BFH Urteil v. - XI R 21/08

Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten eines gemischt genutzten Gebäudes

Leitsatz

Die teilweise Nutzung eines gemischt genutzten Gebäudes zu privaten Wohnzwecken begründet keinen Anspruch auf Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten des Gebäudes, wenn die Umsätze aus der unternehmerischen Nutzung steuerfrei sind.
Die unentgeltliche Nutzung eines unternehmerischen Gegenstands für den privaten Bedarf führt nur unter der Voraussetzung zu einem "besteuerten Umsatz" im Sinne des Art. 17 Abs. 2 RL 77/388/EWG, dass der verwendete Gegenstand bei seinem Erwerb oder seiner Herstellung wegen der beabsichtigten unternehmerischen Nutzung zum Abzug der Vorsteuerbeträge berechtigt hat.

Gesetze: UStG § 3 Abs. 9a, UStG § 4 Nr. 12, UStG § 15 Abs. 1

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) bei steuerfreier Vermietung eines Teils eines gemischtgenutzten Gebäudes hinsichtlich der Herstellungskosten eines zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäudeteils zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

Die Klägerin erwarb im Juli 2001 ein Grundstück, auf dem sie ein Gebäude errichtete. Das Gebäude wurde im September 2002 fertig gestellt.

Mit Vertrag vom vermietete die Klägerin eine Teilfläche von 39,53 % des Gebäudes steuerfrei an eine GmbH. Im Übrigen wurde das Gebäude zu privaten Wohnzwecken genutzt.

In ihrer am beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) eingegangenen Umsatzsteuererklärung für 2002 machte die Klägerin die Vorsteuern aus den Herstellungskosten des Gebäudes geltend, soweit diese auf den zu privaten Wohnzwecken genutzten Gebäudeteil entfielen.

Das FA setzte die Umsatzsteuer 2002 mit Bescheid vom auf 0 € fest. Die geltend gemachten Vorsteuerbeträge berücksichtigte es nicht.

Einspruch und Klage hiergegen hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Es führte aus, die Vorsteuerabzugsberechtigung für den zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäudeteil scheitere daran, dass diese Nutzung keinen steuerpflichtigen Umsatz darstelle. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1501 veröffentlicht.

Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Revision vor, das FG sei in seinem Urteil von der Rechtsprechung des (BFHE 203, 206, BStBl II 2004, 371) zur teilweisen Verwendung des dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes zu privaten Zwecken abgewichen.

Sie beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben sowie den Umsatzsteuerbescheid 2002 in Form der Einspruchsentscheidung vom dahingehend abzuändern, dass die Umsatzsteuer 2002 erklärungsgemäß festgesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Verwendung eines Gebäudeteils zu privaten Wohnzwecken im Streitfall kein Recht auf Abzug von Vorsteuern eröffnet.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) kann ein Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ist vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen die Steuer für die Lieferungen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet.

a) Im Streitfall war die Klägerin bei der Herstellung des Gebäudes nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, weil die (beabsichtigte) unternehmerische Nutzung, die Vermietung der Gewerberäume, gemäß § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfrei war. Der Vorsteuerabzug für hierfür bezogene Leistungen ist daher nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen.

b) Auch die teilweise Nutzung des Gebäudes zu privaten Wohnzwecken berechtigt nicht zum Vorsteuerabzug.

Nach Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) ist der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug befugt, „soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden”.

Der Senat hat zu einem Sachverhalt, der mit dem des Streitfalls vergleichbar ist, mit Urteil vom XI R 58/07 (BFH/NV 2009, 519) entschieden, dass eine teilweise Nutzung zu privaten Wohnzwecken keinen Anspruch auf Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten des Gebäudes begründet, wenn die Umsätze aus der unternehmerischen Nutzung steuerfrei sind. Denn dann führt auch die Nutzung zu privaten Wohnzwecken nicht zu einem „besteuerten Umsatz”. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Inhalt dieses Urteils Bezug genommen.

Für den Streitfall ergibt sich ein anderes Ergebnis nicht daraus, dass in dem BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 519 die Privatnutzung zu einem nach § 4 Nr. 28 Buchst. b UStG 1993 steuerfreien Eigenverbrauch i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b UStG 1993 geführt hatte und die letztgenannte Vorschrift mit Wirkung ab dem aufgehoben worden ist (vgl. Art. 7 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb i.V.m. Art. 18 Abs. 2 des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom —StEntlG 1999/2000/2002—, BGBl I 1999, 402).

Denn auch nach dem für das Streitjahr 2002 maßgeblichen Recht führt die Nutzung zu privaten Wohnzwecken nicht zu einem besteuerten Umsatz i.S. des Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG, wenn die unternehmerische Nutzung steuerfrei ist.

Gemäß § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 UStG wird einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellt „die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen”. Die Vorschrift gilt mit Wirkung ab dem (vgl. Art. 7 Nr. 2 Buchst. c i.V.m. Art. 18 Abs. 2 StEntlG 1999/2000/2002).

Sie beruht auf Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG. Danach werden den Dienstleistungen gegen Entgelt gleichgestellt „die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen…oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat”.

Danach führt —wie der Senat bereits in seinem Urteil in BFH/NV 2009, 519 entschieden hat— die unentgeltliche Nutzung eines unternehmerischen Gegenstands für den privaten Bedarf nur unter der Voraussetzung zu einem „besteuerten Umsatz” i.S. des Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG, dass der verwendete Gegenstand bei seinem Erwerb oder seiner Herstellung wegen der beabsichtigten unternehmerischen Nutzung zum Abzug der Vorsteuerbeträge berechtigt hat.

Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn die Umsätze aus der unternehmerischen Verwendung —wie im Streitfall— steuerfrei sind.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 1154 Nr. 7
HFR 2009 S. 697 Nr. 7
FAAAD-21078