BFH Beschluss v. - IV B 114/08

Ansparabschreibung nur für hinreichend konkretisierte Investitionsvorhaben

Gesetze: EStG § 7g, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3, HGB § 269

Instanzenzug:

Gründe

I. 1. Die Klägerin und Beschwerdeführerin zu 1. (Klägerin zu 1.) betrieb im Streitjahr (2004) ein Unternehmen, das Sprachdienstleistungen (Übersetzungen etc.) erbrachte. An dem Betrieb beteiligte sich der Kläger und Beschwerdeführer zu 2. (Kläger zu 2.) aufgrund eines im Dezember des Streitjahres geschlossenen Vertrages als (atypisch) stiller Gesellschafter mit einer Bareinlage in Höhe von insgesamt 2 000 €, die ihm einen Gewinnanteil von 0,5 % vermittelte. Der vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) für das Jahr 2004 festgestellte Gewinn belief sich auf 30 500 €, derjenige des Jahres 2005 auf rd. 37 000 €. Dem lagen —in etwa gleich den Verhältnissen in den Vorjahren— Umsätze in Höhe von 67 883,50 € (2004) und 107 786 € (2005), Personalkosten (Aushilfslöhne) über 367,50 € (2004) und 2 903 € (2005) sowie Aufwendungen für freie Mitarbeiter in Höhe von 9 900 € (2004) und 14 050 € (2005) zu Grunde. Die Buchwerte der im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfassten Anlagegüter beliefen sich zum Ende des Jahres 2004 auf weniger als 38 000 €.

2. Das FA lehnte bei der Feststellung des im Streitjahr erzielten Gewinns (30 500 €) einen Betriebsausgabenabzug in Höhe von 153 687,11 € für die im Sonderbetriebsvermögen des Klägers zu 2. gebildete Rücklage (sog. Ansparabschreibung) nach § 7g Abs. 3 und 6 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung (§ 7g EStG a.F.) ab. Dem Antrag war eine Liste für in den Jahren 2005 und 2006 vorgesehene Investitionen beigefügt, die insgesamt 95 Einzelpositionen (u.a. Büro- und EDV-Ausstattung, PKW) umfasste sowie einen Gesamtinvestitionswert von 384 217,77 € auswies.

3. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte hierzu aus, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Prüfung des Merkmals, ob der Steuerpflichtige i.S. von § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG a.F. „voraussichtlich” Wirtschaftsgüter anschaffen oder herstellen werde, eine Prognoseentscheidung über das zukünftige Investitionsverhalten erfordere. Da hiernach nur ernst gemeinte Investitionsvorhaben begünstigt seien, bedürfe es —auch zur Wahrung des Gebots der gleichmäßigen Besteuerung— einer einzelfallbezogenen Würdigung, ob die Investition tatsächlich geplant sei oder nur „ins Blaue hinein” zum Zwecke der Steuerersparnis behauptet werde. Von Letzterem sei im Streitfall auszugehen, da die „vorgelegte Investitionsliste” angesichts des durch den persönlichen Einsatz der Klägerin zu 1. geprägten Unternehmens (kleiner Betrieb mit geringem Personalaufwand) nur bei einer wesentlichen Erweiterung „sinnvoll (gewesen sei)”. Für eine nicht ernst gemeinte Behauptung zukünftiger Investitionen spreche auch, dass der Kläger zu 2. sich in zumindest zwei weiteren Fällen nach gleichem Muster an kleineren Firmen beteiligt habe, ohne dass die Investitionen durchgeführt worden wären. Zudem —so die Vorinstanz weiter— sei mit Rücksicht auf die nach der vorgelegten Liste vorgesehenen Investitionen davon auszugehen, dass diese auf eine wesentliche Erweiterung des bestehenden Betriebs gezielt hätten (Verdoppelung der Kostenstruktur in Verbindung mit dem Erfordernis von Umsatzsteigerungen). In Fällen dieser Art fordere der BFH, dass die Wirtschaftsgüter, die einer solchen Betriebserweiterung dienten, am Ende des Gewinnermittlungszeitraums bereits verbindlich bestellt sein müssten. Auch hieran fehle es im Streitfall, ohne dass es darauf ankäme, ob die Wirtschaftsgüter, die Gegenstand der Ansparabschreibung sein sollen, zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen des künftigen Betriebs gehörten. Die Revision wurde vom FG nicht zugelassen.

II. Der Senat kann offenlassen, ob die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügt. Sie ist jedenfalls nicht begründet.

