BGH Urteil v. - IX ZR 7/09

Leitsatz

Leitsatz:

1. a) Das Insolvenzgericht kann ein Verwertungs- und Einziehungsverbot für künftige Aus- und Absonderungsrechte sowie eine Anordnung, dass davon betroffene Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens eingesetzt werden können, nur durch eine individualisierende Anordnung treffen. Unzulässig und unwirksam sind formularmäßige Pauschalanordnungen, die auf die erforderliche Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen verzichten.

b) Aus einer Anordnung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO kann der betroffene Rechteinhaber die dort zuerkannten Ausgleichsansprüche geltend machen, auch wenn die Anordnung wegen Unbestimmtheit unwirksam ist.

2. Ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung in der Form von Zinsen nach § 169 Satz 2 InsO kommt auch bei einer Anordnung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO nur für einen Zeitraum in Betracht, der drei Monate nach dieser Anordnung liegt.

Gesetze: InsO § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5; InsO § 169 S. 2

Instanzenzug: KG, 23 U 115/08 vom LG Berlin, 14 O 475/07 vom Veröffentlichungen: Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: ja

Tatbestand

Die Klägerin vermietete der Schuldnerin Baumaschinen und Baugeräte. Der Mietzins wurde nach Tagen abgerechnet.

Auf den Insolvenzantrag der Schuldnerin wurde mit der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt. Zugleich wurde ein Vollstreckungsverbot gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO erlassen. Außerdem traf das Amtsgericht folgende Anordnung Nr. 7:

"7. Es wird angeordnet, dass Gegenstände, die im Falle der Eröffnung des Verfahrens von § 166 InsO erfasst würden oder deren Aussonderung verlangt werden könnte, vom Gläubiger nicht verwertet oder eingezogen werden dürfen und dass solche Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens der Schuldnerin eingesetzt werden können, soweit sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind; ein durch die Nutzung eingetretener Wertverlust ist durch laufende Zahlung an den Gläubiger auszugleichen. Die Verpflichtung zur Ausgleichszahlung besteht nur, soweit der durch die Nutzung entstehende Wertverlust die Sicherung des absonderungsberechtigten Gläubigers beeinträchtigt (§ 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO)."

Die Klägerin kündigte die Mietverhältnisse mit Schreiben vom zum . Mit Schreiben vom erklärte der Beklagte, dass die Mietobjekte der Klägerin nicht herausgegeben würden, da sie für die Fortführung des Unternehmens der Schuldnerin von erheblicher Bedeutung seien und im Rahmen der Betriebsfortführung eingesetzt würden. Die Klägerin berechnete die vereinbarte Miete für die Zeit seit dem mit insgesamt 177.678,51 €. Der Beklagte lehnte dieses Verlangen ab und zahlte lediglich den durch die Nutzung der Mietobjekte eingetretenen Wertverlust von 736,50 € pro Tag, insgesamt 50.927,33 €.

Mit Beschluss vom eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter. Dieser gab die Mietgegenstände an die Klägerin zurück.

Die Klägerin meldete ihre Mietzinsforderungen zur Insolvenztabelle an. Mit der Klage begehrt sie von dem Beklagten unter Verrechnung der geleisteten Ausgleichszahlungen die vertragliche Miete als Masseforderung, insgesamt 126.751,18 € nebst Zinsen.

Das Landgericht hat der Klageforderung in Höhe von 123.237,86 € stattgegeben und sie lediglich um die Beträge gekürzt, welche die Zeit vor dem bzw. nach dem betrafen. Auf das Rechtsmittel des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage insgesamt abgewiesen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Zurückweisung der Berufung des Beklagten.

Gründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht (dessen Urteil veröffentlicht ist z.B. in ZInsO 2009, 35) hat gemeint, die Zahlungsklage sei unzulässig, soweit die Klägerin Zahlung der vereinbarten Miete oder Nutzungsentschädigung gemäß § 546a Abs. 1 BGB begehre, weil insoweit lediglich eine Insolvenzforderung vorliege.

Soweit die Klägerin die Zahlung als Masseforderung begehre, sei die Klage unbegründet. Die eingeklagten Ansprüche seien keine Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO, weil diese Vorschrift nur für den starken vorläufigen Insolvenzverwalter gelte. Eine analoge Anwendung komme für den vorliegenden Fall einer Anordnung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO nicht in Betracht, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Der Gesetzgeber habe mit der dort angeordneten entsprechenden Anwendung des § 169 Satz 2 und 3 InsO eine abschließende Sonderregelung getroffen. Danach sei als Ausgleich für die Einräumung der Nutzungsbefugnis ein laufendes Nutzungsentgelt - etwa in Form einer Miete - zu entrichten. Diese Verpflichtung beginne - wie bei Gegenständen mit Absonderungsrechten - erst drei Monate nach der insolvenzgerichtlichen Anordnung. Das hier geltend gemachte Nutzungsentgelt betreffe aber ausschließlich den Zeitraum der ersten drei Monate nach der insolvenzgerichtlichen Anordnung vom , nämlich die Zeit vom bis zum .

Die Bestimmung des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO sei mit Art. 14 GG vereinbar, weil sie lediglich Inhalt und Schranken des Eigentums bei Gebrauchsüberlassung an Dritte regele.

Eine Ermächtigung des vorläufigen Insolvenzverwalters zur Eingehung von Masseverbindlichkeiten im Einzelfall habe das Insolvenzgericht nicht angeordnet. Es habe seine Anordnung auf § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO gestützt. Dass es darüber hinaus eine einzelfallbezogene Ermächtigung habe erteilen wollen, sei nicht ersichtlich.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung im Ergebnis stand.

Die Klägerin kann weder gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 in Verbindung mit § 169 Satz 2 InsO noch nach § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO analog Nutzungsausfallentschädigung in der jetzt noch geltend gemachten Höhe verlangen.

1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin mit der vorliegenden Klage nicht die vereinbarte vertragliche Miete oder eine Nutzungsentschädigung gemäß § 546a Abs. 1 BGB verlangen kann, weil es sich insoweit lediglich um eine Insolvenzforderung handelt (vgl. , ZIP 2007, 778, 780 Rn. 21 m.w.N.). Die Klägerin hat diese Ansprüche zur Tabelle angemeldet.

2. Der Klägerin hätte an den von ihr an die Schuldnerin vermieteten Gegenständen im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Aussonderungsrecht zugestanden. Diese Gegenstände wären nicht in die Insolvenzmasse gefallen, § 47 InsO. An dem mit Beendigung des Mietvertrages entstandenen Herausgabeanspruch änderte Ziffer 7 der insolvenzgerichtlichen Anordnung nichts; denn diese Anordnung war unwirksam.

a) Der Mietvertrag hinsichtlich der streitgegenständlichen Gegenstände endete durch die Kündigung der Klägerin vom gemäß § 580a Abs. 3 Nr. 1 BGB zum Ablauf des . Der zum Zeitpunkt der Beendigung des Mietvertrages in demselben Schreiben geltend gemachte Herausgabeanspruch war folglich begründet. Die Schuldnerin war ab dem verpflichtet, die Mietgegenstände an die Klägerin herauszugeben.

b) Diesen schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehenden Anspruch auf Herausgabe aus Eigentum und/oder Vertrag hätte die Klägerin trotz der vom Insolvenzgericht gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO getroffenen Anordnung weiterhin geltend machen können. Denn die Anordnung des Insolvenzgerichts war insoweit unwirksam.

Das Insolvenzgericht kann nach dieser Bestimmung den Verwertungs- und Einziehungsstopp hinsichtlich bestimmter Gegenstände anordnen, bei denen nach seiner Überzeugung die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Das setzt die Feststellung voraus, welche Aus- oder Absonderungsrechte welcher Gläubiger betroffen sind, welches Aus- oder Absonderungsgut für eine Betriebsfortführung eingesetzt werden soll und welches für die Betriebsfortführung von erheblicher Bedeutung ist. Dabei mag es in Betracht kommen, bestimmte Gläubiger und Arten von Gegenständen zusammenfassend zu bezeichnen. Unzulässig und wegen fehlender Bestimmtheit unwirksam sind jedoch formularmäßige Pauschalanordnungen, die auf die erforderliche Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen verzichten (FK-InsO/Schmerbach, 5. Aufl. § 21 Rn. 233, 244; Pape in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 21 Rn. 40 m; Münch-Komm-InsO/Haarmeyer, 2. Aufl. § 21 Rn. 99; Kirchhof ZInsO 2007, 227, 231), etwa bloß den Gesetzestext wiedergeben (FK-InsO/Schmerbach aaO.).

Soweit die Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens verwendet werden sollen, setzt die Anordnung selbstverständlich voraus, dass das Unternehmen überhaupt fortgeführt wird. Dies wird regelmäßig zunächst die Beurteilung durch den Sachverständigen oder den vorläufigen Verwalter und entsprechende Darlegungen gegenüber dem Insolvenzgericht erfordern (Ganter NZI 2007, 549, 551; MünchKomm-InsO/Haarmeyer, aaO. § 21 Rn. 99).

Der vom Insolvenzgericht selbst vorzunehmenden Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen bedarf es umso mehr, als dem Aussonderungsberechtigten von der Insolvenzordnung kein Rechtsmittel gegen den Anordnungsbeschluss eingeräumt wird, obwohl ihm vor dem Erlass nicht einmal rechtliches Gehör gewährt werden muss und er in seinen Rechten erheblich beeinträchtigt werden kann (vgl. FK-InsO/Schmerbach aaO.; Kirchhof, ZInsO 2007, 227, 231; Ganter NZI 2007, 549, 551).

Wie bei Anordnungen nach § 22 Abs. 2 InsO kann das Insolvenzgericht auch den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter nicht pauschal dazu ermächtigen, nach seinem Ermessen Maßnahmen nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO durchzusetzen. Das Insolvenzgericht selbst muss in jedem Fall die Maßnahmen anordnen. Es ist nicht befugt, die von ihm zu tragende Verantwortung auf den vorläufigen Insolvenzverwalter zu delegieren (vgl. BGHZ 151, 353, 365 ff). Aus Gründen der Rechtsklarheit und des gebotenen Schutzes der betroffenen Gläubiger muss für diese bereits aus der gerichtlichen Anordnung selbst zu erkennen sein, welche sie betreffenden Beschränkungen angeordnet sind (vgl. BGHZ 151, 353, 367).

c) Diesen Anforderungen wurde der Beschluss des Insolvenzgerichts vom nicht gerecht. Er ordnete auf den Insolvenzantrag der Schuldnerin lediglich abstrakt durch Wiedergabe eines Teiles des Gesetzestextes des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO die dort vorgesehenen Maßnahmen an, ohne sich mit dem hier vorliegenden Fall und den Voraussetzungen der Anordnung erkennbar auseinanderzusetzen. Der Vollzug des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO sollte offenbar dem vorläufigen Insolvenzverwalter überlassen werden, in dessen alleinige Verantwortung also die Beurteilung der Voraussetzungen delegiert wurde. Die Anordnung war deshalb unzulässig und unwirksam.

d) Durch den amtsgerichtlichen Beschluss wurde jedoch ein Rechtsschein zum Nachteil der Klägerin begründet, den diese nicht beseitigen konnte, weil ihr von der Insolvenzordnung - wie ausgeführt - ein Rechtsmittel gegen den Beschluss nicht eingeräumt ist. Die Unwirksamkeit des Beschlusses hätte sie deshalb nur im Rahmen einer streitigen Herausgabeklage geltend machen können.

Da die Klägerin sich gegen den Beschluss des Insolvenzgerichts nicht unmittelbar wehren konnte, darf sie sich jedoch ihrerseits auf diesen Beschluss insoweit stützen, als sich daraus für sie Ausgleichsansprüche ergeben. Sie kann insoweit auf die Wirksamkeit der im Beschluss angeordneten oder aus ihm folgenden Ausgleichsansprüche vertrauen (vgl. , ZIP 2005, 1372, 1373).

3. Ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung über den bereits ausgeglichen Wertverlust hinaus steht der Klägerin jedoch nicht zu. Er konnte sich als Masseverbindlichkeit nur aus § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO in Verbindung mit § 169 Satz 2 InsO ergeben. Dessen Voraussetzungen lagen jedoch für den fraglichen Zeitraum nicht vor.

a) Der Anwendbarkeit des § 169 Satz 2 InsO steht allerdings nicht schon entgegen, dass das Amtsgericht bei der wörtlichen Übernahme des Gesetzestextes des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO den Halbsatz weggelassen hatte, in dem auf § 169 Satz 2 und 3 InsO verwiesen wird. Ob das Amtsgericht damit möglicherweise beabsichtigte, die entsprechende Anwendbarkeit dieser Vorschrift auszuschließen, kann dahinstehen. Denn die Anwendbarkeit des § 169 Satz 2 und 3 InsO ist notwendige gesetzliche Folge der Anordnung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO und nicht in das Belieben des Amtsgerichts gestellt.

b) Ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung in der Form von Zinsen im Sinne des § 169 Satz 2 InsO kommt jedoch nur für einen Zeitraum in Betracht, der drei Monate nach der Anordnung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO liegt. Da hier die gesamte in Frage kommende Zeit in den Dreimonatszeitraum fällt, besteht ein derartiger Zinsanspruch nicht.

aa) Nach allgemeiner Auffassung ist § 169 Satz 2 InsO im Rahmen der Verweisung so zu verstehen, dass die Verpflichtung zur Zahlung der Zinsen - etwa in Form einer Nutzungsentschädigung in Höhe der zuvor vereinbarten Miete - erst drei Monate nach der gerichtlichen Anordnung beginnt (Ganter NZI 2007, 549, 553; MünchKomm-InsO/Haarmeyer, aaO. § 21 Rn. 101; HmbKomm-InsO/Schröder, 3. Aufl. § 21 Rn. 69e; HmbKomm-InsO/Büchler, aaO. § 169 Rn. 7a; Pape in Kübler/Prütting/Bork, aaO. § 21 Rn. 40r; Köster EWiR 2009, 311 f; FK-InsO/Schmerbach, aaO. § 21 Rn. 254; HK-InsO/Kirchhof, 5. Aufl. § 21 Rn. 35; ders. ZInsO 2007, 227, 230; vgl. aber denselben in HK-InsO aaO. Rn. 31 und Graf-Schlicker/Voß, InsO § 21 Rn. 25: "spätestens" drei Monate nach der Anordnung).

bb) Dieser Auffassung, die weitgehend nicht begründet wird, ist im Ergebnis zu folgen. Allerdings ergibt sich der Beginn der in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 2 InsO zu erbringenden Ausgleichszahlung nicht schon aus dem Wortlaut dieser Vorschrift. Danach sind dem Gläubiger, der schon aufgrund einer Anordnung nach § 21 an der Verwertung eines Gegenstandes gehindert worden ist, die geschuldeten Zinsen "spätestens" von dem Zeitpunkt an zu bezahlen, der drei Monate nach der Anordnung liegt. Damit ist bei entsprechender Anwendung der Norm noch nichts darüber ausgesagt, wann die Zahlungen tatsächlich, gegebenenfalls frühestens zu beginnen haben. Dieser Zeitpunkt könnte nach dem Wortlaut früher liegen.

Die Auslegung ergibt jedoch, dass dieser Zinsanspruch, welchen Inhalt er auch im Einzelnen haben mag, erst nach Ablauf der Dreimonatsfrist beginnt:

(1) Im eigentlichen Geltungsbereich der Regelung steht der genannte späteste Zeitpunkt im Zusammenhang mit der Regelung in Satz 1. Danach besteht die Zinszahlungspflicht für Gegenstände, an denen der Verwalter ein Verwertungsrecht hat, ab dem Berichtstermin. Bis zu diesem Termin hat der Insolvenzverwalter die Insolvenzmasse in der Regel zusammen zu halten, weil erst die Gläubigerversammlung gemäß § 157 InsO beschließt, ob das Unternehmen des Schuldners stillgelegt oder fortgeführt werden soll. Erst nach dem Berichtstermin hat der Insolvenzverwalter gemäß § 159 InsO unverzüglich das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwerten, soweit nicht die Beschlüsse der Gläubigerversammlung entgegenstehen.

Der Berichtstermin muss gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 InsO spätestens drei Monate nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattfinden. Bis zu diesem Zeitpunkt mutet § 169 Satz 1 InsO den Gläubigern ein Zuwarten des Verwalters mit der Verwertung entschädigungslos zu. Für die danach auftretenden Verzögerungen der Verwertung sollen sie dagegen wegen des Verlustes ihres Einziehungsrechtes einen Ausgleich erhalten (vgl. dazu BGHZ 166, 215, 218 f Rn. 13 ff).

Ist der Gläubiger jedoch schon vor der Verfahrenseröffnung durch Sicherungsmaßnahmen des Gerichts an der Verwertung des Sicherungsgutes gehindert worden, soll durch den in Satz 2 festgelegten spätesten Zeitpunkt sichergestellt werden, dass der Gläubiger auch in diesem Fall nicht länger als drei Monate auf verzögerungsbedingte Ausgleichszahlungen warten muss.

(2) Bei einer Anordnung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO besteht ein dem Berichtstermin vergleichbarer Zeitpunkt nicht. Es fehlt also an einer aus anderen Gründen gesetzlich vorgegebenen Frist, die nicht weiter ausgedehnt werden soll.

Aus § 169 Satz 1 und 2 lässt sich gleichwohl die Wertung entnehmen, dass es dem Gläubiger eines Absonderungsrechtes zugemutet werden soll, erst nach drei Monaten Ausgleichszahlungen für Verzögerungen bei der Verwertung zu erhalten. Diese Wertung soll auch für Absonderungsrechte gelten, für die Maßnahmen nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO angeordnet wurden. Aussonderungsrechte werden diesen Absonderungsrechten gleichgestellt. Auch Aussonderungsberechtigte müssen also drei Monate ohne Ausgleichszahlung zuwarten.

(3) Aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision nichts anderes.

In der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens (BT-Drucks. 16/3227), mit dem § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO eingefügt wurde, ist allerdings ausgeführt, dass den Interessen der absonderungsberechtigten Gläubiger sowie der Aussonderungsberechtigten durch die Regelung ebenfalls Rechnung getragen werde. Denn diese könnten im Eröffnungsverfahren auch bei der vorgesehenen Beschränkung ihrer Rechte weiterhin die ursprünglich vertraglich vereinbarte bzw. gesetzlich vorgesehene Gegenleistung für die Nutzung beanspruchen (aaO. S. 16 linke Spalte Abs. 2). Dies könnte, wie die Revision meint, dafür sprechen, dass dieser Anspruch dem Gläubiger als Ausgleich zugedacht wurde, damit der Eintritt eines Schadens zu seinen Lasten nach Möglichkeit verhindert wird.

In der Gesetzesbegründung wird allerdings nichts dazu gesagt, ob es sich bei diesem Anspruch um eine Insolvenzforderung oder eine Forderung gegen die Masse handeln soll. Wegen der Bezugnahme auf die weiterhin geltend zu machende ursprüngliche vertragliche Forderung, die bei eröffnetem Verfahren nur noch eine Insolvenzforderung darstellt, spricht jedoch nichts dafür, dass insoweit eine Forderung gegen die Masse vorgesehen sein sollte. Es verbleibt vielmehr bei der schon ursprünglich begründeten Forderung, die bei Verfahrenseröffnung zur Insolvenzforderung wird. Im Regelfall erhält damit allerdings der Gläubiger in den ersten drei Monaten gerade keinen vollständigen Ausgleich für die Verzögerung. Er steht damit freilich nicht schlechter als der Absonderungsberechtigte, der nach § 169 Satz 1 InsO ebenfalls die Verzögerung der Verwertung bis zu drei Monaten entschädigungslos hinnehmen muss.

Dieses Verständnis der Begründung wird dadurch bestärkt, dass es dort weiter heißt, nur insoweit, als § 169 Satz 2 und 3 InsO für den Fall einer "längeren" Vorenthaltung im Eröffnungsverfahren eine Zinszahlungspflicht vorsehen, solle dies nunmehr auch für die von einem Verwertungsverbot betroffenen Aussonderungsberechtigten gelten (aaO. S. 16). Durch diese Bezugnahme auf die "längere" Vorenthaltung sollte die Parallelität zu § 169 InsO hergestellt und nur für die Zeit nach Ablauf von drei Monaten eine Zinszahlungspflicht begründet werden, die den Charakter einer Entschädigung hat und sich gegen die Masse richtet (vgl. BGHZ 166, 215, 219, 221).

Auch die Ausführungen der Bundesregierung zu Nr. 4 der Stellungnahme des Bundesrates zu dem Gesetzentwurf bestärken dieses Ergebnis. Hier wurde ausgeführt, dass sich Streitigkeiten zwischen aussonderungsberechtigten Gläubigern und vorläufigen Insolvenzverwaltern über die Höhe der Ausgleichszahlungen nicht immer würden vermeiden lassen. Angesichts der in den meisten Fällen auf einen Zeitraum von drei Monaten begrenzten vorläufigen Insolvenzverwaltung werde die Größenordnung der zu leistenden Zahlungen aber wohl überschaubar bleiben, zumal auf die im Rahmen des geltenden Rechts zu § 172 Abs. 1 Satz 2 InsO entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden könne (aaO. S. 26).

Diese Ausführungen sind zwar ebenfalls undeutlich und erfassen das Anliegen des Bundesrates nicht richtig, weil sie auf die Regelungen zum Wertverlust in § 172 Abs. 1 InsO Bezug nehmen, obwohl es dem Bundesrat hier um den weitergehenden Anspruch auf Nutzungsentschädigung ging. Die Stellungnahme lässt aber erkennen, dass für die ersten drei Monate mit erheblichen Zahlungen nicht gerechnet wurde, was sich nur erklärt, wenn insoweit lediglich auf die in § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO vorgesehene Regelung zum Ausgleich eingetretener Wertverluste abgestellt wird. Dass auch nur dieser tatsächlich gemeint war, ergibt sich aus der anschließenden Bezugnahme auf § 172 Abs. 1 Satz 2 InsO, der den Ausgleich von Wertverlusten behandelt.

cc) Entscheidungserhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelungen bestehen jedenfalls im vorliegenden Fall nicht. Dies ergibt sich zum einen schon daraus, dass die gerichtliche Anordnung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO ohnehin unwirksam war und die Ausgleichsbestimmungen zugunsten der Klägerin nur aus Gründen des Vertrauensschutzes Anwendung finden. Die Regelung in § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO hält sich im Übrigen im Rahmen der Bestimmung von Inhalt und Grenzen des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG bei Gebrauchsüberlassungen (vgl. BGHZ 151, 353, 373). Die Klägerin wird zwar im Interesse der Allgemeinheit an der Erhaltung sanierungsfähiger Betriebe in ihrem Eigentum beeinträchtigt, jedoch nicht mehr, als dies die Insolvenzordnung schon vor der Neuregelung anderen Aussonderungsberechtigten etwa nach § 112 InsO zumutete, soweit Geschäfts- oder Wohnraummieten betroffen sind. Da die Klägerin lediglich eine Frist von einem Tag bei der ordentlichen Kündigung einzuhalten hatte, begrenzt sich der Zeitraum, in dem ihr Eigentumsrecht maximal ohne Nutzungsausfallentschädigung beschränkt werden konnte, auf ca. drei Monate. Der eingetretene Wertverlust wurde ausgeglichen.

Eine wesentliche Verschlechterung für die konkrete Rechtsposition der Klägerin war mit der Neuregelung des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO ohnehin nicht verbunden. Das Insolvenzgericht hat nach der schon zuvor bestehenden Regelung des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin untersagt. Schon danach konnte die Klägerin ihren Herausgabeanspruch innerhalb der ersten drei Monate des Eröffnungsverfahrens nicht mehr realisieren; selbst wenn es ihr gelungen wäre, etwa im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, kurzfristig einen vollstreckbaren Titel zu erwirken, hätte dieser gegen die Schuldnerin wegen des angeordneten Vollstreckungsverbotes nicht durchgesetzt werden können. Sie wäre dann ebenfalls auf die Geltendmachung ihres Nutzungsausfallschadens beschränkt gewesen, der mit der Verfahrenseröffnung zur Insolvenzforderung geworden ist. Der vorläufige Insolvenzverwalter wäre auch nicht verpflichtet gewesen, dem Herausgabeverlangen der Klägerin nachzukommen. Denn als vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt hätte er nur die Herausgabe durch die Schuldnerin verhindern können. Dagegen wäre er nicht in der Lage gewesen, die Schuldnerin gegen ihren Willen dazu anzuhalten, die Mietgegenstände an die Klägerin herauszugeben (BGHZ 151, 353, 361). Selbst wenn er hierzu tatsächlich in der Lage gewesen wäre, wäre dies nicht seine Pflicht gewesen. Denn ihm war vom Insolvenzgericht lediglich die Aufgabe übertragen, das Vermögen der Schuldnerin zu sichern und zu erhalten. Der vorläufige Verwalter kann Aussonderungsansprüche im Eröffnungsverfahren deshalb regelmäßig durch Verweisung an den Verwalter im eröffneten Verfahren abwehren (HK-InsO/Lohmann, aaO. § 47 Rn. 37; MünchKomm-InsO/Ganter, aaO. § 47 Rn. 454 m.w.N.). Zwar mag es dem (starken) vorläufigen Insolvenzverwalter nicht gänzlich verwehrt sein, Herausgabeansprüchen künftiger Aussonderungsberechtigter nachzukommen. Dies scheidet aber jedenfalls dann aus, wenn die Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens jedenfalls vorläufig noch erforderlich sind (Münch-Komm-InsO/Ganter aaO.).

Ob sich in Fällen, in denen eine Kumulierung der insolvenzrechtlichen Beschränkungen etwa nach § 112 InsO einerseits und § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO andererseits zu sehr viel längeren Beeinträchtigungen des Eigentumsrechts des Aussonderungsberechtigten führen, verfassungsrechtliche Bedenken ergeben können, bedarf hier keiner Entscheidung (vgl. dazu etwa Pape in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 21 Rn. 40 f; Kirchhof ZInsO 2007, 227, 230).

4. Einen Anspruch gegen die Masse in analoger Anwendung des § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO hat das Berufungsgericht mit zutreffender Begründung abgelehnt. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO enthält mit der Verweisung auf § 169 Satz 2 und 3 InsO eine abschließende Sonderregelung. Eine Regelungslücke bei § 55 Abs. 2 InsO ist insoweit nicht gegeben. Dem vorläufigen Insolvenzverwalter war in diesem Zusammenhang keine Ermächtigung zur Eingehung von Masseverbindlichkeiten erteilt worden. Dies hätte ausdrücklich und konkret ausgesprochen werden müssen (vgl. BGHZ 151, 353, 365 ff, 367).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
BB 2010 S. 129 Nr. 4
BB 2010 S. 399 Nr. 8
DB 2010 S. 103 Nr. 2
DStR 2010 S. 659 Nr. 13
NJW-RR 2010 S. 1283 Nr. 18
WM 2010 S. 132 Nr. 3
WPg 2010 S. 259 Nr. 5
ZIP 2010 S. 141 Nr. 3
IAAAD-35100