BGH Urteil v. - II ZR 222/08

Leitsatz

[1] a) Eine Verfügung eines Alleingesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH über das Vermögen der Gesellschaft kann nur dann eine Schadensersatzpflicht nach § 43 Abs. 2 GmbHG auslösen, wenn der Geschäftsführer damit gegen ein Verbot verstößt, das - wie § 30 oder § 64 GmbHG - durch eine Weisung der Gesellschafterversammlung nicht außer Kraft gesetzt werden kann.

b) Ein Verzicht durch Vertrag zu Gunsten Dritter ist nicht möglich.

Gesetze: BGB § 812 Abs. 1; BGB § 813 Abs. 2; GmbHG § 30 Abs. 1; GmbHG § 43 Abs. 1; GmbHG § 43 Abs. 2

Instanzenzug: KG Berlin, 26 U 125/07 vom LG Berlin, 8 O 93/07 vom

Tatbestand

Der Beklagte war Alleingesellschafter und -geschäftsführer der klagenden GmbH, die damals noch unter A. GmbH firmierte. Er veräußerte am seinen Geschäftsanteil mit Wirkung um an I. M. Außerdem verkaufte er ihm am unter dem Datum für 75.000,00 EUR einen Anspruch auf Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens und trat die Forderung unter der aufschiebenden Bedingung der Zahlung des Kaufpreises ab. Der Kaufpreis sollte ebenfalls am fällig werden. In dem Kauf- und Abtretungsvertrag heißt es: "Der Veräußerer hat der ... GmbH ... ein Darlehen gewährt, das mit Stichtag zum i.H.v. 200.000,00 EUR valutiert."

Tatsächlich valutierte das Darlehen am zu mehr als 240.000,00 EUR. Der Beklagte hatte eine Überweisung i.H.v. 40.000,00 EUR an sich veranlasst, die als Verwendungszweck die Angabe "Rückführung Gesellschafterdarlehen" enthielt und von der Bank am ausgeführt wurde.

Die Klägerin verlangt - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - Rückzahlung der 40.000,00 EUR und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr insoweit stattgegeben. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Gründe

Die Revision des Beklagten führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Die Klägerin habe gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG. Der Beklagte habe pflichtwidrig gehandelt, indem er mit der Rückzahlung der 40.000,00 EUR eine nicht fällige Schuld erfüllt habe. Das Darlehen habe nur mit einer dreimonatigen Frist gekündigt werden können. Eine Kündigung sei nicht erfolgt. Der durch diese Pflichtverletzung verursachte Schaden belaufe sich auf 40.000,00 EUR. Die Vereinbarung zwischen dem Beklagten und M. beinhalte nämlich einen Teilverzicht, der auch die ausgekehrten 40.000,00 EUR erfasst hätte.

II.

Das hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.

1.

Die Inanspruchnahme des Beklagten als früheren Geschäftsführer der Klägerin scheitert allerdings nicht daran, dass der neue Alleingesellschafter der Klägerin, M. , keinen förmlichen Beschluss nach § 46 Nr. 8 GmbHG gefasst hat. Es genügt, wenn er als Alleingesellschafter und zugleich Geschäftsführer den Anspruch geltend macht. Eine Beschlussniederschrift nach § 48 Abs. 3 GmbHG zu fordern, wäre bei dieser Sachlage eine nutzlose Förmelei (vgl. Sen.Urt. v. - II ZR 240/95, DStR 1997, 252 m. Anm. Goette).

2.

Die Klägerin hat aber keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 40.000,00 EUR.

a)

Ein Schadensersatzanspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG scheidet schon deshalb aus, weil der Beklagte zu dem Zeitpunkt, als er die Überweisung an sich veranlasst hat, Alleingesellschafter der Klägerin war.

An einer Pflichtverletzung i.S. des § 43 Abs. 1 GmbHG fehlt es grundsätzlich dann, wenn die Gesellschafterversammlung den Geschäftsführer zu dem - später beanstandeten - Verhalten anweist. Soweit der Geschäftsführer dadurch nicht gegen gesetzliche Pflichten - etwa aus §§ 30, 64 GmbHG - verstößt, muss er die Weisung befolgen und haftet der Gesellschaft demgemäß nicht aus § 43 Abs. 2 GmbHG auf Ersatz des dadurch verursachten Schadens (BGHZ 31, 258, 278).

Diese Grundsätze gelten erst Recht, wenn die Gesellschaft nur einen Gesellschafter hat.

Danach kommt eine Haftung des Beklagten aus § 43 Abs. 2 GmbHG nicht in Betracht. Der Beklagte hat seinen Geschäftsanteil erst mit Wirkung zum auf M. übertragen, war also zu dem Zeitpunkt, als er die Überweisung an sich veranlasste, noch Alleingesellschafter der Klägerin. Die Teilrückzahlung des Darlehens verstieß auch nicht gegen eine gesetzliche Verhaltenspflicht. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass mit dem Darlehen Eigenkapital ersetzt worden wäre, so dass die Teilrückzahlung gegen ein aus der entsprechenden Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG folgendes - und dem Gesellschafterwillen vorgehendes - Auszahlungsverbot verstoßen hätte. Ohne Erfolg rügt die Revisionserwiderung, das Berufungsgericht habe insoweit beweisbewehrten Vortrag der Klägerin außer Acht gelassen. Die Klägerin hatte lediglich - angesichts der Zahlung von 75.000,00 EUR für die abgetretene Forderung schon im Ansatz nicht ohne weiteres nachvollziehbar - vorgetragen, sie sei finanziell ausgezehrt und durch hohe Verlustvorträge wirtschaftlich überschuldet gewesen. Diesem Vortrag brauchte das Berufungsgericht nicht nachzugehen. Es fehlt an einer substantiierten Darlegung der Voraussetzungen einer Krise i.S. des § 32 a Abs. 1 GmbHG a.F.

III.

Das angefochtene Urteil ist auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis richtig (§ 561 ZPO).

1.

Die Klägerin hat keinen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Denn die Zahlung der 40.000,00 EUR an den Beklagten ist nicht ohne Rechtsgrund erfolgt. Vielmehr lag ihr ein wirksamer Darlehensvertrag zugrunde.

a)

Der Beklagte hat auf den Darlehensrückzahlungsanspruch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht - teilweise - verzichtet. Für einen Verzicht hätte es eines Erlassvertrages zwischen dem Beklagten und der Klägerin bedurft. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass ein derartiger Erlassvertrag zustande gekommen ist.

Ein etwa im Rahmen der Verträge des Beklagten mit dem Anteilserwerber M. erklärter Verzicht würde nicht zum Erlöschen des Darlehensrückzahlungsanspruchs führen. Denn M. konnte zu diesem Zeitpunkt nicht über die Forderung der Klägerin verfügen. Insoweit wäre nur ein Verzicht im Wege eines Vertrages zugunsten Dritter in Betracht gekommen, was nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber nicht möglich ist (BGHZ 126, 261, 266). Wirksam wäre nur eine Absprache, durch die für den Dritten - hier die Klägerin - ein Anspruch gegen den Gläubiger - hier den Beklagten - begründet wird, dass dieser seinen Anspruch nicht geltend mache (, ZZP 71, 412; BGHZ 126, 261, 266).

Das Berufungsgericht hat indes eine derartige Vereinbarung nicht frei von Rechtsfehlern festgestellt. Es hat gemeint, die Absprache zwischen dem Beklagten und M. sei auf einen Teilverzicht "hinausgelaufen". Dagegen wehrt sich die Revision mit Erfolg.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Auslegung einer Individualvereinbarung grundsätzlich Sache des Tatrichters. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt ist und gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt sind (Sen.Urt. v. - II ZR 194/98, WM 2000, 1195; Sen.Urt. v. - II ZR 68/08, ZIP 2009, 880, Tz. 12). Zu den allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätzen gehört, dass in erster Linie der von den Parteien gewählte Wortlaut und der dem Wortlaut zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigten ist und dass bei der Auslegung die beiderseitigen Interessen gebührend zu beachten sind. Dabei sind an die Annahme eines Verzichts - oder einer vergleichbaren Abrede - strenge Anforderungen zu stellen. Das Angebot auf Abschluss eines solchen Vertrages muss unmissverständlich erklärt werden (, NJW 2007, 368, Tz. 9, m.w.Nachw.).

Gegen diese Auslegungsgrundsätze hat das Berufungsgericht verstoßen. Weder der Anteils- noch der Forderungskaufvertrag zwischen dem Beklagten und M. enthalten Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte sich verpflichten wollte, seinen Darlehensrückzahlungsanspruch gegen die Klägerin, soweit er ihn nicht abgetreten hat, nicht geltend zu machen. Aus der maßgeblichen Sicht des Erklärungsempfängers M. war das Angebot des Beklagten, ihm eine Forderung auf Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens abzutreten, das noch mit 200.000,00 EUR valutierte, eindeutig. M. musste - auch wenn er die ursprüngliche Höhe des Darlehens nicht gekannt haben sollte - davon ausgehen, dass ihm ein Anspruch i.H.v. 200.000,00 EUR gegen Zahlung von 75.000,00 EUR abgetreten werden sollte. Keinesfalls durfte er annehmen, der Darlehensrückzahlungsanspruch sei tatsächlich höher und der Beklagte wolle sich verpflichten, diesen höheren Teil nicht geltend zu machen. Für eine solche Auslegung bieten weder der Wortlaut der Erklärung noch die Interessenlage der Parteien einen Anhaltspunkt.

b)

Dass der Darlehensrückzahlungsanspruch am mangels Kündigung noch nicht fällig war, begründet ebenfalls keinen Zahlungsanspruch der Klägerin aus § 812 BGB. Das ergibt sich aus § 813 Abs. 2 BGB. Danach ist die Rückforderung ausgeschlossen, wenn eine noch nicht fällige Forderung vorzeitig erfüllt wird (vgl. , NJW 2007, 1947, Tz. 31).

2.

Die Klägerin hat auch keinen ihr von M. abgetretenen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 40.000,00 EUR. Dabei kann offen bleiben, ob - wie das Landgericht gemeint hat - die von der Klägerin behauptete Abtretung wirksam bestritten und nicht unter Beweis gestellt ist. Denn jedenfalls hatte M. keinen auf Ersatz der 40.000,00 EUR gerichteten Anspruch - etwa aus § 439, § 437 Nr. 1, § 434 Abs. 1, 3, § 453 Abs. 1 BGB.

M. ist eine Forderung des Beklagten i.H.v. 200.000,00 EUR verkauft worden, die er auch erhalten hat. Außerdem ist ihm der Geschäftsanteil des Beklagten verkauft worden, den er ebenfalls erhalten hat. Dass eine weitergehende Darlehensforderung des Beklagten nicht bestehen und - zeitgleich mit dem Abschluss des Anteils- und Forderungskaufvertrages - aus Gesellschaftsmitteln erfüllt werden würde, ist ihm weder zugesichert worden noch verstand sich das von selbst.

IV.

Damit hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Anwaltskosten.

V.

Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu erwarten sind.

Fundstelle(n):
BB 2009 S. 2657 Nr. 50
BB 2010 S. 19 Nr. 1
DB 2009 S. 2650 Nr. 49
DStR 2010 S. 63 Nr. 1
GmbH-StB 2010 S. 8 Nr. 1
GmbHR 2010 S. 133 Nr. 9
GmbHR 2010 S. 85 Nr. 2
KÖSDI 2010 S. 16827 Nr. 2
NJW 2010 S. 64 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 50/2009 S. 3892
StuB-Bilanzreport Nr. 2/2010 S. 79
StuB-Bilanzreport Nr. 4/2010 S. 163
WM 2009 S. 2321 Nr. 49
WPg 2010 S. 258 Nr. 5
ZIP 2009 S. 2335 Nr. 49
DAAAD-33055

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja