BFH Urteil v. - III R 68/07

Wirtschaftliche Zurechnung von Einkünften und Bezügen des Kindes, die während eines Jahres zufließen

Leitsatz

Liegen die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder 2 EStG nur in einem Teil des Kalendermonats vor (geteilter Monat), sind Einkünfte und Bezüge nur insoweit anzusetzen, als sie auf diesen Teil entfallen. Auf welche Monate Einkünfte und Bezüge, die während eines Jahres zufließen, im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 8 EStG "entfallen", ist grundsätzlich nach der wirtschaftlichen Zurechnung zu bestimmen.
Eine Sonderzuwendung ist nur dann den Ausbildungsmonaten zuzuordnen und in die Ermittlung der Einkünfte und Bezüge einzubeziehen, wenn sie während der Ausbildungsmonate zufließt; fließt sie hingegen während der Kürzungsmonate zu, ist sie nicht zu berücksichtigen.
Diese Grundsätze sind entsprechend anzuwenden bei der Entscheidung, ob im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 6 EStG Einkünfte und Bezüge innerhalb eines geteilten Monats auf den Berücksichtigungszeitraum oder auf den Kürzungszeitraum entfallen. Denn auch durch die Regelung des neu aufgenommenen Satzes 6 soll gewährleistet werden, dass nur die auf den Zeitraum der Ausbildung entfallenden Einkünfte und Bezüge berücksichtigt werden.

Gesetze: EStG § 32 Abs. 4

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Der Sohn (S) der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) beendete seine Berufsausbildung am und wurde im Anschluss von dem Ausbildungsbetrieb als Arbeitnehmer übernommen. Für die Zeit von Januar 2004 bis zum Ende der Berufsausbildung bezog S eine Ausbildungsvergütung von (nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge) insgesamt 3 870,83 €. Zudem wurde ihm am ein Urlaubsgeld in Höhe von (nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge) 446,13 € gutgeschrieben.

Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) lehnte den Antrag der Klägerin, S in den Monaten Januar bis Juni 2004 bei der Festsetzung von Kindergeld zu berücksichtigen, ab, da der anteilige Jahresgrenzbetrag von 3 840 € (bei Ansatz eines anteiligen Arbeitnehmerpauschbetrags von 460 €) überschritten sei. Dabei berücksichtigte sie das Urlaubsgeld in vollem Umfang. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage durch Urteil vom 5 K 2239/06 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1960) ab.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 32 Abs. 4 Satz 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr 2004 anzuwendenden Fassung:

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG, die Einspruchsentscheidung sowie den Ablehnungsbescheid der Familienkasse, soweit er die Monate Januar bis Juni 2004 betrifft, aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, für S Kindergeld für diese Monate festzusetzen.

Die Familienkasse beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils, der Einspruchsentscheidung sowie des Ablehnungsbescheids der Familienkasse, soweit er die Monate Januar bis Juni 2004 betrifft, und zur Verpflichtung der Familienkasse, S bei der Festsetzung von Kindergeld zugunsten der Klägerin für diese Monate zu berücksichtigen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

1. Nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der für das Streitjahr 2004 anzuwendenden Fassung wird ein über 18 Jahre altes Kind unter 27 Jahren, das —wie S in den Monaten Januar bis Juni 2004— für einen Beruf ausgebildet wird, nur berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7 680 € im Kalenderjahr hat (Jahresgrenzbetrag). Dieser Betrag ermäßigt sich nach § 32 Abs. 4 Satz 7 EStG für jeden Kalendermonat um 1/12, in dem —wie hier in den Monaten Juli bis Dezember 2004— die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung nach Satz 1 Nr. 1 oder 2 an keinem Tag vorliegen (Kürzungsmonate); Einkünfte und Bezüge des Kindes, die auf diese Kalendermonate entfallen, bleiben außer Ansatz (§ 32 Abs. 4 Satz 8 EStG). Liegen die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder 2 EStG —wie hier im Monat Juni 2004— nur in einem Teil des Kalendermonats vor (geteilter Monat), sind Einkünfte und Bezüge nur insoweit anzusetzen, als sie auf diesen Teil entfallen (§ 32 Abs. 4 Satz 6 EStG).

2. Auf welche Monate Einkünfte und Bezüge, die während eines Jahres zufließen, i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 8 EStG „entfallen”, ist grundsätzlich nicht nach dem Zuflusszeitpunkt, sondern nach der wirtschaftlichen Zurechnung zu bestimmen (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFHE 191, 55, BStBl II 2000, 459; in BFHE 191, 60, BStBl II 2000, 464; vom VI R 5/00, BFHE 197, 408, BStBl II 2002, 205; vom VIII R 57/00, BFHE 199, 194, BStBl II 2002, 746, und vom III R 25/06, BFH/NV 2007, 1481).

Die danach grundsätzlich gebotene zeitanteilige Zuordnung einer Sonderzuwendung (hier: Urlaubsgeld) zu den Ausbildungsmonaten setzt jedoch voraus, dass die Sonderzuwendung auf dem Berufsausbildungsverhältnis beruht. Das ist nur der Fall, wenn sie während der Ausbildungsmonate zugeflossen ist. Fließt eine Sonderzuwendung hingegen während der Kürzungsmonate zu, handelt es sich nicht um eine Sonderzuwendung aus dem Berufsausbildungsverhältnis. Dementsprechend ist eine Sonderzuwendung nur dann den Ausbildungsmonaten zuzuordnen und in die Ermittlung der Einkünfte und Bezüge einzubeziehen, wenn sie während der Ausbildungsmonate zufließt; fließt sie hingegen während der Kürzungsmonate zu, ist sie nicht zu berücksichtigen (BFH-Urteile in BFHE 191, 60, BStBl II 2000, 464, und vom VI R 135/99, BFHE 191, 74, BStBl II 2000, 466).

Diese Grundsätze sind entsprechend anzuwenden bei der Entscheidung, ob i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 6 EStG Einkünfte und Bezüge innerhalb eines geteilten Monats auf den Berücksichtigungszeitraum oder auf den Kürzungszeitraum entfallen. Denn auch durch die Regelung des neu aufgenommenen Satzes 6 soll gewährleistet werden, dass nur die auf den Zeitraum der Ausbildung entfallenden Einkünfte und Bezüge berücksichtigt werden (vgl. BTDrucks 14/6160, S. 12).

3. Das Urlaubsgeld ist daher bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge des S nicht —auch nicht anteilig— zu berücksichtigen. Denn es ist S erst am und damit nach Ende seiner Ausbildung () zugeflossen. Es ist daher insgesamt dem Kürzungszeitraum zuzuordnen. Dies entspricht auch dem Zweck der Grenzbetragsregelung in § 32 Abs. 4 EStG. Denn durch eine nach Ende der Ausbildung zugeflossene Sonderzuwendung wird die Leistungsfähigkeit des Kindes in der Zeit, für die der Gesetzgeber von einer typischen Unterhaltssituation für die Eltern ausgeht, nicht erhöht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 191, 60, BStBl II 2000, 464).

Die Einkünfte und Bezüge des S bleiben mithin in den Ausbildungsmonaten Januar bis Juni 2004 unter dem maßgeblichen Grenzbetrag von 3 840 €. Dabei kann dahinstehen, ob der Arbeitnehmerpauschbetrag —wie vom FG angenommen— mit 6/12 (460 €) anzusetzen ist oder, da zu den Berücksichtigungsmonaten ein geteilter Monat (Juni) gehört, nur mit 175/360 (vgl. Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes 63. Abs. 3 Satz 3, BStBl I 2004, 743, 788). Denn der maßgebliche Grenzbetrag ist in beiden Fällen unterschritten. Der Klägerin steht daher für S für die Monate Januar bis Juni 2004, in denen sich S in Berufsausbildung befand, Kindergeld zu.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 1615 Nr. 10
EStB 2009 S. 348 Nr. 10
HFR 2009 S. 1209 Nr. 12
VAAAD-26965