Bestehende Steuerrückstände im Sinne des § 278 Abs. 2 AO; Darlegung von Zulassungsgründen bei kumulativer Urteilsbegründung
Gesetze: AO § 278 Abs. 2, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wurde zusammen mit ihrem Ehemann bestandskräftig zur Einkommensteuer veranlagt. Antragsgemäß erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) Aufteilungsbescheide, die ebenfalls bestandskräftig wurden. Über das Vermögen des Ehemannes wurde ein Insolvenzverfahren durchgeführt, Restschuldbefreiung wurde nicht gewährt. Auf Nachfrage teilte das FA hinsichtlich der auf den Ehemann entfallenden Abgabenforderungen mit, „dass diese aufgrund des Insolvenzverfahrens vollständig niedergeschlagen” seien. Aus einer Erbschaft flossen dem Ehemann 170 051,06 € zu, die er auf das Konto der Klägerin einzahlte. Daraufhin erließ das FA einen Ergänzungsbescheid gemäß § 278 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) gegen die Klägerin.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Klägerin lägen vor, da Steuerrückstände des Ehemannes unbeschadet der Mitteilung des FA über die Niederschlagung bestanden hätten und die Klägerin hinsichtlich des auf ihr Konto eingezahlten Betrages Zuwendungsempfängerin sei. Der Regelungsgehalt des Bescheides sei durch die Bezugnahme auf die Abrechnungsbescheide trotz der Formulierung, „dass außer den dort bezeichneten Beträgen von 110 331,47 € die Vollstreckung gegen die Klägerin wegen eines weiteren Betrages von 170 051,06 € zulässig ist”, hinreichend klar, da ein Ergänzungsbescheid keine Regelung darüber treffe, in welcher Höhe Forderungen bestehen und vollstreckt werden dürfen. Ob die darin enthaltene Zahlungsaufforderung der Höhe nach berechtigt war, habe auf die Wirksamkeit des Bescheides, der allein die Erweiterung der Vollstreckungsmöglichkeit zum Gegenstand habe, keinen Einfluss. Die Ermessensentscheidung des FA, die Klägerin in Anspruch zu nehmen, sei angesichts der Steuererhebungspflicht nicht zu beanstanden, zumal Anhaltspunkte dafür, die Klägerin ausnahmsweise zu verschonen, nicht ersichtlich seien.
Mit ihrer Beschwerde will die Klägerin die Zulassung der Revision erreichen, weil die Auslegung des § 278 Abs. 2 AO, insbesondere der Tatbestandsmerkmale „noch bestehende Steuerrückstände” und „Zuwendung”, von grundsätzlicher Bedeutung sei und weil das FG verfahrensfehlerhaft nicht Beweis erhoben habe über die Fragen, ob der Sachgebietsleiter die Mitteilung über die Niederschlagung unterschrieben habe und ob und inwieweit der Ehemann aufgrund dieser Niederschlagung über seine Erbschaft durch Schuldentilgung disponiert habe.
II. Die Beschwerde ist —bei Zweifeln an ihre Zulässigkeit— jedenfalls unbegründet.
1. Die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen haben keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die für bedeutsam gehaltenen Rechtsfragen sind weder im Allgemeininteresse klärungsbedürftig noch im Streitfall klärungsfähig.
b) Die Verwendung des Tatbestandsmerkmals „Zuwendung” durch das FG gibt der Rechtssache ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung. Es mag dahinstehen, ob die Rüge, das FG habe verkannt, dass ein Besitzmittlungsverhältnis nicht ausreichend für eine Zuwendung i.S. des § 278 Abs. 2 AO sei, den Anforderungen genügt, die an die Darlegung einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage zu stellen sind. Denn das FG hat schon kein Besitzmittlungsverhältnis zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann bezüglich des auf das Konto der Klägerin eingezahlten Betrages oder Anhaltspunkte für eine sonstige Verfügungsbeschränkung, sondern im Gegenteil die freie Verfügungsbefugnis der Klägerin über dieses Konto festgestellt. Die dem zugrunde liegende Rechtsauffassung des FG, dass die Zuwendung, wie sie § 278 Abs. 2 AO verlangt, weder von subjektiven Motiven noch von internen Vereinbarungen der Eheleute abhängt, entspricht gefestigter Rechtsprechung (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 231/02, BFH/NV 2003, 1033, m.w.N.). Im Übrigen konkretisiert die Klägerin auch in der Beschwerdebegründung in keiner Weise die angeblichen verfügungsbeschränkenden Vereinbarungen.
2. Ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegt nicht darin, dass das FG verfahrensfehlerhaft Beweise nicht erhoben hat. Wird ein Verfahrensmangel geltend gemacht, so muss der Beschwerdeführer ausgehend von der insoweit maßgebenden materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des FG insbesondere für eine schlüssige Aufklärungsrüge (vgl. § 76 Abs. 1 FGO) dartun, dass eine nicht berücksichtigte Tatsache auch aus der Sicht des FG entscheidungserheblich gewesen sei (vgl. z.B. , BFH/NV 2005, 1329). Hat das FG seine Entscheidung mit einer sog. kumulativen Begründung versehen, von der jede für sich das Ergebnis des angefochtenen Urteils trägt, muss für jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund schlüssig dargetan werden (Senatsbeschluss vom VII B 29/06, BFH/NV 2007, 399).
Nach der Rechtsauffassung des FG kam es auf die Fragen, ob der Sachgebietsleiter die Mitteilung über die Niederschlagung unterschrieben und ob und inwieweit der Ehemann aufgrund dieser Niederschlagung über seine Erbschaft durch Schuldentilgung disponiert hat, nicht an. Die Klägerin übersieht, dass das FG die Auskunft betreffend die Niederschlagung der Steuerschulden des Ehemannes schon nach dem Wortlaut und dem Kontext des Schreibens nicht als verbindlichen Verzicht des FA auf die noch offenen Steuerforderungen gewertet hat. Lediglich ergänzend („Unabhängig davon ...”) hat es eine Bindungswirkung auch deshalb verneint, weil nicht der Sachgebietsleiter das Schreiben unterzeichnet und der Ehemann auch keine Dispositionen aufgrund des Schreibens getroffen habe.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 1781 Nr. 11
TAAAD-28282