BFH Urteil v. - I R 102/06

Die an den persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA gezahlten Vergütungen für deren Geschäftsführung sind dem Gewinn aus Gewerbebetrieb der KGaA gemäß § 8 Nr. 4 GewStG hinzuzurechnen

Leitsatz

Die nach § 8 Nr. 4 GewStG 1999 bei der Ermittlung des Gewerbeertrags dem Gewinn aus Gewerbebetrieb einer KGaA wieder hinzuzurechnenden, an deren persönlich haftenden Gesellschafter als Vergütung für die Geschäftsführung verteilten Gewinnanteile sind "brutto" zu erfassen und nicht um die mit der Beteiligung zusammenhängenden (Sonder-)Betriebsausgaben des persönlich haftenden Gesellschafters herabzusetzen.
Gleiches gilt, wenn es sich bei den Gewinnanteilen, die als Vergütung für die Geschäftsführung verteilt wurden, um feste, nicht gewinnabhängige Leistungsbeiträge handelt.
Die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 4 GewStG 1999 ist unabhängig davon, ob der persönlich haftende Gesellschafter mit seinen Einkünften aus der Beteiligung an der KGaA selbst der Gewerbesteuer unterliegt.

Gesetze: GewStG § 8 Nr. 4, GewStG § 9 Nr. 2b, EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine KGaA. Ihre persönlich haftende Gesellschafterin ohne Vermögenseinlage und Kapitalanteil war im Streitjahr 2000 die X-AG, welche sich im Wesentlichen mit der Geschäftsführung und Vertretung der Klägerin befasste.

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Die Übernahme der Geschäftsführung der Klägerin durch die X-AG war in den Satzungen der beiden Unternehmen sowie im Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen der Klägerin und der X-AG in den Einzelheiten geregelt. In Letzterem heißt es u.a., dass der X-AG alle im Interesse der Klägerin getätigten Aufwendungen unter Einschluss der den Vorstandsmitgliedern der X-AG erteilten Versorgungszusagen zuzüglich 3 % erstattet werden. Nr. 7.3 der Satzung der Klägerin bestimmt, dass die an die X-AG zu zahlenden Vergütungen im Verhältnis zu den Kommanditaktionären als Aufwand der Klägerin zu behandeln sind.

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Auf der Grundlage des Geschäftsbesorgungsvertrages erteilte die X-AG der Klägerin monatliche Rechnungen. Im Streitjahr zahlte die Klägerin aufgrund dessen insgesamt 1.409.779 DM und behandelte diese Beträge in ihrer Gewinnermittlung als allgemeine Verwaltungskosten. Bei den Aufwendungen handelt es sich ganz überwiegend um die Beträge, die die X-AG ihren Vorstandsmitgliedern als Vergütung für deren Tätigkeit gewährt hat. Im Einzelnen handelte es sich um Festgehälter nebst Urlaubs- und Weihnachtsgeld, eine Gewinntantieme, eine Prämienübernahme aus einer Direktversicherung zur betrieblichen Altersversorgung, vermögenswirksame Leistungen und verschiedene geldwerte Vorteile, u.a. aus privater Kraftfahrzeugnutzung.

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Die X-AG erzielte im Streitjahr, abgesehen von den Erlösen aus der Geschäftsführung für die Klägerin, betriebliche Erträge von 86.091 DM. Da die Aufwendungen für ihren Vorstand den Gewinn minderten, verblieb ihr insgesamt ein Jahresüberschuss von 26.833 DM. Der Jahresüberschuss der Klägerin betrug demgegenüber 3.584.756 DM.

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In ihrer Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr nahm die Klägerin keine Hinzurechnung für Tätigkeitsvergütungen i.S. des § 8 Nr. 4 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG 1999) vor. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) folgte dem im Ergebnis unter Hinweis auf Abschn. 52 Satz 2 der Gewerbesteuer-Richtlinien (GewStR 1999) nicht und erließ einen entsprechend geänderten Gewerbesteuermessbescheid.

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Die dagegen gerichtete Sprungklage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) Köln wies sie mit Urteil vom 6 K 6170/03 als unbegründet ab; das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 1923 veröffentlicht.

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Ihre Revision stützt die Klägerin auf Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und den angefochtenen Gewerbesteuermessbescheid dahin zu ändern, dass die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 4 GewStG 1999 unter entsprechender Auflösung der Gewerbesteuerrückstellung rückgängig gemacht wird.

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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

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II. Die Revision ist unbegründet.

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1. Nach § 8 Nr. 4 GewStG 1999 werden bei der Ermittlung des Gewerbeertrags (§ 7 GewStG 1999) dem Gewinn aus Gewerbebetrieb einer KGaA u.a. die Gewinnanteile wieder hinzugerechnet, die an deren persönlich haftende Gesellschafter als Vergütung (Tantieme) für die Geschäftsführung verteilt worden sind, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.

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2. Die betreffenden Gewinnanteile sind entgegen der Ansicht der Klägerin „brutto” zu erfassen und nicht um die mit der Beteiligung zusammenhängenden (Sonder-)Betriebsausgaben des persönlich haftenden Gesellschafters herabzusetzen. Das folgt aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut, der an die aus der Sicht der KGaA „verteilten Gewinnanteile”, nicht an den beim Komplementäraktionär entstehenden Gewinn anknüpft. Durch § 8 Nr. 4 GewStG 1999 wird insoweit die Gewinnermittlung nach Maßgabe von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes, wonach der betreffende Gesellschafter „wie” ein Mitunternehmer behandelt wird, für Zwecke der Ermittlung des Gewerbeertrags im Hinblick auf das sog. Objektsteuerprinzip korrigiert. Das ist auch mit Blick darauf, dass für „echte” Mitunternehmerschaften, wie vor allem eine GmbH & Co. KG, abweichend verfahren wird, in Anbetracht der prinzipiellen steuerlichen Unterschiede zwischen der KGaA und der Personengesellschaft aus gleichheitsrechtlicher Sicht unbedenklich. Im Einzelnen ist insoweit auf das Senatsurteil vom I R 11/80 (BFHE 140, 465, BStBl II 1984, 381) zu verweisen, an dem festzuhalten ist (ebenso Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 7. Aufl., § 8 Nr. 4 Rz 1; Roser in Lenski/Steinberg, GewStG, § 8 Nr. 4 Rz 6; Hofmeister in Blümich, EStG, KStG, GewStG, § 8 GewStG Rz 532; Gosch, daselbst, § 9 GewStG Rz 206; Schnitter in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8 GewStG Rz 159).

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3. Gleiches gilt im Hinblick darauf, dass es sich bei den an die X-AG gezahlten Gewinnanteilen, die als Vergütung für die Geschäftsführung verteilt wurden, um feste, nicht gewinnabhängige Leistungsbeiträge handelt. Wie der Senat in ständiger Spruchpraxis entschieden hat, unterfallen jenen Gewinnanteilen i.S. von § 8 Nr. 4 GewStG 1999 alle Arten von Vergütungen, die die persönlich haftenden Gesellschafter als Gegenleistung für ihre —gegenwärtige oder frühere— Geschäftsführungstätigkeit erhalten (vgl. , BFHE 82, 471, BStBl III 1965, 418; in BFHE 140, 465, BStBl II 1984, 381, sowie vom I R 32/86, BFHE 162, 445, BStBl II 1991, 253); auch an dieser Rechtsprechung ist festzuhalten (ebenso Güroff in Glanegger/Güroff, a.a.O., § 8 Nr. 4 Rz 3; Roser in Lenski/Steinberg, a.a.O., § 8 Nr. 4 Rz 20; Hofmeister in Blümich, a.a.O., § 8 GewStG Rz 535; Schnitter in Frotscher/Maas, a.a.O., § 8 GewStG Rz 165), so dass es auch insoweit ausreicht, darauf zu verweisen.

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4. Die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 4 GewStG 1999 ist schließlich unabhängig davon, ob der persönlich haftende Gesellschafter —wie im Streitfall die X-AG— mit seinen Einkünften aus der Beteiligung an der KGaA selbst der Gewerbesteuer unterliegt (ebenso —neben der Finanzverwaltung, s. Abschn. 52 Satz 2 GewStR 1999— z.B. Roser in Lenski/Steinberg, a.a.O., § 8 Nr. 4 Rz 33; Hofmeister in Blümich, a.a.O., § 8 GewStG Rz 541; Güroff in Glanegger/Güroff, a.a.O., § 8 Nr. 4 Rz 3; Gosch, Finanz-Rundschau —FR— 1991, 345; Schnitter in Frotscher/Maas, a.a.O., § 8 GewStG Rz 157; Herlinghaus, EFG 2006, 1927). Das betrifft zunächst die Rechtslage für Erhebungszeiträume bis 1990. Für die Zeit nach Einführung des § 9 Nr. 2b GewStG 1999 verhält es sich indes nicht anders. Mit dieser Neuregelung beabsichtigte der Gesetzgeber, die andernfalls eintretende gewerbesteuerliche Doppelbelastung auszuschließen (BTDrucks 11/7833, S. 9), und zwar auf der Ebene der persönlich haftenden Gesellschafter nicht aber auf jener der KGaA. Dafür, dass infolge der Neuregelung § 8 Nr. 4 GewStG 1999 einem abweichenden Verständnis unterworfen werden sollte, ist nichts ersichtlich: Nachdem jener Betrag, welcher bei der KGaA nach § 8 Nr. 4 GewStG 1999 hinzugerechnet, beim gewerbesteuerpflichtigen Komplementär wieder gekürzt wird, ist im Gegenteil anzunehmen, dass der Gesetzgeber auf der Basis dieses Regelungsverständnisses wechselseitig „gewissermaßen eine Spiegelbildlichkeit” schaffen wollte (zutreffend Herlinghaus, ebenda). Den Ausführungen der Vorinstanz, die die geltend gemachten Gegenerwägungen (vgl. z.B. Graf, Deutsches Steuerrecht 1991, 1374; Schnädter, FR 1985, 659; Schmincke/Heuel, FR 2004, 861) überzeugend widerlegen, ist aus revisionsrechtlicher Sicht nichts hinzuzufügen; es genügt deshalb, im Übrigen auch hierauf zu verweisen.

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5. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit wird durch diese Handhabung nicht verletzt. Zuzugestehen ist der Klägerin allerdings, dass die Gewerbesteuer zu Lasten des sog. Objektsteuercharakters zunehmend Elemente einer Ertragsteuer angenommen hat (vgl. z.B. Gosch, Deutsche Steuer-Zeitung 1998, 327; Güroff in Glanegger/Güroff, a.a.O, § 1 Rz 14). Das Gebot gleicher Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit, von dem nur aus besonderem Grund abgewichen werden darf, gilt nicht zuletzt deshalb auch für die Gewerbeertragsteuer (vgl. umfassend , BVerfGE 120, 1, BGBl I 2008, 1006, dort unter C.II.2. der Entscheidungsgründe). An diesem Maßstab sind auch § 8 Nr. 4 sowie § 9 Nr. 2b GewStG 1999 zu messen. Es steht dem Gesetzgeber dabei jedoch ein weiter Typisierungsspielraum zu. Dem Leistungsfähigkeitsgedanken ist genügt, wenn es prinzipiell gelingt, doppelte gewerbesteuerliche Belastungen infolge aufeinander abgestimmter Hinzurechnungen und Kürzungen zu vermeiden. Dass dieses Regelungsziel uneingeschränkt erreicht wird, ist hingegen nicht einzufordern. Wie der Senat wiederholt entschieden hat, besteht im Gewerbesteuerrecht weder ein allgemeiner Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass eine Kürzung bei der Ermittlung des Gewerbeertrages durchzuführen ist, soweit es ohne diese Kürzung zu einer Doppelerfassung kommt, noch muss eine Kürzung unterbleiben, wenn dies zu einer doppelten Entlastung führt (s. zuletzt Senatsurteil vom I R 19/08, BFHE 223, 258, m.w.N.). Umgekehrt muss das auch für die Vornahme oder Nichtvornahme einer Hinzurechnung gelten. Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, der sich für die hier in Rede stehende Besteuerung einer KGaA und ihres persönlich haftenden Gesellschafters konzeptionell für das Zusammenspiel von Hinzurechnung und Kürzung in § 8 Nr. 4 und § 9 Nr. 2b GewStG 1999 entschieden hat, um doppelte gewerbeertragsteuerliche Belastungen weitgehend auszuschließen, wird durch verbleibende Unabgestimmtheiten dieses Konzepts, wie sie auch im Streitfall offenbar werden mögen, nicht eingeschränkt.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 462 Nr. 3
NAAAD-35172