BFH Beschluss v. - V B 75/08

Inhaltlich hinreichende Bestimmtheit eines Haftungsbescheids

Leitsatz

Haftungsbescheide sind sachverhaltsbezogen mit der Folge, dass eine Aufgliederung der Haftungsbeträge im Haftungsbescheid auf die einzelnen Voranmeldungszeiträume nicht zu erfolgen braucht, wenn der Haftungsbescheid erst nach Ablauf des Erhebungsjahres erlassen wurde.
Ein Haftungsbescheid ist dann inhaltlich hinreichend bestimmt im Sinne des § 119 Abs. 1 AO, wenn für den Betroffenen erkennbar ist, was von ihm, auch der Höhe nach, verlangt wird. Dabei genügt es, wenn dem gesamten Inhalt des Bescheids einschließlich der von der Behörde gegebenen Begründung hinreichende Klarheit über das Verlangte gewonnen werden kann. Für die inhaltliche Bestimmtheit eines Haftungsbescheides reicht es auch aus, wenn sich aus ihm die konkreten Sachverhalte, die zur Haftung geführt haben, ohne weiteres zweifelsfrei entnehmen lassen.
Zur Auslegung eines Haftungsbescheids kann auch der vorangegangene Betriebsprüfungsbericht herangezogen werden. Das setzt aber voraus, dass sich daraus die konkreten Sachverhalte, die zur Haftung geführt haben, zweifelsfrei ergeben und dem Haftungsschuldner die Prüfung von Grund und Höhe der Haftungsschuld ermöglicht wird.

Gesetze: AO § 34, AO § 35, AO § 69, AO § 119, FGO § 69 Abs. 2, FGO § 69 Abs. 3, FGO § 128 Abs. 3

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Beschwerdeführerin) als frühere Geschäftsführerin der D-GmbH gemäß § 69 der Abgabenordnung (AO) für im Jahr 2003 entstandene Umsatzsteuerschulden der D-GmbH haftet.

Die D-GmbH wurde im Jahr 1999 gegründet. Am . Juli 1999 wurde der Ehemann der Beschwerdeführerin zum Geschäftsführer bestellt. Die Jahresabschlüsse der D-GmbH wiesen Fehlbeträge des Eigenkapitals in Höhe von rund 15.000.000 DM zum und in Höhe von rund 41.000.000 DM zum aus. Jedenfalls teilweise bestanden diese Verbindlichkeiten der D-GmbH gegenüber nahestehenden Gesellschaften, die Rangrücktrittserklärungen abgegeben hatten.

Durch Vertrag vom wurde die P-AG Mehrheitsgesellschafterin der D-GmbH. Vorstand der P-AG war seinerzeit O, der durch Beschluss der Gesellschafterversammlung der D-GmbH vom neben dem Ehemann der Beschwerdeführerin zum Geschäftsführer der D-GmbH bestellt wurde. Die P-AG wurde dabei allein durch den Vorstand O und einen Prokuristen, nicht jedoch durch den Aufsichtsrat, vertreten. Daher erhob die Rechtspflegerin beim Handelsregister Einwendungen gegen die Wirksamkeit der Bestellung des Geschäftsführers O, denen die D-GmbH durch Rücknahme des Eintragungsantrags wegen Unwirksamkeit des Beschlusses Rechnung trug.

Mitte des Jahres 2003 fanden Verhandlungen zwischen der vom Ehemann der Beschwerdeführerin beherrschten A-GmbH und der P-AG über den Erwerb der Geschäftsanteile an der D-GmbH durch die A-GmbH statt. In diesem Zuge sollten auch die gegenüber den verbundenen Unternehmen bestehenden Verbindlichkeiten bereinigt werden. Zur Vorbereitung der dahingehenden Vereinbarungen beauftragte die A-GmbH am die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft W mit einem Gutachten über die Kapitaldienstfähigkeit der D-GmbH.

