BFH Urteil v. - III R 24/07

Bezeichnung "Getreidelager" in einem Antrag auf Investitionszulage hinreichend genau; Vorliegen eines einheitlichen Wirtschaftsguts

Leitsatz

Die Bezeichnung "Getreidelager" in einem Investitionszulagenantrag ist hinreichend genau im Sinne des § 6 Abs. 3 Satz 2 InvZulG 1991, wenn die dem Antrag beigefügten Rechnungen die Kosten für die zur Herstellung des Lagers verwendeten Einzelteile wie z.B. Stahlstützen, Verbundanker, Winkeleisen, Eckschrägstützen und Verbauholz ausweisen.
Die Bezeichnung "Getreidelager" ist keine Gattungs- oder Sammelbezeichnung für eine Vielzahl einzelner Wirtschaftsgüter, sondern für die gesamte Vorrichtung zur Lagerung von Getreide. Die Bezeichnung wird in der landwirtschaftlichen Praxis für vergleichbare Einrichtungen verwendet und ist auch investitionszulagenrechtlich ausreichend.

Gesetze: InvZulG § 6 Abs. 3 Satz 2

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf), ,

Gründe

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb einen Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen im Fördergebiet. Er unterhielt Betriebsstätten u.a. in G und J. Die Betriebsstätte in G bestand im Wesentlichen aus fünf großen Lagerhallen; die Lagerhallen standen frei und waren voneinander durch etwa 20 m große Zwischenräume getrennt. In der Betriebsstätte in J befanden sich drei Lagerhallen von etwa gleicher Größe, die in U-Form aufgebaut waren und ineinander übergingen.

Im Streitjahr 1992 ließ der Kläger sog. Stellwände für die Lagerhallen in G und J herstellen. Die Stellwände wurden mit dem Boden verschraubt und in etwa 1 m Abstand von den eigentlichen Begrenzungswänden der Hallen aufgestellt. Dadurch lastete das Getreidegut nicht mehr auf den Wänden der Halle selbst, sondern auf den Stellwänden davor. Die Wände waren hintergehbar und hinterlüfteten das an die Stellwände aufgeworfene Getreidegut.

Die Stellwände bestanden aus Stahlstützen —etwa 5 m langen Doppel-T-Trägern aus Eisenstahl—, die im Abstand von zumeist 2,50 m voneinander aufgestellt wurden und durch in die Aussparungen der Träger eingelassene Kanthölzer miteinander verbunden waren. An die Stahlstützen ließ der Kläger Fußteile anschweißen, die mit Bohrlöchern versehen wurden. Die Stahlträger wurden dann mit Dübeln und Dübelschrauben in den Hallenböden verankert. Zusätzlich wurden die Stahlträger durch Stahlverstrebungen abgestützt, die ebenfalls in Dübellöchern im Boden verschraubt wurden. Darüber hinaus konnte das in die Hallen eingebrachte Füllgut noch durch zusätzlich aufgestellte weitere Stellwände gleicher Art voneinander getrennt werden.

In seinem Antrag auf Investitionszulage für das Jahr 1992 machte der Kläger unter anderem die Aufwendungen für die Stellwände unter den Bezeichnungen „Getreidelager G” und „Getreidelager J” geltend. Dem Antrag waren die jeweiligen Rechnungen beigefügt. Die Rechnungen wiesen die Kosten für die zur Herstellung verwendeten Einzelteile wie z.B. Stahlstützen, Verbundanker, Winkeleisen, Eckschrägstützen und Verbauholz aus.

Mit Bescheid vom , der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung) erging, setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) die Investitionszulage antragsgemäß fest.

Nach einer Außenprüfung änderte das FA mit Bescheid vom den Investitionszulagenbescheid für 1992 und setzte die Investitionszulage ohne die Aufwendungen für die beiden Getreidelager fest. Es war der Ansicht, die Wirtschaftsgüter seien als Betriebsvorrichtungen zwar grundsätzlich begünstigt, der Kläger habe sie im Antrag auf Investitionszulage aber nicht ausreichend bezeichnet. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) setzte durch Urteil vom 2 K 720/01 (Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2008, 877) die Investitionszulage unter Berücksichtigung von Aufwendungen für die beiden Getreidelager (200.899 DM und 193.601 DM) auf insgesamt 172.861 DM fest. Diese Aufwendungen hatte das FA in einem Beweis- und Erörterungstermin der Höhe, aber nicht dem Grunde nach anerkannt.

Zur Begründung seines Urteils führte das FG im Wesentlichen aus, der Kläger habe seine Investitionen mit dem Begriff „Getreidelager” ausreichend bezeichnet. Dieser Begriff werde in der Landwirtschaft verwendet für Vorrichtungen zur Aufbewahrung von Getreide in einem Gebäude. Die Getreidelager in J und G seien jeweils als ein Wirtschaftsgut anzusehen, da sie nach ihrer Zweckbestimmung durch den Kläger nur zusammen nutzbar seien. Der Kläger habe das Stellwandsystem so konzipiert, dass es je nach Bedürfnis abgebaut und in einer anderen Halle habe aufgestellt werden können. Die Stellwände seien nicht notwendigerweise zum dauernden Verbleib in einer konkreten Halle bestimmt gewesen. Deshalb habe der Kläger die Stellwände im Antrag auf Investitionszulage auch nicht den einzelnen Hallen zuordnen müssen. Da die Zahl der Träger und Stützen aufgrund der Rechnungen feststehe und auch das Bauholz jedenfalls dem Volumen nach aus den Rechnungen ersichtlich sei, könnten ohne wesentlich größeren Aufwand die in J und G vorhandenen Einzelteile ermittelt werden. Die Investitionen in das Getreidelager seien auch nicht als geringwertige Wirtschaftsgüter nach § 2 Satz 1 des Investitionszulagengesetzes 1991 (InvZulG 1991) von der Begünstigung ausgeschlossen, da sie —wie etwa ein Regalsystem— jedenfalls nach ihrer Zweckbestimmung nur zusammen genutzt werden sollten und technisch aufeinander abgestimmt seien.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 6 Abs. 3 Satz 2 InvZulG 1991. Die Bezeichnung „Getreidelager” reiche als Sammel- oder Gattungsbezeichnung nicht aus. Unter dem Begriff „Getreidelager” würden allgemein Silos oder Lagerhallen verstanden, die als unbewegliche Wirtschaftsgüter nicht begünstigt seien. Ein Bearbeiter des Antrags auf Investitionszulage hätte auch unter Zuhilfenahme der Rechnungen ohne aufwändige Ermittlungen nicht erkennen können, dass es sich bei den Getreidelagern um Trenn- oder Stellwände für Schüttgut gehandelt habe. Außerdem handle es sich in jeder Betriebsstätte nicht nur jeweils um ein Lager, sondern um eine Vielzahl von Stellwänden, was dem Investitionszulagenantrag nicht zu entnehmen sei. Die Getreidelager, die aus vielen verschiedenen Einzelteilen bestünden, seien auch nicht als jeweils einheitliches Wirtschaftsgut anzusehen. Der Nutzungs- und Funktionszusammenhang nach der Verbindung sei hierfür kein geeignetes Beurteilungskriterium. Für die Beurteilung der Selbständigkeit komme es vielmehr auf die Festigkeit und Zeitdauer der Verbindung sowie das äußere Erscheinungsbild vor und nach der Verbindung an. Im Streitfall sei eine Vielzahl von Stahlstützen mit darin eingelassenen Kanthölzern aufgestellt worden; jede einzelne Stellwand sei als ein Wirtschaftsgut nutzbar. Die Verbindungen der Stellwände mit den Hallenböden könnten jederzeit gelöst und die Stellwände in anderen Hallen wieder eingesetzt werden.

Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen, als das FG die Aufwendungen für die Getreidelager in J (200.899 DM) und in G (193.601 DM) in die Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage 1992 einbezogen hat.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Das FG hat zu Recht die Aufwendungen für die beiden Getreidelager in die Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage einbezogen; der Kläger hat die begünstigten Wirtschaftsgüter im Investitionszulagenantrag ausreichend bezeichnet.

1. Die Gewährung einer Investitionszulage erfordert —neben anderen, hier nicht streitigen Voraussetzungen— eine form- und fristgerechte Antragstellung nach § 6 InvZulG 1991. Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 InvZulG 1991 sind in dem Antrag auf Investitionszulage die Investitionen, für die eine Investitionszulage beansprucht wird, innerhalb der Antragsfrist nach § 6 Abs. 1 InvZulG 1991 so genau zu bezeichnen, dass ihre Feststellung bei einer Nachprüfung möglich ist.

