BFH Urteil v. - XI R 52/06 BStBl 2010 II S. 869

Umsätze aus sog. Mailingaktionen als einheitliche sonstige Leistungen

Leitsatz

Ein Unternehmer, der im Rahmen sog. „Mailingaktionen” an gemeinnützige Organisationen in Italien ein Bündel von Leistungen zur Planung, Herstellung, Verteilung und Erfolgskontrolle von Serienbriefen erbringt, um deren Adressaten zur Zahlung von Spenden zu bewegen, führt gegenüber seinen Auftraggebern eine einheitliche sonstige Leistung i.S. des § 3 Abs. 9 UStG und keine steuerermäßigte Lieferung von Druckschriften aus.

Gesetze: UStG § 3 Abs. 9UStG § 3a Abs. 1UStG § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Nr. 49 der Anlage

Instanzenzug: (EFG 2006, 1014) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Streitig ist die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Leistungen im Zusammenhang mit der Planung, Herstellung und Distribution sog. Mailings (Serienbriefe zum Zwecke der Information und des Spendensammelns) für gemeinnützige Organisationen in Italien.

Im Streitjahr 2001 gründete die S-AG die im Inland ansässige S-GmbH. Unternehmensgegenstand der S-GmbH war der Aufbau und Betrieb von Direktmarketing-Aktivitäten in Italien. Während des Revisionsverfahrens wurde sie auf die K-GmbH, die (nunmehrige) Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), verschmolzen.

Die S-GmbH erstellte in Abstimmung mit dem jeweiligen Auftraggeber eine Informationsschrift, wobei sie die gesamte Redaktion übernahm. Sie mietete von Listeneignern die Adressen „spendenaffiner” Personen zum einmaligen Gebrauch an. Sie vergab den Druckauftrag an eine Druckerei. Zur Versendung wurden die Briefe entweder an einen „Lettershop” nach Italien übersandt, der die Briefe kuvertierte, oder sie wurden bereits in der Druckerei kuvertiert und von dort direkt nach Italien geschafft.

Anhand der Kennziffern der in den versandten Briefen enthaltenen Überweisungsträger ermittelte die S-GmbH, welche der angeschriebenen Personen gespendet hatten. Sie erstellte hierüber für ihre Auftraggeber eine Statistik. Diese nachbereitenden Arbeiten dienten wiederum der Vorbereitung weiterer Mailings (sog. Housemailings) im Rahmen des jeweiligen Mailplans.

Für den Voranmeldungszeitraum August 2001 erklärte die S-GmbH nicht steuerbare und nicht steuerpflichtige Umsätze, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen, und machte gleichzeitig Vorsteuern in Höhe von 26.541 € geltend. Im Verlauf einer anschließenden Umsatzsteuer-Sonderprüfung reichte sie weitere Voranmeldungen für September bis Dezember 2001 ein, in denen sie ebenfalls nicht steuerbare und nicht steuerpflichtige Umsätze, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen, sowie Vorsteuern in Höhe von insgesamt 60.480 € geltend machte.

Im Anschluss an die Umsatzsteuer-Sonderprüfung gelangte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) zu dem Ergebnis, dass die S-GmbH gemäß § 3a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) im Inland steuerpflichtige sonstige Leistungen ausführe, die dem Regelsteuersatz unterlägen. Mit ihren Leistungen erbringe sie —auch aus Sicht der Leistungsempfänger— nicht nur die Lieferung von versandfertigen Werbedrucksachen, sondern ein Leistungsbündel, das eine einheitliche sonstige Leistung in Gestalt einer jeweils strategisch angelegten, individuell abgestimmten und auf Dauer ausgerichteten Werbekampagne beinhalte. Die Kunden seien nicht an dem körperlichen Erhalt der Mailings, sondern an der damit verknüpften Geistestätigkeit der S-GmbH und dem erhofften Effekt eines Anstiegs der Mitgliedschaften und des Spendeneingangs interessiert. Das FA erließ hierauf entsprechend geänderte Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für Juli bis Dezember 2001.

Ebenso wurde im Steuerbescheid vom hinsichtlich der —während des Einspruchsverfahrens abgegebenen— Umsatzsteuerjahreserklärung für 2001 verfahren.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) verständigten sich die Beteiligten dahingehend, dass der Anteil der Adressenbeschaffung 25 % der Ausgangsumsätze betragen habe.

