BFH Beschluss v. - X R 45/08

Bekanntgabe von Steuerverwaltungsakten; Festsetzung eines Verspätungszuschlags gegen beide Ehegatten unabhängig davon, ob eigene Einkünfte erzielt werden

Leitsatz

1. § 122 Abs. 7 Satz 2 AO gilt nur für den Fall der Übersendung des Bescheids. bzw. der Einspruchsentscheidung unmittelbar an den Steuerpflichtigen selbst. Nur in diesen Fällen besteht ein Bedürfnis dafür, auf Antrag oder bei Bekanntwerden ernstlicher Meinungsverschiedenheiten zwischen den Eheleuten zwei Ausfertigungen des zusammengefassten Steuerverwaltungsakts den Ehegatten einzeln bekannt zu geben, weil andernfalls nicht auszuschließen wäre, dass ein Ehegatte die einzige Ausfertigung des Bescheids oder der Einspruchsentscheidung entgegennimmt und der andere von deren Inhalt keinerlei Kenntnis erlangt.
Ein gemeinsamer Bevollmächtigter der Ehegatten ist bereits kraft des ihm erteilten Auftrags zur Rechenschaft gegenüber beiden Auftraggebern und zur Weiterleitung des Steuerverwaltungsakts bzw. der Einspruchsentscheidung verpflichtet.
2. Bei Verletzung der Steuererklärungspflichten durch gemäß § 26b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehegatten können Verspätungszuschläge auch dann gegen beide Ehegatten festgesetzt werden, wenn nur einer Einkünfte erzielt hat.

Gesetze: AO § 82, AO § 83, AO § 126, AO § 122 Abs. 7, AO § 151, AO § 152

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

1. Das Finanzgericht (FG) ist zutreffend davon ausgegangen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Festsetzung von Verspätungszuschlägen sowohl zur Einkommensteuer 2002 als auch zur Einkommensteuer 2003 gegenüber beiden Klägern und Revisionsklägern (Kläger) vorgelegen haben und der Prozessbevollmächtigte der Kläger, dessen Verschulden diesen nach § 152 Abs. 1 Satz 3 der Abgabenordnung (AO) zuzurechnen ist, die Abgabefristen in nicht entschuldbarer Weise überschritten hat.

2.a) Die Entscheidung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—), gegenüber beiden Klägern für beide Streitjahre einen Verspätungszuschlag festzusetzen, lässt keine Ermessensfehler erkennen. Die Ermessenskriterien des § 152 Abs.1 und Abs. 2 AO wurden von der Behörde angemessen berücksichtigt und sachgerecht gegeneinander abgewogen. Die in diesem Zusammenhang angestellte Erwägung, den Zinsvorteil aufgrund der verspätet festgesetzten Einkommensteuer in die Bemessung des Verspätungszuschlags nicht einzubeziehen, weil der daraus resultierende wirtschaftliche Vorteil mit der Verzinsung der Steuernachzahlung abgeschöpft sei, ist ermessensgerecht. Zutreffend hat das FA bei der Festsetzung der Verspätungszuschläge auch das Abgabeverhalten der Kläger in den Vor- und Folgejahren berücksichtigt.

b) Das FA hat die Ermessensentscheidung auch nicht verspätet begründet. Nach § 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO kann die erforderliche Begründung eines Verwaltungsakts bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Im Streitfall hat das FA lange vor Abschluss des Einspruchsverfahrens, nämlich ca. 1 1/2 Monate nach Festsetzung der Verspätungszuschläge den Klägern die angestellten Ermessenserwägungen dargelegt und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

c) Zu Recht hat das FA die Verspätungszuschläge auch gegen die Klägerin gerichtet, da auch sie —sie wurde gemäß § 26b des Einkommensteuergesetzes zusammen mit ihrem Ehemann zur Einkommensteuer veranlagt— ihre Steuererklärungspflichten verletzt hat. Auf den Umstand, ob sie in den Streitjahren eigene Einkünfte erzielt hat, kommt es nicht an.

d) Die Ausgestaltung des § 152 Abs. 1 Satz 1 AO als „Kann"-Vorschrift ist nach Auffassung des Senats verfassungsgemäß (so auch , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1988, 34).

3. Die festgesetzten Verspätungszuschläge zur Einkommensteuer 2002 und zur Einkommensteuer 2003 wurden den Klägern gegenüber ordnungsgemäß bekannt gegeben.

a) Soweit sich die Festsetzung gegen den Kläger richtet, folgt dies schon daraus, dass der Kläger dem Prozessbevollmächtigten am ausdrücklich eine Bekanntgabevollmacht erteilt hatte.

c) Aus § 122 Abs. 7 Satz 2 AO folgt nichts Gegenteiliges. Die Norm gilt nur für den Fall der Übersendung des Bescheids bzw. der Einspruchsentscheidung unmittelbar an den Steuerpflichtigen selbst, nämlich an beide Eheleute unter ihrer unmittelbaren Adresse (, BFH/NV 1992, 433, unter 1.a zur inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 155 Abs. 5 AO i.d.F. bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften vom , BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13). Nur in diesen Fällen besteht ein Bedürfnis dafür, auf Antrag oder bei Bekanntwerden ernstlicher Meinungsverschiedenheiten zwischen den Eheleuten zwei Ausfertigungen des zusammengefassten Steuerverwaltungsakts den Ehegatten einzeln bekannt zu geben, weil andernfalls nicht auszuschließen wäre, dass ein Ehegatte die einzige Ausfertigung des Bescheids oder der Einspruchsentscheidung entgegennimmt und der andere von deren Inhalt keinerlei Kenntnis erlangt. Ein gemeinsamer Bevollmächtigter der Ehegatten ist hingegen bereits kraft des ihm erteilten Auftrags zur Rechenschaft gegenüber beiden Auftraggebern und zur Weiterleitung des Steuerverwaltungsakts bzw. der Einspruchsentscheidung verpflichtet (§ 666 des Bürgerlichen Gesetzbuchs).

4. Umstände, aufgrund derer die mit der Besteuerung der Kläger befassten Mitarbeiter des FA gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 AO im Verwaltungsverfahren nicht hätten tätig werden dürfen bzw. die nach § 83 Abs. 1 Satz 1 AO geeignet gewesen wären, Misstrauen gegen deren Unparteilichkeit zu rechtfertigen, liegen nach den den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG nicht vor. Das Schreiben des Amtsleiters des FA vom bezog sich offenkundig nicht auf das Besteuerungsverfahren der Kläger.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 1592 Nr. 10
AAAAD-26570