Nach einer in einem Prüfvermerk der W enthaltenen Aufstellung bestanden zum Verbindlichkeiten der D-GmbH gegenüber verbundenen Unternehmen in Höhe von 55.751.000 €. Ferner weist der Prüfvermerk darauf hin, dass die vom Ehemann der Beschwerdeführerin vorgelegten Planungsrechnungen unter der Prämisse aufgestellt worden seien, dass die verbundenen Unternehmen zum , nach Aufrechnung mit Forderungen der D-GmbH gegen verbundene Unternehmen, vollständig auf ihre Forderungen gegen die D-GmbH verzichten. Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, dass bei der Plausibilitätsprüfung der Zwischenbilanz zum und der Planungsrechnungen die Planbilanzen und Plangewinn- und Verlustrechnungen nicht mit der Liquiditätsplanung abstimmbar gewesen seien. Unabhängig davon sei aus den Planungsrechnungen ersichtlich, dass die D-GmbH auch im dargestellten Zeitraum bis zum nicht in der Lage sein werde, Verbindlichkeiten von Gesellschaftern und Verbindlichkeiten, die zum mit einem Rangrücktritt versehen seien, zu bedienen. Daher seien die Forderungen von verbundenen Unternehmen gegenüber der D-GmbH nicht voll werthaltig.

Am vereinbarten die mit der D-GmbH verbundenen Gläubigerinnen mit der D-GmbH einen Forderungsverzicht gegen Besserungsschein. Weiterhin rechneten die D-GmbH und die im Übrigen beteiligten Gesellschaften mit Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen der D-GmbH und diesen Gesellschaften auf.

Ebenfalls am veräußerte die P-AG ihre Anteile an der D-GmbH im Nennwert von 22.500 € zum Kaufpreis von 1 € an die A-GmbH, die bereits über Anteile im Nennwert von 2.250 € verfügte. Die Abtretung wurde am gleichen Tag wirksam.

Am . September 2003 wurde die Beschwerdeführerin zur Geschäftsführerin der D-GmbH bestellt.

Am . November 2003 wurden die Insolvenzverfahren über die Vermögen der mit der D-GmbH verbundenen Unternehmen eröffnet. Im Laufe dieser Verfahren fochten die Insolvenzverwalter die am erklärten Forderungsverzichte in Höhe von 16.225.000 € an.

Am und gingen die Umsatzsteuervoranmeldungen der D-GmbH für das III. und für das IV. Quartal 2003 beim Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) ein und wiesen eine Zahllast von 32.401,16 € bzw. ein Guthaben von 7.138,31 € aus. Jedenfalls die Umsatzsteuervoranmeldung III/2003 war wie nahezu alle Voranmeldungen seit Anfang 2001 von der Buchhalterin P unterschrieben. Der Umsatzsteuervoranmeldung IV/2003 stimmte das FA zu.

Im Rahmen einer bei der D-GmbH durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung vertrat die Prüferin die Auffassung, dass die Vorsteuer für das III. Quartal 2003 um 7.723.083,31 € zu korrigieren sei, nachdem die D-GmbH am mit mehreren Gläubigern Forderungsverzichtsverträge abgeschlossen habe. Ferner sei davon auszugehen, dass auch für den Zeitraum ab August 2003 die Eingangsrechnungen nicht mehr bezahlt worden seien, so dass auch im Übrigen 2/3 der angemeldeten Vorsteuern des III. Quartals 2003 in Höhe von 904.988,50 € sowie die Vorsteuern des IV. Quartals 2003 in Höhe von 1.249.075,41 € zu berichtigen seien.

Ausgehend von den Prüfungsfeststellungen ergingen am und von den Steueranmeldungen abweichende Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlungen III/2003 und IV/2003, gegen die die D-GmbH am Einspruch einlegte.

Bereits am . März 2004, vor Ergehen der Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide vom 30. und , hatte die D-GmbH einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, woraufhin am . März 2004 ein sogenannter schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wurde.

Am wurde das Insolvenzverfahren vom Amtsgericht N eröffnet.

