Leitsatz
[1] a) § 594 c BGB ist auf die isolierte (flächenlose) Pacht einer Milchquote entsprechend anzuwenden.
b) Dem Widerspruch des Verpächters gegen eine Unterverpachtung im Sinne von § 594 c BGB steht es gleich, wenn die Unterverpachtung gesetzlich nicht mehr zulässig ist.
Gesetze: BGB § 594 c
Instanzenzug: LG Itzehoe, 1 S 131/07 vom AG Meldorf, 84 C 1075/06 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über Pachtzins für eine vom Kläger dem Beklagten überlassene Anlieferungs-Referenzmenge für Milch (Milchquote).
Der Kläger war als Landwirt Inhaber einer Anlieferungs-Referenzmenge für Milch. Durch Vereinbarung vom überließ er dem Beklagten eine Referenzmenge von 123.404 kg mit einem Fettgehalt von 4,11 % gegen einen Pachtzins von monatlich - zuletzt - rund 626 EUR zur Nutzung. Die Vereinbarung sollte vom bis zum gelten.
Der Beklagte kündigte die Vereinbarung vorzeitig mit Schreiben vom zum und begründete die Kündigung damit, dass er für die Milcherzeugung krankheitsbedingt berufsunfähig sei. Der Kläger wies die Kündigung zurück und forderte den Beklagten auf, die Anlieferungs-Referenzmenge unterzuverpachten. Nach Verhandlungen der Parteien übertrug der Beklagte die Anlieferungs-Referenzmenge zurück auf den Kläger, der den Anteil der Anlieferungs-Referenzmenge, der nach teilweisem Einzug (in Höhe von 33 %) zur staatlichen Reserve verblieben war, im April 2006 an der Börse veräußerte.
Der Kläger macht mit der Klage den Pachtzins für April 2005 geltend. Das Amtsgericht hat ein Sachverständigen-Gutachten eingeholt, das die Berufsunfähigkeit des Beklagten bestätigt hat, und hat die Klage sodann abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist vom Landgericht zurückgewiesen worden. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Gründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat in seinem in ZMR 2008, 380 veröffentlichten Urteil die Kündigung des Beklagten ungeachtet der vertraglich festgelegten Laufzeit als außerordentliche Kündigung für wirksam gehalten. Ein Kündigungsgrund ergebe sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 594 c Satz 1 BGB. Auch wenn diese Vorschrift unmittelbar nur Landpachtverträge betreffe, sei sie auf Rechtspachtverträge, welche Anlieferungs-Referenzmengen für Milch beträfen, analog anzuwenden.
Die § 594 c Satz 1 BGB zugrunde liegenden gesetzgeberischen Erwägungen träfen auch auf die Pacht von Anlieferungs-Referenzmengen für Milch zu. Liefere der Pächter über einen gewissen Zeitraum keine Milch mehr ab, so werde die Referenzmenge entschädigungslos zur Landesreserve eingezogen und der Pächter könne sich schadensersatzpflichtig machen. Zudem bilde die Anlieferungs-Referenzmenge für den Landwirt ebenso wie die gepachtete landwirtschaftliche Nutzfläche die Lebensgrundlage.
Es sei auch von einer planwidrigen Gesetzeslücke auszugehen. Nach der bis in die frühen 1990er Jahre geltenden Rechtslage habe die Verpachtung von Anlieferungs-Referenzmengen nur zusammen mit landwirtschaftlichen Nutzflächen erfolgen können. Erst seit 1993 hätten sie auch ohne Nutzfläche verpachtet werden können, mittlerweile sei die flächengebundene Pacht wieder als Regelfall vorgesehen. Die bei flächenloser und flächengebundener Pacht vergleichbare Interessenlage lege es nahe, dass der Gesetzgeber im ersten Fall das Bedürfnis des Pächters nach einer vorzeitigen Lösungsmöglichkeit schlechterdings übersehen habe.
Dass der Kläger den Beklagten aufgefordert habe, die Anlieferungs-Referenzmenge unterzuverpachten, schließe die Kündigung nicht aus, weil § 7 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbs. MilchabgV 2004 einer Unterverpachtung entgegengestanden habe. Die zulässige Verpachtung an den Ehegatten habe jedenfalls den Interessen des Beklagten nicht angemessen Rechnung getragen. Weitere Ausnahmetatbestände seien nicht einschlägig.
II.
Das hält rechtlicher Überprüfung stand.
Der geltend gemachte Pachtzinsanspruch steht dem Kläger nicht zu, weil der Pachtvertrag durch die Kündigung des Beklagten beendet worden ist.
1.
Übereinstimmend mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, dass § 594 c BGB auf die flächenlose Pacht einer Anlieferungs-Referenzmenge entsprechend anzuwenden ist.
a)
Die Kündigung der flächenlosen Pacht einer Anlieferungs-Referenzmenge wegen Berufsunfähigkeit des Pächters ist gesetzlich nicht geregelt.
Bei der Milchquotenpacht handelt es sich um eine Rechtspacht, auf die nach § 581 Abs. 2 BGB die Vorschriften über den Mietvertrag entsprechend anzuwenden sind. Eine Kündigung nach §§ 581 Abs. 2, 543 BGB war im vorliegenden Fall allein aufgrund der Berufsunfähigkeit des Beklagten nicht möglich. Umstände aus dem alleinigen Risikobereich des Mieters können eine außerordentliche Kündigung nicht begründen (vgl. § 537 Abs. 1 BGB). So eröffnet nach allgemeinen Regeln etwa die Erkrankung des Mieters kein Kündigungsrecht (OLG Düsseldorf NZM 2008, 807; NZM 2001, 669; vgl. auch AG Wittlich AUR 2007, 91 für die Milchquotenpacht - ohne Erörterung von § 594 c BGB). Vergleichbar damit folgt auch aus einer enttäuschten Gewinnerzielungserwartung des Mieters für sich genommen noch kein Kündigungsrecht des Mieters aus § 543 BGB oder wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB (vgl. - NJW 2006, 899, 901 und vom - XII ZR 279/97 - NJW 2000, 1714; - NJW 1981, 2405, 2406). Der Pächter ist dem entsprechend im Falle seiner persönlichen Verhinderung an der Nutzung - ebenso wie der Mieter - nach §§ 581 Abs. 2, 537 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht von der Pachtzinspflicht befreit. Ihm verbleibt in diesem Fall allein die Möglichkeit, den Pachtgegenstand unterzuverpachten, was allerdings von der Zustimmung des Verpächters abhängig ist (§§ 581 Abs. 2, 540 Abs. 1 Satz 1 BGB). Verweigert der Verpächter die Zustimmung zur Unterverpachtung, steht dem Pächter - anders als dem Mieter - kein außerordentliches Kündigungsrecht zur Seite, weil die Kündigung wegen verweigerter Untervermieterlaubnis gemäß § 540 Abs. 1 BGB von der gesetzlichen Verweisung auf das Mietrecht nach § 584 a Abs. 1 BGB ausdrücklich ausgenommen worden ist (zu den Hintergründen Staudinger/Sonnenschein/Veit BGB [2004] § 584 a Rdn. 13).
b)
Die genannten Gesetzesvorschriften enthalten allerdings keine den Fall der Berufsunfähigkeit des Milchquotenpächters abschließende Regelung, die einer entsprechenden Anwendung des § 594 c BGB entgegensteht. Vielmehr erfasste § 594 c BGB zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens am der Sache nach auch die Milchquotenpacht. Nach der seinerzeitigen Rechtslage (§ 7 Abs. 2, 3 Milch-Garantiemengen-Verordnung - MGV) konnten Milchquoten nicht selbständiger Gegenstand eines Pachtvertrages sein, sondern konnten nur akzessorisch zur Landpacht im Sinne von § 585 Abs. 1 Satz 1 BGB (Betriebs- oder Grundstückspacht) vom Verpächter auf den Pächter übergehen. Bei der Verpachtung eines Milcherzeuger-Betriebes oder zur Milcherzeugung dienender Flächen erfasste die ursprüngliche Regelung demzufolge ohne weiteres auch die Berufsunfähigkeit des Pächters in Bezug auf die Milchproduktion.
Mit der gesetzlichen Zulassung der flächenlosen Übertragung oder Überlassung durch die MGV seit 1993 (zur Rechtsentwicklung vgl. - AUR 2008, 118 [...] Tz. 2 ff. m. Anmerkung Busse AUR 2008, 88) fiel die Verpachtung einer Milchquote vom Wortlaut her aus der besonderen Schutzvorschrift des § 594 c BGB heraus. Daraus folgt indessen nicht die Absicht des Verordnungsgebers, dass die - außerhalb seines Blickfelds liegende - Regelung des § 594 c BGB und der ihr zugrunde liegende Schutzgedanke für die Milchquotenpacht nicht mehr anwendbar seien. Vielmehr beruhte die Änderung der Regelung vorwiegend auf volkswirtschaftlichen Erwägungen im Rahmen der EWG. Die Erweiterung der Ausnahmeregelungen in Bezug auf die grundsätzliche Bindung der Referenzmenge an einen Betrieb verfolgte nach den Erwägungsgründen (Erwägungsgrund 16) der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor vielmehr das Ziel, die Umstrukturierung der Milcherzeugung fortzuführen und einen Beitrag zur Verbesserung der Umwelt zu leisten.
Da eine gegenüber dem bisherigen Rechtszustand geänderte pachtvertragliche Behandlung der Milchquotenpacht auch ansonsten nicht in der Konsequenz der öffentlichrechtlich zugelassenen flächenlosen Verpachtung liegt, ist mit dem Berufungsgericht davon auszugehen, dass durch das Herausfallen der Milchquotenpacht aus der Schutzvorschrift des § 594 c BGB infolge des geänderten Übertragungssystems eine unbeabsichtigte Gesetzeslücke entstanden ist. Da die Milchquote unverändert ein elementarer Bestandteil des vom Pächter unterhaltenen Milcherzeugungsbetriebes ist, ist die flächenlose Pacht der flächen- oder betriebsgebundenen Pacht vergleichbar und folglich die Gesetzeslücke durch entsprechende Anwendung des § 594 c BGB auf die flächenlose Milchquotenpacht zu schließen.
2.
Gegen die vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellte Berufsunfähigkeit des Beklagten erhebt die Revision keine Einwände. Des weiteren ist aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts davon auszugehen, dass die auch nach Abschaffung der flächenlosen Verpachtung nach § 7 Abs. 2 a MilchAbgV zur Verfügung stehende Möglichkeit der Übertragung auf den Ehegatten ohne Rücksicht darauf, ob sie überhaupt die Unterverpachtung erfassen soll, jedenfalls nicht zumutbar ist (zur rechtlichen Konstruktion der Übertragung Busse AUR 2006, 153, 156).
3.
Allerdings setzt die Kündigung nach § 594 c Satz 1 BGB voraus, dass der Verpächter der Unterverpachtung widerspricht, was hier nicht geschehen ist. Einem Widerspruch des Verpächters steht es - im Ergebnis übereinstimmend mit dem Berufungsgericht - indessen gleich, wenn die Unterverpachtung dem Pächter aus gesetzlichen Gründen verwehrt ist und die nach einer Interessenabwägung dem Risikobereich des Verpächters zuzuordnen ist.
Zur Lösung des Problems der Berufsunfähigkeit bei einem langfristigen Pachtverhältnis kommt die allgemeine Zuweisung des Verwendungsrisikos an den Pächter oder aber die entsprechende Heranziehung des § 594 c BGB auch im Fall der gesetzlich unmöglichen Unterverpachtung in Betracht.
Grundsätzlich ist allerdings die persönliche Verwendbarkeit des Pachtgegenstands das Risiko des Pächters. Auch § 594 c BGB befreit den Pächter im Fall seiner Berufsunfähigkeit zunächst nur von der Notwendigkeit der persönlichen Nutzung, nicht aber von dem gesamten Verwendungsrisiko. Dem entsprechend trägt auch der berufsunfähige Pächter etwa das Risiko, dass es keinen adäquaten Unterpächter gibt (MünchKomm/Harke BGB 5. Aufl. § 594 c Rdn. 2).
Aufgrund der zum Zeitpunkt der Kündigung gültigen Neuregelung in § 7 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. MilchAbgV 2004 konnten allerdings Anlieferungs-Referenzmengen flächenungebunden nicht mehr verpachtet werden. Aufgrund dieser Rechtsänderung würde demnach der Pächter ungeachtet seiner Berufsunfähigkeit wiederum das gesamte Verwendungsrisiko tragen, denn er kann von vornherein den Pachtgegenstand weder persönlich noch anderweitig durch Unterverpachtung nutzen. Die Konsequenz einer Zuweisung des Risikos an den Pächter wäre dann, dass die Regelung in § 594 c BGB letztlich ohne Wirkung bliebe und der mit ihr verfolgte Zweck nicht erreichbar wäre. Denn mit der Ausnahme vom regelmäßigen Kündigungsausschluss im Falle persönlicher Verhinderung verfolgt der Gesetzgeber das Anliegen, dass der Pächter im Fall der Berufsunfähigkeit aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit nicht an seinen vertraglichen Verpflichtungen festgehalten werden solle (Entwurfsbegründung zum Gesetz zur Neuordnung des landwirtschaftlichen Pachtrechts; BT-Drucks. 10/509 S. 24). Wenn das Gesetz dies nur für den Fall des Widerspruchs des Verpächters gegen eine Unterverpachtung bestimmt, geht es ersichtlich vom Normalfall aus, dass eine Unterverpachtung rechtlich zulässig ist.
Zwar ist § 594 c BGB eine Zuweisung des Risikos einer nach Abschluss des Pachtvertrages geänderten Rechtslage an den Verpächter ebenfalls nicht zu entnehmen. Für eine Risikozuweisung an den Verpächter spricht indessen der mit § 594 c BGB verfolgte Zweck. Denn den Pächter würde die gesetzliche Unmöglichkeit der Unterverpachtung deutlich härter treffen als den Verpächter. Während der Pächter ohne jede Möglichkeit bliebe, aus dem Pachtgegenstand Nutzen zu ziehen, steht dem Verpächter jedenfalls der Verkauf der nach teilweiser Einziehung verbliebenen Milchquote an der Börse offen. Ihm entgeht somit lediglich der Gewinn aus einer laufenden isolierten Verpachtung der Milchquote. Hinzu kommt, dass ein alsbaldiger Verkauf an der Milchbörse auch im Interesse des Verpächters liegt, weil er anderenfalls Gefahr liefe, dass die infolge der Berufsunfähigkeit des Pächters nicht mehr genutzte Milchquote zur staatlichen Reserve eingezogen würde (§ 13 MilchAbgV 2004). Dem haben die Parteien im vorliegenden Fall auch Rechnung getragen, indem sie sich noch rechtzeitig über eine Rückübertragung einigten.
Dass die Milchquote alsbald dauerhaft an aktive Milcherzeuger gelangen sollte, entsprach schließlich auch der Absicht des Verordnungsgebers der Zusatzabgabenverordnung (ZAV = MilchAbgV) vom (BGBl. I S. 27), durch die die Übertragung von Milchquoten im Wege der flächenlosen Verpachtung verboten wurde (§ 7 Abs. 1 ZAV). Nach der amtlichen Begründung der Verordnung sollte der immer größeren Zahl der Inhaber von Milchquoten, die nicht mehr selbst Milch produzierten, sondern ihre Milchquoten verpachtet hatten, und der damit verbundenen Kostenmehrbelastung der aktiven Milcherzeuger Rechnung getragen werden (BR-Drucks. 577/99 S. 24). Wegen ihres kostenerhöhenden Einflusses sollten die flächenlose Verpachtung von Milchquoten sowie das Leasing künftig nicht mehr möglich sein (BR-Drucks. 577/99 S. 25).
Die Heranziehung sozialer Aspekte ist im vorliegenden Zusammenhang zulässig und auch geboten, weil die Vorschrift des § 594 c BGB ausdrücklich der sozialen Gerechtigkeit dienen soll und entsprechend dieser Zielsetzung im Zweifel so auszulegen ist, dass der Schutz des Pächters vor langfristigen Verbindlichkeiten im Fall seiner Berufsunfähigkeit wirksam bleibt. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn schutzwürdige Interessen des Verpächters überwiegen würden, was hier aber - wie ausgeführt - nicht der Fall ist. Im Ergebnis ist die gesetzliche Unmöglichkeit der Unterverpachtung dem Widerspruch des Verpächters im Sinne von § 594 c BGB somit gleichzustellen.
Fundstelle(n):
NJW-RR 2010 S. 198 Nr. 3
MAAAD-31244
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