BGH Urteil v. - IV ZR 115/05

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: VBLS § 78 Abs. 1; VBLS § 78 Abs. 2; VBLS § 79 Abs. 2 S. 1, 2, 3

Instanzenzug: LG Karlsruhe, 6 S 45/04 vom AG Karlsruhe, 10 C 77/04 vom

Tatbestand

I.

Die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) hat die Aufgabe, Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Mit Neufassung ihrer Satzung vom (BAnz. Nr. 1 vom ) hat die Beklagte ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum (Umstellungsstichtag) umgestellt. Den Systemwechsel hatten die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im Tarifvertrag Altersversorgung vom (ATV) vereinbart. Damit wurde das frühere - auf dem Versorgungstarifvertrag vom (Versorgungs-TV) beruhende - endgehaltsbezogene Gesamtversorgungssystem aufgegeben und durch ein auf einem Punktemodell beruhendes Betriebsrentensystem ersetzt.

Die neue Satzung der Beklagten (VBLS) enthält Übergangsregelungen zum Erhalt von bis zur Systemumstellung erworbenen Rentenanwartschaften. Diese werden wertmäßig festgestellt und als so genannte Startgutschriften auf die neuen Versorgungskonten der Versicherten übertragen. Dabei werden Versicherte, deren Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist, in rentennahe und rentenferne Versicherte unterschieden. Rentennah ist, wer am das 55. Lebensjahr vollendet hatte und im Tarifgebiet West beschäftigt war bzw. dem Umlagesatz des Abrechnungsverbandes West unterfiel oder Pflichtversicherungszeiten in der Zusatzversorgung vor dem vorweisen konnte. Die Anwartschaften der rentennahen Versicherten werden weitgehend nach dem alten Satzungsrecht ermittelt und übertragen (§§ 78 Abs. 1 und 2, 79 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 VBLS), wohingegen sich die Anwartschaften der rentenfernen Versicherten nach § 18 Abs. 2 BetrAVG berechnen (§§ 78 Abs. 1 und 2, 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS).

II.

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Systemumstellung, die Wirksamkeit der Übergangsregelung und über die Höhe der erteilten Startgutschrift.

Die am geborene und bei der Beklagten rentenberechtigte Klägerin ist seit dem schwerbehindert. Die Beklagte setzte mit Mitteilung vom die Startgutschrift der Klägerin nach den für rentennahe Versicherte geltenden Grundsätzen unter Zugrundelegung eines Gesamtbeschäftigungsquotienten von 0,54 fest. Die Klägerin erstrebt vorrangig die Fortschreibung ihrer Rentenanwartschaft nach dem vor der Systemumstellung geltenden Satzungsrecht über den Umstellungsstichtag hinaus.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht - unter Klageabweisung im Übrigen - festgestellt, die Beklagte sei verpflichtet, der Klägerin bei Eintritt des Versicherungsfalles mindestens eine Betriebsrente zu gewähren, die dem geringeren Betrag der nach ihrer alten Satzung (Fassung der 41. Änderung) entweder zum Umstellungsstichtag () oder zum Eintritt des Versicherungsfalles errechneten Zusatzrente entspricht.

Die Klägerin verfolgt mit ihrer Revision ihre bisherigen Anträge weiter, soweit sie damit abgewiesen worden ist. Die Beklagte begehrt mit ihrer Revision die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Gründe

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils sowie zur Wiederherstellung des die Klage abweisenden amtsgerichtlichen Urteils. Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht sieht gegen den Systemwechsel keine rechtlichen Bedenken, sofern bei der Umstellung nicht in erdiente Anwartschaften eingegriffen werde. Als erdient anzusehen sei eine Anwartschaft auf eine dynamische Versorgungsrente. Ein Eingriff liege dann vor, wenn ein Versicherter bei Eintritt des Versicherungsfalles im Zeitpunkt des Systemwechsels nach der alten Satzung eine wesentlich höhere Leistung erhalten hätte als in der Startgutschrift ausgewiesen. Dies lasse sich jeweils nur im Einzelfall ermitteln. Nach den von der Beklagten auch in anderen Verfahren vorgelegten Berechnungen sei aber jedenfalls zur Zeit des Systemwechsels eine überaus große Verminderung der errechneten Rentenanwartschaft festzustellen, die sich meist noch über einen langen Zeitraum erstrecke. Die jeweilige Verminderung stelle einen erheblichen, von den Tarifvertragsparteien jedoch unbeabsichtigten Eingriff in die erdienten Anwartschaften dar. Auch die Klägerin sei von einem derartigen Eingriff betroffen. Dieser unbeabsichtigte Eingriff stehe einer unbewussten Regelungslücke gleich, die durch eine ergänzende Auslegung geschlossen werden müsse, wenn sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ausreichende Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen der Vertragsparteien ergäben oder eine bestimmte Regelung nach objektiver Betrachtung dringend geboten sei. Hier liege es nahe, dass die Tarifvertragsparteien die Lücke mit der von ihm, dem Berufungsgericht, getroffenen Regelung geschlossen hätten, wenn sie sich des Eingriffs in geschützte Anwartschaften bewusst gewesen wären. Weitergehende unzulässige Eingriffe lägen dagegen nicht vor.

II.

Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung insoweit nicht stand, als das Berufungsgericht einen ungerechtfertigten Eingriff angenommen hat.

Die Übergangsregelungen für rentennahe Versicherte sind wirksam. Der Senat hat bereits mit Urteil vom (BGHZ 174, 127 Tz. 25 ff., 27) entschieden, dass die Satzung der Beklagten auch ohne Zustimmung der Versicherten und im Wege einer umfassenden Systemumstellung geändert werden konnte. Mit Urteil vom (IV ZR 134/07 - BGHZ 178, 101) hat der Senat dies bestätigt und die Berechnung der bis zum Zeitpunkt der Systemumstellung von den rentennahen Versicherten erworbenen Rentenanwartschaften sowie deren Übertragung in das neu geschaffene Betriebsrentensystem gebilligt. Die von den Tarifvertragsparteien im Rahmen ihres weiten Gestaltungsspielraums getroffene Regelung ist jedenfalls vertretbar und schon aus diesem Grunde verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt insbesondere für die Festschreibung der Rechengrößen, wie etwa des Gesamtbeschäftigungsquotienten, zum Umstellungsstichtag (vgl. BGHZ 178, 101 Tz. 46 ff.). Im Einzelnen wird auf die Ausführungen in den genannten Senatsurteilen verwiesen.

Deshalb kann die Klägerin mit ihren weitergehenden Anträgen keinen Erfolg haben, worauf das Amtsgericht zutreffend erkannt hat.

Fundstelle(n):
TAAAD-24024

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein