BAG Urteil v. - 5 AZR 941/08

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BGB § 611

Instanzenzug: LAG Rheinland-Pfalz, 3 Sa 269/08 vom ArbG Mainz, 6 Ca 1462/07 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche.

Der nicht tarifgebundene Kläger war zunächst bei der Y AG beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis ging 1997 aufgrund eines Betriebsinhaberwechsels auf die M GmbH und letztlich auf die Beklagte über.

Im Mai 2000 teilte die M GmbH dem Kläger die Zusammensetzung seines Monatslohns ab dem mit. Die Lohnmitteilung enthielt die Position: "Freiwillige Zulage *)".

Die Fußnote zu dieser Position lautete:

"Bei übertariflichen Verdienstbestandteilen handelt es sich um freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistungen, auf die auch bei wiederholter Gewährung kein Rechtsanspruch auf die Zukunft besteht. Diese Leistungen sind ganz oder teilweise auf tarifliche Veränderungen und tarifliche Umgruppierungen anrechenbar."

Am kam im Betrieb folgende von der Personalreferentin unterschriebene Erklärung zum Aushang:

"Betrifft die Lohnmitteilungen zum .

Der Satz, unten auf den Lohnmitteilungen, bezüglich der 'freiwilligen Zulage', trifft für die gewerblichen Mitarbeiter die von der Y AG zu M übernommen wurden, nicht zu.

..."

Seit März 2004 gelten bei der Beklagten Haustarifverträge. Am schloss die Beklagte mit der IG-Metall die Einführung des Entgeltrahmenabkommens (ERA-ETV Decoma) ab.

Mit Schreiben vom teilte die Beklagte dem Kläger mit, sein monatliches ERA-Gesamtentgelt setze sich ab dem aus dem monatlichen ERA-Tarifentgelt und einer freiwilligen, jederzeit widerruflichen und auf Tariferhöhung anrechenbaren übertariflichen Zulage zusammen. Die Beklagte führte das ERA zum ein.

Die Beklagte rechnete zum und zum die Erhöhung der Tarifentgelte auf die übertarifliche Zulage an.

Mit Schreiben vom teilte die Beklagte dem Kläger ua. mit:

"... Sofern über das ERA-Tarifentgelt hinaus sonstige anrechenbare und freiwillige übertarifliche Entgeltbestandteile gezahlt werden, wird die Erhöhung auf diese angerechnet. Bei der pauschalen Einmalzahlung wird ebenfalls eine vollständige und gleichmäßige Anrechnung auf freiwillige übertarifliche Entgeltbestandteile erfolgen. ..."

Anlässlich der Tarifentgelterhöhung im Juni 2007 rechnete die Beklagte dementsprechend auch die tarifliche Einmalzahlung für April und Mai 2007 von jeweils 200,00 Euro gem. der Entgeltabrechnung für Juni 2007 auf die übertarifliche Zulage an.

Mit der Klage macht der Kläger für die Zeit von Juni 2006 bis Dezember 2007 die vollständige Auszahlung der angerechneten Beträge und der Einmalzahlungen 2007 geltend.

Der Kläger hat gemeint, die Beklagte habe mit dem Aushang vom auf eine Anrechnung verzichtet. Die Einmalzahlungen 2007 müssten zudem nach dem Verhandlungsergebnis der Tarifparteien des Flächentarifvertrags "ausbezahlt" werden.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Zeit vom bis den Betrag von 673,20 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Zeit vom bis den Betrag von 939,40 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen;

3. festzustellen, dass die Beklagte zukünftig verpflichtet ist, dem Kläger eine ungekürzte, übertarifliche Zulage zu zahlen iHv. 611,45 Euro monatlich brutto;

4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Einmalzahlung zu leisten iHv. 400,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Gründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Er hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Differenzvergütung für die Zeit von Juni 2006 bis Dezember 2007, auf Fortzahlung einer ungekürzten übertariflichen Zulage und auf Einmalzahlung.

I. Die Anrechnung der Tarifentgelterhöhung, die die Beklagte in Anwendung des Haustarifvertrags auch dem nicht tarifgebundenen Kläger gewährte, auf dessen übertarifliche Zulage war wirksam. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Anrechnung der Einmalzahlungen für April und Mai 2007 als auch der in den Folgemonaten geschuldeten Steigerungen der laufenden Entgelte. Die übertarifliche Zulage stellte keinen Vergütungsbestandteil dar, den die Beklagte in jedem Falle neben dem jeweiligen Tariflohn zahlen musste.

1. Ob eine Tariflohnerhöhung individualrechtlich auf eine übertarifliche Vergütung angerechnet werden kann, hängt von der zugrunde liegenden Vergütungsabrede ab. Haben die Arbeitsvertragsparteien dazu eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen, gilt diese. Andernfalls ist aus den Umständen zu ermitteln, ob eine Befugnis zur Anrechnung besteht. Die Anrechnung ist grundsätzlich möglich, sofern dem Arbeitnehmer nicht vertraglich ein selbständiger Entgeltbestandteil neben dem jeweiligen Tarifentgelt zugesagt worden ist (Senat - 5 AZR 820/07 - AP BGB § 307 Nr. 36 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 49; - 5 AZR 540/05 - mwN, AP TVG § 4 Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung Nr. 40 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 47; - Rn. 15 ff., BAGE 118, 211). Allein in der tatsächlichen Zahlung liegt keine vertragliche Abrede, die Zulage solle auch nach einer Tariflohnerhöhung als selbständiger Lohnbestandteil neben dem jeweiligen Tariflohn gezahlt werden. Das gilt auch, wenn die Zulage über einen längeren Zeitraum vorbehaltlos gezahlt und nicht mit der Tariflohnerhöhung verrechnet worden ist ( - zu II 1 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 80 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 54). Eine neben dem Tarifentgelt gewährte übertarifliche Zulage greift künftigen Tariflohnerhöhungen vor. Für den Arbeitgeber ist regelmäßig nicht absehbar, ob er bei künftigen Tariflohnerhöhungen weiter in der Lage sein wird, eine bisher gewährte Zulage in unveränderter Höhe fortzuzahlen. Dies ist für den Arbeitnehmer erkennbar und Grundlage einer sog. freiwilligen übertariflichen Zulage. Der Anrechnungsvorbehalt ist demgemäß bereits mit der Vereinbarung einer übertariflichen Vergütung oder Zulage hinreichend klar ersichtlich. Erhöht sich die tarifliche Vergütung, entspricht die Zulässigkeit der Anrechnung regelmäßig dem Parteiwillen, weil sich die Gesamtvergütung nicht verringert ( - AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 118 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 41; - 1 AZR 744/00 - zu I 1 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 77 Regelungsabrede Nr. 4 = EzA BetrVG 1972 § 88 Nr. 1).

Dabei kommt es nicht darauf an, ob übertarifliche Vergütungsbestandteile als freiwillig oder anrechenbar bezeichnet worden sind. Es reicht aus, dass das Gesamtentgelt übertariflich ist. Der in diesem enthaltene übertarifliche Vergütungsbestandteil hängt von der Höhe des Tarifentgelts ab und ist deshalb variabel. Er entspricht in seiner rechtlichen Bedeutung weder einer anrechenbaren noch einer anrechnungsfesten übertariflichen Zulage. Will der Arbeitnehmer geltend machen, das vertraglich vereinbarte Arbeitsentgelt setze sich in Wahrheit aus dem Tarifentgelt und einer anrechnungsfesten übertariflichen Zulage zusammen, hat er tatsächliche Umstände vorzutragen, die den Schluss auf eine solche Vereinbarung erlauben. Andernfalls kann die Erhöhung des Tarifentgelts nur dann zu einem effektiv erhöhten Zahlungsanspruch des Arbeitnehmers führen, wenn das Tarifentgelt das vereinbarte Entgelt übersteigt (Senat - 5 AZR 105/05 - zu II 3 a der Gründe mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 196 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 132).

2. Im Streitfall war die übertarifliche Zulage nicht anrechnungsfest. Entgegen der Auffassung der Revision hat die Beklagte nicht im Wege der Gesamtzusage mit dem Aushang vom den gewerblichen Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnisse von der Y AG auf die M GmbH übergegangen waren, eine übertarifliche Zulage vertraglich als selbständigen Entgeltbestandteil neben dem jeweiligen Tarifentgelt zugesagt. Weder die im Mai 2000 erfolgte Mitteilung über die Zusammensetzung des Gehalts noch der Hinweis im Aushang vom stellten eine Willenserklärung dar, mit der die Beklagte den Inhalt des Arbeitsvertrags abändern wollte.

a) Trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins liegt eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (vgl. nur - mwN, BGHZ 109, 171, 177).

b) Hiernach konnte und durfte der Kläger weder aus der Gehaltsmitteilung noch aus dem nachfolgenden Aushang schließen, die Beklagte wolle damit den Inhalt des Arbeitsvertrags hinsichtlich der Anrechenbarkeit der übertariflichen Zulage ändern. Beide Mitteilungen stellten sich für die Adressaten erkennbar nicht als Äußerungen der Beklagten zur Neugestaltung der Vertragslage dar.

Eine Mitteilung über die Zusammensetzung des Gehalts dient in der Regel allein dem Mitteilungs- und Erläuterungszweck. Ein Wille, eine Rechtswirkung herbeizuführen, ist einer solchen Mitteilung regelmäßig nicht zu entnehmen. Im Streitfall wollte die Beklagte mit den Gehaltsmitteilungen erkennbar keine Vertragsänderung herbeiführen. Dies folgt insbesondere auch aus dem Umstand, dass sie entsprechende Vorgänge, wie beispielsweise Höhergruppierungen oder die Reduzierung der Arbeitszeit, in gesonderten Anschreiben an die Arbeitnehmer mitteilte und um deren Zustimmung bat. Soweit die Beklagte im Streitfall auf die Anrechenbarkeit der übertariflichen Zulage hingewiesen hat, war dieser Hinweis angesichts der oben dargestellten Rechtslage ohnehin nur deklaratorisch.

Auch der im Zusammenhang mit dem Inhalt und dem Zweck der Gehaltsmitteilung zu wertende Aushang vom hatte keinen rechtsgeschäftlichen Erklärungswert. Hierbei handelte es sich lediglich um eine Erläuterung der bestehenden Rechtslage ohne erkennbaren Willen, diese zu gestalten. Es gab für die Erklärungsempfänger keinen Grund zu der Annahme, die Beklagte wolle die Rechtslage dahingehend ändern, dass sie die übertarifliche Zulage, die bis dahin lediglich einen anrechenbaren Entgeltbestandteil darstellte, zukünftig als selbständigen und damit anrechnungsfesten Entgeltbestandteil gewähren wolle.

3. Aus den unter I. 2. dargestellten Gründen war die Beklagte auch berechtigt, die Einmalzahlungen für April und Mai 2007 auf die übertarifliche Zulage anzurechnen. Diese bestimmten Entgeltzahlungsperioden zurechenbaren Einmalzahlungen stellten pauschale Entgelterhöhungen dar (vgl. Senat - 5 AZR 820/07 - Rn. 18, AP BGB § 307 Nr. 36 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 49). Bei der Beklagten gelten für die tarifgebundenen Arbeitnehmer Haustarifverträge, so dass das vom Kläger mit der Revision eingereichte Verhandlungsergebnis für die Flächentarifverträge auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung findet. Der Kläger ist auch nicht tarifgebunden. Auf seine Argumentation, die Einmalzahlungen seien "auszahlbar" und könnten deshalb nicht verrechnet werden, kommt es deshalb nicht an.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
VAAAD-33973

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein