Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: BetrVG § 112
Instanzenzug: LAG München, 6 Sa 1023/07 vom ArbG München, 8 Ca 9825/07 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Sozialplanabfindung.
Die Klägerin war seit dem bis zum bei der Beklagten als Sachbearbeiterin beschäftigt. In Nr. 6 des Arbeitsvertrags war ua. die Geltung des Manteltarifvertrags Nr. 5 für alle arbeiterrentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes in Bayern vom (MTV Nr. 5) vereinbart. Dieser enthielt ua. folgende Regelung:
"§ 17 Erlöschen von Ansprüchen
1. ...
2. Ansprüche von oder gegen ausgeschiedene Arbeitnehmer erlöschen beiderseits einen Monat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sofern sie nicht vorher schriftlich geltend gemacht worden sind. Bei Tarifansprüchen beträgt die Frist zwei Monate."
Die Beklagte schloss im Rahmen einer Personalreduzierung mit ihrem Betriebsrat am einen Interessenausgleich und einen Sozialplan. In dem Sozialplan heißt es ua.:
"I. Alle Arbeitnehmer, die betriebsbedingt wegen Wegfalls des MVV als Auftraggeber zum oder zum entsprechend dem Interessenausgleich gekündigt werden (Beendigungskündigung), erhalten eine Abfindung.
...
Diese Abfindung entsteht mit Zugang der Kündigung und ist vererblich. Sie ist grundsätzlich fällig mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Auf Wunsch des Arbeitnehmers kann die Auszahlung auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Eine Verzinsung bis dahin findet nur im Verzugsfall statt.
VII. Arbeitnehmer, die gegen die Kündigung gemäß dem Interessenausgleich Kündigungsschutzklage erhoben oder sich in sonstiger Weise gegen die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses gewehrt haben, erhalten Leistungen nach diesem Sozialplan erst, wenn rechtskräftig feststeht, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist."
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zum . Die hiergegen erhobene Kündigungsschutzklage nahm die Klägerin mit einem beim Arbeitsgericht am eingegangenen Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom zurück. Mit Schreiben vom selben Tag forderte sie die Beklagte erfolglos zur Zahlung der Sozialplanabfindung auf.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 27.974,58 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie hat gemeint, der Anspruch auf eine Sozialplanabfindung sei verfallen, weil er von der Klägerin nicht innerhalb eines Monats nach ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis schriftlich geltend gemacht worden sei.
Beide Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Gründe
Der Anspruch der Klägerin auf eine Abfindung nach dem Sozialplan vom in Höhe von 27.974,58 Euro brutto ist nicht nach dem einzelvertraglich in Bezug genommenen Manteltarifvertrag für das private Omnibusgewerbe in Bayern verfallen. Die Klägerin hat den Anspruch mit Schreiben vom gegenüber der Beklagten rechtzeitig geltend gemacht.
1. Es kann für den Streitfall dahinstehen, ob es sich bei der Verweisung in Nr. 6 des Arbeitsvertrags vom um eine statische Bezugnahme auf den MTV Nr. 5 handelt oder - wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat - um eine Bezugnahme auf den Manteltarifvertrag für das private Omnibusgewerbe in Bayern in seiner jeweiligen Fassung. § 16 Abs. 2 Satz 1 MTV Nr. 7, der zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Voraussetzungen regelt, unter denen ein Anspruch von ausgeschiedenen Arbeitnehmern verfällt, entspricht wortgleich dem zum Zeitpunkt der Begründung des Arbeitsverhältnisses geltenden § 17 Abs. 2 Satz 1 MTV Nr. 5.
2. Es bedarf keiner Entscheidung, ob durch die unvollständige Inbezugnahme eines nicht einschlägigen Tarifvertrags eine einmonatige Ausschlussfrist wirksam vereinbart werden kann. Ebenso kann offenbleiben, ob eine solche tarifliche Ausschlussfrist den Anforderungen des § 77 Abs. 4 Satz 4 1. Halbs. BetrVG genügt. Der Anspruch der Klägerin auf die Sozialplanabfindung ist nicht verfallen.
a) Zwar hat die Klägerin ihre Forderung nicht innerhalb eines Monats "nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses" schriftlich geltend gemacht. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete am . Das den Anspruch erstmals erhebende Schreiben der Klägerin vom wurde der Beklagten mehr als einen Monat nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugestellt. § 17 Abs. 2 Satz 1 MTV Nr. 5 und § 16 Abs. 2 Satz 1 MTV Nr. 7 sind jedoch dahin auszulegen, dass die Ausschlussfrist für Ansprüche der ausgeschiedenen Arbeitnehmer erst mit deren Fälligkeit beginnt. Das folgt aus Sinn und Zweck der Geltendmachung. Mit dieser fordert der Gläubiger den Schuldner auf, den nach Grund und Höhe bestimmten Anspruch zu erfüllen. Eine solche Zahlungsaufforderung verfehlt ihren Sinn, wenn der Anspruchsgegner noch nicht zur Zahlung verpflichtet ist. Der Lauf der Ausschlussfrist beginnt daher auch für ausgeschiedene Arbeitnehmer erst, wenn der Schuldner den erhobenen Anspruch erfüllen muss ( - Rn. 31; - 9 AZR 160/04 - zu II 2 a der Gründe mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bewachungsgewerbe Nr. 12 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 178).
b) Die Ausschlussfrist für die Geltendmachung des Anspruchs der Klägerin auf die Abfindung aus dem Sozialplan vom war danach bei Zugang des Geltendmachungsschreibens vom noch nicht abgelaufen. Der Abfindungsanspruch wurde erst am fällig. An diesem Tag ging der Schriftsatz mit der Rücknahme der Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht ein. Erst ab diesem Zeitpunkt stand fest, dass die Beklagte verpflichtet war, den Anspruch der Klägerin aus dem Sozialplan zu erfüllen.
Fundstelle(n):
YAAAD-33343
1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein