BAG Urteil v. - 5 AZR 993/08

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ArbZG § 2; ArbZG § 6 Abs. 5; BGB § 242; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; ZPO § 888; BAT-KF für den Bereich der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Evangelischen Kirche von Westfalen und der Lippischen Landeskirche sowie ihrer diakonischen Werke vom § 48a; BAT-KF für den Bereich der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Evangelischen Kirche von Westfalen und der Lippischen Landeskirche sowie ihrer diakonischen Werke vom § 70

Instanzenzug: LAG Hamm, 16 Sa 44/08 vom ArbG Siegen, 3 Ca 1128/07 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über Freizeitausgleich für nächtliche Bereitschaftsdienste.

Die Klägerin ist seit Jahren bei der Beklagten, die ein Krankenhaus betreibt, als Krankenschwester angestellt. Die Klägerin arbeitet an fünf Tagen der Woche 38,5 Stunden und leistet regelmäßig nächtlichen Bereitschaftsdienst. Dieser beginnt im Anschluss an die jeweilige Schicht, jedenfalls um 23:00 Uhr, und endet am folgenden Tag um 7:00 Uhr. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft einzelvertraglicher Bezugnahme der Bundes-Angestelltentarifvertrag in kirchlicher Fassung (Bekanntmachung vom der für den Bereich der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Evangelischen Kirche von Westfalen und der Lippischen Landeskirche sowie ihrer diakonischen Werke vom geltenden Fassung des Bundes-Angestelltentarifvertrags vom - im Folgenden: BAT-KF) Anwendung. Im BAT-KF ist ua. geregelt:

"§ 48 a

Zusatzurlaub für Wechselschichtarbeit, Schichtarbeit und Nachtarbeit

(1) (wird nicht angewendet)

(2) (wird nicht angewendet)

(3) Der Angestellte, der seine Arbeit ständig nach einem Schichtplan (Dienstplan) zu erheblich unterschiedlichen Zeiten (in Wechselschichtarbeit, in Schichtarbeit oder im häufigen unregelmäßigen Wechsel mit Abweichungen von mindestens drei Stunden) beginnt oder beendet, erhält bei einer Leistung im Kalenderjahr von mindestens

110 Nachtarbeitsstunden|1 Arbeitstag,

220 Nachtarbeitsstunden|2 Arbeitstage,

330 Nachtarbeitsstunden|3 Arbeitstage,

450 Nachtarbeitsstunden|4 Arbeitstage

Zusatzurlaub im Urlaubsjahr.

(4) Der Angestellte, der die Voraussetzungen der Absätze 1 und 3 nicht erfüllt, erhält bei einer Leistung im Kalenderjahr von mindestens

150 Nachtarbeitsstunden|1 Arbeitstag,

300 Nachtarbeitsstunden|2 Arbeitstage,

450 Nachtarbeitsstunden|3 Arbeitstage,

600 Nachtarbeitsstunden|4 Arbeitstage

Zusatzurlaub im Urlaubsjahr.

(5) Für den Angestellten, der spätestens mit Ablauf des Urlaubsjahres, in dem der Anspruch nach Absatz 9 Satz 2 entsteht, das 50. Lebensjahr vollendet hat, erhöht sich der Zusatzurlaub um einen Arbeitstag.

(6) Bei Anwendung der Absätze 3 und 4 werden nur die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit (§ 15 Abs. 1 bis 4 und die entsprechenden Sonderregelungen hierzu) in der Zeit zwischen 20 Uhr und 6 Uhr dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich geleisteten Arbeitsstunden berücksichtigt. Die Absätze 3 und 4 gelten nicht, wenn die regelmäßige Arbeitszeit nach § 15 Abs. 2 Buchstabe c verlängert ist.

(7) Zusatzurlaub nach den Absätzen 1 bis 4 darf insgesamt vier - in den Fällen des Absatzes 5 fünf - Arbeitstage für das Urlaubsjahr nicht überschreiten.

(8) Bei nicht vollbeschäftigten Angestellten ist die Zahl der in den Absätzen 3 und 4 geforderten Arbeitsstunden entsprechend dem Verhältnis der vereinbarten durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten zu kürzen. Ist die vereinbarte Arbeitszeit im Durchschnitt des Urlaubsjahres auf weniger als fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, ist der Zusatzurlaub in entsprechender Anwendung des § 48 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 und Unterabs. 5 zu ermitteln.

(9) Der Zusatzurlaub bemisst sich nach der bei demselben Arbeitgeber im vorangegangenen Kalenderjahr erbrachten Arbeitsleistung. Der Anspruch auf Zusatzurlaub entsteht mit Beginn des auf die Arbeitsleistung folgenden Urlaubsjahres.

(10) Auf den Zusatzurlaub werden Zusatzurlaub und zusätzlich freie Tage angerechnet, die nach anderen Regelungen wegen Wechselschicht-, Schicht- oder Nachtarbeit ... zustehen.

(11) (wird nicht angewendet)

...

§ 70

Ausschlussfrist

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit vom Angestellten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden, soweit nicht durch besondere Arbeitsrechtsregelung etwas anderes bestimmt ist.

Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs aus, um die Ausschlussfrist auch für später fällig werdende Leistungen unwirksam zu machen."

Die Klägerin machte mit Schreiben vom für das Jahr 2005 einen Zusatzurlaub von neun Tagen geltend. Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom :

"...

Sie führen in Ihrem Schreiben aus, dass Sie den Zusatzurlaub für Bereitschaftsdienste, die Sie zwischen 20:00 Uhr und 6:00 Uhr im Jahr 2005 geleistet haben, beanspruchen.

Inwieweit die Ableistung von Bereitschaftsdienst tatsächlich zu einem Anspruch auf Zusatzurlaub gem. § 48a BAT-KF führt, wird derzeit im Rahmen eines arbeitsrechtlichen Verfahrens geklärt. Vom Ausgang dieses Verfahrens wird es abhängen, ob der Anspruch tatsächlich besteht oder nicht.

Wir können daher wegen des schwebenden Verfahrens nicht über Ihren Antrag entscheiden, nehmen ihn aber fristwahrend zu Ihrer Personalakte und werden Sie, sobald das Arbeitsgerichtsverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist, darüber informieren.

..."

Mit ihrer der Beklagten am zugestellten Klage hat die Klägerin unter Berufung auf § 48a BAT-KF die Gewährung von jeweils drei zusätzlichen freien Tagen für die Jahre 2004, 2005 und 2006 begehrt. Später hat sie sich auf § 6 Abs. 5 ArbZG berufen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, sie an neun Tagen unter Fortzahlung der Vergütung im Umfang von jeweils 7,7 Stunden freizustellen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Der BAT-KF in Verbindung mit der Sonderregelung in Anlage 2a enthalte eine Ausgleichsregelung. Danach werde die Zeit des Bereitschaftsdienstes zum Zwecke der Vergütungsberechnung in bestimmtem Umfang als Arbeitszeit gewertet. Das sei korrekt erfolgt. Außerdem seien etwaige Ansprüche verfallen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte verurteilt, der Klägerin drei Tage Freizeitausgleich für 2006 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Mit den vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revisionen verfolgt die Klägerin die Ansprüche für 2004 und 2005 weiter, die Beklagte begehrt die vollständige Abweisung der Klage.

Gründe

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf drei Tage bezahlten Freizeitausgleich für das Jahr 2006. Dieser Anspruch ist nicht verfallen. Verfallen sind dagegen die Ausgleichsansprüche der Klägerin für die Jahre 2004 und 2005. Deshalb ist die Revision der Klägerin unbegründet.

A. Die Klägerin hat gegen die Beklagte gem. § 6 Abs. 5 ArbZG iVm. § 48a BAT-KF Anspruch auf bezahlten Ausgleich für die 2006 geleisteten nächtlichen Bereitschaftsdienste.

