BFH Urteil v. - II R 10/07

Revisionsbegründung durch Bezugnahme auf Beschwerdebegründung; Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts, wenn ermittelter Wert eines Erbbaurechts gegen das Übermaßverbot verstößt

Leitsatz

Verstoßen die Belastungsfolgen der typisierenden Bewertung eines Erbbaurechts gemäß § 148 Abs. 1 Satz 2 BewG gegen das Übermaßverbot oder sind sie auch unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Planvorstellungen durch den gebotenen Anlass nicht mehr gerechtfertigt, ist der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts des Erbbaurechts durch den Steuerpflichtigen zuzulassen.
Bei der Ermittlung des gemeinen Werts eines Erbbaurechts ist auch ein Bodenwertanteil zu berücksichtigen, wenn der Erbbauzins niedriger ist als eine angemessene, ortsübliche Bodenwertverzinsung.
Entspricht der Erbbauzins einer angemessenen, ortsüblichen Bodenwertverzinsung, wird die Belastung des Grundstücks mit dem Erbbaurecht durch den Kapitalwert des Erbbauzinses ausgeglichen. Der Bodenwert ist in diesem Fall in vollem Umfang dem Erbbauverpflichteten (Grundstückseigentümer) zuzurechnen.
Die in einem Erbbau-Heimstättenänderungsvertrag getroffenen Vereinbarungen über ein Vorkaufsrecht des Grundstückseigentümers und die grundsätzliche Genehmigungsbedürftigkeit der Veräußerung des Erbbaurechts sind als persönliche Verhältnisse bei der Bestimmung des gemeinen Werts des Erbbaurechts nicht zu berücksichtigen.

Gesetze: FGO § 120, ZPO § 551 Abs. 3, BewG § 9, BewG § 148 Abs. 1

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erhielt durch notariell beurkundeten Vertrag vom von ihrer Großmutter ein an einem Grundstück des Landes B bestehendes Erbbaurecht geschenkt, das im Jahr 1940 durch einen Erbbau-Heimstättenvertrag bestellt und dessen Geltungsdauer durch den Erbbau-Heimstättenänderungsvertrag vom bis Ende 2073 verlängert worden war. Nach dem Änderungsvertrag sollte der Erbbauzins jährlich steigen und ab jährlich 2 430,50 DM betragen. Dieser Erbbauzins wäre bereits früher zu zahlen gewesen, wenn die Erbbauberechtigte das Erbbaurecht an fremde Dritte verschenkt, verkauft oder vererbt hätte.

Zu einer Veräußerung des Erbbaurechts, die nicht im Wege der Zwangsversteigerung oder durch den Konkursverwalter erfolgt, bedarf der Erbbauberechtigte der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Grundstückseigentümers oder des von ihm Beauftragten. Diese Vereinbarung sollte Inhalt des Erbbaurechts i.S. des § 5 der Verordnung über das Erbbaurecht werden, sobald das Erbbaurecht die Eigenschaft als Reichsheimstätte verliert. Unbeschadet der Regelungen des § 11 des Reichsheimstättengesetzes (RHeimStG) über das Vorkaufsrecht räumte der Erbbauberechtigte in dem Vertrag vom dem jeweiligen Grundstückseigentümer für alle Verkaufsfälle das im Erbbaugrundbuch einzutragende Vorkaufsrecht an dem Erbbaurecht ein, soweit die Veräußerung nicht an den Ehegatten oder an bestimmte verwandte oder verschwägerte Personen erfolgt. Bei Ausübung des Vorkaufsrechts ist höchstens der Betrag zu zahlen, der sich bei Zugrundelegung des Wertes der Baulichkeiten und Verbesserungen ergibt.

Das seinerzeit zuständige Finanzamt (FA) stellte den Grundstückswert des Erbbaurechts auf den in der Einspruchsentscheidung auf 136 000 DM fest. Es legte der Berechnung dieses Werts nach § 148 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Bewertungsgesetzes in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung (BewG) als Wert des unbelasteten Grundstücks statt des (niedrigeren) Ertragswerts (§ 146 Abs. 2 bis 5 BewG) den Mindestwert gemäß § 146 Abs. 6 i.V.m. § 145 Abs. 3 BewG (181 240 DM) zu Grunde und zog hiervon das 18,6fache des jährlichen Erbbauzinses (2 430 DM x 18,6 = 45 198 DM) ab.

