BGH Beschluss v. - VIII ZB 16/08

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: GG Art. 2 Abs. 1; ZPO § 234 Abs. 1

Instanzenzug: LG Hagen, 10 S 177/07 vom AG Iserlohn, 43 C 510/03 vom

Gründe

I.

Die Beklagte hat gegen das Urteil des Amtsgerichts Iserlohn vom , ihr zugestellt am , am Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum mit Schriftsatz vom , eingegangen beim Landgericht am selben Tag, begründet. Nachdem das Landgericht mit Schreiben vom auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hingewiesen hatte, beantragte die Beklagte am Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben dazu unter Vorlage von eidesstattlichen Versicherungen des Rechtsanwalts S. sowie der Mitarbeiterin W. im Wesentlichen ausgeführt:

Die Berufungsbegründung sei am der Kanzleimitarbeiterin W. mit dem Auftrag übergeben worden, Korrekturen vorzunehmen und den korrigierten Schriftsatz sodann nach Unterschrift durch einen der in der Rechtsanwaltspraxis tätigen Rechtsanwälte noch am dem Landgericht Hagen zuzuleiten. Aus Gründen, die die Beklagte und auch die von dieser eingeschalteten Rechtsanwälte nicht zu vertreten hätten, habe die seit zwölf Jahren in der Kanzlei als Sekretärin tätige und in der Vergangenheit absolut zuverlässige Kanzleimitarbeiterin W. den ihr erteilten Auftrag erst am und damit nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erledigt.

Das Landgericht hat die Berufung und den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass zwar nachträglich Tatsachen glaubhaft gemacht worden seien, aus denen sich das fehlende Verschulden der Beklagten an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ergebe. Der Antrag auf Wiedereinsetzung sei jedoch nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist gemäß § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO gestellt worden. Bei Eingang des Wiedereinsetzungsgesuchs am sei die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist bereits abgelaufen gewesen, da das die Wiedereinsetzungsfrist auslösende Hindernis bereits am weggefallen sei. An diesem Tag hätte Rechtsanwalt L. bei Unterschrift der ihm vorgelegten Berufungsbegründung feststellen müssen, dass die Berufungsbegründungsfrist versäumt gewesen sei. Er hätte anlässlich der Unterschrift die Rechtsmittelfrist überprüfen müssen.

II.

1.

Die gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde der Beklagten ist zulässig, da zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlich ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Indem das Berufungsgericht der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist verweigert hat, hat es das Verfahrensgrundrecht der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt. Die Verfahrensgarantien des Grundgesetzes verbieten es, den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingerichteten Instanzen in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. BVerfGE 74, 228, 234 ; BVerfG, NJW 2005, 814, 815 ; BGHZ 151, 221, 227) . Da das Berufungsgericht zu Unrecht (dazu unten unter 2) davon ausgegangen ist, das Wiedereinsetzungsgesuch der Beklagten sei nicht fristgerecht gestellt und die Berufungsbegründung nicht fristgerecht nachgereicht worden, hat es der Beklagten den Zugang zur Berufungsinstanz ungerechtfertigt versagt.

2.

Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

a)

Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die bis zum verlängerte Frist zur Begründung der Berufung gegen das am zugestellte Urteil des Amtsgerichts bei Eingang der Berufungsbegründung am abgelaufen war.

b)

Das Berufungsgericht hat aber den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu Unrecht zurückgewiesen. Die Beklagte hat ihren Wiedereinsetzungsantrag innerhalb der Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO gestellt. Das Berufungsgericht hat verkannt, dass die Frist für ein Wiedereinsetzungsgesuch bei Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht zwei Wochen, sondern gemäß § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO einen Monat nach Behebung des Hindernisses beträgt. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, die nicht nur auf Fälle der nachträglichen Bewilligung von Prozesskostenhilfe anzuwenden ist (, NJW 2008, 1164, Tz. 8). Diese Frist, die frühestens am begonnen hat, war bei Eingang des Wiedereinsetzungsgesuchs noch nicht abgelaufen.

c)

Das Wiedereinsetzungsgesuch der Beklagten ist auch begründet. Die Beklagte hat durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherungen glaubhaft gemacht, dass sie ohne ihr Verschulden gehindert war, die bis zum verlängerte Berufungsbegründungsfrist einzuhalten (§ 233 ZPO). Ein Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten war ihr nicht zuzurechnen, da diesen kein Verschulden an der Versäumung der Frist zur Last fällt. Rechtsanwalt S. hat die stets zuverlässige Mitarbeiterin W. am konkret angewiesen, den von ihm korrigierten Berufungsbegründungsschriftsatz nach Durchführung der Korrekturen durch einen der in der Kanzlei anwesenden Rechtsanwälte unterzeichnen zu lassen und noch am selben Tag dem Landgericht Hagen zuzuleiten. Auf die ordnungsgemäße Ausführung dieser Weisung durfte er vertrauen.

3.

Der Beklagten ist daher Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung zu gewähren mit der Folge, dass die Zurückweisung (richtig: Verwerfung) der Berufung durch das Landgericht gegenstandslos ist.

Fundstelle(n):
IAAAD-31228

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein