BFH Urteil v. - VIII R 57/07

Versicherungsleistungen, die als Ausgleich für ein zerstörtes oder gestohlenes Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens gezahlt werden, als Betriebseinnahme; Abzug der Versicherungsprämie als Betriebsausgabe

Leitsatz

Wird ein Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens (hier: Personenkraftwagen) zerstört oder gestohlen, stellen die zum Ausgleich gezahlten Versicherungsleistungen Betriebseinnahmen dar, wenn der Versicherungsfall betrieblich veranlasst war. Diese betriebliche Veranlassung der Einnahme wird nicht durch eine Nutzung des Fahrzeugs zu privaten Zwecken in Zweifel gezogen.
Die Versicherungsleistung ist nicht nach Maßgabe des Verhältnisses zwischen betrieblicher und privater Nutzung in Betriebseinnahmen einerseits und Privateinnahmen andererseits aufzuteilen.
Gefahren, die darin bestehen, dass betrieblich genutzte Gegenstände durch Unfall, Brand, Sturm, Wassereinbruch oder ähnliche Ereignisse zerstört, beschädigt oder durch Diebstahl entzogen werden, stellen betriebliche Risiken dar.
Bezieht sich die Versicherung auf ein betriebsbedingtes und im Schadensfall verwirklichtes Risiko, führt sie zu Betriebsausgaben und Betriebseinnahmen.
Ist ein außerbetriebliches Risiko versichert, können Ausgaben allenfalls als Sonderausgaben im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG berücksichtigt werden, während die Einnahmen (die Versicherungsleistung) nicht steuerbar sind.
Deckt eine Versicherung auch private Risiken ab, kann sie nur in dem Umfang als Betriebsausgabe abgezogen werden, in dem sie ein betriebliches Risiko abdeckt.

Gesetze: EStG § 4 Abs. 1, EStG § 4 Abs. 4, EStG § 12 Nr. 1

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Versicherungszahlung für ein gestohlenes Fahrzeug des Sonderbetriebsvermögens in voller Höhe Betriebseinnahme ist.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war von 1996 bis 2004 Partner einer 1992 gegründeten Anwaltssozietät. Mit Eintritt in die Sozietät verpflichtete er sich, ihr seinen PKW entgeltlich zu überlassen; darüber wurde ein gesonderter Nutzungsvertrag geschlossen. Den PKW erfasste die Sozietät im Rahmen der Ermittlung ihrer Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Sonderbetriebsvermögen des Klägers. Das im Oktober 2000 angeschaffte Fahrzeug wurde im März 2001 aus dessen Privatgarage entwendet; zu diesem Zeitpunkt hatte es einen Buchwert von 113 147,13 DM.

Der von der Kaskoversicherung für das Fahrzeug erstattete Betrag in Höhe von 144 010,35 DM wurde im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der Sozietät für das Streitjahr 2001 nicht in voller Höhe als Sonderbetriebseinnahme erfasst. Vielmehr wurde er in Höhe von 45 881,70 DM der nichtsteuerbaren Privatsphäre des Klägers mit der Begründung zugerechnet, dieser Anteil (31,86 v.H. der gesamten Versicherungsleistung) entspreche dem Anteil der Privatnutzung des Kraftfahrzeugs durch den Kläger und sei deshalb nicht bei dessen Sonderbetriebseinnahmen zu berücksichtigen.

Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) den Gewinn der Sozietät zunächst unter Vorbehalt der Nachprüfung erklärungsgemäß festgestellt hatte, erfasste er die Versicherungsleistung aufgrund einer Außenprüfung durch Änderungsbescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung des Gewinns für das Streitjahr in voller Höhe als Sonderbetriebseinnahme.

Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage des zwischenzeitlich aus der Sozietät ausgeschiedenen Klägers wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 785 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts und trägt im Wesentlichen vor:

Das angefochtene Urteil stelle allein darauf ab, dass die Versicherungsleistung lediglich an die Stelle des zum Betriebsvermögen gehörenden —gestohlenen— Kraftfahrzeugs trete und deshalb als Betriebseinnahme zu erfassen sei. Damit bleibe zu Unrecht unberücksichtigt, dass die Versicherungsleistung aufgrund eines Kasko-Versicherungsvertrages erbracht worden sei und die insoweit gezahlten Versicherungsprämien nach Maßgabe des Betriebsprüfungsberichts im Umfang des Anteils der privaten Kraftfahrzeugnutzung an dessen Gesamtnutzung nicht als Betriebsausgabe abgezogen werden könnten.

Der Bundesfinanzhof (BFH) habe die Frage, ob die von einer Kaskoversicherung für ein Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens geleistete Entschädigung auch im Umfang der nichtbetrieblichen Nutzung als Betriebseinnahme zu erfassen ist, ausdrücklich in seinem Urteil IV R 31/02 vom (BFHE 204, 166, BStBl II 2006, 7) offengelassen.

Mit dem Schrifttum sei in einem solchen Fall die Versicherungsleistung —entsprechend dem Verhältnis zwischen betrieblicher und privater Nutzung— in einen steuerbaren betrieblichen Teil (= Betriebseinnahme) und einen nichtsteuerbaren Teil (= Privateinnahme) aufzuteilen, um eine andernfalls entstehende Doppelbesteuerung zu vermeiden. Sie entstehe nämlich, wenn der auf den Anteil der privaten Nutzung entfallende Teil der Versicherungsprämie nicht als Betriebsausgabe abgezogen werden dürfe, andererseits aber der aufgrund der Prämie erzielte Erstattungsbetrag in voller Höhe als Betriebseinnahme versteuert werden müsse. Diese Besonderheit schließe es aus, die uneingeschränkte Erfassung der Versicherungsleistung als Betriebseinnahme mit dem Hinweis auf die grundsätzlich zu trennende Beurteilung von privater Nutzung der Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens einerseits und der steuerlichen Erfassung ihrer Veräußerung andererseits zu begründen.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es das Jahr 2001 betrifft, und den Feststellungsänderungsbescheid für 2001 vom dahin abzuändern, dass der Ansatz der Sonderbetriebseinnahmen des Klägers um 45 881,70 DM (= 23 458,94 €) verringert wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen und hilfsweise, den Ansatz der Sonderbetriebseinnahmen des Klägers lediglich um 9 101,45 DM (= 4 653,50 €) zu verringern.

II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

Zu Recht hat das FG die streitige Versicherungsleistung für das im Sonderbetriebsvermögen des Klägers gehaltene Kraftfahrzeug in voller Höhe den Sonderbetriebseinnahmen zugerechnet.

1. Wird ein Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens zerstört oder wie im Streitfall gestohlen, so stellen die zum Ausgleich gezahlten Versicherungsleistungen grundsätzlich Betriebseinnahmen dar (, BFHE 157, 521, BStBl II 1990, 8, unter II.B.5.; in BFHE 204, 166, BStBl II 2006, 7). Diese betriebliche Veranlassung der Einnahme wird nicht durch eine Nutzung des Fahrzeugs zu privaten Zwecken in Zweifel gezogen. Denn das Parken vor dem Privathaus wie auch in der Betriebs- oder Privatgarage unterbricht nach ständiger Rechtsprechung nicht den im Übrigen —hier unstreitigen— betrieblichen Nutzungszusammenhang und kann deshalb nicht dem Bereich der privaten Nutzung zugerechnet werden (BFH-Urteile in BFHE 204, 166, BStBl II 2006, 7; vom XI R 60/04, BFHE 218, 56, BStBl II 2007, 762, m.w.N.).

2. Die Versicherungsleistung ist nicht nach Maßgabe des Verhältnisses zwischen betrieblicher und privater Nutzung in Betriebseinnahmen einerseits und Privateinnahmen andererseits aufzuteilen.

a) Allerdings wird im Schrifttum eine solche Aufteilung gefordert (vgl. z.B. Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz E 762; Schmidt/Heinicke, EStG, 28. Aufl., § 4 Rz 274; Tipke, Steuer und Wirtschaft 1979, 193, 202; a.A.: Blümich/ Wied, EStG, KStG, GewStG, § 4 EStG Rz 403 ff.; Meurer, Betriebs-Berater 2002, 503, 505; Scheidel, Deutsches Steuerrecht 2000, 1890, 1893; Valentin, EFG 2002, 1287).

b) Gegen eine solche Aufteilung spricht indessen, dass die Kaskoversicherung für das entwendete Fahrzeug ausschließlich ein Wirtschaftsgut des Sonderbetriebsvermögens betrifft und der Versicherungsfall —die Entwendung des Fahrzeugs— nach den Ausführungen zu 1. betrieblich veranlasst war.

