BGH Beschluss v. - IX ZB 142/06

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 238 Abs. 2; ZPO § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1; ZPO § 85 Abs. 2; InsO § 7; InsO § 6; InsO § 4 d Abs. 1

Instanzenzug: AG Esslingen, 1 IK 214/04 vom LG Stuttgart, 2 T 310/06 vom

Gründe

1.

Die gemäß § 238 Abs. 2, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6, 4 d Abs. 1 InsO statthafte Rechtsbeschwerde bedarf keiner Zulassung. Die vom Beschwerdegericht gleichwohl ausgesprochene Zulassung ist überflüssig und vermag keine Bindung des Rechtsbeschwerdegerichts zu begründen (, WM 2004, 1688; v. - IX ZB 200/05, WM 2006, 1817, 1818 Rn. 12; MünchKomm-InsO/Ganter, 2. Aufl. § 7 Rn. 16). Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern (§ 574 Abs. 2 ZPO).

Insbesondere ist entgegen der Auffassung des Schuldners eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts verletzt weder den Anspruch des Schuldners auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl. , NJW 2007, 601, 602 m.w.N.) noch weicht die Entscheidung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab. Die auf Art. 103 GG gestützte Verfahrensgrundrechtsverletzung liegt gleichfalls nicht vor.

2.

Das Beschwerdegericht hat den Wiedereinsetzungsantrag für unbegründet erachtet, weil die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde durch Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners versäumt worden sei. Dieses liege darin, dass er keine organisatorischen Vorkehrungen in seiner Kanzlei getroffen habe, die sicherstellen konnten, dass die im Fristenkalender einzutragende Beschwerdefrist dort ordnungsgemäß vermerkt und der Begründungsschriftsatz rechtzeitig eingereicht wurde. Er habe auch nicht, obwohl es sich um eine Ausnahme vom normalen Ablauf gehandelt habe, dafür Sorge getragen, dass die Vorlage der Handakte überwacht werde.

3.

Das Beschwerdegericht hat damit entsprechend der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entschieden.

Ein Rechtsanwalt darf zwar grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt (st. Rspr., z.B. , NJW-RR 2004, 1361, 1362; v. - XII ZB 103/06, BGHReport 2006, 1493; v. - IX ZB 309/04, AnwBl. 2007, 236; v. - III ZB 85/06, NJW-RR 2007, 1430, 1431 Rn. 9; v. - IX ZB 219/06, NJW 2008, 526, 527 Rn. 10). In einer Anwaltskanzlei müssen jedoch ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die mündliche Einzelanweisung über die Eintragung oder Einhaltung einer wichtigen Frist in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung oder rechtzeitige Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes unterbleibt (für die Eintragung einer wichtigen Frist vgl. z.B. , NJW 2004, 688, 689; v. a.a.O.; für die Einhaltung einer wichtigen Frist zur Übermittlung eines Schriftsatzes per Fax vgl. z.B. a.a.O.; v. a.a.O.; v. a.a.O.). In einem solchen Fall bedeutet das Fehlen jeglicher Sicherung einen entscheidenden Organisationsmangel ( a.a.O.; v. a.a.O.; v. a.a.O.; v. a.a.O. ; v. a.a.O. Rn. 11).

Eine besondere Vorkehrung mag ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn die Bürokraft die unmissverständliche Weisung erhalten hat, einen Vorgang sogleich auszuführen ( a.a.O.; v. a.a.O.; v. a.a.O. Rn. 12). Lässt der Anwalt dagegen seiner Angestellten einen zeitlichen Spielraum von mehreren Stunden oder noch länger, besteht die Gefahr, dass der Auftrag im Drange der sonstigen Geschäfte vergessen wird. Dieser Fehler kann auch ansonsten verlässlichen Kanzleikräften unterlaufen. Der Rechtsanwalt muss deshalb, wenn er nicht die sofortige Ausführung seiner Anweisung anordnet, durch allgemeine Weisung oder durch besonderen Auftrag Vorkehrungen gegen das Vergessen treffen ( a.a.O.; v. a.a.O. Rn. 12).

Nach dem Vortrag des Schuldners hat sein Verfahrensbevollmächtigter gegenüber einer Kanzleibediensteten mündlich angeordnet, "die Beschwerdeeinlegungsfrist auf dem Beschluss des Amtsgerichts ... zu notieren und sodann mitsamt der Handakte sofort wieder vorzulegen". Damit hat der Verfahrensbevollmächtigte gerade keine unmissverständliche, jedes Vergessen verhindernde Anordnung erteilt. Die Anordnung der "sofortigen" Erledigung bezog sich nicht etwa auf das Notieren der Frist, sondern auf die Vorlage der - erst noch zu beschaffenden - Handakte. Wegen der Verknüpfung der Fristnotierung und der Vorlage der Handakte bestand die Gefahr, die sich hier auch verwirklicht hat, dass die Frist nicht sofort notiert werden würde, falls die Handakte nicht unmittelbar greifbar war. Im Übrigen hätte der Verfahrensbevollmächtigte angesichts der offenkundigen Nichteinhaltung der von ihm aufgegebenen sofortigen Vorlage der Handakte selbst bei der Kanzleikraft nachfragen müssen, weshalb seiner Anordnung nicht Folge geleistet werde.

Dieses Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten muss sich der Schuldner zurechnen lassen, § 85 Abs. 2 ZPO.

4.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 4 InsO, § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.

Fundstelle(n):
HAAAD-34860

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