Begünstigte Investitionen sind nach § 2 Satz 1 InvZulG 1991 die Anschaffung und Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Gegenstand der Förderung nach dem InvZulG 1991 ist nicht das Investitionsvorhaben als solches, sondern das einzelne Wirtschaftsgut. Für den mit der Prüfung befassten Beamten müssen bei Ablauf der Antragsfrist die einzelnen Wirtschaftsgüter eindeutig erkennbar sein. Bei einer Überprüfung anhand der eingereichten Belege oder anlässlich einer Besichtigung der angeschafften Wirtschaftsgüter muss feststehen, dass die in den Belegen ausgewiesenen Gegenstände mit denjenigen identisch sind, für die eine Investitionszulage beantragt wird. Ebenso muss feststellbar sein, ob die Wirtschaftsgüter im maßgeblichen Kalenderjahr angeschafft worden sind. Der Antragsteller soll durch die genaue Bezeichnung der Maßnahme das seinerseits Erforderliche und Mögliche zur zügigen Abwicklung des Verfahrens beitragen, insbesondere soll eine eventuelle doppelte Erfassung bzw. ein Auswechseln der Wirtschaftsgüter verhindert werden. Bloße Sammel- oder Gattungsbezeichnungen genügen dementsprechend nicht. Welche Anforderungen an die Bezeichnung konkret zu stellen sind, kann nur anhand der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalles entschieden werden. Die genaue Bezeichnung der einzelnen Wirtschaftsgüter im Antragsvordruck ist nur dann entbehrlich, wenn die Wirtschaftsgüter eindeutig und nachprüfbar aus den -—innerhalb der Antragsfrist— beigefügten Unterlagen, z.B. Rechnungen, ersichtlich sind (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom III R 42/04, BFH/NV 2006, 1348, m.w.N.).

2. Die Bezeichnung „Getreidelager” in Verbindung mit den beigefügten Rechnungen genügt den Anforderungen des § 6 Abs. 3 Satz 2 InvZulG 1991.

a) Bei einem Verbund von Einzelteilen handelt es sich um ein einheitliches Wirtschaftsgut, wenn die eingefügten oder zusammengestellten Gegenstände ihre selbständige Bewertbarkeit verlieren. Bestimmend hierfür sind neben dem gemeinsamen Zweck insbesondere der Grad der Festigkeit einer vorgenommenen Verbindung, der Zeitraum, auf den eine Verbindung oder die gemeinsame Nutzung mehrerer beweglicher Sachen angelegt ist, sowie das äußere Erscheinungsbild. Erscheinen die Gegenstände für sich allein betrachtet unvollständig oder hat ein Gegenstand ohne den/die anderen ein negatives Gepräge, ist regelmäßig von einem einheitlichen Wirtschaftsgut auszugehen (, BFHE 196, 442, BStBl II 2001, 842, m.w.N., und in BFH/NV 2006, 1348, unter II. 2.).

b) Das FG hat in Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen darauf abgestellt, dass die Einzelteile der Getreidelager —Doppel-T- Träger, Stahlstützen und Kanthölzer— für sich allein betrachtet unvollständig erschienen; nach ihrer Zweckbestimmung durch den Kläger seien sie nur zusammen nutzbar, und zwar auch dann, wenn sie —wie beabsichtigt— in ihrer Gesamtheit aus einer Halle ausgebaut und in einer anderen Halle wieder eingebaut werden könnten. Diese Würdigung des FG, die weder gegen Denkgesetze noch allgemeine Erfahrungssätze verstößt, ist für den Bundesfinanzhof als Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 FGO bindend, selbst wenn die Wertung des FG nicht zwingend, sondern lediglich möglich ist (Senatsurteil vom III R 109/07, BFH/NV 2009, 391, unter II. 2.).

c) Entgegen der Auffassung des FA ist die Bezeichnung „Getreidelager” keine Gattungs- oder Sammelbezeichnung für eine Vielzahl einzelner Wirtschaftsgüter, sondern für die gesamte Vorrichtung zur Lagerung von Getreide in den jeweiligen Betriebsstätten in G und J. Die Bezeichnung wird nach den Feststellungen des FG in der landwirtschaftlichen Praxis für vergleichbare Einrichtungen verwendet und ist auch investitionszulagenrechtlich ausreichend.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 242 Nr. 2
IAAAD-34530