BAG Urteil v. - 1 AZR 566/08

Leitsatz

[1] Die Betriebsparteien können eine Höchstgrenze für eine Sozialplanabfindung vorsehen. Eine solche Kappungsgrenze behandelt alle davon betroffenen Arbeitnehmer gleich. Diese Gruppenbildung ist mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar.

Gesetze: BetrVG § 75 Abs. 1 S. 2 a.F.; BetrVG § 112 Abs. 1 S. 2

Instanzenzug: LAG Köln, 5 Sa 419/08 vom ArbG Köln, 7 Ca 3739/07 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe einer Sozialplanabfindung.

Der im Mai 1948 geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem beschäftigt. Sein Bruttomonatsentgelt betrug zuletzt durchschnittlich 5.515,78 Euro. Das Arbeitsverhältnis endete durch betriebsbedingte Kündigung zum .

Für den Kläger galt ein am zwischen der Beklagten und dem bei ihr gebildeten Betriebsrat vereinbarter Sozialplan. Nach dessen Nr. 3 Buchst. a) bestimmt sich die Basisabfindung nach der Formel "monatlicher Bruttoverdienst x Betriebszugehörigkeit x 1,0". Nr. 3 Buchst. f) des Sozialplans begrenzt die Basisabfindung nach Nr. 3 Buchst. a) auf einen Höchstbetrag von 85.000,00 Euro. Weiter regelt der Sozialplan in Nr. 3 Buchst. b) nach Alter gestaffelte zusätzliche Abfindungsbeträge, die sich für Arbeitnehmer ab Vollendung des 55. Lebensjahres auf 4.500,00 Euro belaufen. Darüber hinaus sieht Nr. 4 Buchst. c) einen Härtefonds vor, der nach Alter gestaffelt vom Betriebsrat auf die Arbeitnehmer zu verteilen ist. Dementsprechend zahlte die Beklagte an den Kläger eine auf 85.000,00 Euro brutto begrenzte Basisabfindung, eine Altersabfindung in Höhe von 4.500,00 Euro brutto sowie aus dem Härtefonds einen Betrag von 2.500,00 Euro brutto, insgesamt 92.000,00 Euro brutto. Ohne die Höchstbegrenzung hätte die Basisabfindung des Klägers 242.142,74 Euro brutto betragen.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Differenz zur ungekürzten Basisabfindung verlangt. Er hat die Ansicht vertreten, zum Erreichen der Regelaltersrente habe er nach Ablauf des Arbeitslosengeldbezugs eine fünfjährige Versorgungslücke zu überbrücken. Die daraus resultierenden Nachteile könne eine gekappte Abfindung nur unzureichend ausgleichen. Entsprechend ihrer Bemessungsgrundlage sei die Abfindung eine Entlohnung für gezeigte Betriebstreue und könne nicht gekürzt werden. Ungeachtet dessen sei die Höchstbegrenzungsregel jedenfalls mittelbar altersdiskriminierend. Sie begrenze ohne hinreichende Rechtfertigung vor allem die Abfindung für ältere Beschäftigte, die regelmäßig eine längere Betriebszugehörigkeit aufwiesen. Das sei weder mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz noch mit den Diskriminierungsverboten wegen Alters vereinbar.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 157.142,74 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) finde auf den Sozialplan keine Anwendung. Unabhängig davon bewirke die Höchstbegrenzung auch keine Altersdiskriminierung, sie greife auch bei jüngeren Mitarbeitern mit langer Betriebszugehörigkeit. Eine Nichtigkeit der Kappungsgrenze hätte wegen der damit verbundenen wirtschaftlichen Belastungen des Arbeitgebers die Unwirksamkeit des gesamten Sozialplans zur Folge.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt dieser seinen Klageanspruch weiter.

Gründe

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht ein weitergehender Abfindungsanspruch nicht zu. Die Höchstbegrenzungsregelung des Sozialplans ist wirksam.

I. Die Ansprüche des Klägers aus dem Sozialplan sind erfüllt. Die Beklagte hat den Anspruch des Klägers mit 92.000,00 Euro zutreffend berechnet und ausgezahlt.

II. Der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz rechtfertigt keinen weitergehenden Abfindungsanspruch. Die Höchstbegrenzungsregelung in Nr. 3 Buchst. f) des Sozialplans hält einer Rechtmäßigkeitskontrolle stand. Daher kommt es nicht darauf an, ob der Kläger im Falle einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Weiteres eine ungekürzte Basisabfindung hätte beanspruchen können oder die mit der Unwirksamkeit der Kappungsregel verbundenen finanziellen Folgen zu einer Gesamtunwirksamkeit des Sozialplans geführt hätten.

1. Sozialpläne unterliegen, wie andere Betriebsvereinbarungen, der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle. Sie sind daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht wie dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar sind ( - Rn. 11, NZA 2009, 495). Das verpflichtet die Gerichte, rechtswidrige Sozialplangestaltungen zu verhindern, nicht hingegen, bessere Lösungen als die Betriebsparteien zu finden.

a) Der auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichstellung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblicher Sachgrund für eine Gruppenbildung ist regelmäßig der mit der jeweiligen Regelung verfolgte Zweck ( - Rn. 24, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 196 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 30). Daher müssen sich Gruppenbildungen in Sozialplänen an deren Funktion orientieren.

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats haben Sozialpläne eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die darin vorgesehenen Leistungen stellen kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste dar, sondern sollen die künftigen Nachteile ausgleichen, die Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen können. Bei der Ausgestaltung solcher Leistungen stehen den Betriebsparteien Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume zu, die Typisierungen und Pauschalierungen einschließen ( - 1 AZR 198/08 -).

c) Geldleistungen eines Sozialplans in Form einer Abfindung sollen die voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Folgen eines durch Betriebsänderung verursachten Arbeitsplatzverlustes ausgleichen oder zumindest abmildern. Berechnet sich die Abfindung nach der Dauer der Beschäftigungszeit und dem Verdienst, können die Betriebsparteien eine daraus resultierende überproportionale Begünstigung von Beschäftigten mit langjähriger Betriebszugehörigkeit durch eine Höchstbegrenzung zurückführen, um allen betroffenen Arbeitnehmern eine mit dem Zweck einer Sozialplanabfindung in Einklang stehende verteilungsgerechte Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen einer Betriebsänderung zukommen zu lassen ( - zu I 1 b der Gründe, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 135 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 104). Einer solchen Kappungsgrenze liegt die Einschätzung der Betriebsparteien zugrunde, dass die wirtschaftlichen Nachteile der davon betroffenen Arbeitnehmer bei typisierender Betrachtungsweise mit dem entsprechenden Höchstbetrag angemessen ausgeglichen, jedenfalls aber substantiell abgemildert sind.

d) Bei Abfindungen, deren maßgeblicher Berechnungsfaktor die Dauer der Betriebszugehörigkeit ist, können die Betriebsparteien davon ausgehen, dass von einer Kappungsgrenze vor allem langjährige und damit lebensältere Beschäftigte betroffen sein werden. Hierbei handelt es sich um einen Personenkreis, der typischerweise in naher Zukunft - und sei es nach vorübergehender Arbeitslosigkeit - eine gesetzliche Rente beanspruchen kann. Auch wenn die Inanspruchnahme dieser Renten mit Abschlägen verbunden sein wird, dürfen die Betriebsparteien die damit verbundene Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen einer fortdauernden Arbeitslosigkeit bei der Abschätzung der zu überbrückenden finanziellen Nachteile eines durch Betriebsänderung verursachten Arbeitsplatzverlustes berücksichtigen ( - Rn. 22, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 196 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 30).

2. Hiernach verstößt die mit der Höchstbetragsregelung eingeführte Kappungsgrenze von 85.000,00 Euro für die Basisabfindung nach Nr. 3 Buchst. f) des Sozialplans nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

a) Die Gruppenbildung erfolgt hier danach, dass die von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer ab einem bestimmten Höchstbetrag der Abfindung unabhängig von Lebensalter, Betriebszugehörigkeit und Verdienst gleich behandelt werden. Zweck einer solchen Begrenzung ist es, eine Bevorzugung derjenigen Mitarbeiter zu vermeiden, die ansonsten allein wegen ihrer langjährigen Beschäftigungsdauer einen Vorteil erhalten, der keine verteilungsgerechte Überbrückungshilfe bis zu einem ungewissen neuen Arbeitsverhältnis oder dem Bezug einer Altersrente ist. Das zu beurteilen liegt in der Einschätzungsbefugnis der Betriebsparteien, die nicht gehalten sind, die jeweiligen Nachteile individuell zu prognostizieren und auszugleichen. Hier haben die Betriebsparteien den Höchstbetrag der Basisabfindung auf 85.000,00 Euro beschränkt und von dieser Grenze die zusätzlichen Abfindungsleistungen wegen Erreichens bestimmter Altersstufen, Unterhaltslasten, familiärer Betreuungspflichten und wegen Schwerbehinderung ausgenommen. Bei dieser Summe konnten sie davon ausgehen, dass die wirtschaftlichen Folgen, die Beschäftigte etwa bei einer Arbeitslosigkeit bis zum Erreichen des Rentenalters für eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (§ 237 SGB VI) zu tragen haben, noch substantiell abgemildert werden. Dem steht nicht entgegen, dass innerhalb der von der Kappungsgrenze Betroffenen lebensältere Arbeitnehmer bei gleicher Beschäftigungszeit einen kürzeren Zeitraum bis zum nächstmöglichen Rentenbezug zu überbrücken haben. Das hat zwar zur Folge, dass die jüngeren Mitarbeiter bis zum frühestmöglichen Rentenbezug schlechter als jene gestellt sind. Hierbei handelt es sich aber um eine der Härten, die mit jeder Gruppenbildung einhergehen und die bei typisierender Abschätzung wirtschaftlicher Nachteile und deren pauschalisierendem Ausgleich nicht vermeidbar sind. Im Übrigen sind die Chancen lebensjüngerer Arbeitnehmer, noch einen Arbeitsplatz zu finden, typisierend günstiger.

b) Entgegen der Auffassung des Klägers bezweckt die Höchstgrenze nicht die Beschränkung einer Leistung, die auf die Entlohnung von Betriebstreue gerichtet und deshalb nicht ohne weiteres kappungsfähig wäre. Einem solchen Zweck dient die Basisabfindung nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats können die Betriebsparteien für die Bemessung der Abfindung trotz der zukunftsbezogenen Ausgleichsfunktion des Sozialplans auch auf das vergangenheitsbezogene Kriterium der Betriebszugehörigkeit abstellen ( - 1 AZR 262/06 - Rn. 18 mwN, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 183 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 22). Zum einen wird der durch den Sozialplan auszugleichende oder abzumildernde Verlust des Arbeitsplatzes maßgeblich auch durch die Dauer der Betriebszugehörigkeit bestimmt ( - 1 AZR 58/02 - zu III 2 a der Gründe, BAGE 103, 321). Zum anderen liegt es innerhalb des Beurteilungsspielraums der Betriebsparteien, typisierend davon auszugehen, dass sich mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit die Qualifikation des Arbeitnehmers zunehmend auf die spezifischen Bedürfnisse des bisherigen Beschäftigungsbetriebs verengt und damit seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt abnehmen ( - 1 AZR 760/00 - zu III 1 a der Gründe, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 142 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 108). Allein durch das Abstellen auf die Beschäftigungsdauer für die Bemessung der Abfindung wird eine solche Leistung daher nicht zu einer bloßen Entschädigung für den Verlust des Besitzstands oder zu einer nachträglichen Vergütung der in der Vergangenheit geleisteten Dienste.

3. Die mit der Höchstbegrenzung in Nr. 3 Buchst. f) des Sozialplans verbundene Differenzierung verstößt nicht gegen das Verbot, Personen wegen ihres Alters zu benachteiligen.

a) Die Höchstgrenzenregelung ist weder an den Bestimmungen des am in Kraft getretenen AGG noch an § 75 Abs. 1 BetrVG in seiner seit dem geltenden Fassung zu messen. Der Sozialplan wurde bereits am vereinbart.

b) Ein gemeinschaftsrechtliches Verbot der Altersdiskriminierung steht der Höchstbegrenzung in Nr. 3 Buchst. f) des Sozialplans ebenfalls nicht entgegen. Dieses von den Gerichten der Mitgliedstaaten zu beachtende Verbot setzt voraus, dass die fragliche Behandlung einen gemeinschaftsrechtlichen Bezug aufweist. Hieran fehlt es. Die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom war vor dem Ablauf ihrer - für Deutschland hinsichtlich des Verbots der Altersdiskriminierung bis zum verlängerten - Umsetzungsfrist jedenfalls in den Fällen, in denen die in Rede stehende Maßnahme nicht der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts diente, nicht geeignet, den gemeinschaftsrechtlichen Bezug herzustellen (vgl. - [Bartsch] Rn. 24, 25, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 11 = EzA Richtlinie 2000/78 EG-Vertrag 1999 Nr. 7). Der Sozialplan wurde vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie geschlossen und war auch keine mitgliedstaatliche Maßnahme zu deren Umsetzung (vgl. - NZA 2009, 495).

c) Nr. 3 Buchst. f) des Sozialplans verletzt nicht das in § 75 Abs. 1 Satz 2 BetrVG auch schon in seiner bis zum geltenden Fassung enthaltene Verbot, Arbeitnehmer wegen Überschreitens bestimmter Altersgrenzen zu benachteiligen. Es fehlt an einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung wegen Alters. Durch eine Höchstbetragsklausel, die nicht nach dem Alter differenziert, werden Arbeitnehmer wegen ihres Lebensalters unmittelbar weder bevorzugt noch benachteiligt. Es liegt auch keine mittelbare Altersdiskriminierung vor. Das gilt auch dann, wenn von der Höchstbegrenzung typischerweise mehr ältere als jüngere Arbeitnehmer betroffen sind. Die älteren Arbeitnehmer werden durch eine Höchstbegrenzungsklausel nicht anders, sondern genauso behandelt wie die jüngeren ( - AP BetrVG 1972 § 75 Nr. 52 = EzA BetrVG 2001 § 75 Nr. 6).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
DB 2009 S. 2666 Nr. 49
ZIP 2009 S. 1834 Nr. 38
ZAAAD-28202

1Für die amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein