BGH Urteil v. - XI ZR 179/07

Leitsatz

[1] Zur Mitwirkung einer das Fondsobjekt finanzierenden Bank an der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung von Fondsanlegern durch einen Gründungsgesellschafter.

Gesetze: BGB § 242; BGB § 826; HGB § 128; HGB § 130

Instanzenzug: KG Berlin, 27 U 129/05 vom LG Berlin, 10a O 589/05 vom

Tatbestand

Die Kläger sind Gesellschafter der früheren Klägerin zu 1), der W. Grundstücksgesellschaft b.R., eines geschlossenen Immobilienfonds in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (nachfolgend: Fonds bzw. Fondsgesellschaft). Die Beklagte zu 1) hat das Fondsobjekt finanziert. Im Zusammenhang mit dieser Finanzierung streiten die Parteien über das Bestehen wechselseitiger Ansprüche.

Der Fonds wurde im Jahr 1991 von dem Beklagten zu 2), der ihm gehörenden Ä. GmbH und der R. Steuerberatungsgesellschaft mbH (nachfolgend: Treuhänderin) gegründet. Am schloss die Fondsgesellschaft mit der Beklagten zu 1) zwei Darlehensverträge über 14 Mio. DM und über 26 Mio. DM ab. Dabei wurde sie durch die I. GmbH (nachfolgend: Geschäftsbesorgerin) vertreten, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) war und mit der die Gesellschaft kurz zuvor einen Geschäftsbesorgungsvertrag abgeschlossen hatte, nach dem diese die Geschäftsführung übernahm.

Ab Mai 1992 traten die Kläger und weitere Anleger, die unter Verwendung eines Fondsprospektes geworben wurden, dem Fonds bei, und zwar entweder als Gesellschafter, die später ins Grundbuch eingetragen wurden, oder in der Form, dass sie das Angebot der Treuhänderin auf Abschluss des im Prospekt abgedruckten Treuhandvertrages annahmen.

Im Prospekt heißt es zur Haftung der Gesellschafter:

"Die Gesellschafter haften gegenüber Gläubigern der Gesellschaft mit dem Gesellschaftsvermögen als Gesamtschuldner. Mit ihrem sonstigen Vermögen haften sie nur quotal entsprechend ihrer kapitalmäßigen Beteiligung an der Gesellschaft. Soweit Gläubiger durch Grundpfandrechte gesichert sind, haftet zunächst das Grundstück - wie auch für öffentliche Lasten - insgesamt."

In der dazugehörigen Dokumentation ist derselbe Text enthalten und zusätzlich folgender Satz hinzugefügt:

"Darüber hinaus haften die Gesellschafter nur quotal entsprechend ihrer Beteiligung."

Am unterzeichnete die Geschäftsbesorgerin, vertreten durch den Beklagten zu 2), im Namen der einzelnen Gesellschafter gegenüber der Beklagten zu 1) jeweils Ergänzungen zu den beiden Darlehensverträgen über 14 Mio. DM und 26 Mio. DM. Danach sollten die Anleger als Darlehensnehmer gesamtschuldnerisch, aber jeweils beschränkt auf bestimmte Beträge für die Darlehensverbindlichkeiten haften. In notarieller Urkunde vom erklärte die Geschäftsbesorgerin, vertreten durch ihre Prokuristin, für die einzelnen Gesellschafter die Übernahme der quotalen Haftung für die Forderung aus einer von der Gesellschaft bereits im Jahr 1991 bestellten Grundschuld und die entsprechende persönliche Zwangsvollstreckungsunterwerfung.

Die Kläger haben sich gegen die Zwangsvollstreckung aus den persönlichen Vollstreckungsunterwerfungserklärungen gewandt und weiter geltend gemacht, die Beklagte zu 1) sei ihnen wegen kollusiven Zusammenwirkens mit dem Beklagten zu 2) in Bezug auf die Täuschung über den Umfang ihrer persönlichen Haftung zum Schadensersatz verpflichtet. Insoweit haben sie verschiedene Zahlungs-, Freistellungs- und Feststellungsanträge gestellt. Hilfsweise haben sie sich darauf berufen, sie seien nicht verpflichtet, die Darlehensschuld des Fonds zu begleichen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung hat das Berufungsgericht durch Teilurteil in Bezug auf das Streitverhältnis zur Beklagten zu 1) die Zwangsvollstreckung der Beklagten zu 1) aus der notariellen Urkunde vom für unzulässig erklärt und die Beklagte zu 1) verurteilt, diese Urkunde an die Kläger herauszugeben, weil die Geschäftsbesorgerin nicht bevollmächtigt gewesen sei, die Anleger persönlich zu verpflichten. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen.

Zwischenzeitlich hat das Berufungsgericht durch rechtskräftiges Schlussurteil vom den Beklagten zu 2) verurteilt, die im Zusammenhang mit dem Fondsbeitritt erbrachten Leistungen an die Kläger Zug um Zug gegen Abtretung der Gesellschaftsanteile abzüglich ersparter Steuern zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte zu 2) sei den Klägern schadensersatzpflichtig, weil er ihnen im Prospekt wahrheitswidrig eine tatsächlich nicht bestehende Haftungsreihenfolge für die Gesellschaftsschulden vorgespiegelt habe. Durch den Gebrauch des Wortes "zunächst" werde der falsche Schluss nahe gelegt, dass im Falle von Zahlungsrückständen das persönliche Vermögen der Gesellschafter von Vollstreckungsmaßnahmen der Bank erst einmal nicht betroffen sei. Die Formulierung wecke beim Adressaten des Prospektes die Erwartung, dass das Risiko einer persönlichen Inanspruchnahme erst dann drohe, wenn die Gesellschaft als solche in Liquidation gerate und das Grundstück verwertet worden sei, also lediglich eine subsidiäre Haftung bestehe. Nach den Darlehensverträgen, für die die Kläger persönlich hafteten, sei das jedoch nicht der Fall.

Mit der - vom erkennenden Senat - zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren gegen die Beklagte zu 1) im zurückgewiesenen Umfang weiter. Gegen das Schlussurteil vom , das ihnen die Kosten in Bezug auf den zurückweisenden Teil des vorliegenden Teilurteils auferlegt hat, haben sie kein Rechtsmittel eingelegt.

Gründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Beklagte zu 1) sei den Klägern nicht zum Schadensersatz verpflichtet. Ein Anspruch aus vertraglicher oder vorvertraglicher Pflichtverletzung komme nicht in Betracht, weil die Beklagte zu 1) keine Aufklärungspflicht im Rahmen des Abschlusses der beiden Darlehensverträge im Jahr 1991 gegenüber den Klägern gehabt habe. Die Darlehensverträge seien nur mit dem Fonds zum Zwecke der Baufinanzierung geschlossen worden. Die den Fonds vertretende Geschäftsbesorgerin sei nicht aufklärungsbedürftig gewesen. Auch eine Aufklärungspflicht wegen institutionalisierten Zusammenwirkens komme nicht in Betracht, weil die Beklagte zu 1) nicht die Anlage der Kapitalanleger finanziert habe, sondern das Fondsobjekt.

Es bestehe auch kein Anspruch aus § 826 BGB wegen eines kollusiven Zusammenwirkens der Beklagten zu 1) mit dem Beklagten zu 2) zwecks Täuschung der Kläger über den Umfang ihrer persönlichen Haftung. Das sei schon deswegen ausgeschlossen, weil die Beklagte zu 1) im eigenen wirtschaftlichen Interesse gehandelt habe.

Auch soweit die Kläger gegenüber der Beklagten zu 1) hilfsweise die Feststellung begehrten, dass sie aus den Darlehensverträgen nicht zur Zahlung verpflichtet seien, sei die Klage unbegründet, weil die Kläger analog § 130 HGB für die Verbindlichkeiten aus den zwischen dem Fonds und der Beklagten zu 1) am geschlossenen beiden Darlehensverträgen über insgesamt 40 Mio. DM hafteten. Die frühere Klägerin zu 1) sei durch die Geschäftsbesorgerin ordnungsgemäß vertreten worden. Deren Bevollmächtigung sei nicht wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig. Auf einen ihnen ausnahmsweise zuzubilligenden Vertrauensschutz könnten sich die Kläger schon deshalb nicht berufen, weil sie nach den ihnen vorliegenden Unterlagen (Vertriebsprospekt) positive Kenntnis davon gehabt hätten, dass zur Durchführung des Vorhabens Darlehen über 40 Mio. DM aufzunehmen gewesen seien, sie also von den fraglichen Verbindlichkeiten nicht hätten überrascht sein können. Dabei sei es ohne Belang, ob die Darlehen vor oder nach dem Beitritt der Kläger aufgenommen worden seien.

Die Kläger könnten sich auch nicht mit dem Einwand gemäß § 242 BGB gegen ihre Inanspruchnahme wehren, der Beklagten zu 1) sei bekannt gewesen, dass die Fondsanleger unter anderem mit dem Argument geworben worden seien, dass für die Darlehensverbindlichkeiten zunächst die Immobilie und erst danach die Gesellschafter haften würden. Hierbei würden die Kläger übersehen, dass es sich bei ihrer Haftung um eine aus den mit dem Fonds geschlossenen Darlehensverträgen abgeleitete handele und sie etwaige gegen den Beklagten zu 2) zu Recht erhobene Einwände nicht der Beklagten zu 1) entgegenhalten könnten.

II.

Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch der Kläger gegen die Beklagte zu 1) verneint.

1.

Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings vertragliche Aufklärungspflichten der Beklagten zu 1) verneint, da nach seinen rechtsfehlerfreien Feststellungen zwischen den Parteien keine wirksamen vertraglichen Abreden bestehen. Auch aus dem Kreditvertrag zwischen dem Fonds und der Beklagten zu 1) folgen keine vertraglichen Aufklärungspflichten gegenüber den Klägern. Der Vertrag ist zum Zwecke der Objektfinanzierung mit der Geschäftsbesorgerin als externe Geschäftsführerin des Fonds geschlossen worden, die nicht aufklärungsbedürftig war (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 421/02, WM 2004, 372, 374). Zu Recht hat das Berufungsgericht auch ausgeführt, dass die Kläger sich zur Begründung einer Aufklärungspflicht nicht auf das Senatsurteil vom (BGHZ 168, 1 ff.) berufen können, da die Beklagte zu 1) nicht ihre Beteiligung finanziert hat.

2.

Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung lässt sich jedoch eine Haftung der Beklagten zu 1) unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) nicht verneinen.

a)

Ein Vertreiber von Kapitalanlagen, der Anlageinteressenten vorsätzlich durch Falschangaben täuscht und die Schädigung der Anleger zumindest billigend in Kauf nimmt, ist diesen wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zum Schadensersatz verpflichtet (vgl. BGHZ 175, 276, Tz. 29 m.w.N.). Das trifft auf den Beklagten zu 2) zu, der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im rechtskräftigen Schlussurteil vom die Anleger darüber getäuscht hat, dass sie nicht lediglich subsidiär nach Verwertung des Fondsobjekts für die Rückzahlung der Objektfinanzierungsdarlehen, sondern unmittelbar persönlich haften.

b)

An dieser Täuschung hat die Beklagte zu 1) nach dem Vortrag der Kläger mitgewirkt. Die Kläger haben beweisbewehrt vorgetragen, die Beklagte zu 1) habe vor der Anwerbung von Anlegern die Konzeption und den Prospekt geprüft. Dabei sei ihr die streitige Haftungs- und Verwertungsregelung aufgefallen; sie habe gegenüber dem Beklagten zu 2) erklärt, sie könne eine solche subsidiäre Haftungsregelung in den Darlehensverträgen nicht vereinbaren. Im Ergebnis hätten die Beklagte zu 1) und der Beklagte zu 2) dann aber vor dem Hintergrund der positiven Aussichten des Immobilienmarktes von einer Änderung bzw. Klarstellung abgesehen.

Sollte dieser Vortrag zutreffen, wovon im Revisionsverfahren mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts, das ihn in anderem Zusammenhang als wahr unterstellt hat, zu Gunsten der Kläger auszugehen ist, hat sich die Beklagte zu 1) an der Täuschung der Kläger planmäßig und bewusst beteiligt, indem sie in Kenntnis des geplanten Vorgehens des Beklagten zu 2) die Objektfinanzierung durchgeführt und dadurch die Täuschung der Kläger durch den Beklagten zu 2) erst ermöglicht und auch gewollt hat.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist das Verhalten der Beklagten zu 1) nicht durch die Wahrnehmung berechtigter eigener Interessen gerechtfertigt. Die Beklagte zu 1) durfte zwar darauf bestehen, dass die Gesellschafter unmittelbar persönlich hafteten; sie durfte sich aber nicht an einer Täuschung der Anleger über den Umfang ihrer Haftung beteiligen. Die Sittenwidrigkeit einer Falschangabe, die erkennbar für die Entschließung der Anleger von Bedeutung ist, wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass sie in Verfolgung eigener Interessen in dem Bewusstsein einer möglichen Schädigung der Anleger abgegeben wird (vgl. BGHZ 175, 276, Tz. 29 m.w.N.).

III.

Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben, soweit es zum Nachteil der am Revisionsverfahren beteiligten Kläger ergangen ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie in diesem Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Da das Schlussurteil von den Klägern nicht angegriffen worden ist, hat seine in Rechtskraft erwachsene Kostenentscheidung auch insofern Bestand, als darin über die bisher angefallenen Kosten der ersten und zweiten Instanz entschieden worden ist (BGHZ 20, 253, 255, auch , WM 1977, 1428 f.).

Sollte das Berufungsgericht nach erneuter Verhandlung wieder zu dem Ergebnis kommen, dass ein Schadensersatzanspruch der Kläger gegen die Beklagte zu 1) nicht besteht, und deshalb über den Hilfsfeststellungsantrag auf Nichtbestehen einer Darlehensrückzahlungsverpflichtung der Kläger zu entscheiden haben, wird es insofern zu beachten haben, dass nach der nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Rechtsprechung des Senats (vgl. BGHZ 178, 271, Tz. 21 ff.) eine Haftung eines lediglich mittelbaren Gesellschafters analog §§ 128, 130 HGB nicht in Betracht kommt, was nach Ansicht der Revision in Bezug auf die Kläger zu 5), 6), 123), 129), 130), 173), 178), 179) und 182) zutrifft. Insofern wird es sodann gegebenenfalls zu prüfen haben, ob dann eine mittelbare Haftung der genannten Kläger über die Treuhänderin in Betracht kommt (vgl. BGHZ 178, 271, Tz. 24).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
DB 2009 S. 2542 Nr. 47
WM 2009 S. 2210 Nr. 47
ZIP 2009 S. 2237 Nr. 47
CAAAD-31846

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja