BFH Beschluss v. - VI B 60/08

Für den Erlass von Kirchensteuer im Bundesland Hessen ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet; Erlass von bestandskräftig festgesetzten Steuern im Billigkeitsweg

Gesetze: AO § 227, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, KiStG Hessen § 11, KiStG Hessen § 13

Instanzenzug:

Gründe

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Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) hat —bei Zweifeln an der Zulässigkeit— jedenfalls in der Sache keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) noch ist eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Darüber hinaus liegt auch kein Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

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1. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist (, BFH/NV 2006, 2122). Daran fehlt es im Streitfall.

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Wenn der Kläger sinngemäß die Rechtsfrage formuliert, ob für den Erlass von Kirchensteuer der Finanzrechtsweg oder der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist, ist diese Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig. Denn die Antwort ergibt sich, wie bereits das Finanzgericht (FG) zutreffend erkannt hat, eindeutig aus § 13 des Kirchensteuergesetzes (KiStG) des Bundeslandes Hessen vom (GVBl S. 63) und der Rechtsprechung des , BFH/NV 1998, 703). Danach ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. An diesem Ergebnis ändert auch § 11 Abs. 1 KiStG nichts. Denn mit dieser Vorschrift wird lediglich festgelegt, dass sich ein Erlass der Einkommensteuer auch auf die Kirchensteuer als eine Annexsteuer erstreckt. Es ist damit aber nicht ausgesagt, dass bei einem Streit um den Erlass von Kirchensteuer abweichend von § 13 Abs. 1 KiStG der Finanzrechtsweg eröffnet ist.

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2. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) ist eine Entscheidung des BFH —außer in Fällen der Divergenz— dann geboten, wenn die Auslegung und Anwendung des revisiblen Rechts durch das FG objektiv willkürlich oder greifbar gesetzeswidrig ist (z.B. , BFH/NV 2005, 2025; vgl. auch Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 200 ff.; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz 63 ff. und 75 ff.; jeweils m.w.N.). Dies ist im Streitfall nicht gegeben.

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Nach ständiger Rechtsprechung sind bestandskräftig festgesetzte Steuern nur dann im Billigkeitsverfahren zu erlassen, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig unrichtig ist und es dem Steuerpflichtigen nicht zuzumuten war, sich hiergegen in dem dafür vorgesehenen Festsetzungsverfahren zu wehren (vgl. z.B. , BFH/NV 2008, 1889). Das FG hat diese Rechtsgrundsätze im Streitfall zutreffend angewandt. Es hat insbesondere auch nicht —wie der Kläger meint— das Urteil des Hessischen als grob fehlerhaft angesehen. Denn das FG hat insoweit lediglich die Auffassung des Klägers dazu wiedergegeben.

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3. a) Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidung sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen. Für eine schlüssige Divergenzrüge ist überdies weiterhin auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt (, BFH/NV 2006, 799, unter 2.a und b der Gründe, m.w.N.).

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b) Eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO ist insbesondere in Fällen erforderlich, in denen über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, so beispielsweise, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen. Erforderlich ist eine Entscheidung des BFH nur dann, wenn die Rechtsfortbildung über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegt und wenn die Frage nach dem „ob” und ggf. „wie” der Rechtsfortbildung klärungsbedürftig ist. Es gelten insoweit die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO höchstrichterlich entwickelten strengen Darlegungsanforderungen. Darüber hinaus ist auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen. Es reicht weder —für sich allein-- aus, dass die Rechtsfrage bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden worden ist, noch genügt die Behauptung, das FG habe sachlich unrichtig entschieden (, BFH/NV 2006, 1256, unter 1.a der Gründe).

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c) Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht. Im Ergebnis beschränken sich die Ausführungen des Klägers wiederum auf die Behauptung, das FG habe sachlich unrichtig entschieden, indem es davon ausgegangen sei, dem Kläger könne zugemutet werden, eine Nichtzulassungsbeschwerde an den BFH zu richten, obwohl nach Ansicht des FG die Steuerfestsetzungen nicht offensichtlich und eindeutig falsch gewesen seien. Damit hat der Kläger jedoch weder eine Abweichung zu einer Divergenzentscheidung des BFH noch die Bedeutung der Klärung einer konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit dargelegt.

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4. Die weiteren Einwendungen des Klägers beziehen sich hauptsächlich darauf, dass das FG im Rahmen der Beweiswürdigung nicht aufgeklärt habe, ob das Urteil des Hessischen offensichtlich und eindeutig falsch sei. Dabei verkennt der Kläger jedoch, dass nach der Rechtsprechung des BFH festgesetzte Steuern nur dann im Billigkeitsverfahren zu erlassen sind, wenn zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind. Zum Einen muss die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig unrichtig sein und zum Anderen muss es dem Steuerpflichtigen nicht zuzumuten sein, sich hiergegen in dem dafür vorgesehenen Festsetzungsverfahren zu wehren (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1889). Wenn der Kläger nun einwendet, das FG habe nicht aufgeklärt, ob das Urteil des Hessischen offensichtlich fehlerhaft ist, verkennt er, dass es darauf nach der Rechtsprechung des BFH nicht ankommt. Zutreffend hat das FG daher auf Seite 9 bzw. 10 des Urteils dargelegt, warum aus seiner Sicht die bestandskräftigen Steuerfestsetzungen nicht offensichtlich und eindeutig falsch sind. Insoweit ist weder ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) noch ein Verstoß gegen das Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 FGO) erkennbar.

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Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nur Verstöße gegen das Gerichtsverfahrensrecht sind, die das FG bei der Handhabung seines Verfahrens begeht und die zur Folge haben, dass eine ordnungsgemäße Grundlage für die Entscheidung im Urteil fehlt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom X S 5/06 (PKH), BFH/NV 2007, 94; vom XI B 25/05, BFH/NV 2006, 1106; vgl. auch Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 76 und 82; Seer in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 115 FGO Rz 108; jeweils m.w.N.). Daher erfordert die schlüssige Rüge eines Verstoßes gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) die Darlegung, welche konkreten Ermittlungen sich dem FG hätten aufdrängen müssen und weshalb der Kläger, obwohl er in der mündlichen Verhandlung fachkundig vertreten war, nicht von sich aus entsprechende Beweisanträge gestellt hat (vgl. § 295 der ZivilprozessordnungZPO— i.V.m. § 155 FGO; zu den Anforderungen einer solchen Rüge , BFH/NV 2006, 1155). Derartige Darlegungen fehlen im Streitfall. Auch der sinngemäße Einwand, das FG habe bei seiner Entscheidung Teile des Gesamtergebnisses des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) nicht berücksichtigt, ist vorliegend nicht schlüssig geführt. Es genügt insoweit nicht, lediglich geltend zu machen, das Gericht habe ein bestimmtes Vorbringen des Klägers nicht ausdrücklich in seinem Urteil gewürdigt (vgl. , BFH/NV 2007, 949).

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Soweit der Kläger Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend macht, wird damit kein Zulassungsgrund dargetan. Von vornherein unbeachtlich sind Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die nur im Rahmen einer Revisionsbegründung relevant sein können; denn das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten. Gleiches gilt hinsichtlich der vom Kläger behaupteten unzulänglichen Beweiswürdigung, die revisionsrechtlich ebenfalls dem materiellen Recht zuzuordnen ist (BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 799, m.w.N.).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 468 Nr. 3
VAAAD-35178