Die Klägerin legte zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts des Erbbaurechts Gutachten vor, die ein Sachverständiger für bebaute und unbebaute Grundstücke erstellt hatte. Danach betragen der Gebäudewert zum 48 000 DM und der Bodenwert ohne Belastung durch das Erbbaurecht zum 361 914 DM = 185 043,69 €. Um den Bodenwertanteil des Erbbaurechts zu bestimmen, ging der Sachverständige von einer Restlaufzeit des Erbbaurechts von 76 Jahren, einem zum Stichtag vereinbarten Erbbauzins von jährlich 1 242,69 € und einem angemessenen Jahreszins von 5 % von 185 000 € = 9 250 € aus. Den Bodenwertanteil des Erbbaurechts errechnete er, indem er die Differenz von 8 007,31 € zwischen dem angemessenen Jahreszins und dem vereinbarten Erbbauzins mit einem Vervielfältiger von 19,51 und einem Wertfaktor von 0,3 multiplizierte. Hieraus errechnete sich ein Bodenwertanteil des Erbbaurechts von 46 866,79 €, gerundet 47 000 €. Der Sachverständige führte dazu aus, der Bodenwertanteil könne bei einer Veräußerung des Erbbaurechts wegen der getroffenen vertraglichen Vereinbarungen nicht realisiert werden.

Die mit dem Antrag, den Grundstückswert des Erbbaurechts auf 48 000 DM festzustellen, erhobene Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) vertrat unter Bezugnahme auf die (BFHE 204, 570, BStBl II 2004, 1036) und vom II R 57/02 (BFHE 207, 52, BStBl II 2004, 1041) die Auffassung, der festgestellte Grundstückswert verstoße nicht gegen das Übermaßverbot. Der gemeine Wert des Erbbaurechts setze sich aus dem Gebäudewert von 48 000 DM und dem Bodenwertanteil von mindestens 91 924 DM zusammen, betrage mithin zumindest 139 924 DM und sei somit höher als der in der Einspruchsentscheidung festgestellte Grundstückswert von 136 000 DM. Der Bodenwertanteil sei in die Berechnung des gemeinen Werts einzubeziehen, da der vereinbarte Erbbauzins niedriger als der angemessene, ortsübliche sei. Die Bindungen durch den Erbbaurechtsvertrag seien durch den niedrigen Wertfaktor von 0,3 angemessen berücksichtigt. Für das Ergebnis sei es ohne Bedeutung, dass der Sachverständige seiner Berechnung einen zu hohen vereinbarten Erbbauzins (2 430,50 DM = 1 242,69 €) statt 1 890,39 DM zugrunde gelegt und deshalb den Bodenwertanteil zu niedrig angesetzt habe.

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision beantragte die Klägerin neben der Revisionszulassung, die Vorentscheidung aufzuheben und den Grundstückswert des Erbbaurechts auf 48 000 DM festzustellen. Zur Begründung führte sie aus, es sei eine verfassungsrechtlich nicht hinnehmbare Ungleichbehandlung, dass § 148 Abs. 1 BewG dem Erbbauberechtigten anders als einem Grundstückseigentümer nicht die Möglichkeit des Nachweises eines geringeren gemeinen Werts einräume. Das FG habe bei der Ermittlung des gemeinen Werts des Erbbaurechts zu Unrecht einen fiktiven Bodenwertanteil berücksichtigt. Der vereinbarte Erbbauzins sei zwar aus sozialen Gründen niedrig veranschlagt worden, aber dennoch angemessen und ortsüblich, da er für weite Kreise der Bevölkerung angewandt worden sei. Der Bodenwertanteil lasse sich aufgrund der in dem Erbbaurechtsvertrag getroffenen Vereinbarungen nicht durch einen Verkauf realisieren. Eine Veräußerung des Erbbaurechts zu einem höheren Preis als 48 000 DM sei danach nicht möglich. Die Bewertung des Erbbaurechts durch das FA widerspreche demgemäß dem Übermaßverbot und zudem dem Sozialstaatsgebot.

Nachdem der BFH die Revision zugelassen hatte, reichte die Klägerin innerhalb der Frist für die Begründung der Revision (§ 116 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. § 120 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—) einen Schriftsatz ein, mit dem sie erklärte, sich wegen der Revisionsanträge und der Revisionsbegründung auf die bereits in der Nichtzulassungsbeschwerde gestellten Anträge und deren Begründung zu beziehen und diese jeweils zum Gegenstand des Revisionsvorbringens zu machen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das inzwischen zuständig gewordene FA) beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

Die Bezugnahme auf die Nichtzulassungsbeschwerde genüge nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine Revisionsbegründung. Das FG habe im Übrigen die Rechtslage zutreffend beurteilt.

II. Die Revision ist zwar zulässig, aber unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zu Recht angenommen, dass die Feststellung des Grundstückswerts in der Einspruchsentscheidung rechtmäßig sei.

1. Die Revision ist zulässig.

a) Nach § 551 Abs. 3 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann zur Begründung der Revision auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde Bezug genommen werden, wenn die Revision aufgrund der Nichtzulassungsbeschwerde zugelassen worden ist. Eine vergleichbare Vorschrift enthält zwar § 120 Abs. 3 FGO nicht. Nach § 155 FGO ist § 551 Abs. 3 Satz 2 ZPO aber entsprechend anwendbar. Eine derartige Bezugnahme auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde kann eine eigenständige Revisionsbegründung allerdings nur ersetzen, wenn die Beschwerdebegründung den inhaltlichen Anforderungen an die Revisionsbegründung genügt (, BFH/NV 2008, 1691, m.w.N.).

Soweit der BFH in seiner früheren Rechtsprechung eine zur Revisionsbegründung erfolgte Bezugnahme auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig angesehen hat, wenn der Revision keine Abschrift der Beschwerdebegründung beigefügt war (Beschluss vom I R 73/91, BFH/NV 1995, 402), ist diese Rechtsprechung inzwischen durch gesetzliche Neuregelungen überholt.

Zum einen sah es der BFH in diesem Beschluss als entscheidend an, dass das FG der Nichtzulassungsbeschwerde abgeholfen hatte mit der Folge, dass die Beschwerdebegründung dem BFH nicht zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt worden war. Eine derartige Abhilfemöglichkeit des FG ist in der FGO inzwischen nicht mehr vorgesehen. Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision und deren Begründung sind vielmehr stets beim BFH einzureichen (§ 116 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 2 FGO). Über die Beschwerde entscheidet der BFH (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO).

Zum anderen wurde inzwischen § 551 Abs. 3 Satz 2 ZPO durch das Zivilprozessreformgesetz vom (BGBl I 2001, 1887) in die ZPO eingefügt. Eine nochmalige Übersendung der dem Revisionsgericht bereits vorliegenden Beschwerdebegründung wird darin nicht gefordert. Eine solche Forderung wäre auch eine mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbare leere Förmelei.

b) Die Begründung der Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision genügt den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 Buchst. a FGO an eine Revisionsbegründung. Sie enthält sowohl einen ausdrücklich formulierten Revisionsantrag als auch die Angabe der Revisionsgründe, nämlich die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung nach Ansicht der Klägerin ergibt.

2. Der vom FA in der Einspruchsentscheidung für das Erbbaurecht festgestellte Grundstückswert entspricht den maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften und ist auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen zu verringern.

a) Die Revision hat nicht bereits deshalb Erfolg, weil die in § 148 Abs. 1 BewG geregelte Bewertung von Erbbaurechten und der durch diese Rechte belasteten Grundstücke mit dem verfassungsrechtlichen Erfordernis einer Bewertung, die die Wertverhältnisse in ihrer Relation realitätsgerecht abbildet, nach dem (BVerfGE 117, 1, BStBl II 2007, 197 Abschn. C. II. 2. e) nicht vereinbar war. § 148 BewG ist trotz des festgestellten Verfassungsverstoßes im Streitfall anwendbar. Das BVerfG hat nämlich von einer Nichtigerklärung der Vorschrift oder der Forderung nach einer rückwirkenden Änderung abgesehen und auf die geplante Neuregelung der Bewertung von Erbbaurechten und der durch diese Rechte belasteten Grundstücke in § 148 BewG hingewiesen, die inzwischen durch Art. 18 Nr. 4 i.V.m. Art. 20 Abs. 6 des Jahressteuergesetzes 2007 vom (BGBl I 2006, 2878) mit Wirkung zum Gesetz geworden ist.

b) § 148 BewG war nicht wegen eines Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot verfassungswidrig. Der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts des Erbbaurechts war zwar im Wortlaut der Vorschrift nicht vorgesehen, aber bei verfassungskonformer Auslegung für den Fall zuzulassen, dass andernfalls ein Verstoß gegen das grundgesetzliche Übermaßverbot vorliegen würde (BFH-Urteile in BFHE 207, 52, BStBl II 2004, 1041, und vom II R 58/02, BFH/NV 2006, 1804, m.w.N.).

Der für das Erbbaurecht nach dem Gesetzeswortlaut festzustellende Wert kann deshalb gegen das Übermaßverbot verstoßen, weil der nach § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG ermittelte und nach § 148 Abs. 1 Satz 2 BewG vom Wert des (unbelasteten) Grundstücks abzuziehende Wert des belasteten Grundstücks unrealistisch niedrig ausfällt, etwa weil aus sozialen Gründen ein geringer Erbbauzins vereinbart wurde. Verstoßen die Belastungsfolgen der typisierenden Bewertung eines Erbbaurechts gemäß § 148 Abs. 1 Satz 2 BewG gegen das Übermaßverbot oder sind sie —anders ausgedrückt— auch unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Planvorstellungen durch den gebotenen Anlass nicht mehr gerechtfertigt, so ist der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts des Erbbaurechts durch den Steuerpflichtigen zuzulassen (BFH-Urteile in BFHE 207, 52, BStBl II 2004, 1041, und in BFH/NV 2006, 1804). Dem Einwand, § 148 BewG sei wegen möglicher Überbewertungen verfassungswidrig, ist dadurch der Boden entzogen (, BFH/NV 2005, 2170).

c) Das FG hat zutreffend angenommen, dass bei der Ermittlung des Grundstückswerts des Erbbaurechts der nach § 148 Abs. 1 Satz 2 BewG als Minuend anzusetzende Wert des unbelasteten Grundstücks nicht niedriger bemessen werden durfte als der Wert, mit dem der Grund und Boden allein als unbebautes Grundstück nach § 145 Abs. 3 BewG zu bewerten gewesen wäre (BFH-Urteile in BFHE 207, 52, BStBl II 2004, 1041, und in BFH/NV 2006, 1804).

d) Ein Verstoß gegen das Übermaßverbot liegt im Streitfall nicht vor. Zwar fällt der nach der Differenzmethode abzuziehende Wert des belasteten Grundstücks nach § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG unrealistisch niedrig aus, weil der vereinbarte jährliche Erbbauzins umgerechnet lediglich 1 242,69 € betrug, während sich der angemessene Jahreszins nach dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten auf 9 250 € belief. Ein Verstoß gegen das Übermaßverbot folgt daraus indes nicht. Der sich aus dem Gebäudewert von 48 000 DM und dem Bodenwertanteil von (mindestens) 91 924 DM (vgl. dazu unten e) zusammensetzende gemeine Wert des Erbbaurechts von zumindest 139 924 DM ist höher als der in der Einspruchsentscheidung festgestellte Grundstückswert von 136 000 DM.

e) Das FG hat bei der Ermittlung des gemeinen Werts des Erbbaurechts zu Recht auch den Bodenwertanteil berücksichtigt. Der gemeine Wert wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BewG). Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 BewG sind ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse bei der Bestimmung des gemeinen Werts nicht zu berücksichtigen. Als persönliche Verhältnisse sind nach § 9 Abs. 3 Satz 1 BewG auch Verfügungsbeschränkungen anzusehen, die in der Person des Steuerpflichtigen oder eines Rechtsvorgängers begründet sind.

aa) Entspricht der Erbbauzins einer angemessenen, ortsüblichen Bodenwertverzinsung, wird die Belastung des Grundstücks mit dem Erbbaurecht durch den Kapitalwert des Erbbauzinses ausgeglichen. Der Bodenwert ist daher in diesem Fall in vollem Umfang dem Erbbauverpflichteten (Grundstückseigentümer) zuzurechnen. Ist der Erbbauzins jedoch niedriger, so hat der Erbbauberechtigte einen Vorteil, der bei der Ermittlung des Werts des Erbbaurechts berücksichtigt werden muss (Simon in Kleiber/Simon, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 5. Aufl., Abschn. VIII Rz 131 f.; Halaczinsky, Der Erbschaftsteuer-Berater —ErbStB— 2007, 261; Nr. 5.2.1.5 der Wertermittlungs-Richtlinien —WertR— 76/96; Beispiel 2 in Anlage 12 WertR 76/96; nunmehr Nr. 4.3.2.2.1 WertR 2006; Beispielrechnung Nr. 2 in Anlage 12 WertR 2006), und zwar durch Ansatz eines Bodenwertanteils. Zur Ermittlung dieses Bodenwertanteils ist von der Differenz zwischen dem erzielbaren Erbbauzins und dem am Wertermittlungsstichtag angemessenen Bodenverzinsungsbetrag des unbelasteten Grundstücks auszugehen. Die sich ggf. ergebende Differenz ist mit dem entsprechenden Barwertfaktor (Vervielfältiger) auf die Restlaufzeit des Erbbaurechts zu kapitalisieren (Simon, a.a.O., Abschn. VIII Rz 154 bis 156) und mit einem regelmäßig zwischen 0,3 und 0,8 liegenden Wertfaktor zu multiplizieren. Der Wertfaktor ist umso größer, je geringer die Einschränkungen für den Erbbauberechtigten sind; er ist umso kleiner, je größer sie sind (Nr. 5.2.2.3.1 WertR 76/96). Die Berücksichtigung dieser Wertfaktoren ist in den —im Streitfall nicht einschlägigen— WertR 2006 nicht mehr vorgesehen (Simon, a.a.O., Abschn. VIII Rz 146). Nunmehr soll ein Marktanpassungsfaktor angewendet werden (Nr. 4.3.2.2 WertR 2006; dazu Simon, a.a.O., Abschn. VIII Rz 147).

bb) Die Voraussetzungen für den Ansatz eines Bodenwertanteils sind im Streitfall erfüllt. Wie der Sachverständige in dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten ausgeführt hat, war der zum Bewertungsstichtag zu zahlende Erbbauzins weit niedriger als der angemessene Jahreszins. Als angemessener Jahreszins ist dabei der am freien Markt übliche anzusehen. Dass nach den Angaben der Klägerin bei der Ausgabe von Reichsheimstätten in B in zahlreichen Fällen aus sozialen Gründen ebenfalls ein niedriger Erbbauzins vereinbart wurde, spielt keine Rolle. Derartige Zinsvereinbarungen ändern nämlich nichts daran, dass der niedrige Zins einen bei der Bewertung des Erbbaurechts zu berücksichtigenden Vorteil für den Erbbauberechtigten darstellt.

Da der Ansatz des Bodenwertanteils auf der für den Erbbauberechtigten vorteilhaften Vereinbarung eines niedrigen Erbbauzinses beruht, widerspricht er auch nicht dem Sozialstaatsgebot.

cc) Ob die im Erbbau-Heimstättenänderungsvertrag getroffenen Vereinbarungen über ein Vorkaufsrecht des Grundstückseigentümers und die grundsätzliche Genehmigungsbedürftigkeit der Veräußerung des Erbbaurechts einer Realisierung des aus dem Gebäudewert und dem Bodenwertanteil zusammengesetzten Werts durch eine Veräußerung des Erbbaurechts entgegengestanden hätten, kann auf sich beruhen. Ist dies der Fall, bliebe der gemeine Wert des Erbbaurechts dadurch unberührt.

Bei diesen Vereinbarungen handelt es sich um Verfügungsbeschränkungen i.S. des § 9 Abs. 3 Satz 1 BewG, die als persönliche Verhältnisse bei der Bestimmung des gemeinen Werts nicht zu berücksichtigen sind (§ 9 Abs. 2 Satz 3 BewG). Verfügungsbeschränkungen i.S. des § 9 Abs. 3 Satz 1 BewG können auf Gesetz oder Rechtsgeschäft beruhen und absoluter oder relativer Art sein (, BFH/NV 1998, 587).

Wie der BFH im Anschluss an die neuere Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (Urteil vom III 9/38, RFHE 44, 116, RStBl 1938, 612) durch Urteil vom

III 92 und 106/55 S (BFHE 61, 429, BStBl III 1955, 365) entschieden hat, zählen die Bindungen, denen der Heimstätter unterliegt, darunter das Vorkaufsrecht des Ausgebers der Reichsheimstätte i.V.m. gewissen Beschränkungen des Kaufpreises, zu den Verfügungsbeschränkungen in diesem Sinn. Dies entspricht dem Gedanken der Sicherstellung der Heimstätte als wohnliche Lebensgrundlage. Spekulatives Verhalten des Heimstätters sollte durch die Verfügungsbeschränkungen ausgeschlossen werden. Demgemäß muss auch bei der Bewertung der Heimstätte der Gesichtspunkt der gesicherten Wohnung gegenüber dem das BewG im Allgemeinen beherrschenden Gesichtspunkt der Wertermittlung nach dem im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zu erzielenden Veräußerungspreis (§ 9 Abs. 2 Satz 1 BewG) in den Vordergrund gestellt werden.

Nichts anderes kann für entsprechende Verfügungsbeschränkungen gelten, die dem (ehemaligen) Heimstätter durch Vertrag auferlegt sind.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
LAAAD-22369