BFH Beschluss v. - III B 170/08

Keine allgemeine Aussage in einem Revisionsverfahren dazu, ab welchem Prozentsatz die Belastung von Einkommen mit Einkommensteuer und Gewerbesteuer gegen Art. 14 GG verstößt; keine Geltendmachung einer verfassungswidrigen Überbesteuerung

Gesetze: FGO § 76 Abs. 1, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3, GewStG § 10a Satz 6, GewStG § 14, GewStG § 16

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig und wird durch Beschluss verworfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

1. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) nicht in der durch § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt.

a) Voraussetzung für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist, dass der Beschwerdeführer eine hinreichend bestimmte Rechtsfrage darlegt, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit erforderlich ist und die im konkreten Streitfall klärbar ist (vgl. z.B. , BFH/NV 2006, 234). Eine Rechtsfrage ist nicht mehr klärungsbedürftig, wenn sie bereits hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH erforderlich machen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 28). Wird die Verfassungswidrigkeit einer Norm gerügt, so muss der Beschwerdeführer nicht nur konkret die Rechtsfrage und damit Sinn und Zweck sowie den systematischen Zusammenhang der in Frage stehenden Vorschrift i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO darlegen, sondern muss auch darauf eingehen, von welcher Seite und aus welchen Gründen ein Verstoß gegen das Grundgesetz (GG) angenommen wird (z.B. , BFH/NV 2003, 49).

b) Die Klägerin hat unter Hinweis auf den sog. Halbteilungsgrundsatz und die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage herausgestellt, ab wann die steuerliche Gesamtbelastung des Steuerpflichtigen den Kernbereich des Art. 14 GG verletzt. Sie hat den (BVerfGE 115, 97) zitiert, in dem dieses entschieden hat, dass sich aus Art. 14 GG keine allgemein verbindliche, absolute Belastungsgrenze in der Nähe einer hälftigen Teilung ableiten lasse. Das BVerfG führte in der Entscheidung u.a. aus, dass das Einkommen- und Gewerbesteuerrecht auch für hohe Einkommen gegenwärtig nicht so ausgestaltet sei, dass eine übermäßige Steuerbelastung und damit eine Verletzung der Eigentumsgarantie festgestellt werden könne. Die Klägerin ist nicht darauf eingegangen, weshalb trotz des zitierten BVerfG-Beschlusses in ihrem Fall eine Verletzung von Art. 14 GG anzunehmen sein sollte. Sie hat darauf hingewiesen, dass sich die steuerliche Gesamtbelastung ihres Einkommens auf „weit über 50%” belaufe. In einem Revisionsverfahren, wie es die Klägerin mit ihrer Beschwerde anstrebt, könnte jedoch keine allgemeine Aussage dazu getroffen werden, ab welchem Prozentsatz die Belastung von Einkommen mit Einkommen- und Gewerbesteuer gegen Art. 14 GG verstößt.

c) Unabhängig hiervon kann eine verfassungswidrige Überbesteuerung in einem Verfahren, in dem es um die Rechtmäßigkeit eines Gewerbesteuermessbescheides sowie von Bescheiden über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Gewerbeverlustes geht, ohnehin nicht geltend gemacht werden. Die Regelungswirkung dieser Bescheide beschränkt sich auf die Festsetzung des Steuermessbetrags (§ 14 Satz 1 des GewerbesteuergesetzesGewStG—) bzw. auf die Feststellung vortragsfähiger Fehlbeträge (§ 10a Satz 6 GewStG). Die tatsächliche Steuerbelastung ergibt sich jedoch erst aus den Gewerbesteuerbescheiden, in denen die Steuer nach § 16 Abs. 1 GewStG auf Grund des Steuermessbetrags mit dem Hebesatz festgesetzt wird (, BFHE 209, 128, BStBl II 2005, 647).

2. Auch die Rüge, das Finanzgericht (FG) habe die Pflicht zur Sachaufklärung verletzt (§ 76 Abs. 1 FGO), weil dieses es unterlassen habe, die Wirksamkeit der tatsächlichen Verständigung vom Dezember 2002 zu prüfen, wurde nicht in der durch § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise vorgebracht. Es fehlt an Ausführungen dazu, weshalb sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl. z.B. , BFH/NV 2005, 43, m.w.N.). Das Vorbringen der Klägerin ist auch deshalb nicht ausreichend, weil § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung der Prozessbeteiligte —ausdrücklich oder durch Unterlassen der Rüge— verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung; s. Gräber/Ruban, a.a.O., § 76 Rz 33, § 115 Rz 101). Verhandelt der Beteiligte ohne Verfahrensrüge zur Sache, obwohl er den Verfahrensmangel kannte oder kennen musste, so verliert er sein Rügerecht (s. z.B. , BFH/NV 2005, 1102). Die Rüge, das FG habe den Sachverhalt nicht pflichtgemäß aufgeklärt, erfordert daher u.a. den Vortrag, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb eine solche Rüge nicht möglich war. Die Klägerin hat jedoch weder dargelegt noch ist aus dem Sitzungsprotokoll des FG ersichtlich, dass sie bzw. ihr fachkundiger Vertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem FG eine derartige Rüge erhoben hat.

3. Soweit die Klägerin —ausdrücklich— die Verletzung materiellen Rechts rügt, weil das FG eine Rückstellung für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen und von Formwerkzeugen nicht berücksichtigt habe, macht sie keinen der in § 115 Abs. 2 FGO aufgeführten Gründe geltend, die zur Zulassung der Revision führen können. Die Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (z.B. , BFH/NV 2009, 183).

4. Von einer Darstellung des Sachverhalts und von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 237 Nr. 2
XAAAD-33313