1. Soweit die Beschwerdebegründung darauf abstellt, dass nach der Rechtsprechung des BFH die Bildung der Ansparabschreibung einerseits nicht voraussetze, dass der Steuerpflichtige seine Absicht zur Durchführung der Investition glaubhaft mache (vgl. z.B. , BFHE 197, 448, BStBl II 2002, 385), andererseits aber für bestimmte Fallgruppen (Betriebsgründung, wesentliche Betriebserweiterung) eine Konkretisierung der Investitionsabsicht zum Ende des Gewinnermittlungszeitraums z.B. in Form einer verbindlichen Bestellung der Investitionsgüter fordere, und dem Streitfall deshalb grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zukomme, weil er Anlass gebe, die Fallgruppe der wesentlichen Betriebserweiterung zu konkretisieren, verkennt der Vortrag, dass das Urteil der Vorinstanz nur im Rahmen einer kumulativen Begründung auf die vorgenannte Differenzierung abgestellt hat. Das FG ist mit anderen Worten —unabhängig von der Zuordnung des Streitfalls zur Fallgruppe der wesentlichen Betriebserweiterung— bereits im Rahmen einer einzelfallbezogenen Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass nach den objektiven Gegebenheiten des streitigen Sachverhalts der geltend gemachten Ansparabschreibung kein hinreichend konkretisiertes (ernsthaftes) Investitionsvorhaben zugrunde liegt. Dies entspricht in rechtlicher Hinsicht nicht nur der Einschätzung des I. Senats des BFH (vgl. Urteil vom I R 104/05, BFHE 218, 323, BStBl II 2007, 957, insbesondere unter II.2.d der Gründe; gl.A. Schmidt/Kulosa, EStG, 27. Aufl., § 7g Rz 16 a.E.), sondern auch dem Zweck der Ansparbegünstigung (Senatsurteil vom IV R 30/00, BFHE 199, 170, BStBl II 2004, 182) sowie dem verfassungsrechtlichen Gebot, unberechtigte Mitnahmeeffekte auszuschließen (vgl. , BFHE 200, 343, BStBl II 2004, 184). Folge hiervon ist des Weiteren, dass —was die Beschwerde gleichfalls verkannt hat— die Würdigung des Einzelfalls durch das FG nach § 118 Abs. 2 FGO Bindungswirkung entfaltet, und deshalb die Zulassung der Revision nur dann in Betracht kommen kann, wenn —woran es vorliegend fehlt— in substantiierter Form Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) geltend gemacht werden, auf denen die Einzelfallwürdigung der Vorinstanz beruhen kann.

2. Im Übrigen könnte die Beschwerde auch dann nicht durchdringen, wenn der Zuordnung des Streitfalls zur Fallgruppe der wesentlichen Betriebserweiterung entscheidungserhebliche Bedeutung zuzumessen wäre.

a) Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang eine Divergenz des FG gegenüber den BFH-Urteilen in BFHE 197, 448, BStBl II 2002, 385 (keine Glaubhaftmachung), in BFHE 199, 170, BStBl II 2004, 182 (betreffend Betriebseröffnung) sowie in BFHE 200, 343, BStBl II 2004, 184 (betreffend Betriebserweiterung) rügen, ist der Vortrag nicht substantiiert, da der Beschwerdeschrift nicht entnommen werden kann, dass das Urteil der Vorinstanz auf abstrakten und entscheidungserheblichen Rechtssätzen beruht, die von gleichfalls abstrakten und entscheidungserheblichen Rechtssätzen der in Bezug genommenen Entscheidungen abweichen (vgl. hierzu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 42, m.w.N.).

b) Nicht durchzudringen vermögen ferner die Ausführungen, dem Streitfall komme deshalb grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), weil es der Klärung bedürfe, ob der Begriff der Erweiterung des Geschäftsbetriebs (§ 269 des HandelsgesetzbuchsHGB—) lediglich aus der Höhe des Investitionsvolumens abgeleitet werden könne. Der Vortrag lässt außer Acht, dass der BFH die zur Fallgruppe der Betriebseröffnung entwickelten Konkretisierungserfordernisse lediglich „in Anlehnung” an die Wertung des § 269 HGB auf Fälle der wesentlichen Betriebserweiterung erstreckt hat; er würdigt zudem nicht, dass —wie vom BFH bereits ausgesprochen— das Merkmal der Erweiterung des Geschäftsbetriebs i.S. von § 269 HGB zwar einerseits restriktiv ausgelegt wird, andererseits aber Einvernehmen darüber besteht, dass hierunter eine „wesentliche” und „außerordentliche” Kapazitätserweiterung zu fassen ist (, BFH/NV 2005, 846; , BFH/NV 2008, 945). Nichts anderes könnte sich schließlich aus den Erläuterungen der Beschwerde ergeben, dass —gleich der Behandlung der Fallgruppe der Betriebseröffnung— auch im Rahmen einer (wesentlichen) Betriebserweiterung die Konkretisierungserfordernisse nur wesentliche Betriebsgrundlagen erfassten. Dies lässt unberücksichtigt, dass nach der Rechtsprechung des BFH das Merkmal der wesentlichen Betriebsgrundlage normspezifisch auszulegen und deshalb im Falle einer Betriebseröffnung die Konkretisierung des Investitionsvorhabens i.S. von § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG a.F. im Hinblick auf diejenigen Anlagegüter zu prüfen ist, ohne die der Betrieb nicht geführt werden kann (, BFH/NV 2005, 2186). Nichts anderes kann für die Fallgruppe der Betriebserweiterung gelten mit der Folge, dass auch hier —normspezifisch— zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen die für die (behauptete) Erweiterung des Betriebs erforderlichen Anlagegüter zu rechnen sind (vgl. —in diesem Sinne auch— BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 846).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 1420 Nr. 9
RAAAD-26226