Die Klage hatte keinen Erfolg (die Entscheidung ist abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2006, 1014). Die Umsätze aus den Mailingaktionen seien gemäß § 3 Abs. 9 Satz 1 i.V.m. § 3a Abs. 1 UStG in Deutschland steuerbar. Zu Recht habe das FA die streitigen Leistungen der S-GmbH als einheitliche Gesamtleistung beurteilt, bei der weder die Adressengestellung noch die Herstellung und der Versand der Informationsschriften als selbständige Leistungen anzusehen seien. Diese Leistungen seien zwar am Markt auch getrennt zu bekommen, im Streitfall aber eingebettet in eine Komplettdienstleistung im Rahmen des Spendenmarketings. Die Information über die Organisationen und ihre aktuellen Projekte sei kein Selbstzweck, sondern bezwecke, Spendengelder und Mitgliedschaften einzuwerben, wie sich den regelmäßig beigefügten Spendenaufrufen mit vorbereiteten Überweisungsträgern und deren Auswertung entnehmen lasse.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Dem FG könne zwar darin gefolgt werden, dass es sich bei den Tätigkeiten der S-GmbH um eine einheitliche Leistung handele und —im Gegensatz zu dem (EFG 2003, 810)— dass die Adressengestellung nicht als selbständige Hauptleistung anzusehen sei, sondern in eine komplette Dienstleistung eingebettet sei.

Leistungsgegenstand sei aber immer die Herstellung der Informationsschriften bzw. das Endprodukt „Mailing” gewesen, vergleichbar der Erstellung einer Zeitschrift. Die damit einhergehenden notwendigen Nebenleistungen hätten für ihre Kunden keine eigenen Zwecke gehabt, sondern nur ermöglicht, die Hauptleistung „Mailing” unter optimalen Bedingungen zu erhalten. Diese unterliege gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 49 der dazugehörigen Anlage zum UStG dem ermäßigten Steuersatz. Die Bezeichnung Komplettdienstleistung durch das FG sei irreführend, da Lieferungen typischerweise stets mit Dienstleistungen verbunden seien, die auch individuell und kundenspezifisch ausgerichtet seien. Das FG habe versäumt, Beweis über die Tatsache zu erheben, ob es sich im Streitfall um „Komplettdienstleistungen im Bereich des Spendenmarketings” gehandelt habe.

Selbst wenn die Spendeneinwerbung im Vordergrund gestanden haben sollte, so wäre die Tätigkeit der S-GmbH jedenfalls deshalb gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 49 der dazugehörigen Anlage zum UStG steuerbegünstigt, weil gemeinnützige Organisationen keine Werbungtreibende im Sinne dieser Vorschrift seien. Es sei zu unterscheiden zwischen Druckerzeugnissen zur Werbung für entgeltliche Leistungen (geschäftliche Werbung) und solchen für andere Zwecke, wie z.B. Beitrittswerbung. Spendenwerbung sei keine Werbung, die eine entgeltliche Leistung betreffe.

Während des Revisionsverfahrens hat das FA den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom durch Bescheide vom und vom geändert. Die Beteiligten haben erklärt, die Änderungsbescheide berührten die tatsächlichen Grundlagen des Streitfalls nicht.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Umsatzsteuer 2001 auf ./. 70.447,72 € herabzusetzen, hilfsweise die erbrachte Leistung entsprechend dem Urteil des FG Köln in EFG 2003, 810 zu beurteilen, indem 25 % der Umsätze als Lieferung behandelt und nur die restlichen 75 % dem ermäßigten Steuersatz unterworfen werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die S-GmbH habe eine Komplettdienstleistung im Rahmen des Spendenmarketings (sog. Fundraising) erbracht, die nicht in ihre Einzelbestandteile zergliedert werden könne. Eine Bewertung der Bereitstellung der angemieteten Adressen als selbständige Hauptleistung verstoße gegen den Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung. Dass Informationsschriften isoliert betrachtet als Druckerzeugnisse in die Nr. 49 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG einzureihen seien, besage nichts für die Frage, ob die Leistung im Streitfall eine einheitliche sonstige Leistung sei.

II. Die Revision führt zwar aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der Senat entscheidet aufgrund seiner Befugnis aus § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Sache selbst und weist die Klage auf der Grundlage der fortgeltenden finanzgerichtlichen Feststellungen (vgl. , BFH/NV 2008, 37, m.w.N.) als unbegründet ab. Die streitigen Umsätze sind einheitliche sonstige Leistungen und im Inland mit dem Regelsteuersatz steuerbar (§ 3 Abs. 9 Satz 1 i.V.m. § 3a Abs. 1, § 12 Abs. 1 UStG).

1. Das FG hat über den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom entschieden. An die Stelle dieses Bescheids traten während des Revisionsverfahrens die Änderungsbescheide vom und vom . Damit liegt dem FG-Urteil ein in seiner Wirkung suspendierter Bescheid zugrunde mit der Folge, dass auch das FG-Urteil insoweit keinen Bestand mehr haben kann (vgl. , BFHE 221, 55, BStBl II 2008, 695; in BFH/NV 2008, 37; vom VIII R 62/04, BFHE 216, 199, BStBl II 2007, 568, und vom IV R 20/02, BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10).

Die Änderungsbescheide vom und vom wurden nach § 68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens (vgl. BFH-Urteil in BFHE 221, 55, BStBl II 2008, 695). Da sich hinsichtlich der streitigen Punkte durch diese Bescheide keine Änderungen ergeben haben und die Klägerin auch keinen weitergehenden Antrag gestellt hat, bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache gemäß § 127 FGO. Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel, sodass die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen sind; sie bilden nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des Senats (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 37, m.w.N.).

Die Verschmelzung der ursprünglichen Klägerin, der S-GmbH, auf die K-GmbH führte zur Gesamtrechtsnachfolge (vgl. , BFHE 217, 314) und damit zum gesetzlichen Beteiligtenwechsel (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes). Die K-GmbH ist daher an Stelle der S-GmbH nunmehr als Klägerin beteiligt.

2. Die Mailingaktionen der S-GmbH sind vom FG zu Recht als jeweils einheitliche Leistung beurteilt worden.

a) Für die Annahme einer einheitlichen Leistung sind im Wesentlichen die folgenden gemeinschaftsrechtlich geklärten Grundsätze zu berücksichtigen (vgl. z.B. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften —EuGH— vom Rs. C-349/96 —CPP—, Slg. 1999, I-973, Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 1999, 254, Randnrn. 28 ff., und vom Rs. C-41/04 —Levob Verzekeringen und OV Bank—, Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38, Randnrn. 19 ff.; , BFHE 210, 182, BStBl II 2006, 98; vom V R 66/05, BFHE 221, 60, BStBl II 2008, 638, und vom V R 12/05, BFHE 221, 310, BStBl II 2009, 60, m.w.N.): Zum einen ist jede Leistung in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten, zum anderen darf eine wirtschaftlich einheitliche Leistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden. Daher ist das Wesen bzw. sind die charakteristischen Merkmale des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt. Dabei ist auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen.

Tragen mehrere, untereinander gleich zu wertende Faktoren zur Erreichung eines Zieles bei und gehören sie aus diesem Grunde zusammen, so ist die Annahme einer einheitlichen Leistung nur gerechtfertigt, wenn die einzelnen Faktoren so ineinander greifen, dass sie bei natürlicher Betrachtung hinter dem Ganzen zurücktreten (vgl. , BFH/NV 1995, 553; , BFHE 132, 147, BStBl II 1981, 197). Nach dem EuGH-Urteil in Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38 (Levob Verzekeringen und OV Bank) ist bei einem Umsatz, der ein Leistungsbündel darstellt, eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, um zu bestimmen, ob zwei oder mehrere getrennte Leistungen vorliegen oder eine einheitliche Leistung und ob im letztgenannten Fall diese einheitliche Leistung als Dienstleistung einzustufen ist.

b) Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG ist im Streitfall bei der jeweiligen Mailingaktion von einer einheitlichen Leistung auszugehen. Aus der maßgeblichen Sicht des Durchschnittsverbrauchers bot die S-GmbH ein Leistungsbündel an, in dem die einzelnen Leistungen aufeinander abgestimmt waren, um die Spendenbereitschaft der Adressaten der Spendenbriefe zu wecken. Dadurch, dass die S-GmbH anhand der Kennziffern auf den Überweisungsträgern die Spender feststellen konnte, war sie in der Lage, gezielt erneute Spendenbriefe als sog. Housemailings nur an diejenigen Adressaten zu versenden (Nachfassaktion), die bereits auf frühere Mailings der jeweiligen Organisation reagiert hatten. Grundlage hierfür war aber die erstmalige Beschaffung der Adressen geeigneter potentieller Spender von den Listeneignern durch die S-GmbH. Die Leistungen der S-GmbH bauten somit aufeinander auf und gingen über die schlichte Herstellung und Versendung der Informationsschriften bzw. Mailings hinaus, wobei die einzelnen Leistungen jeweils ineinander griffen. Eine Herauslösung etwa der Beschaffung der Adressenlisten aus dem von der S-GmbH geschuldeten Leistungsbündel erschiene danach künstlich. Das wird im Revisionsverfahren von der Klägerin auch zu Recht nicht mehr in Frage gestellt.

3. Die jeweiligen Mailingaktionen der S-GmbH sind einheitliche sonstige Leistungen und keine steuerbegünstigten Lieferungen von Druckwerken (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 49 der Anlage zum UStG).

a) Gemäß § 3 Abs. 1 UStG sind Lieferungen eines Unternehmers Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Sonstige Leistungen sind gemäß § 3 Abs. 9 UStG Leistungen, die keine Lieferungen sind.

Ob bei einer einheitlichen Leistung, die sowohl Lieferungselemente als auch Elemente sonstiger Leistungen aufweist, der Umsatz als Lieferung von Gegenständen oder als Dienstleistung (sonstige Leistung) zu beurteilen ist, richtet sich im Wesentlichen nach folgenden gemeinschaftsrechtlich geklärten Grundsätzen: Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ist das Wesen des Vorgangs zu ermitteln; maßgebend ist die Sicht des Durchschnittsverbrauchers (vgl. EuGH-Urteile in Slg. 1999, I-973, UR 1999, 254, Randnr. 28; vom Rs. C-322/99 und C-323/99 —Fischer und Brandenstein—, Slg. 2001, I-4049, BFH/NV Beilage 2001, 177, Randnr. 62, und in Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38; , BFHE 200, 135, BStBl II 2004, 470, und in BFHE 210, 182, BStBl II 2006, 98). Wenn die Lieferungen nur einen Teil des Umsatzes darstellen, die Dienstleistungen aber qualitativ überwiegen, ist der Umsatz als Dienstleistung zu beurteilen (vgl. EuGH-Urteile in Slg. 2001, I-4049, BFH/NV Beilage 2001, 177, Randnr. 62; vom Rs. C-231/94 —Faaborg-Gelting Linien—, Slg. 1996, I-2395, BStBl II 1998, 282, Randnr. 14; , BFHE 223, 539).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen stellt sich bei einer Gesamtbetrachtung der von der S-GmbH entfalteten komplexen Tätigkeit die jeweilige Mailingaktion ihrem gesamten Wesen und ihrer Zielsetzung nach als einheitliche sonstige Leistung dar.

Bei einer qualitativen Abwägung zwischen den Lieferelementen und den Leistungselementen überwiegen die Dienstleistungselemente. Denn der wirtschaftliche Gehalt des Umsatzes liegt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht in der Zuwendung eines in den Werbebriefen verkörperten Sachwerts und dem Bedrucken von Papier durch die damit beauftragten Druckereien (Lieferung), sondern darin, durch ein abgestuftes und aufeinander abgestimmtes Vorgehen möglichst gezielt geeignete potentielle Spender der jeweiligen Organisationen anzusprechen und ein möglichst hohes Spendenaufkommen zu erreichen. Unter den Einzelleistungen überwiegen diejenigen mit Dienstleistungscharakter, nämlich die Anmietung der Adressenlisten „spendenaffiner” Personen, die Erfolgskontrolle anhand der Spendeneingänge zur Optimierung weiterer Aktionen und die der Durchführung zugrunde liegende Gesamtkonzeption; der Lieferung der Informationsschriften allein ist im Vergleich hierzu kein vergleichbares Gewicht beizumessen. Dass die Informationsschriften einen für die Gesamtleistung notwendigen Teil darstellen, ändert insoweit nichts, denn dies gilt gleichermaßen für die Anmietung der Adressen und die nachträgliche Erfolgskontrolle.

c) Gemäß § 3a Abs. 1 UStG wurden die streitigen Dienstleistungen an dem Ort ausgeführt, von dem aus die S-GmbH ihr Unternehmen betrieben hat. Sie sind somit im Inland steuerbar und steuerpflichtig. Dass sich der Leistungsort im Streitfall aufgrund von Sonderregelungen —etwa des § 3a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3a Abs. 4 UStG— nicht nach § 3a Abs. 1 UStG bestimmt, ist weder vorgetragen noch anhand der Feststellungen des FG ersichtlich.