Für die ausschließliche Erfassung der Versicherungsleistung als Betriebseinnahme spricht des Weiteren, dass solche Einnahmen nach ständiger Rechtsprechung des BFH entsprechend der Art des versicherten Risikos zuzuordnen sind. Bezieht sich die Versicherung auf ein betriebsbedingtes und im Schadensfall verwirklichtes Risiko, führt sie zu Betriebsausgaben und Betriebseinnahmen. Ist dagegen ein außerbetriebliches Risiko versichert, können Ausgaben allenfalls als Sonderausgaben i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigt werden, während die Einnahmen (die Versicherungsleistung) nicht steuerbar sind (, BFHE 167, 366, BStBl II 1992, 653; vom IV R 35/92, BFH/NV 1994, 306).

Gefahren, die darin bestehen, dass betrieblich genutzte Gegenstände durch Unfall, Brand, Sturm, Wassereinbruch oder ähnliche Ereignisse zerstört, beschädigt oder wie hier durch Diebstahl entzogen werden, stellen betriebliche Risiken dar (vgl. , BFHE 93, 233, BStBl II 1968, 737; vom IV R 54/80, BFHE 137, 453, BStBl II 1983, 371; zur betrieblichen Veranlassung von Kaskoversicherungen und der Vereinnahmung von Versicherungsleistungen durch ein ausschließlich betriebliches Ereignis Meurer in Lademann, EStG, § 4 Rz 432, 656; entsprechend zu Überschusseinkünften Claßen in Lademann, a.a.O., § 9 Rz 68).

c) Dass die vom Kläger abgeschlossene Kaskoversicherung auch das Risiko eines Diebstahls im Zusammenhang mit einer Privatnutzung abdeckte, rechtfertigt im Streitfall keine andere Entscheidung, weil sich ein solches Risiko hier nicht verwirklicht hat (weitergehend BFH-Urteil in BFHE 157, 521, BStBl II 1990, 8 zur Zurechnung der Kasko-Versicherungsleistung für ein bei Privatnutzung entwendetes Kraftfahrzeug allein aufgrund seiner Eigenschaft als Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens; offengelassen insoweit durch BFH-Urteil in BFHE 204, 166, BStBl II 2006, 7 mit Nachweisen der ablehnenden Auffassungen im Schrifttum; vgl. dazu auch , BFHE 124, 185, BStBl II 1978, 212).

3. Nach diesen Grundsätzen ist die streitige Versicherungsleistung zu Recht als Betriebseinnahme erfasst worden, weil sie unstreitig durch ein betrieblich veranlasstes Schadensereignis ausgelöst wurde und das Risiko eines solchen Schadens Gegenstand des Versicherungsvertrages (Sachversicherung gegen den Untergang oder Verlust eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens) war.

4. Obwohl diese Versicherungsleistung in vollem Umfang als Betriebseinnahme zu beurteilen ist, hat das FA zu Recht den Sonderbetriebsausgabenabzug für die Versicherungsbeiträge um den Anteil der Privatnutzung gekürzt.

Denn auch die Veranlassung der Versicherungsprämien richtet sich nach der Art des versicherten Risikos. Danach kann die Versicherungsprämie nur in dem Umfang als Betriebausgabe abgezogen werden, in dem sie ein betriebliches Risiko abdeckt. Im Streitfall waren die Versicherungsprämien dementsprechend aufzuteilen, weil die Kaskoversicherung auch private Risiken abdeckte.

Die Bemessung dieses Teils durch das FG auf der Grundlage der entsprechenden tatsächlichen Feststellungen des FA ist nach § 118 Abs. 2 FGO für den Senat bindend, nachdem der Kläger dagegen im Revisionsverfahren keine Verfahrensrügen erhoben hat.

Fundstelle(n):
DStRE 2010 S. 331 Nr. 6
EStB 2010 S. 13 Nr. 1
KÖSDI 2010 S. 16947 Nr. 5
GAAAD-31904