BGH Urteil v. - RiZ(R) 5/08

Leitsatz

[1] Wird in einer dienstlichen Beurteilung die Form der Verhandlungsführung des Richters verallgemeinernd negativ bewertet, ohne konkrete Beobachtungen des Beurteilers in bestimmten Verhandlungen in Bezug zu nehmen, kann dies als eine allgemeine Kritik an der Verhandlungsführung des Richters verstanden werden und auf die Weisung hinauslaufen, zukünftig anders oder im Sinne des Beurteilers zu verfahren, die die richterliche Unabhängigkeit des Beurteilten beeinträchtigt.

Gesetze: DRiG § 26 Abs. 2; DRiG § 26 Abs. 3; SächsRiG § 50 Abs. 2

Instanzenzug: LG Leipzig, 66 DG 6/07 vom

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsteller durch Formulierungen in der dienstlichen Beurteilung vom in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt wird.

Der Antragsteller steht seit dem Jahr 1991 im richterlichen Dienst des Antragsgegners. Er ist seit März 2000 Richter am Arbeitsgericht L. und Vorsitzender einer Kammer. Am beurteilte der Präsident des Arbeitsgerichts L. den Antragsteller. Die dienstliche Regelbeurteilung umfasst den Zeitraum bis und schließt mit dem Gesamturteil "Er entspricht nicht den Anforderungen". Im Übrigen hat sie u.a. folgenden Wortlaut:

"Von den insgesamt 217 streitigen Urteilen, den vier Teilurteilen sowie den elf Entscheidungen in BV-, GaBV- bzw. Ga-Verfahren hat Herr T. 185 Entscheidungen (!) nicht innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 60 Abs. 4 bzw. Abs. 1 ArbGG in vollständig abgesetzter Form der Geschäftsstelle übergeben. 78 Entscheidungen legte Herr T. erst vier bis fünf Monate - die allermeisten davon genau fünf Monate - nach ihrer Verkündung in vollständig abgesetzter Form der Geschäftsstelle vor. Vier Entscheidungen wurden erst nach Ablauf von fünf Monaten nach ihrer Verkündung in vollständig abgesetzter Form der Geschäftsstelle vorgelegt. Dieses Verhalten ist vor dem Hintergrund, dass Herr T. jedenfalls in den Jahren 2004 und 2005 nicht überbelastet war, nicht zu rechtfertigen. Für andere Entscheidungen (zum Beispiel im Prozesskostenhilferecht) brauchte Herr T. zum Teil Jahre. Vor allem vor dem Hintergrund der dienstlichen Beurteilung vom zeigt dies, dass Herr T. nicht gewillt ist, sich insoweit gesetz- und verfassungskonform zu verhalten. Am hatte Herr T. zwei Urteile aus dem Jahre 2000 und zwei Urteile aus dem Jahre 2001 noch nicht abgesetzt. Die beiden Urteile vom und vom lagen auch am noch nicht in vollständig abgesetzter Form der Geschäftsstelle vor.

Herr T. bereitet seine mündlichen Verhandlungen auch mit entsprechenden Hinweis- und Auflagenbeschlüssen so vor, dass sie regelmäßig im ersten Kammertermin entscheidungsreif sind. Es ist allerdings nicht erkennbar, dass Herr T. die mündlichen Verhandlungen leitet. Er lässt nach der Antragstellung die Parteien reden, ohne auf die entscheidungserheblichen Fragen hinzuwirken. Diese werden auch nicht deutlich herausgearbeitet. Trotz vielfältiger Bitten der Prozessbevollmächtigten äußert sich Herr T. zu den Prozesschancen und -risiken nicht. Es entstehen in der mündlichen Verhandlung Leerläufe. Die Parteien und Prozessvertreter wissen nicht, ob und was sie sagen sollen. Herr T. sitzt da und wartet, was denn wohl passieren werde. Vergleichsvorschläge unter Berücksichtigung der Prozesschancen und -risiken unterbreitet Herr T. nicht. Er schließt die Verhandlung, ohne dass die Parteien eine Ahnung davon haben, worauf es dem Gericht ankommt und was das Gericht für entscheidungserheblich hält.

Herr T.s Urteile sind sprachlich gut nachvollziehbar und in der Regel übersichtlich aufgebaut. Sie sind auch gut verständlich. Herr T. blendet allerdings die höchstrichterliche Rechtsprechung oft selbst dann aus, wenn er von ihr abweicht.

Für die Parteien wäre es jedenfalls hilfreich zu erfahren, ob die Rechtsprechung der Kammer des Richters T. sich an der höchstrichterlichen Rechtsprechung orientiert oder nicht."

Die dienstliche Beurteilung wurde dem Antragsteller am eröffnet. Mit Prüfungsvermerk vom wurde sie vom Präsidenten des Sächsischen Landesarbeitsgerichts bestätigt und am dem Antragsteller nochmals eröffnet.

Mit einem an den Präsidenten des Sächsischen Landesarbeitsgerichts gerichteten Schreiben vom erhob der Antragsteller Widerspruch gegen die dienstliche Beurteilung. Mit Widerspruchsbescheid vom , der dem Antragsteller am zuging, wurde dieser zurückgewiesen. Mit der am beim Landgericht Leipzig eingereichten Antragsschrift hat der Antragsteller eine gerichtliche Entscheidung des Dienstgerichts für Richter beantragt. Daneben hat er die Beurteilung mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Leipzig (- 3 K 559/07 -) angefochten.

Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, dass die dienstliche Beurteilung als Maßnahme der Dienstaufsicht ihn - soweit angefochten - in seiner richterlichen Unabhängigkeit verletze. Dies folge schon daraus, dass die beanstandeten Passagen keine zulässigen Maßnahmen der Dienstaufsicht darstellten. Es handle sich um offenkundige Rügen seines Verhaltens im Kernbereich der richterlichen Tätigkeit, der der Dienstaufsicht grundsätzlich entzogen sei.

Der Antragsteller hat beantragt

festzustellen, dass die dienstliche Beurteilung vom / eine unzulässige Maßnahme der Dienstaufsicht insoweit darstellt, als dort ausgeführt wird:

1. "Vor allem vor dem Hintergrund der dienstlichen Beurteilung vom zeigt dies, dass Herr T. nicht gewillt ist, sich insoweit gesetz- und verfassungskonform zu verhalten."

2. "Er lässt nach der Antragstellung die Parteien reden, ohne auf die entscheidungserheblichen Fragen hinzuwirken. Diese werden auch nicht deutlich herausgearbeitet. Trotz vielfältiger Bitten der Prozessbevollmächtigten äußert sich Herr T. zu den Prozesschancen und -risiken nicht. Es entstehen in der mündlichen Verhandlung Leerläufe. Die Parteien und Prozessvertreter wissen nicht, ob und was sie sagen sollen. Herr T. sitzt da und wartet, was denn wohl passieren werde. Vergleichsvorschläge unter Berücksichtigung der Prozesschancen und -risiken unterbreitet Herr T. nicht. Er schließt die Verhandlung, ohne dass die Parteien eine Ahnung davon haben, worauf es dem Gericht ankommt und was das Gericht für entscheidungserheblich hält."

3. "Herr T. blendet allerdings die höchstrichterliche Rechtsprechung oft selbst dann aus, wenn er von ihr abweicht. Für die Parteien wäre es jedenfalls hilfreich zu erfahren, ob die Rechtsprechung der Kammer des Richters T. sich an der höchstrichterlichen Rechtsprechung orientiert oder nicht."

Der die Zurückweisung des Antrags begehrende Antragsgegner ist der Auffassung, die dienstliche Beurteilung wahre die Grenzen der richterlichen Unabhängigkeit. Sie sei eine notwendige und zulässige Bewertung der Eignung, Leistung und Befähigung des Antragstellers.

Das Landgericht Leipzig - Dienstgericht für Richter - hat den Antrag für zulässig und teilweise auch für begründet gehalten. Unbegründet sei er hinsichtlich der in Ziff. 1 des Antrags genannten Formulierung. Diese sei nicht geeignet, die richterliche Unabhängigkeit zu beeinträchtigen. Sie stehe im Zusammenhang mit der Feststellung der vielfachen Nichteinhaltung der Urteilsabsetzungsfristen. Begründet sei der Antrag hingegen hinsichtlich der in Ziff. 2 des Antrags genannten Formulierungen "Er lässt nach der Antragstellung die Parteien reden, ohne auf die entscheidungserheblichen Fragen hinzuwirken. Diese werden auch nicht deutlich herausgearbeitet.", "Es entstehen in der mündlichen Verhandlung Leerläufe." und "Er schließt die Verhandlung, ohne dass die Parteien eine Ahnung davon haben, worauf es dem Gericht ankommt und was das Gericht für entscheidungserheblich hält". Diese Aussagen seien geeignet, die richterliche Unabhängigkeit zu beeinträchtigen. Sie beträfen die Verhandlungsführung und damit den Kernbereich der richterlichen Tätigkeit. Hingegen gehe es in der weiteren unter Ziff. 2 des Antrags beanstandeten Formulierung im Wesentlichen um eine zulässige Beschreibung der Verhandlungsführung. Begründet wiederum sei der Antrag hinsichtlich der unter Ziff. 3 bezeichneten Wendungen. Welchen Weg der Rechtsfindung der Richter wähle, sei dem Kernbereich der Rechtsprechung zuzuordnen.

Der Antragsteller verfolgt mit seiner Revision seinen Antrag, soweit er ohne Erfolg blieb, mit Ausnahme der Formulierung "Es ist allerdings nicht erkennbar, dass Herr T. die mündlichen Verhandlungen leitet.", weiter.

Der Antragsgegner erstrebt mit seiner Revision die vollständige Zurückweisung des Antrags.

Die Beteiligten rügen insoweit jeweils die Verletzung materiellen Rechts. Wechselseitig beantragen die Beteiligten jeweils die Revision der Gegenseite zurückzuweisen und verteidigen insoweit das dienstgerichtliche Urteil.

Gründe

I.

Die Revision des Antragstellers hat Erfolg, die des Antragsgegners nicht. Der Antrag ist in den mit der Revision weiter verfolgten Punkten begründet. Die beanstandeten Formulierungen sind geeignet, den Antragsteller in seiner richterlichen Unabhängigkeit zu beeinträchtigen, so dass unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts in diesem Umfang antragsgemäß deren Unzulässigkeit festzustellen war (§ 26 Abs. 3 DRiG i.V.m. § 50 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 SächsRiG).

1.

Zutreffend hat das Dienstgericht für Richter die angefochtene dienstliche Beurteilung ausschließlich daraufhin überprüft, ob sie den Antragsteller in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt. Ob die Beurteilung im Übrigen rechtmäßig ist, hat es nicht zu entscheiden.

a)

Nach § 26 Abs. 1 DRiG untersteht der Richter einer Dienstaufsicht nur, soweit nicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt wird. Nach § 26 Abs. 2 DRiG umfasst die Dienstaufsicht vorbehaltlich des Absatzes 1 auch die Befugnis, die ordnungswidrige Art der Ausführung eines Amtsgeschäftes vorzuhalten und zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen. Demgemäß sieht § 6 Abs. 1 und 2 SächsRiG die periodische Beurteilung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung von Richtern auf Lebenszeit vor, mit dem Hinweis, dass bei der Beurteilung richterlicher Amtsgeschäfte die sich aus § 26 Abs. 1 und 2 DRiG ergebenden Beschränkungen zu beachten sind und dass eine Stellungnahme zum Inhalt richterlicher Entscheidungen unzulässig ist.

b)

Soweit die richterliche Unabhängigkeit durch den Inhalt einer dienstlichen Beurteilung beeinträchtigt wird, ist diese unzulässig. Das ist allerdings nicht schon dann der Fall, wenn darin die richterliche Amtsführung und spezifisch richterliche Fähigkeiten bewertet werden. Das entspricht vielmehr ihrem Zweck. Eine dienstliche Beurteilung verletzt die richterliche Unabhängigkeit nur dann, wenn sie auf eine direkte oder indirekte Weisung hinausläuft, wie der Richter künftig verfahren oder entscheiden soll. In dieser Richtung muss die dienstliche Beurteilung eines Richters sich auch jeder psychologischen Einflussnahme enthalten. Sie ist unzulässig, wenn die in ihr enthaltene Kritik den Richter veranlassen könnte, in Zukunft eine andere Verfahrens- oder Sachentscheidung als ohne diese Kritik zu treffen (st. Rspr.; vgl. etwa RiZ(R) 4/01 = NJW-RR 2003, 492; vom - RiZ(R) 5/00 = NJW 2002, 359 ; vom - RiZ(R) 3/96 = DRiZ 1998, 20 ).

c)

Zum Schutzbereich der sachlichen richterlichen Unabhängigkeit gehören in erster Linie die eigentliche Rechtsfindung und die ihr mittelbar dienenden Sach- und Verfahrensentscheidungen, einschließlich nicht ausdrücklich vorgeschriebener, dem Interesse der Rechtssuchenden dienender richterlicher Handlungen, die in einem konkreten Verfahren mit der Aufgabe des Richters, Recht zu finden und den Rechtsfrieden zu sichern, in Zusammenhang stehen (sog. Kernbereich; st. Rspr.; vgl. etwa RiZ(R) 3/05 = NJW 2006, 1674; vom - RiZ(R) 1/96 = DRiZ 1997, 467 ). Sie sind dienstaufsichtlichen Maßnahmen grundsätzlich entzogen, es sei denn, es liegt ein offensichtlicher, jedem Zweifel entrückter Fehlgriff vor ( RiZ(R) 1/96 = DRiZ 1997, 467 ). Dementsprechend ist auch die Verhandlungsführung einer Dienstaufsicht nicht zugänglich ( RiZ(R) 3/05 = NJW 2006, 1674).

d)

Hingegen unterliegt die richterliche Amtsführung insoweit der Dienstaufsicht, als es um die Sicherung eines ordnungsgemäßen Geschäftsablaufs, die äußere Form der Erledigung eines Dienstgeschäftes oder um solche Fragen geht, die dem Kernbereich der Rechtsprechungstätigkeit so weit entrückt sind, dass sie nur noch als zur äußeren Ordnung gehörig angesehen werden können (st. Rspr.; vgl. etwa RiZ(R) 3/05 = NJW 2006, 1674; vom - RiZ(R) 1/96 = DRiZ 1997, 467 ). So kann etwa der Vorhalt unangemessen langer Urteilsabsetzungsfristen eine zulässige Ausübung von Dienstaufsicht sein ( RiZ(R) 3/94 = DRiZ 1995, 352; vom - RiZ(R) 12/84 = DRiZ 1985, 394; vom - RiZ(R) 3/83 = BGHZ 90, 41, 44) .

e)

Ein in einer dienstlichen Beurteilung enthaltener Vorhalt hat sich in der Anführung von Tatsachen und in deren sachbezogener Wertung zu erschöpfen. Dazu gehört zwar auch die objektive Feststellung eines Verschuldens des Richters, ohne die ein Vorhalt nicht erteilt werden darf. Das objektiv festgestellte Verschulden darf jedoch nicht zu einer persönlichen Herabsetzung gegenüber dem Richter führen. Geschieht das, liegt der - unzulässige - Ausspruch einer Missbilligung vor ( RiZ(R) 1/96 = DRiZ 1997, 467 ; vom - RiZ(R) 12/84 = DRiZ 1985, 394; vom - RiZ(R) 2/66 = BGHZ 47, 275, 285 ; Schmidt-Räntsch, DRiG 6. Aufl. § 26 Rdn. 38; Fürst/Mühl/Arndt Richtergesetz 1. Aufl. § 26 Rdn. 32 f.).

2.

Gemessen daran sind die vom Antragsteller bemängelten Formulierungen in der dienstlichen Beurteilung geeignet, den Antragsteller in seiner richterlichen Unabhängigkeit zu beeinträchtigen.

a)

Die mit dem Antrag zu 1. angegriffene Formulierung bezieht sich auf die ihr vorangestellten Feststellungen. Die dort beschriebenen Verletzungen der gesetzlichen Vorschriften über die Fristen zur Absetzung von Urteilen (§ 60 Abs. 4 Satz 2 und 3 ArbGG) sprechen für sich und mussten von dem Antragsgegner nicht hingenommen werden. Indes begnügt sich die angegriffene Formulierung nicht mit der Feststellung der Tatsachen und - was zulässig gewesen wäre - der Bewertung, dass es sich um Rechtsverstöße handelt. Stattdessen greift sie zu der persönlich herabwürdigenden und den Vorwurf der jederzeitigen Bereitschaft zum vorsätzlichen Rechts- und Verfassungsbruch beinhaltenden Aussage, der Antragsteller sei "nicht gewillt", sich gesetzes- und verfassungskonform zu verhalten. Eine derart unsachliche und über das Gebotene hinausschießende Abwertung der gesamten Richterpersönlichkeit beeinträchtigt die richterliche Unabhängigkeit.

b)

Auch die mit dem Antrag zu 2. beanstandeten Formulierungen sind geeignet, den Antragsteller in seiner richterlichen Unabhängigkeit zu beeinträchtigen. Die dienstliche Beurteilung greift insoweit in die dem Kernbereich richterlicher Tätigkeit zugehörige Verhandlungsführung ein, ohne dass dies ausnahmsweise gerechtfertigt wäre.

aa)

Die hier in Rede stehenden Formulierungen können in ihrem Aussagegehalt nur im Zusammenhang erfasst werden. Dieser Zusammenhang ist einerseits gekennzeichnet durch die vorausgegangenen herabsetzenden Wendungen, die auf die nachfolgende Passage ausstrahlen. Zum andern sind in der dienstlichen Beurteilung die vom Antragsteller geleiteten Sitzungen, die der Beurteilende besucht haben mag, nicht bezeichnet; auf diese Weise entsteht für den Leser der Beurteilung der Eindruck, die - als reine Beschreibung einer einzelnen Sitzung wohl zulässigen - Aussagen gäben eine Art der Verhandlungsführung wieder, die sich der Antragsteller zur Regel gemacht habe. Indem die dienstliche Beurteilung diese Form der Verhandlungsführung verallgemeinert und negativ bewertet, entsteht der Eindruck, der Beurteilende wolle dem Beurteilten eine gerade gegenteilige Verhandlungsführung vorschreiben. Die gesamte Passage erhält so den Charakter einer Anweisung zur Gestaltung von mündlichen Verhandlungen.

bb)

Mit diesem Inhalt verletzen die betreffenden Wendungen den Antragsteller in seiner richterlichen Unabhängigkeit. Die Verhandlungsführung gehört zum Kernbereich der richterlichen Tätigkeit. Es ist Sache des Prozessgerichts und nicht der Dienstaufsicht, darüber zu befinden, wie es die mündliche Verhandlung gestaltet. Nur das Prozessgericht kann entscheiden, welche Fragen es für entscheidungserheblich hält und wie und wann es sie anspricht. Das muss nicht in der mündlichen Verhandlung, es kann auch durch vorbereitende Auflagen geschehen. Verfassungsrechtlich ist das Gericht nicht gezwungen, vor der Entscheidung seine Rechtsauffassung mitzuteilen ( = BVerfGE 86, 133 ; = EzA ArbGG 1979 § 72 Nr. 38). Dasselbe gilt für die Frage, ob gelegentliche "Leerläufe" hingenommen werden. Der Senat hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass eine Aufforderung an den Richter zur strafferen Verhandlungsführung diesen in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt (vgl. RiZ(R) 3/94 = DRiZ 1995, 352; vom - RiZ(R) 3/83 = BGHZ 90, 41, 44) . Ob der Vorsitzende die Parteien zunächst einmal reden lässt, ohne in deren Vortrag einzugreifen oder ob er von Beginn an, wenn die Parteien von den maßgeblichen Fragen "abschweifen", strukturierend eingreift, um den Vortrag auf die entscheidungserheblichen Punkte zu lenken, hat er unbeeinflusst von der Dienstaufsicht zu entscheiden. Die Frage, ob und wann das Gericht einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, ist ebenfalls Teil der richterlichen Unabhängigkeit (Müller-Piepenkötter DRiZ 2005, 101). Zwar schreibt das Gesetz dem Richter vor, in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinzuwirken. Das muss aber nicht durch Vergleichsvorschläge in der mündlichen Verhandlung geschehen. Feststellungen, wie ein Richter die Norm des § 57 Abs. 2 ArbGG in der mündlichen Verhandlung ausfüllt, betreffen auch - entgegen der Auffassung des Landgerichts - nicht die äußere Ordnung der Erledigung richterlicher Amtsgeschäfte, sondern den Kernbereich der richterlichen Unabhängigkeit (vgl. RiZ(R) 4/71 = BGHZ 57, 344, 350 ; Stephan DRiZ 2002, 301, 305; Müller-Piepenkötter DRiZ 2005, 101, 103; Schaffer DRiZ 1992, 292, 295). All dies gilt insbesondere angesichts des Umstandes, dass der Arbeitsrichter im Kammertermin nicht Einzelrichter, sondern Vorsitzender eines Spruchkörpers ist.

c)

Schließlich ist auch der Antrag zu 3. begründet. Die beanstandete Formulierung ist unzulässig, weil sie den Antragsteller in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt.

aa)

Der Richter ist grundsätzlich nicht verpflichtet, einer höchstrichterlichen Rechtsprechung Folge zu leisten (vgl. Schmidt-Räntsch, DRiG 6. Aufl. § 25 Rdn. 16; Fürst/Mühl/Arndt Richtergesetz 1. Aufl. § 25 Rdn. 22 f.). Ausnahmen gelten lediglich für Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Art. 94 Abs. 2 GG, § 31 BVerfGG) und in besonderen Einzelfällen, etwa bei einer Zurückverweisung eines Rechtsstreits durch das Revisionsgericht (§ 563 Abs. 2 ZPO). Auch wenn ein Richter immer wieder bewusst von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht und seine Entscheidungen deshalb mehrfach in der Rechtsmittelinstanz korrigiert worden sind, kann ihm dies vom Dienstvorgesetzten nicht vorgehalten werden (vgl. Schnellenbach RiA 1999, 161, 165; grds. auch Fürst/Mühl/Arndt Richtergesetz 1. Aufl. § 26 Rdn. 46). Anderes kann gelten, wenn der Richter eine höchstrichterliche Rechtsprechung von vornherein nicht zur Kenntnis nimmt, da dies die Methodik, die Rechtsanwendungstechnik betrifft (vgl. Schnellenbach RiA 1999, 161, 165). Eine Verpflichtung des Richters, in den Entscheidungsgründen des Urteils auf höchstrichterliche Rechtsprechung hinzuweisen bzw. sich mit dieser auseinanderzusetzen, besteht allenfalls dann, wenn der Richter von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bewusst abweicht.

bb)

Gemessen an diesen Grundsätzen verletzt die dienstliche Beurteilung auch durch die zu Ziff. 3. beanstandeten Formulierungen die richterliche Unabhängigkeit. Der Beurteilung lässt sich entnehmen, dass sich der betreffende Textauszug auf die Abfassung der Urteile bezieht. Kritisiert wird, dass der Antragsteller die höchstrichterliche Rechtsprechung "ausblendet". Soweit damit gemeint ist, der Antragsteller müsse ihr inhaltlich folgen, handelt es sich um eine unzulässige Weisung. Soweit damit für alle Fälle ein Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung verlangt wird, erweist sich die Formulierung als zu weitgehend. Denn der Richter ist keineswegs verpflichtet, stets auch dann höchstrichterliche Rechtsprechung zu zitieren, wenn er ihr folgt. Eben dies verlangt aber die dienstliche Beurteilung.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG, § 154 Abs. 1 und 2, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.

III.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Revisionsverfahren wird gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000 Euro festgesetzt.

Fundstelle(n):
NJW 2010 S. 302 Nr. 5
LAAAD-31214

1Nachschlagewerk: ja; BGHR: ja