Verrechnung des Anspruchs des Insolvenzschuldners auf Vorsteuervergütung mit Insolvenzforderung des Finanzamts
Leitsatz
Der BFH hält daran fest, dass das Finanzamt weder durch § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO noch durch Nr. 3 dieser Vorschrift gehindert ist, gegen einen aus der Rechnung des vorläufigen Insolvenzverwalters resultierenden Vorsteuervergütungsanspruch des Schuldners die Aufrechnung mit Insolvenzforderungen zu erklären, soweit sichergestellt ist, dass der Vorsteuervergütungsanspruch des Schuldners ausschließlich auf der in der Rechnung des vorläufigen Insolvenzverwalters ausgewiesenen Umsatzsteuer bzw. auf anderen, ebenso vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten, Vorsteuerbeträgen beruht.
Gesetze: UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1, InsO § 53, InsO § 54 Nr. 2, InsO § 96
Instanzenzug: ,
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurde in dem am eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der X-GmbH (Schuldnerin) zum Insolvenzverwalter bestellt, nachdem er bis dahin als vorläufiger Insolvenzverwalter tätig gewesen war. Die für die Schuldnerin abgegebene Umsatzsteuervoranmeldung für das III. Quartal 2004 ergab ein Guthaben der Schuldnerin in Höhe von . €, welches sich in Höhe von . € aus dem Vorsteuerbetrag aus der Rechnung des Klägers für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter ergab. Gegen diesen Teilbetrag des Guthabens erklärte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die Aufrechnung mit einer offenen Umsatzsteuerforderung für März 2002 und erließ, nachdem der Kläger insoweit Einwendungen erhoben hatte, einen entsprechenden Abrechnungsbescheid.
Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Das FG urteilte, dass die Aufrechnung weder gegen § 96 Abs. 1 Nr. 1 noch gegen § 96 Abs. 1 Nr. 3 der Insolvenzordnung (InsO) verstoße. Ein Aufrechnungsverbot ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters zu den Masseverbindlichkeiten gehöre.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) stützt.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe ungeachtet der Mängel bei ihrer gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen schlüssigen Darlegung jedenfalls nicht vorliegen.
1. Die von der Beschwerde bezeichnete Frage, ob die Aufrechnung mit Insolvenzforderungen gegen den aus der Rechnung des vorläufigen Insolvenzverwalters resultierenden Vorsteuervergütungsanspruch gegen den Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens, insbesondere gegen § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO, verstößt, weil die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters zu den Kosten des Insolvenzverfahrens gehört, ist nicht klärungsbedürftig, da sie sich anhand der Rechtsprechung des beschließenden Senats beantworten lässt.
Der Senat hat bereits entschieden, dass das FA weder durch § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO noch durch Nr. 3 dieser Vorschrift gehindert ist, gegen einen aus der Rechnung des vorläufigen Insolvenzverwalters resultierenden Vorsteuervergütungsanspruch des Schuldners die Aufrechnung mit Insolvenzforderungen zu erklären, soweit sichergestellt ist, dass der Vorsteuervergütungsanspruch des Schuldners ausschließlich auf der in der Rechnung des vorläufigen Insolvenzverwalters ausgewiesenen Umsatzsteuer bzw. auf anderen, ebenso vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten, Vorsteuerbeträgen beruht (, BFHE 208, 296, BStBl II 2006, 193; vom VII R 4/06, BFHE 216, 385, BStBl II 2007, 747; vom VII R 7/06, BFHE 216, 390, BStBl II 2007, 745; sowie —betreffend die Vergütung des vorläufigen Vergleichsverwalters— vom VII R 47/98, BFHE 188, 149, BStBl II 1999, 423). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest; die Beschwerde zeigt keine neuen Gesichtspunkte auf, die eine erneute Senatsentscheidung in einem Revisionsverfahren erfordern.
§ 96 InsO regelt abschließend, unter welchen Voraussetzungen die gemäß §§ 94, 95 InsO grundsätzlich mögliche Aufrechnung von Forderungen im Insolvenzverfahren unzulässig ist. Weitere Aufrechnungsverbote lassen sich aus dem „Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens” nicht herleiten. Dementsprechend hat der Senat mit Urteil in BFHE 188, 149, BStBl II 1999, 423 entschieden, dass der Zulässigkeit der Aufrechnung nicht entgegensteht, dass die zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung gestellte Verwaltervergütung —obwohl vor Konkurseröffnung begründet— zu den Massekosten gehört und vorweg aus der Masse zu befriedigen ist, denn es gibt keine Kongruenz der Art, dass der Vorsteuervergütungsanspruch des Schuldners, der aus der vorweg aus der Masse zu befriedigenden Verwaltervergütung einschließlich Umsatzsteuer resultiert, in der Masse verbleiben und nur den Massegläubigern zur Verfügung stehen müsste. An dieser Rechtsprechung, welche das FG im Streitfall seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat, ist ebenfalls festzuhalten, denn die für den seinerzeit zu entscheidenden Streitfall maßgebenden Vorschriften —§ 55 Nr. 1, § 57, § 58 Nr. 2 der Konkursordnung— stimmen im Wesentlichen mit den vorliegend anzuwendenden Vorschriften —§ 53, § 54 Nr. 2 und § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO— überein. Es ist nach wie vor nicht erkennbar, weshalb es rechtlich geboten sein soll, eine zur Insolvenzmasse gehörende, vor Insolvenzeröffnung begründete Forderung durch ein weiteres, gesetzlich nicht vorgesehenes Aufrechnungsverbot zu „privilegieren” bzw. sie einer nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Forderung gleichzustellen, nur weil sie im Zusammenhang mit einer vorweg zu befriedigenden Masseverbindlichkeit steht.
Für die Zulässigkeit der Aufrechnung im Streitfall kommt es daher gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO nur darauf an, ob der Vorsteuervergütungsanspruch der Schuldnerin, soweit er auf dem in der Rechnung des vorläufigen Insolvenzverwalters (Klägers) ausgewiesenen Vorsteuerbetrag beruht, im Sinne dieser Vorschrift vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden ist. Dies hat das FG zutreffend bejaht.
2. Eine erneute Revisionsentscheidung zu dieser Frage ist auch nicht deshalb zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) erforderlich, weil das (Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 1139) eine abweichende Rechtsauffassung vertreten hat, denn der beschließende Senat hat zwar die gegen jenes Urteil gerichtete Revision als unbegründet zurückgewiesen, hat sich dabei jedoch nicht der Auffassung des FG Nürnberg angeschlossen, sondern dessen Entscheidung aus anderen Gründen für zutreffend gehalten (Senatsurteil in BFHE 216, 385, BStBl II 2007, 747).
Es ist auch weder seitens der Beschwerde vorgetragen noch ersichtlich, dass inzwischen andere Finanzgerichte die Rechtsfrage ebenso wie das FG Nürnberg entschieden haben, so dass aus diesem Grund eine Revisionsentscheidung des Senats geboten wäre.
3. Soweit der Beschwerdeschriftsatz vom…neues Vorbringen zum Aufrechnungsverbot gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO enthält, ist dieses erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist (§ 116 Abs. 3 FGO) erfolgt und kann deshalb —ungeachtet der Frage, ob es überhaupt die Revisionszulassung rechtfertigen könnte— nicht berücksichtigt werden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 892 Nr. 6
QAAAD-20474