I. Die Klage auf Freistellung von der Arbeit an einer bestimmten Anzahl von Tagen unter Fortzahlung der Vergütung ist zulässig (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Leistungstenor ist vollstreckungsfähig. Die Beklagte ist berechtigt, den Anspruch zu erfüllen, indem sie die Klägerin an von ihr festzulegenden Tagen unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitspflicht befreit. Es handelt sich dabei um die Vornahme einer unvertretbaren Handlung iSd. § 888 Abs. 1 ZPO.

II. Die Klage ist hinsichtlich der im Jahre 2006 geleisteten nächtlichen Bereitschaftsdienste begründet. Die Klägerin hat gem. § 6 Abs. 5 ArbZG iVm. § 48a BAT-KF Anspruch auf Ausgleich der geleisteten nächtlichen Bereitschaftsstunden durch bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht an drei Arbeitstagen zu jeweils 7,7 Stunden.

1. Die Klägerin ist Nachtarbeitnehmerin. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts leistete die Klägerin in den Kalenderjahren 2004 bis 2006 jeweils an mehr als 48 Tagen Bereitschaftsdienst in der Zeit von 23:00 Uhr bis 6:00 Uhr, womit jedenfalls die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 Nr. 2 ArbZG erfüllt sind. Nach § 2 Abs. 4 ArbZG ist Nachtarbeit jede Arbeit, die mehr als zwei Stunden der Nachtzeit iSd. § 2 Abs. 3 ArbZG erfasst. Auch Bereitschaftsdienst ist aufgrund der in Art. 4b des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom (BGBl. I S. 3002) enthaltenen Regelung, die am in Kraft trat, Arbeitszeit iSd. § 2 ArbZG (vgl. - zu B I 2 der Gründe, BAGE 110, 60; - 1 ABR 2/02 - BAGE 105, 32).

2. Eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung besteht nicht. Die Beklagte fällt nicht in den betrieblichen Geltungsbereich eines Tarifvertrags. Bei dem BAT-KF handelt es sich um keine tarifvertragliche Regelung iSd. § 6 Abs. 5 ArbZG (vgl. - zu II 2 c cc der Gründe, AP BAT §§ 22, 23 Zuwendungs-TV Nr. 17 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 146; - 4 AZR 101/01 - zu III 1 c cc der Gründe, BAGE 101, 9).

a) Die arbeitsvertraglich einbezogenen Bestimmungen des BAT-KF sind Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. §§ 305 ff. BGB. Die Bezugnahmeklausel war von der Beklagten für eine Vielzahl von Fällen gestellt, zugleich sind damit auch die inhaltlich den Bundes-Angestelltentarifvertrag modifizierenden Allgemeinen Arbeitsbedingungen von der Beklagten gestellt worden (§ 305 Abs. 1 BGB).

b) Eine entsprechende Anwendung der in § 6 Abs. 5 ArbZG vorgesehenen Ausnahme für tarifvertragliche Regelungen auf den BAT-KF scheidet aus, denn es fehlt an einer Regelungslücke. Vielmehr zeigt § 7 Abs. 4 ArbZG, dass das Arbeitszeitgesetz kirchliche Regelungen der Arbeitsbedingungen zu berücksichtigen weiß, dies aber beim Ausgleich der Erschwernisse von Nachtarbeit unterlassen hat.

3. Die Parteien haben durch die einzelvertragliche Bezugnahme auf die Regelungen des BAT-KF einen angemessenen Ausgleich für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden vereinbart.

a) Der in § 6 Abs. 5 ArbZG nur allgemein geregelte Anspruch auf angemessenen Ausgleich kann durch einzelvertragliche Regelung der Arbeitsvertragsparteien näher ausgestaltet werden. Vertragliche Lösungen können sogar sinnvoll sein, um Streit über die Angemessenheit des Ausgleichs zu verhindern. Allerdings muss die vertragliche Gestaltung den Ausgleichszweck hinreichend erkennen lassen und die Regelung ist im Rahmen des § 6 Abs. 5 ArbZG zu treffen. Dh., der Ausgleich muss entweder in der Gewährung einer angemessenen Zahl bezahlter freier Tage und/oder einem angemessenen Zuschlag auf das für die Nachtarbeit zustehende Bruttoarbeitsentgelt bestehen. Eine vertragliche Regelung kann insbesondere in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Arbeitgebers, die die besonderen gesetzlichen Anforderungen der §§ 305 ff. BGB einzuhalten haben, getroffen werden.

b) Nächtliche Bereitschaftsdienststunden sind nach dem BAT-KF mittels einer angemessenen Zahl bezahlter freier Tage auszugleichen. Die Regelung über Zusatzurlaub für Wechselschicht-, Schicht- und Nachtarbeit gilt entgegen dem Wortlaut der einschränkenden Regelung des § 48a Abs. 6 BAT-KF nicht nur für die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit (§ 15 Abs. 1 bis 4 und die entsprechenden Sonderregelungen hierzu) geleisteten Nachtarbeitsstunden, sondern auch für außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit geleistete Bereitschaftsdienste.

aa) Nach § 48a Abs. 4 BAT-KF steht dem Angestellten ein Anspruch auf Zusatzurlaub zu, wenn er in bestimmtem Mindestumfang Nachtarbeitsstunden leistet. Zwar ist dieser Anspruch nach dem Wortlaut des Abs. 6 ausgeschlossen, wenn die Nachtarbeitsstunden außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit geleistet werden, wie dies bei außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit geleisteten nächtlichen Bereitschaftsdiensten der Fall ist. Doch ist diese in den von der Beklagten gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Ausschlussregelung unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 BGB und deshalb unwirksam. Die Prüfung der Angemessenheit ist nicht gem. § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB ausgeschlossen. Auch wenn eine mittelbare Bezugnahme auf Tarifrecht eine entsprechende Kontrollfreiheit auslöst, setzt dies zumindest eine vollständige Übernahme abgrenzbarer Sachbereiche voraus (vgl. - Rn. 29). Im BAT-KF ist aber noch nicht einmal die Regelung des § 48a BAT über Zusatzurlaub vollständig übernommen worden.

Jedenfalls seit der Neufassung des § 2 ArbZG zum (Art. 4b des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom - BGBl. I S. 3002), die Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit iSd. § 2 ArbZG anerkannt hat (vgl. - zu B I 2 der Gründe, BAGE 110, 60; - 1 ABR 2/02 - BAGE 105, 32), weicht die Ausnahmeregelung des § 48a Abs. 6 BAT-KF so vom gesetzlichen Leitbild ab, dass hierin eine unangemessene Benachteiligung des nächtliche Bereitschaftsdienste leistenden Arbeitnehmers liegt. Die Neufassung des § 2 ArbZG hat zur Folge, dass auch nächtlicher Bereitschaftsdienst nach § 6 Abs. 5 ArbZG auszugleichen ist. Dies ist das gesetzliche Leitbild. Die Parteien haben mit § 48a BAT-KF für Nachtarbeit ein als angemessen und interessengerecht erkanntes Ausgleichssystem selbst vereinbart. Der darin geregelte Freizeitausgleich dient dem Gesundheitsschutz und kann vom Arbeitgeber auch tagsüber ohne die Verpflichtung zur Zahlung weiterer Zuschläge gewährt werden. Ob es sich dabei um einen Ausgleich für dienstplanmäßig und regelmäßig geleistete Nachtarbeit oder für nächtliche Bereitschaftsdienste handelt, ist unerheblich. Die Verwirklichung des gesetzlichen Leitbilds wird lediglich durch die in § 48a Abs. 6 BAT-KF enthaltene Ausschlussklausel verhindert.

bb) Damit ist die in § 48a Abs. 6 BAT-KF enthaltene Klausel nicht anzuwenden. Dies lässt die Anwendbarkeit der weiteren Regelungen des § 48a BAT-KF zum Zusatzurlaub wegen Nachtarbeit unberührt. Soweit Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind, bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam (§ 306 Abs. 1 BGB). Der unzulässige Teil ist sprachlich eindeutig abtrennbar. § 48a BAT-KF enthält sprachlich und inhaltlich teilbare Klauseln, die ohne ihre unzulässigen Bestandteile mit ihrem zulässigen Inhalt aufrechterhalten werden können (vgl. - mwN, NZA 2009, 783; - 9 AZR 294/06 - AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 21 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 17).

cc) Hieraus folgt zunächst, dass die Parteien das sich aus § 6 Abs. 5 ArbZG ergebende Wahlrecht vertraglich abbedungen haben. Nachtarbeit ist hiernach in Freizeit und nicht finanziell auszugleichen. Des Weiteren ist es nach § 48a Abs. 4 BAT-KF unerheblich, ob es sich um einen Ausgleich für dienstplanmäßig und regelmäßig geleistete Nachtarbeit oder um Bereitschaftsdienst handelt. Dies entspricht der gesetzlichen Regelung in § 6 Abs. 5 ArbZG. Danach ist nicht nur die Nachtarbeitszeit iSd. § 2 Abs. 4 ArbZG ausgleichspflichtig, also die Arbeit, die mehr als zwei Stunden der Nachtzeit erfasst, sondern grundsätzlich jede Arbeitszeit während der Nachtzeit (vgl. Baeck/Deutsch Arbeitszeitgesetz Stand Dezember 2007 2. Aufl. § 6 Rn. 80; Schliemann Arbeitszeitgesetz Stand Dezember 2007 § 6 Rn. 87). Der gesamte Bereitschaftsdienst und nicht nur die darin enthaltene Vollarbeit ist Arbeitszeit. Der Arbeitnehmer erbringt auch in der Ruhezeit des Bereitschaftsdienstes eine Leistung gegenüber dem Arbeitgeber. Denn er ist in seinem Aufenthalt beschränkt und muss mit jederzeitiger Arbeitsaufnahme rechnen (Senat - 5 AZR 530/02 - zu III 4 der Gründe, BAGE 109, 254). Liegt der Bereitschaftsdienst in der Nachtzeit, ist dieser in seiner gesamten Dauer nach § 6 Abs. 5 ArbZG auszugleichen, unabhängig davon, in welchen Stunden tatsächlich Arbeitsleistung erbracht wurde. Allerdings kann ein nur geringerer Ausgleich erforderlich sein, wenn in die Nachtarbeit Arbeitsbereitschaft fällt (Senat - 5 AZR 545/04 - Rn. 16, BAGE 115, 372; - 5 AZR 530/02 - zu III 4 der Gründe, BAGE 109, 254).

dd) Gem. § 48a Abs. 4 BAT-KF steht dem Angestellten für jeweils 150 Nachtarbeitsstunden ein Arbeitstag Zusatzurlaub zu. Dieser Ausgleich entspricht in etwa einem Zuschlag von 5 % und ist auch für Bereitschaftsdienstzeiten nicht unangemessen.

ee) Entgegen der Auffassung der Beklagten steht einer Anwendung des § 48a BAT-KF keine anderweitige Ausgleichsregelung innerhalb des BAT-KF entgegen. § 15 Abs. 6a BAT-KF iVm. der Sonderregelung in Anlage 2a regelt keinen finanziellen Ausgleich für nächtlich geleistete Bereitschaftsstunden.

Nach § 15 Abs. 6a Satz 3 BAT-KF wird die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit entsprechend dem Anteil der erfahrungsgemäß durchschnittlich anfallenden Zeit der Arbeitsleistung als Arbeitszeit gewertet und mit der Überstundenvergütung nach § 35 Abs. 3 Satz 2 BAT-KF vergütet, dh. die Vergütung besteht aus einer Stundenvergütung zuzüglich eines Zeitzuschlags. Eine Unterscheidung zwischen tagsüber und nachts geleisteten Bereitschaftsstunden findet hiernach nicht statt. Auch die Sonderregelung in der Anlage 2a beinhaltet keinen finanziellen Ausgleich. Soweit hiernach ein der Stufe A zugeordneter Bereitschaftsdienst der Stufe B zugeteilt wird, wenn der Angestellte während des Bereitschaftsdienstes in der Zeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr erfahrungsgemäß durchschnittlich mehr als dreimal dienstlich in Anspruch genommen wird, ist dies lediglich Ausfluss der "geschätzten" Arbeitsleistung. Außerdem kann die Regelung schon deshalb nicht als angemessener Ausgleich für die den Stufen B, C und D zugeordneten Bereitschaftsdienste dienen, weil Entsprechendes bei diesen Stufen nicht vorgesehen ist.

4. Die Ansprüche der Klägerin auf Gewährung von bezahlten freien Tagen sind zwar insgesamt für die Jahre 2004 bis 2006 verfallen, jedoch ist es der Beklagten aus Rechtsgründen verwehrt, sich bzgl. der im Jahr 2006 geleisteten Bereitschaftsdienste auf diesen Erlöschenstatbestand zu berufen.

a) Nach § 70 Satz 1 BAT-KF verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Die Klägerin hat die sechsmonatige Verfallfrist nicht gewahrt.

aa) Der Ausgleichsanspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG iVm. § 48a BAT-KF entsteht gem. § 48a Abs. 9 Satz 2 BAT-KF mit Beginn des auf die Nachtarbeit folgenden Urlaubsjahres, somit am 1. Januar des Folgejahres. Die Klägerin hat die Ansprüche für 2006 erst mit der am zugestellten Klage, also nach Ablauf von sechs Monaten, geltend gemacht.

bb) Die Geltendmachung der Ansprüche für 2006 war nicht nach § 70 Satz 2 BAT-KF entbehrlich. Nach dieser Regelung reicht für denselben Sachverhalt die einmalige Geltendmachung des Anspruchs aus, um die Ausschlussfrist auch für später fällig werdende Leistungen unwirksam zu machen. Es lag nicht derselbe Sachverhalt vor. Dies wäre nur der Fall gewesen, wenn bei unveränderter rechtlicher oder tatsächlicher Lage Ansprüche aus einem bestimmten Tatbestand herzuleiten sind (vgl. - zu 4 der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 168; - 8 AZR 366/00 - zu II 3 c der Gründe, AP BAT-O § 70 Nr. 2 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 136). Daran fehlt es jedoch, weil Ausgleichsansprüche nicht aus einem bestimmten ständig gleichen Grundtatbestand entstehen, sondern durch tatsächliche Arbeitsleistung erworben werden und insoweit Änderungen eingetreten sind.

b) Die Beklagte kann sich auf den Verfall der Ansprüche für 2006 jedoch nicht berufen, denn sie handelt rechtsmissbräuchlich iSv. § 242 BGB. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

aa) Eine gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßende und damit gem. § 242 BGB unzulässige Rechtsausübung stellt die Berufung auf die Ausschlussfrist dann dar, wenn die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit durch ein Verhalten der Gegenpartei veranlasst worden ist ( - zu 6 a der Gründe, BAGE 112, 351; - 6 AZR 249/02 - zu II 2 c aa der Gründe mwN, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 167). Das wird ua. angenommen, wenn der Arbeitgeber den Eindruck erweckt hat, der Arbeitnehmer könne darauf vertrauen, dass der Anspruch auch ohne rechtzeitige Geltendmachung erfüllt werde (vgl. - zu II 1 der Gründe mwN, AP BAT § 70 Nr. 27 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 125). In einem solchen Fall setzt er sich in Widerspruch zu seinem eigenen früheren Verhalten, wenn er zunächst die Untätigkeit des Arbeitnehmers veranlasst und dann aus dieser Untätigkeit einen Vorteil für sich ziehen will, indem er sich auf den Verfall von Ansprüchen beruft ( - aaO.).

bb) Die Feststellung von Rechtsmissbrauch durch das Berufungsgericht unterliegt nur eingeschränkter Überprüfung durch das Revisionsgericht ( -; - 4 AZR 179/80 - BAGE 41, 289, 297; - 4 AZR 463/78 - AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 68). Die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Landesarbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der der Tatrichter einen Beurteilungsspielraum hat, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist.

cc) Das Landesarbeitsgericht konnte im Rahmen seines revisionsrechtlich nicht überprüfbaren Beurteilungsspielraums annehmen, dass die Beklagte sich angesichts des Inhalts ihres Schreibens vom bzgl. der zu diesem Zeitpunkt noch nicht verfallenen Ausgleichsansprüche nicht auf die Ausschlussfrist berufen kann. Verstöße gegen die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze sind dem Landesarbeitsgericht bei Würdigung des Schreibens nicht unterlaufen, auch nicht die Außerachtlassung entscheidungserheblicher Tatumstände. Die Beklagte verwies in dem Schreiben auf die anstehende Klärung in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren. Sie wolle wegen des schwebenden Verfahrens nicht über den Antrag der Klägerin entscheiden, nehme ihn aber fristwahrend zur Personalakte und werde die Klägerin, sobald das Arbeitsgerichtsverfahren rechtskräftig abgeschlossen sei, darüber informieren. Angesichts dieser Auseinandersetzung mit der Problematik des Ausgleichsanspruchs und der Bedeutung, die die Beklagte unter Hinweis auf eine arbeitsgerichtliche Entscheidung der Angelegenheit beimaß, konnte und durfte die Klägerin das Schreiben der Beklagten so verstehen, dass diese sich jedenfalls für noch nicht verfallene Ansprüche nicht auf die Versäumung von Ausschlussfristen berufen werde. Dies gilt insbesondere angesichts des Adressatenkreises und der gewählten Formulierung. Ein unbefangener Arbeitnehmer konnte das Wort "fristwahrend" als einen Verzicht auf die Einhaltung der Ausschlussfrist für zukünftige Ansprüche ansehen, zumal sich die Beklagte andernfalls einer Vielzahl außergerichtlicher und gerichtlicher Streitigkeiten hätte ausgesetzt sehen können.

5. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend für das Kalenderjahr 2006 einen Anspruch der Klägerin auf drei Tage Freistellung von der Arbeitspflicht unter Fortzahlung des Entgelts bejaht. Die Klägerin hat 2006 68 Bereitschaftsdienste zu jeweils 7 Nachtarbeitsstunden = 476 Stunden geleistet. Hieraus folgt ein Anspruch auf drei Arbeitstage Zusatzurlaub. Die Klägerin hat ihren Klageantrag auf bezahlte Freistellung nach Weisung der Beklagten beschränkt, was vom Landesarbeitsgericht gem. § 308 Abs. 1 ZPO zutreffend beachtet worden ist.

B. Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

I. Für das Jahr 2004 hat die Klägerin erst mit der am zugestellten Klage Ansprüche geltend gemacht, so dass diese gem. § 70 BAT-KF verfallen sind. Ansprüche für das Jahr 2005 hat die Klägerin mit Schreiben vom geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt waren auch diese Ansprüche bereits verfallen. Erklärungen der Beklagten nach Eintritt des Verfalls waren für die Nichtgeltendmachung der Forderung binnen der Ausschlussfrist nicht kausal (vgl. - zu II 3 der Gründe, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 183 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 179).

II. Wie das Landesarbeitsgericht unangefochten festgestellt hat, sind die Ansprüche für das Jahr 2005 nach ihrem Untergang nicht neu begründet worden.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
XAAAD-31531

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein