BGH Beschluss v. - VIII ZB 13/08

Leitsatz

Leitsatz:

Bei der Bestimmung des Geschäftswerts einer Übertragung von Kommanditanteilen findet das Schuldenabzugsverbot des § 18 Abs. 3 KostO keine Anwendung.

Gesetze: KostO § 18; KostO § 30

Instanzenzug: KG, 9 W 2/07 vom KG, 9 W 50/07 vom LG Berlin, 82 T 572/05 vom LG Berlin, 82 T 553/05 vom Veröffentlichungen: Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: ja

Gründe

I.

Die Kostenschuldner und Beteiligten zu 2 bis 7 waren Inhaber der Kommanditanteile einer GmbH & Co. KG und der Geschäftsanteile der Komplementär-GmbH. Sie übertrugen am diese Anteile vor dem beurkundenden Kostengläubiger zu einem Kaufpreis von insgesamt 6 € an die Beteiligte zu 8. Zudem nahmen die Kostenschuldner in die Urkunde eine Fälligkeitsbestimmung für Forderungen der Beteiligten zu 2 bis 7 gegenüber der GmbH & Co. KG auf. Für die GmbH & Co. KG wurde drei Wochen später Insolvenzantrag gestellt. Der Kostengläubiger und Beteiligte zu 1 hat in seiner Kostenberechnung folgende Geschäftswerte angesetzt:

- für die Übertragung der Geschäftsanteile der Komplementär-GmbH: 6 €;

- für die Übertragung der Kommanditanteile der GmbH & Co. KG: 3.216.321,74 € (entsprechend dem Aktivvermögen der Gesellschaft nach der damals vorliegenden letzten Bilanz);

- für die Fälligkeitsbestimmung: 80.018,27 € (20 % der zugrunde liegenden Forderung von etwas über 400.000 €).

Gegen die Kostenberechnung des Beteiligten zu 1) haben die Beteiligten zu 2) bis 7) als Kostenschuldner Beschwerde eingelegt (Az.: 82 T 572/05). Das Landgericht hat die Kostenberechnung in diesem Verfahren mit der Begründung herabgesetzt, es bestehe ein Amtshaftungsanspruch der Kostenschuldner wegen unterbliebener Aufklärung über die kostenrechtlichen Auswirkungen des Geschäfts. Hiergegen wendet sich der Kostengläubiger mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen weiteren Beschwerde.

Im Verfahren 82 T 553/05 hat sich die Kostenschuldnerin und Beteiligte zu 8 mit der Beschwerde gegen die Höhe der der Notarkostenrechnung zugrunde gelegten Geschäftswerte gewandt. Dieses Rechtsmittel hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene weitere Beschwerde der Beteiligten zu 8.

Das Kammergericht hat die weiteren Beschwerden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Es möchte der weiteren Beschwerde der Beteiligten zu 8 stattgeben, sieht sich aber durch Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte (OLG Braunschweig, Rpfleger 1964, 67; OLG Celle, DNotZ 1969, 631; OLG Zweibrücken, OLGR 2002, 83) und des Bayerischen Obersten Landesgerichts (Rpfleger 1955, 198; BayObLGZ 1956, 225; MittBayNot 1983, 31; JurBüro 1990, 896; DNotZ 1991, 400; ZEV 2002, 286; 2004, 510) daran gehindert.

II.

Die Vorlage ist statthaft (§ 156 Abs. 4 Satz 4 KostO i.V.m. § 28 Abs. 2 FGG).

Das vorlegende Gericht einerseits und andere Oberlandesgerichte bzw. das frühere Bayerische Oberste Landesgericht sind unterschiedlicher Ansicht darüber, ob bei der Übertragung von Kommanditanteilen für die Bestimmung des Geschäftswertes allein auf den Anteil am Aktivvermögen der Kommanditgesellschaft abzustellen ist und Verbindlichkeiten der Kommanditgesellschaft nach § 18 Abs. 3 KostO außer Betracht zu bleiben haben oder ob der Wert der Anteile an einer Personengesellschaft unter Berücksichtigung des Reinvermögens der Gesellschaft zu ermitteln ist.

III.

Die weiteren Beschwerden sind zulässig (§ 156 Abs. 2 und 4 KostO); sie führen zur Aufhebung der landgerichtlichen Beschlüsse und zur Zurückverweisung an das Landgericht.

1. Das vorlegende Gericht nimmt zu Recht an, dass bei der Festsetzung des Geschäftswerts für die Übertragung der Kommanditanteile einer Kommanditgesellschaft allein § 30 Abs. 1 KostO maßgeblich ist. Der Wert des Kommanditanteils ist danach nach freiem Ermessen zu bestimmen, ohne dass das Schuldenabzugsverbot gemäß § 18 Abs. 3 KostO eingreift.

a) Nach einer in Rechtsprechung und Literatur weit verbreiteten Auffassung ist allerdings bei der Ermittlung des Geschäftswerts der notariellen Beurkundung einer Übertragung von Kommanditanteilen nur das Aktivvermögen zugrunde zu legen, weil in einem solchen Fall das Abzugsverbot des § 18 Abs. 3 KostO eingreife, wonach Verbindlichkeiten, die auf dem Gegenstand lasten, bei der Ermittlung des Geschäftswerts nicht abgezogen werden (OLG München, DNotZ 1941, 502; BayObLG, Rpfleger 1955, 198 ff.; st. Rspr., zuletzt ZEV 2004, 510, 512; OLG Braunschweig, Rpfleger 1964, 67; OLG Celle, DNotZ 1969, 631 f.; OLG Zweibrücken, OLGR 2002, 83 ff.; Schwarz in: Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 17. Aufl., § 18 Rdnr. 27 f.; Assenmacher/Mathias, KostO, 16. Aufl., Kommanditgesellschaft 2.3, Gesellschaftsanteile 2.; Rohs in: Rohs/Wedewer, KostO, Stand April 2009, § 18 Rdnr. 9; Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl., KostO § 18 Rdnr. 7; Tiedtke, ZNotP 2004, 453, 454; ders. in: Festschrift für Spiegelberger, 2009, S. 1517, 1530 f.). Zur Begründung wird angeführt, das Vermögen einer Personenhandelsgesellschaft sei Gesamthandsvermögen der Gesellschafter. Auf diesem Gesamthandsvermögen lasteten die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Da jeder Gesellschafter unmittelbaren Anteil am Gesamthandsvermögen habe, lasteten die Gesellschaftsverbindlichkeiten unmittelbar auf seinem Anteil (so etwa BayObLG, ZEV 2004, aaO., 512 m.w.N.).

b) Dieser Auffassung ist jedoch nicht zu folgen, weil sie nicht in zutreffender Weise den Gegenstand bestimmt, der für den Geschäftswert zugrunde zu legen ist.

aa) Dem vorlegenden Gericht ist darin beizupflichten, dass das Abzugsverbot nach § 18 Abs. 3 KostO bei dem Verkauf eines Anteils an einer Kommanditgesellschaft keine Anwendung findet (Vollrath, Rpfleger 2004, 17 ff.; Weber, BB 2007, 2085 ff.; Lappe, NJW 2003, 559, 563). Dem Wortlaut des § 18 KostO lässt sich nicht entnehmen, dass Verbindlichkeiten der Gesellschaft bei der Ermittlung des Geschäftswerts nicht abgezogen werden dürfen. Dafür sind auch sonst keine Gründe ersichtlich.

Für die Wertberechnung ist nach § 18 Abs. 2 KostO der Hauptgegenstand des Geschäfts maßgebend. Gegenstand der Veräußerung eines Anteils an einer Personengesellschaft ist nicht das Gesamthandsvermögen oder eine hieran bestehende Beteiligung, sondern die Mitgliedschaft als solche (, NJW 1997, 860, unter II 2; vgl. auch BGHZ 44, 229, 231; 71, 296, 299; 81, 82, 84; 98, 48, 50; ferner Münch-KommBGB/Ulmer/Schäfer, 5. Aufl., § 719 Rdnr. 33; Bamberger/Roth/Timm/Schöne, BGB, 2. Aufl., § 719 Rdnr. 8; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., S. 1322 f. m.w.N.). Übertragen wird weder ein Anteil am Gesellschaftsvermögen noch an den einzelnen dazugehörigen Gegenständen. Die Änderung in der gesamthänderischen Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen tritt vielmehr ohne weiteres als gesetzliche Folge der Anteilsübertragung ein (vgl. BGHZ 86, 367, 369 f.; MünchKommBGB/Ulmer/Schäfer, aaO.; Bamberger/Roth/Timm/Schöne, aaO., Rdnr. 11). Da das der Anteilsübertragung zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft nicht auf die Übertragung von Gegenständen des Gesellschaftsvermögens gerichtet ist (MünchKommBGB/Ulmer/Schäfer, aaO.), kommt es nicht darauf an, ob der Gesellschafter einen unmittelbaren Anteil am Gesamthandsvermögen hat. Nichts anderes folgt aus § 18 Abs. 3 Halbs. 1 KostO, wonach Verbindlichkeiten, die auf dem Gegenstand der Beurkundung lasten, dem Abzugsverbot unterliegen. Verbindlichkeiten, die am Gesamthandsvermögen bestehen, lasten nicht auf dem Kommanditanteil, sondern werden lediglich bei der Bewertung der Beteiligung berücksichtigt (Vollrath, aaO., S. 19).

Für die Berücksichtigung von Verbindlichkeiten bei Kommanditanteilsverkäufen spricht insbesondere § 18 Abs. 3 Halbs. 2 KostO, der ein Abzugsverbot dann anordnet, wenn Nachlässe oder sonstige Vermögensmassen Geschäftsgegenstand sind. Während § 719 Abs. 1 BGB bestimmt, dass die Beteiligung des Gesellschafters am Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft nicht selbständig übertragbar ist, sieht § 2033 Abs. 1 BGB im Gegensatz dazu ausdrücklich vor, dass die gesamthänderische Mitberechtigung am Nachlass im Rahmen einer Erbengemeinschaft Gegenstand eines Verkehrsgeschäfts sein kann. Umgekehrt verhält es sich mit der Rechtsstellung, aus der sich die Berechtigung am gesamthänderisch gebundenen Vermögen ableitet: Während die Miterbenstellung als solche nicht übertragbar ist (Palandt/Edenhofer, BGB, 68. Aufl., § 2033 Rdnr. 6), ist es die Stellung des Gesellschafters einer Personengesellschaft ohne weiteres. Daraus folgt, dass der Mitgliedschaft an einer Personengesellschaft ein eigenständiger Vermögenswert beizumessen ist, der nicht mit der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen identisch ist.

bb) Die Bewertung des Geschäftswerts des Kommanditanteils ohne Anwendung des Abzugsverbots führt auch zu sachgerechten Ergebnissen. Damit wird vermieden, dass der kostenrechtliche Wert von dem tatsächlichen Wert abweicht, von dem die Beteiligten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise regelmäßig ausgehen (vgl. Rohs, aaO.; Vollrath, aaO., S. 17; Lappe, aaO.; Weber, aaO., S. 2086).

Soweit dem in der Literatur entgegengehalten wird, eine Berücksichtigung der Verbindlichkeiten würde bei der Übertragung einer Gesellschaftsbeteiligung an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft dazu führen, dass zwischen der Einzelübertragung und der Anteilsübertragung eine nicht hinnehmbare Disparität entstünde (Tiedtke, aaO., S. 1531), vermag dies keine andere Bewertung zu rechtfertigen. Eine solche Disparität ist in gleicher Weise gegeben, wenn Anteile einer vermögensverwaltenden GmbH übertragen werden und nicht das Vermögen im Wege der Einzelübertragung veräußert wird. Das erscheint letztlich auch gerechtfertigt, denn der Anteilserwerb ist nicht auf den unmittelbaren Erwerb der Vermögensgegenstände der Gesellschaft gerichtet; es fehlt somit an einer Identität der jeweiligen Geschäftsgegenstände, die eine gleiche Bewertung rechtfertigen könnte.

2. Das Beschwerdegericht hat auch zutreffend angenommen, dass ein Schadensersatzanspruch der Kostenschuldner gemäß § 19 Abs. 1 BNotO gegen den Kostengläubiger aufgrund einer Amtspflichtverletzung, mit dem sie im vorliegenden Verfahren gegenüber den berechneten Kosten hätten aufrechnen können, nicht in Betracht kommt.

Der Notar ist grundsätzlich nicht verpflichtet, über die Entstehung gesetzlich festgelegter Kosten zu belehren (OLG Düsseldorf, JurBüro 2002, 257; Bengel/Tiedtke in: Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, aaO., § 16 Rdnr. 49; Waldner in: Rohs/Wedewer, aaO., § 16 Rdnr. 32; jeweils m.w.N.). Besondere Umstände, die ausnahmsweise eine solche Amtspflicht begründen könnten, liegen nicht vor.

Ebenso scheidet die Verletzung einer Belehrungspflicht über eine gleichwertige kostengünstigere Gestaltung aus (vgl. OLG Hamm, FGPrax 2009, 131, 132; OLG Köln, FGPrax 2003, 141, 142; BayObLG, JurBüro 2001, 151; Bengel/Tiedtke, aaO., § 16 KostO Rdnr. 51, 53; Winkler, BeurkG, 16. Aufl., § 17 Rdnr. 269 f.). Eine solche Gestaltungsmöglichkeit stand nicht zur Verfügung. Soweit die Kostenschuldner geltend machen, die Abtretung der Kommanditanteile hätte in einfacher Schriftform erfolgen können, handelte es sich dabei nicht um einen gleichwertigen Weg, auf den der Notar hätte hinweisen müssen, weil vorliegend eine rechtswirksame Vereinbarung in einfacher Schriftform nicht möglich war. Nach dem Willen der Beteiligten sollten die Gesellschaftsanteile der Komplementär-GmbH nicht ohne die Kommanditanteile veräußert werden. Würde in einem solchen Fall nur die Übertragung der Geschäftsanteile der Komplementär-GmbH beurkundet, dann hätte dies die Gesamtnichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge (vgl. , NJW 1986, 2642, unter 3; Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl., § 15 Rdnr. 90; Sudhoff/Reichert, GmbH & Co. KG, 6. Aufl., § 28 Rdnr. 35, 41). Deshalb unterlag auch die Übertragung der Kommanditanteile dem notariellen Formerfordernis des § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG.

Eine Hinweispflicht bestand auch dann nicht, wenn eine Heilung des nichtigen Rechtsgeschäfts nach formwirksamer Beurkundung der Abtretung der GmbH-Geschäftsanteile in Betracht gekommen wäre (vgl. dazu Roth/Altmeppen, aaO.; Sudhoff/Reichert, aaO.). Zu Recht verweist das Beschwerdegericht darauf, dass es Aufgabe des Notars ist, wirksame Beurkundungen vorzunehmen. Steht fest, dass das zu beurkundende Rechtsgeschäft unwirksam ist, dann hat der Notar seine Amtstätigkeit zu versagen (vgl. § 14 Abs. 2 BNotO, § 4 BeurkG), weil es mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar ist, nichtigen Rechtsgeschäften wissentlich den äußeren Schein der Wirksamkeit zu verleihen. Danach ist es auch Aufgabe des Notars, die Errichtung rechtlich unwirksamer Urkunden möglichst zu verhindern (, WM 1992, 1662, unter A I 1). Dies gilt selbst dann, wenn die Möglichkeit einer nachträglichen Heilung des Rechtsgeschäfts besteht, denn der Notar darf es gar nicht erst zur Gefährdung des von ihm beurkundeten Geschäfts kommen lassen (BGH, aaO., unter A I 3). Der Notar verletzt daher seine Amtspflicht nicht, wenn er es unterlässt, auf eine Gestaltung hinzuweisen, die zur Nichtigkeit des beurkundeten Rechtsgeschäfts führen würde.

3. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, da diese noch nicht entscheidungsreif ist. Das Landgericht wird aufzuklären haben, welchen tatsächlichen Wert die Kommanditanteile (ohne Abzugsverbot nach § 18 Abs. 3 KostO) hatten.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
DNotZ 2010 S. 230 Nr. 3
NJW 2010 S. 2218 Nr. 30
WM 2010 S. 380 Nr. 8
ZIP 2010 S. 250 Nr. 5
XAAAD-35079