4. Das Vorbringen, das FG habe es versäumt, Beweis zu erheben über die „Tatsachenfrage”, ob die S-GmbH „Komplettdienstleistungen im Bereich des Spendenmarketings” erbrachte, ist nicht geeignet, einen Verfahrensmangel des FG darzulegen. Die Frage, ob es sich im Streitfall um „Komplettdienstleistungen im Bereich des Spendenmarketings” handelt, ist anhand der einzelnen vom FG festgestellten Teilelemente des Leistungsprogramms der S-GmbH und der sonstigen Begleitumstände zu beurteilen. Welche konkreten Sachverhalte noch weiterer Aufklärung bedurften und was dazu zu veranlassen gewesen wäre, hat die Klägerin nicht dargetan. Sie trägt insoweit lediglich vor, die Herstellung und der Versand der Informationsschriften seien das Ziel gewesen und die anderen Tätigkeiten lediglich das Mittel zu diesem Zweck. Damit gibt sie aber nur ihre Wertung des Sachverhalts wieder und benennt keine Tatsachen, die zusätzlich zu den Feststellungen des FG konkret zu beweisen wären. Im Grunde wendet sie sich gegen die rechtliche Wertung ihrer Leistungen als Dienstleistungen und nicht als Lieferungen. Dies ist aber keine Tat- sondern eine Rechtsfrage.

5. Aus den von der Klägerin vorgelegten unverbindlichen Zolltarifauskünften, in denen die Mailings zolltariflich als steuerbegünstigte Lieferungen klassifiziert wurden, folgt nicht, dass die Leistungen der S-GmbH dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Ausgangspunkt für die Bestimmung des Steuersatzes ist zunächst die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung, ob eine Lieferung oder sonstige Leistung vorliegt. Erst wenn geklärt ist, dass die Lieferung eines Gegenstands vorliegt, kann geprüft werden, ob der Gegenstand unter eine Nummer der Liste der dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Gegenstände fällt (vgl. Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 141 Rz 116 und 121). Da die S-GmbH im Streitfall sonstige Leistungen erbracht und es somit bereits an der Lieferung eines Gegenstands gefehlt hat, kommt der zollrechtlichen Tarifierung keine Bedeutung zu.

6. Die Revision hat auch mit ihrem Hilfsantrag keinen Erfolg. Der Auffassung, die jeweils erbrachte Leistung sei entsprechend dem Urteil des FG Köln in EFG 2003, 810 als zwei (selbständige) —unterschiedlichen Steuersätzen unterliegende— Hauptleistungen zu beurteilen (25 % der Umsätze für die Adressengestellung und die restlichen 75 % für die Informationsschriften), ist aus dem unter II.2. angeführten Gründen nicht zu folgen.

Fundstelle(n):
BStBl 2010 II Seite 869
BB 2010 S. 86 Nr. 3
BBK-Kurznachricht Nr. 4/2010 S. 143
BFH/NV 2010 S. 370 Nr. 2
BFH/PR 2010 S. 97 Nr. 3
BStBl II 2010 S. 869 Nr. 16
DB 2010 S. 151 Nr. 3
DStRE 2010 S. 116 Nr. 2
DStZ 2010 S. 219 Nr. 7
GStB 2010 S. 10 Nr. 3
KÖSDI 2010 S. 16797 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 3/2010 S. 172
RIW 2010 S. 176 Nr. 3
StB 2010 S. 4 Nr. 1
StBW 2010 S. 110 Nr. 3
StuB-Bilanzreport Nr. 8/2010 S. 326
UR 2010 S. 170 Nr. 5
UStB 2010 S. 38 Nr. 2
UVR 2010 S. 161 Nr. 6
YAAAD-34795