der Beschuldigten feststellen, wird er zu prüfen haben, ob die von der Beschuldigten ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit durch eine konsequente medizinische Behandlung, für deren Durchführung bereits ein Betreuer bestellt ist, abgewendet werden kann. In diesem Fall würde es, worauf auch die Revisionsführerin hingewiesen hat, nahe liegen, die Vollstreckung der Unterbringung gemäß § 67 b StGB zur Bewährung auszusetzen (vgl. BGH a.a.O.; , jeweils m.w.N.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
RAAAD-35512