Oberfinanzdirektion Münster - Kurzinfo Verfahrensrecht 10/2009

Abtretungen von Steuererstattungsansprüchen (§ 46 AO) im Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren

In den letzten Monaten gehen in den Finanzämtern vermehrt Abtretungsanzeigen ein, mit denen sich Insolvenzverwalter/Treuhänder Ansprüche auf Steuererstattungen sichern wollen. Hierbei sind zwei Fallkonstellationen zu unterscheiden:

1. Der Insolvenzverwalter/Treuhänder reicht eine vom Insolvenzschuldner unterschriebene Abtretungsanzeige nach Eröffnung und vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens ein

Abtretungen werden gegenüber dem Finanzamt nur wirksam, wenn sie vom Gläubiger des Erstattungsanspruchs (Zedent) nach Entstehung des Anspruchs angezeigt werden. In der Praxis erfolgt die Anzeige i. d. R. durch den Abtretungsempfänger (Zessionar) als Vertreter des Zedenten. Diese Anzeige ist jedoch dem Zedenten als Rechtshandlung zuzurechnen. Deshalb ist es für die Beurteilung der Wirksamkeit der Abtretung von entscheidender Bedeutung, ob der Zedent im Zeitpunkt der Anzeige noch berechtigt war, über sein Vermögen frei zu verfügen.

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert der Schuldner das Recht, über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verfügen (§ 80 Abs. 1 InsO). Verfügt er dennoch während des laufenden Insolvenzverfahrens über einen Gegenstand der Insolvenzmasse, ist die Verfügung unwirksam (§ 81 Abs. 1 InsO).

Die Abtretung ist somit mangels Verfügungsberechtigung des Insolvenzschuldners unwirksam (vgl. auch Kurzinformation Verfahrensrecht Nr. 23/2005 vom ).

Außerdem bedarf es während eines laufenden Insolvenzverfahrens keiner Abtretungsanzeige, da Erstattungsansprüche in diesem Zeitraum grundsätzlich an die Insolvenzmasse auszuzahlen sind, sofern keine vorrangigen Ansprüche bestehen.

Um sicherzustellen, dass eine zur Insolvenzmasse gehörende Forderung des Schuldners auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens an den Insolvenzverwalter erstattet wird, besteht für ihn die Möglichkeit, vor dem Insolvenzgericht die Anordnung der Nachtragsverteilung (§ 203 InsO) und damit die Aufrechterhaltung des Insolvenzbeschlags für genau bezeichnete Steueransprüche zu beantragen (vgl. , ZInsO 2006, 139). Zudem hat er über eine zeitnahe Abgabe der Steuererklärung noch während des laufenden Insolvenzverfahrens die Ansprüche der Masse zu sichern (vgl. , ZInsO 2009, 300).

2. Der Treuhänder reicht nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens und während der Wohlverhaltensphase eine vom ehemaligen Insolvenzschuldner unterschriebene Abtretungsanzeige ein

BGH und BFH haben mit Urteilen vom (, ZInsO 2005, 873) und (, BStBl II 2008, 272) entschieden, dass die Ansprüche des ehemaligen Insolvenzschuldners auf Erstattung von Einkommensteuer nicht zu den nach § 287 Abs. 2 InsO an den Treuhänder abzutretenden Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende Bezüge gehören.

Veranlasst durch diese Entscheidungen lassen sich Treuhänder zunehmend Steuererstattungsansprüche des in der Wohlverhaltensphase befindlichen ehemaligen Insolvenzschuldners abtreten, obwohl keine gesetzliche Verpflichtung zur Unterzeichnung einer solchen Abtretungsanzeige besteht.

Der Erwerb dieser Erstattungsansprüche ist nach § 46 Abs. 4 AO unzulässig und führt zur Unwirksamkeit der Abtretung.

Gemäß § 46 Abs. 4 AO ist der geschäftsmäßige Erwerb von Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen zum Zweck der Einziehung oder sonstigen Verwertung auf eigene Rechnung nicht zulässig. Geschäftsmäßig handelt, wer die Tätigkeit selbständig und in Wiederholungsabsicht ausübt (vgl. , BStBl II 1986, 124). Bei der Vielzahl der zu betreuenden Insolvenzfälle und dem zur Praxis gewordenen Einreichen der Abtretungsanzeigen ist eine Wiederholungsabsicht i. S. d. Vorschrift gegeben. Da aus den nach § 287 Abs. 2 InsO abgetretenen Beträgen vorab die Honoraransprüche des Treuhänders zu tilgen sind (§ 292 i. V. m. § 298 InsO), ist auch das Tatbestandsmerkmal „auf eigene Rechnung” erfüllt. Der Erwerb der Steuererstattungsansprüche dient letztlich dazu, die eigenen Honoraransprüche zu sichern.

Die OFD bittet, entsprechende Abtretungen nicht zu berücksichtigen und für unwirksam zu erklären.

Oberfinanzdirektion Münster v. - Kurzinfo Verfahrensrecht 10/2009

Fundstelle(n):
YAAAD-29663