Auf Bitten des vorläufigen Insolvenzverwalters setzte die Prüferin die Umsatzsteuersonderprüfung fort. Dabei stellte sie fest, dass von den vom Forderungsverzicht umfassten Forderungen nur rund 15.000.000 € mit Vorsteuer belastet seien. Andererseits seien auch durch Aufrechnung vorsteuerbelastete Forderungen der D-GmbH entfallen, so dass auch insoweit eine Korrektur zugunsten der D-GmbH erforderlich sei. So ergebe sich per Saldo eine Steuerkorrektur zu Lasten der D-GmbH von 1.838.956,05 €. Die Prüferin fasste die Ergebnisse ungeachtet der eigentlich zutreffenden zeitlichen Zuordnung im IV. Quartal 2003 zusammen. Dem folgend erging am ein geänderter Bescheid über die Umsatzsteuervorauszahlung IV/2003, der in Unkenntnis des Insolvenzverfahrens an die D-GmbH bekanntgegeben wurde und eine Steuerfestsetzung von 1.908.832,07 € auswies, die in voller Höhe als rückständig ausgewiesen wurde. Auf entsprechenden Hinweis des Insolvenzverwalters hob das FA diesen Bescheid am wieder auf und übersandte eine gleichlautende Steuerberechnung. Am übersandte es ferner eine Steuerberechnung für das III. Quartal 2003, wonach die Umsatzsteuer III/2003 wie angemeldet ermittelt wurde.

Da der Insolvenzverwalter in seinem Insolvenzgutachten mitgeteilt hatte, dass die D-GmbH im Jahre 2003 Umsätze in Höhe von 33.867.000 € erzielt habe, schätzte das FA für Zwecke einer Umsatzsteuerjahresveranlagung für 2003, dass die D-GmbH Umsätze in Höhe von 33.900.000 € erzielt habe und ermittelte davon ausgehend unter Ansatz der im Umsatzsteuervorauszahlungsverfahren angesetzten Vorsteuern eine Jahresumsatzsteuer von 2.240.145,81 €, was zu einem Mehrsoll gegenüber dem Vorauszahlungsverfahren von 344.373,10 € führte. Diesen Betrag meldete das FA u.a. zusammen mit den Rückständen laut Umsatzsteuerberechnung für das IV. Quartal 2003 am zur Insolvenztabelle an. Die Anmeldung wurde am vorläufig vom Insolvenzverwalter bestritten.

In der Folge minderte das FA seine Anmeldungen betreffend Umsatzsteuer IV/2003 mehrfach wegen Aufrechnungen. Am erging ein Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO, wonach Steuerforderungen in Höhe von 3.631.735,81 € zur Tabelle festgestellt wurden, darunter Umsatzsteuer IV/2003, fällig zum in Höhe von 1.110.689,27 €, Umsatzsteuer IV/2003, fällig zum in Höhe von 666.894,95 € sowie Umsatzsteuer 2003, fällig zum , in Höhe von 344.373,10 €. Der Feststellungsbescheid wurde bestandskräftig.

Am erließ das FA gegenüber der Beschwerdeführerin einen Haftungsbescheid gemäß § 69 AO. Darin stellte das FA Steuerschulden der D-GmbH in Insolvenz in Höhe von 1.893.219,91 € fest, die sich verteilten auf:


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"Steuerart
Zeitraum
Fälligkeit
Fiktive Fälligkeit
Steuerbetrag
Umsatzsteuer
4.Vj.03
1.226.324,96
Umsatzsteuer
4.Vj.03
666.894,95
Rückstände insgesamt
 
 
 
1.893.219,91"

In den Erläuterungen führt das FA u.a. aus:

„... Die fiktive Fälligkeit zur Umsatzsteuer 4.Vj.03 wurde auf den Tag der Bestellung Ihrer Mandantin den festgelegt, da die Rückstände aus der Minderung von Vorsteuern aufgrund der am abgeschlossenen Forderungsverzichtsverträge resultieren und Mittel zur künftigen Tilgung mit der Bestellung bereitzuhalten waren. Bei frist- und wahrheitsgemäßer Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung 3.Vj.03 wären die o.g. Rückstände bereits zum Fälligkeitszeitpunkt der USt 3.Vj.03 am zu entrichten gewesen.

Rückstände zur Umsatzsteuer 4.Vj.03 resultieren aus den Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung mit Bericht vom geändert durch Schreiben vom .

Die Gesellschaft reichte für das 4.Vj.03 eine USt-VA ein. Die Festsetzung erfolgte jedoch aufgrund der o.g. Prüfungsfeststellungen abweichend mit Bescheiden vom und . Insgesamt ergibt sich Folgendes:


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VAZ
Umsätze
Vorsteuern
Umsatzsteuer
 
4.Vj.03
7.957.385
1.312.432,30
./. 39.250,87
lt.ber.VA
4.Vj.03
644.661
./. 877.686,38
1.908.832,07
lt.Up.Bescheid vom

Änderungen ergeben sich überwiegend durch die Abwicklung der Forderungsverzichtsverträge vom . Hier wurden Forderungen und Verbindlichkeiten gegeneinander aufgerechnet, was zu Korrekturen nach § 17 Abs. 1 UStG sowohl hinsichtlich der angemeldeten Umsätze (Korrektur i.H.v. 1.512 T€) als auch Vorsteuern (Korrektur i.H.v. 2.080 T€) führte. Diese Korrekturen hätten bereits in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für das 3.Vj.04 durchgeführt werden müssen.

Insgesamt ergibt sich im Voranmeldungsverfahren unter Berücksichtigung der Prüfungsfeststellungen Folgendes:


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1.Vj.03
7.932.194
1.369.367,59
./. 100.216,45
lt.VA
2.Vj.03
8.684.039
1.334.690,16
54.756,00
lt.VA
3.Vj.03
8.686.774
1.357.482,75
32.401,09
lt.VA
4.Vj.03
 6.444.661
./. 877.686,38
1.908.832,07
lt.Up.
insg.
31.747.668
3.183.854,12
1.895.772,71
 

...”

Gegen diesen Bescheid legte die Beschwerdeführerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Den Aussetzungsantrag lehnte das FA ab. Daraufhin stellte die Beschwerdeführerin beim Finanzgericht (FG) einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung.

Das FG ging davon aus, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen, soweit das FA die Beschwerdeführerin für Umsatzsteuer 2003 in Höhe von mehr als 562.593,49 € in Anspruch nimmt. Im Übrigen hielt es derartige Zweifel nicht für berechtigt; die Beschwerdeführerin hafte insoweit nach § 69 AO.

Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, der Haftungsbescheid sei in vollem Umfang von der Vollziehung auszusetzen. Der Haftungsbescheid sei nicht hinreichend bestimmt; außerdem liege weder eine Haftungsschuld noch grobes Verschulden vor.

Die Beschwerdeführerin beantragt,

den aufzuheben und die Vollziehung des Haftungsbescheides des FA vom auszusetzen.

Das FA beantragt,

die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Zur Begründung seines Antrags führt das FA im Wesentlichen aus, der angefochtene Haftungsbescheid verstoße nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz des § 119 Abs. 1 AO. Für Haftungsbescheide reiche es aus, wenn sie die festgesetzte Steuer bzw. Haftungsschuld nach Art und Betrag bezeichnen und die Person des Haftungsschuldners benennen. Diesen Mindestanforderungen genüge der angefochtene Haftungsbescheid.

II. Die gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthafte Beschwerde ist begründet und die Vollziehung des Haftungsbescheides in vollem Umfang auszusetzen. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheides.

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das FG die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts auf Antrag u.a. dann aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden (§ 69 Abs. 3 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel in diesem Sinn sind anzunehmen, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründen gewichtige, gegen sie sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen bewirken oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen aufwerfen (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 2006, 1527, m.w.N.).

2. Der angefochtene Haftungsbescheid begegnet derartigen Zweifeln.

a) Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheides ergeben sich allerdings nicht —wie die Beschwerdeführerin meint— aus dem Bestehen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG). Danach wird eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist.

Das FG geht aufgrund seiner Feststellungen zu Recht davon aus, dass die D-GmbH weder in das Unternehmen der P-AG noch, nach Veräußerung der Anteile an die A-GmbH, in deren Unternehmen eingegliedert war.

Für die Annahme einer wirtschaftlichen Eingliederung genügt ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung (, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256; vom V R 63/01, BFHE 202, 79, BStBl II 2004, 434).

Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft tatsächlich wahrgenommen wird. Es kommt deshalb darauf an, dass der Organträger die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrscht oder zumindest durch die Gestaltung der Beziehungen zwischen ihm und der Organgesellschaft sichergestellt ist, dass eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei der Organtochter nicht stattfindet. Die organisatorische Eingliederung geschieht in aller Regel durch die personelle Verflechtung der Geschäftsführungen (vgl. , BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905).

aa) Hinsichtlich der Eingliederung in das Unternehmen der P-AG fehlt es an der organisatorischen Eingliederung. Nach den Feststellungen des FG war die Bestellung des O, der Vorstand der P-AG war, als Geschäftsführer der D-GmbH unwirksam und hat die D-GmbH den Antrag auf Eintragung deswegen zurückgenommen. Für die Annahme, dass durch andere —nachprüfbare— organisatorische Maßnahmen sichergestellt war, dass in der Organgesellschaft sein Wille tatsächlich durchgeführt wird und eine abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft nicht stattfindet, gibt es nach den mit der Beschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des FG keine Anhaltspunkte.

bb) Für die Annahme einer Eingliederung in das Unternehmen der A-GmbH fehlt es nach den unwidersprochen gebliebenen Feststellungen des FG an Anhaltspunkten für eine wirtschaftliche Eingliederung.

b) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides ergeben sich aber aus Folgendem:

Gemäß § 69 Satz 1 AO haften die in den §§ 34 und 35 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen dieser Vorschriften erfüllt, weil ernstliche Zweifel daran bestehen, dass der angefochtene Haftungsbescheid die gemäß § 119 Abs. 1 AO erforderliche inhaltliche Bestimmtheit aufweist.

aa) Ein Haftungsbescheid ist dann inhaltlich hinreichend bestimmt, wenn für den Betroffenen erkennbar ist, was von ihm, auch der Höhe nach, verlangt wird. Dabei genügt es, wenn aus dem gesamten Inhalt des Bescheids einschließlich der von der Behörde gegebenen Begründung hinreichende Klarheit über das Verlangte gewonnen werden kann (, BFH/NV 1991, 137; vom VII R 59/91, BFH/NV 1993, 146). Für die inhaltliche Bestimmtheit eines Haftungsbescheides reicht es auch aus, wenn sich aus ihm die konkreten Sachverhalte, die zur Haftung geführt haben, ohne weiteres zweifelsfrei entnehmen lassen (vgl. , BFH/NV 2009, 904, m.w.N.).

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der angefochtene Haftungsbescheid diese Anforderungen erfüllt.

bb) Ob sich Zweifel an der inhaltlichen Bestimmtheit schon daraus ergeben, dass das FA den Sachverhaltskomplex „Forderungsverzichte” vom Juli 2003 zu Unrecht im 4. Kalendervierteljahr 2003 erfasst hat, kann offen bleiben. Zwar bieten für eine Erfassung der Vorsteuerkorrektur aus Vereinfachungsgründen in einem nicht einschlägigen Voranmeldungszeitraum weder die AO noch das UStG eine Grundlage (vgl. , Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2009, 935). Allerdings sind Haftungsbescheide sachverhaltsbezogen mit der Folge, dass eine Aufgliederung der Haftungsbeträge im Haftungsbescheid auf die einzelnen Voranmeldungszeiträume nicht zu erfolgen braucht, wenn der Haftungsbescheid —wie hier— erst nach Ablauf des Erhebungsjahres erlassen wurde (zum Lohnsteuerhaftungsbescheid , BFH/NV 1991, 600, und in BFH/NV 2009, 904). Für die inhaltliche Bestimmtheit eines Haftungsbescheides reicht es deshalb aus, wenn sich aus ihm die konkreten Sachverhalte, die zur Haftung geführt haben, ohne weiteres zweifelsfrei erkennen lassen (BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 904).

(1) Im Streitfall ist unklar, wie das FA die Höhe der sich laut Haftungsbescheid „... überwiegend durch die Abwicklung der Forderungsverzichtsverträge vom ...” ergebenden Steuerschulden, auf deren Grundlage der Haftungsschaden berechnet worden ist, ermittelt hat. Laut Haftungsbescheid betragen die Steuerrückstände insgesamt 1.893.219,91 € und verteilen sich wie folgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Steuerart
Zeitraum
Fälligkeit
Fiktive Fälligkeit
Steuerbetrag
Umsatzsteuer
4.Vj.03
1.226.324,96
Umsatzsteuer
4.Vj.03
666.894,95
Rückstände insgesamt
 
 
 
1.893.219,91

(2) Es ist zwar der Betrag erkennbar, für den die Beschwerdeführerin in Haftung genommen werden soll und auch, dass dies für Umsatzsteuer 2003 erfolgen soll. Aber schon der Hinweis im Haftungsbescheid, dass die Haftung „überwiegend durch die Abwicklung der Forderungsverzichtsverträge vom ...” verursacht sei, führt zu inhaltlicher Unbestimmtheit, weil für die Beschwerdeführerin nicht erkennbar ist, in welchem Umfang sich die Haftung auf den Sachverhaltskomplex „Forderungsverzichtsverträge” stützt und in welchem Umfang auf welchen anderen Sachverhaltskomplex. Es ist auch nicht erkennbar, auf welchem Sachverhalt die Steuerschuld in Höhe von 1.226.324,96 € und auf welchem Sachverhalt die Steuerschuld in Höhe von 666.894,95 € beruhen soll und inwiefern es sich bei beiden um Umsatzsteuerschulden für den Zeitraum „4.Vj.03” handeln soll.

(3) Die Steuerschulden, für die die Beschwerdeführerin im Haftungswege in Anspruch genommen werden soll, ergeben sich auch nicht aus dem in Bezug genommenen Betriebsprüfungsbericht. Zwar kann zur Auslegung eines Haftungsbescheides auch der vorangegangene Betriebsprüfungsbericht herangezogen werden (, BFH/NV 1986, 303; , BFHE 209, 473, BStBl II 2006, 530). Das setzt aber voraus, dass sich daraus die konkreten Sachverhalte, die zur Haftung geführt haben, zweifelsfrei ergeben und dem Haftungsschuldner die Prüfung von Grund und Höhe der Haftungsschuld ermöglicht wird.

Der Betriebsprüfungsbericht vom geht von einer Minderung des Vorsteuerabzugs im 3. Kalendervierteljahr 2003 aufgrund der Forderungsverzichte in Höhe von 7.723.083,31 € aus und die Ergänzung des Betriebsprüfungsberichts mit Schreiben vom nimmt eine Vorsteuerkorrektur nach § 17 UStG in Höhe von 2.080.991,83 € an. Diese Beträge sind mit den im Haftungsbescheid ausgewiesenen nicht vereinbar. Selbst wenn —was das FG nicht festgestellt hat— die Beschwerdeführerin dieses Schreiben noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhalten haben sollte, lassen sich auch hieraus nicht zweifelsfrei die Unklarheiten im Haftungsbescheid aufklären.

3. Da ernstliche Zweifel an der inhaltlichen Bestimmtheit des Haftungsbescheides bestehen, brauchte der Senat nicht darüber entscheiden, ob sich diese Zweifel auch auf das vom FA ausgeübte Auswahlermessen (vgl. hierzu , BFH/NV 1996, 3) erstreckt. Insoweit ist nicht erkennbar, ob das FA den Umstand berücksichtigt hat, dass die Beschwerdeführerin zwei Monate nach der Forderungsverzichtsvereinbarung und ein Monat vor Insolvenzeröffnung neben dem bisherigen Geschäftsführer als weitere Geschäftsführerin bestellt worden ist.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 1964 Nr. 12
HAAAD-31276