BGH Beschluss v. - I ZB 53/08

Leitsatz

[1] Verneint das Bundespatentgericht eine bösgläubige Markenanmeldung i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG unter dem Gesichtspunkt der Störung des Besitzstands des Vorbenutzers, weil die Marke mit der vom Vorbenutzer verwendeten Bezeichnung weder identisch noch zum Verwechseln ähnlich ist, kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs mit der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde nicht mit Erfolg mit der Begründung geltend gemacht werden, die für die Bösgläubigkeit sprechenden Indizien seien falsch gewichtet und die Würdigung des Bundespatentgerichts sei unzutreffend.

Gesetze: MarkenG § 8 Abs. 2; MarkenG § 50 Abs. 1; MarkenG § 50 Abs. 1; MarkenG § 83 Abs. 3; UWG § 1; BGB § 826; GG Art. 101 Abs. 1; GG Art. 103 Abs. 1

Instanzenzug: BPatG, 27 W pat 89/06 vom

Gründe

I.

Für den Markeninhaber ist seit dem die Bildmarke Nr. 30465554

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unter anderem für Schuhwaren in das Markenregister eingetragen.

Die Antragstellerin hat beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung der Marke für Schuhwaren beantragt, weil der Markeninhaber bei der Anmeldung bösgläubig gewesen sei.

Die Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Löschung der Marke für Schuhwaren angeordnet.

Auf die Beschwerde des Markeninhabers hat das Bundespatentgericht den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts aufgehoben und den Löschungsantrag zurückgewiesen ( 27 W(pat) 89/06, [...]).

Hiergegen richtet sich die - vom Bundespatentgericht nicht zugelassene -Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, mit der sie die Versagung des rechtlichen Gehörs rügt und geltend macht, der angefochtene Beschluss sei nicht mit Gründen versehen.

II.

Das Bundespatentgericht hat angenommen, dass die Voraussetzungen für eine Löschung der Marke nach § 8 Abs. 2 Nr. 10, § 50 Abs. 1 MarkenG nicht vorlägen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Von einer Bösgläubigkeit i.S. des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG sei auszugehen, wenn die Anmeldung rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig erfolgt sei. Voraussetzung einer Bösgläubigkeit sei neben einem vorsätzlichen Eingriff des Markeninhabers in den schutzwürdigen Besitzstand der Antragstellerin vor allem der Nachweis eines sittenwidrigen Handelns. Hierzu reiche die bloße Kenntnis der Benutzung des fraglichen Kennzeichens durch einen anderen nicht aus, weil dem Markenrecht ein Vorbenutzungsrecht fremd sei.

Die Antragstellerin verfüge über keinen schutzwürdigen Besitzstand, in den durch die Marke eingegriffen werden könne. Die Marke unterscheide sich deutlich von dem schwarzen Schuh mit weißem "H", den die Antragstellerin vertreibe. Zudem hätten auch andere Hersteller vor der Anmeldung der angegriffenen Marke für Sportschuhe bereits eine Verzierung mit dem Buchstaben "H" verwandt. Selbst wenn ein wertvoller Besitzstand der Antragstellerin unterstellt werde, habe der Markeninhaber hierin durch die Markenanmeldung nicht in sittenwidriger Weise eingegriffen.

III.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1.

Die Statthaftigkeit der form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde folgt daraus, dass ein im Gesetz aufgeführter, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnender Verfahrensmangel gerügt wird. Die Rechtsbeschwerde beruft sich auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs und auf das Fehlen einer notwendigen Begründung des angefochtenen Beschlusses und hat dies im Einzelnen ausgeführt. Darauf, ob die Rügen durchgreifen, kommt es für die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nicht an (st. Rspr.; , GRUR 2008, 1126 Tz. 6 = WRP 2008, 1550 - Weisse Flotte).

2.

Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet, weil die gerügten Verfahrensmängel nicht vorliegen.

a)

Das Verfahren vor dem Bundespatentgericht verletzt die Antragstellerin nicht in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG).

aa)

Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit haben, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, und dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht (BVerfGE 86, 133, 144 ; BVerfG NJW-RR 2004, 1710, 1712 ; , GRUR 2007, 628 Tz. 10 = WRP 2007, 788 - MOON).

bb)

Die Rechtsbeschwerde rügt, das Bundespatentgericht habe bei der Annahme, die Antragstellerin verfüge über keinen wertvollen Besitzstand, in den durch die Marke eingegriffen werden könne, deren Vortrag nicht zur Kenntnis genommen, dass diese ihren Sportschuh mit der Außenverzierung in Form eines großen "H" an alle namhaften Schuhhändler vertreibe und zwischen 2001 und 2005 jährlich mehr als 200.000 Exemplare abgesetzt habe.

Daraus ergibt sich keine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Auf der Grundlage der Entscheidung des Bundespatentgerichts kam es auf diesen Vortrag der Antragstellerin nicht an.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist von einer Bösgläubigkeit des Anmelders auszugehen, wenn die Anmeldung rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig erfolgt ist. Das Markengesetz knüpft an die Rechtsprechung zum außerkennzeichenrechtlichen Löschungsanspruch aus § 1 UWG a.F. oder § 826 BGB unter Geltung des Warenzeichengesetzes an. Die zu diesem Anspruch entwickelten Grundsätze sind auch zur Beurteilung der Bösgläubigkeit des Anmelders unter Geltung des § 50 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG a.F. heranzuziehen (, GRUR 2004, 510, 511 = WRP 2004, 766 - S100; Beschl. v. - I ZB 8/06, WRP 2009, 820 Tz. 11 - Ivadal). Sie gelten auch nach Novellierung des § 50 Abs. 1 MarkenG und der Einführung des Eintragungshindernisses der bösgläubigen Markenanmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG weiter, weil hierdurch die für die bösgläubige Markenanmeldung bestehenden Maßstäbe nicht geändert werden sollten, sondern das Entstehen ungerechtfertigter Markenrechte im Interesse der Rechtssicherheit bereits im Eintragungsverfahren verhindert werden sollte (vgl. Begründung zu Art. 2 Abs. 9 Nr. 1 lit. c und Nr. 5 lit. a des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Reform des Geschmacksmusterrechts - Geschmacksmusterreformgesetz, BT-Drucks. 15/1075, S. 67 f.). Eine bösgläubige Markenanmeldung kommt danach in Betracht, wenn der Anmelder weiß, dass ein anderer dasselbe oder ein verwechselbares Zeichen für dieselben oder ähnliche Waren benutzt, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben, und wenn besondere Umstände hinzukommen, die das Verhalten des Anmelders als sittenwidrig erscheinen lassen. Solche besonderen Umstände können darin liegen, dass der Zeicheninhaber in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstandes des Vorbenutzers ohne zureichenden sachlichen Grund für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen die gleiche oder eine zum Verwechseln ähnliche Bezeichnung mit dem Ziel der Störung des Besitzstandes des Vorbenutzers oder in der Absicht, für diesen den Gebrauch der Bezeichnung zu sperren, als Kennzeichen hat eintragen lassen (vgl. zu § 50 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG a.F.: , GRUR 2000, 1032, 1034 = WRP 2000, 1293 - EQUI 2000; zu § 4 Nr. 10 UWG: , GRUR 2008, 917 Tz. 20 = WRP 2008, 1319 - EROS; BGH WRP 2009, 820 Tz. 13 - Ivadal).

Erforderlich ist danach, dass eine gleiche oder zum Verwechseln ähnliche Bezeichnung als Marke angemeldet wird. Das hat das Bundespatentgericht im vorliegenden Fall verneint. Es hat angenommen, dass die angegriffene Bildmarke, die einen weißen Sportschuh darstellt, Schutz nur für die konkrete Abbildung genießt und sich der von der Antragstellerin vertriebene schwarze Schuh mit weißem "H" hiervon deutlich unterscheidet. Ist der Sportschuh der Antragstellerin aber wegen deutlicher Unterschiede nicht dem auf der in Rede stehenden Marke abgebildeten Schuh zum Verwechseln ähnlich, scheidet eine bösgläubige Markenanmeldung unter dem Gesichtspunkt der Störung des Besitzstands des Vorbenutzers aus. Darauf, ob die vom Bundespatentgericht vorgenommene Würdigung zutrifft, kommt es für die Frage der Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht an.

cc)

An diesem Ergebnis ändert auch die weitere Rüge der Rechtsbeschwerde nichts, das Bundespatentgericht habe nicht zur Kenntnis genommen, dass der Markeninhaber aus seiner Marke drei Abnehmer der Antragstellerin abgemahnt habe. Aus diesen Abmahnungen folge, dass die angegriffene Marke nicht nur in den schutzwürdigen Besitzstand der Antragstellerin eingreifen konnte, sondern der Markeninhaber tatsächlich in den Besitzstand eingegriffen habe.

Das Bundespatentgericht hat diesen Vortrag, wenn auch in anderem Zusammenhang, berücksichtigt. Aus den Abmahnungen ergibt sich jedoch nicht, dass die kollidierenden Bezeichnungen verwechselbar sind und die angegriffene Marke deshalb einen Eingriff in den Besitzstand der Antragstellerin an den von ihr vertriebenen schwarzen Sportschuhen mit dem in der Farbe Weiß gehaltenen Buchstaben "H" ermöglicht.

dd)

Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde weiter geltend, das Bundespatentgericht habe, soweit es bei einem unterstellten wertvollen Besitzstand die Sittenwidrigkeit der Markenanmeldung verneint habe, wesentlichen Vortrag der Antragstellerin nicht zur Kenntnis genommen.

Das Bundespatentgericht hat es als nicht erwiesen angesehen, dass es dem Markeninhaber im Zeitpunkt der Markenanmeldung im November 2004 ausschließlich oder überwiegend um eine rechtsmissbräuchliche Behinderung Dritter gegangen sei. Dass es in diesem Zusammenhang Vortrag der Antragstellerin nicht zur Kenntnis genommen und erwogen hat, zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf. Die Abmahnungen der Abnehmer der Antragstellerin hat das Bundespatentgericht berücksichtigt. Die Frage, ob es die Bedeutung dieser Abmahnungen für die Beurteilung der Bösgläubigkeit der Markenanmeldungen zutreffend gewürdigt hat, berührt nicht den Anspruch der Antragstellerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Entsprechendes gilt für die Berücksichtigung der Zahl der mit der Verzierung in Gestalt eines "H" versehenen Sportschuhe, die der Markeninhaber im Jahre 2004 abgesetzt hat.

ee)

Die Rechtsbeschwerde rügt weiterhin, das Bundespatentgericht habe nicht berücksichtigt, dass auch ohne Vorliegen eines wertvollen Besitzstandes ein rechtsmissbräuchliches Verhalten gegeben sein könne, wenn der Anmelder die Marke zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einsetze.

Auch mit diesem Vorbringen hat die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg. Das Bundespatentgericht hat diesen Gesichtspunkt in seine Erwägungen einbezogen. Es ist lediglich aufgrund einer Abwägung der für und gegen eine bösgläubige Markenanmeldung sprechenden Indizien einschließlich der vom Markeninhaber ausgesprochenen Abmahnungen zu dem Schluss gelangt, dass die Voraussetzungen nach § 8 Abs. 2 Nr. 10, § 50 Abs. 1 MarkenG nicht vorliegen. Ob das Bundespatentgericht die Gewichtung der einzelnen Indizien zutreffend vorgenommen hat, ist keine Frage der Gewährung des rechtlichen Gehörs.

b)

Die Rechtsbeschwerde meint, selbst wenn das Bundespatentgericht das als übergangen gerügte Vorbringen der Antragstellerin zur Kenntnis genommen habe, sei der angefochtene Beschluss zumindest nicht mit Gründen versehen. Mit diesem Vorbringen hat die Rechtsbeschwerde ebenfalls keinen Erfolg.

Die Vorschrift des § 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG soll allein den Anspruch der Beteiligten auf Mitteilung der Gründe sichern, aus denen ihr Rechtsbegehren keinen Erfolg hat. Es kommt deshalb nur darauf an, ob erkennbar ist, welcher Grund für die Entscheidung maßgebend gewesen ist. Dagegen ist nicht entscheidend, ob die Beurteilung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht fehlerfrei ist. Dem Erfordernis einer Begründung ist daher schon genügt, wenn die Entscheidung zu jedem selbständigen Angriffs- und Verteidigungsmittel Stellung nimmt (vgl. , GRUR 2003, 546, 548 = WRP 2003, 655 - TURBO-TABS). Diesen Anforderungen an den Begründungszwang genügt der angefochtene Beschluss. Ihm ist zu allen als übergangen gerügten Punkten zu entnehmen, aufgrund welcher Erwägungen das Bundespatentgericht eine Bösgläubigkeit der Markenanmeldung verneint hat. Die Begründung ist weder inhaltsleer noch verworren oder widersprüchlich. Darauf, ob das Bundespatentgericht die Anforderungen an den Nachweis der Bösgläubigkeit der Markenanmeldung überspannt hat, kommt es im Rahmen des § 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG nicht an.

c)

Nach Ansicht der Antragstellerin ist ihre zulassungsfreie Rechtsbeschwerde zudem deshalb begründet, weil das Bundespatentgericht die Frage, unter welchen Voraussetzungen von einer Bösgläubigkeit der Markenanmeldung auszugehen ist, nicht dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorgelegt hat. Auch diese Begründung verhilft der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg.

Allerdings ist der Begriff der Bösgläubigkeit in § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG, mit dem der deutsche Gesetzgeber von der Option des Art. 3 Abs. 2 lit. d MarkenRL Gebrauch gemacht hat, richtlinienkonform auszulegen (BGH WRP 2009, 820 Tz. 18 - Ivadal). Daraus folgt aber nicht, dass sich im Streitfall eine Vorlagefrage zur Auslegung des Begriffs der Bösgläubigkeit der Markenanmeldung stellt und das Bundespatentgericht die Vorlagepflicht verletzt hat. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist zwar gesetzlicher Richter i.S. des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfG NJW 1992, 678; NJW 2001, 1267, 1268) . Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch Entziehung des gesetzlichen Richters wegen unterlassener Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ist jedoch nur gegeben, wenn die Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 3 EG in unhaltbarer Weise verletzt worden ist (BGH GRUR 2003, 546, 547 - TURBO-TABS). Dafür hat die Rechtsbeschwerde nichts dargelegt und ist auch sonst nichts ersichtlich.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Abs. 2 Satz 1 MarkenG.

Fundstelle(n):
SAAAD-26512

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: ja