BFH Beschluss v. - VII B 169/08

Widerruf der Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls; Gefährdung von Auftraggeberinteressen; Rechtsfragen zum Entlastungsbeweis grundsätzlich geklärt

Gesetze: StBerG § 46 Abs. 2 Nr. 4, GG Art. 12, GG Art. 3

Instanzenzug:

Gründe

I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen den Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 des SteuerberatungsgesetzesStBerG—) durch den Bescheid der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Steuerberaterkammer)…als unbegründet abgewiesen. Das FG hat die Voraussetzungen für den Widerruf der Bestellung als Steuerberater als gegeben angesehen, da der Kläger mit mehreren eidesstattlichen Versicherungen im Schuldnerverzeichnis eingetragen sei und er die daraus folgende Vermutung des Vermögensverfalls nicht widerlegt habe. Es habe sich auch nicht feststellen lassen, dass eine Gefährdung der Interessen der Auftraggeber durch den Vermögensverfall des Klägers ausgeschlossen sei. Vielmehr sei von einer solchen Gefährdung auszugehen, da der Kläger Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt sowie Einkommensteuer- und Umsatzsteuerschulden habe und seit 2003 keine Steuererklärungen mehr abgebe.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—) stützt.

II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert.

1. Die im Zusammenhang mit dem sog. Entlastungsbeweis stehenden Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des beschließenden Senats geklärt. Bei einem Vermögensverfall des Steuerberaters sieht § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG den Widerruf der Bestellung zwingend vor, es sei denn, die Interessen der Auftraggeber sind dadurch nicht gefährdet. Das Gesetz geht damit beim Vorliegen des Vermögensverfalls des Steuerberaters grundsätzlich davon aus, dass dadurch die Interessen seiner Auftraggeber gefährdet sind und gestattet nur in Ausnahmefällen („es sei denn”) ein Absehen von dem gebotenen Widerruf der Bestellung; aus diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis folgt zugleich, dass die Darlegungs- und Feststellungslast für diesen gesetzlichen Ausnahmetatbestand dem betroffenen Steuerberater obliegt (, BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203; vom VII R 64/06, BFHE 220, 558, BStBl II 2008, 401; Senatsbeschluss vom VII B 245/99, BFH/NV 2000, 992). Der Nachweis der Nichtgefährdung der Auftraggeberinteressen bezieht sich nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats auf die nach den Besonderheiten des Einzelfalls zu beurteilende konkrete Gefährdungssituation für die Mandanten des in Vermögensverfall geratenen Steuerberaters, da ansonsten —beim Abstellen auf jede denkbare potentielle Gefährdung von Mandanten— der Entlastungsbeweis nicht geführt werden könnte. Erforderlich ist insoweit ein substantiierter und glaubhafter Vortrag, aufgrund dessen mit hinreichender Gewissheit die grundsätzlich beim Vermögensverfall zu unterstellende Gefahr ausgeschlossen werden kann, dass der Steuerberater seine Berufspflichten unter dem Druck seiner desolaten Vermögenslage verletzen wird (Senatsurteil in BFHE 220, 558, BStBl II 2008, 401, m.w.N.). Die Beantwortung der Frage, ob dieser Entlastungsbeweis gelungen ist, erfordert eine dem Tatrichter vorbehaltene zusammenfassende Beurteilung der komplexen Verhältnisse des Einzelfalls, bei der eine Reihe gesetzlich nicht abschließend festgelegter Kriterien zu berücksichtigen ist, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Möglichkeit einer Gefährdung von Auftraggeberinteressen sprechen können (ständige Rechtsprechung, Senatsurteile in BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203; vom VII R 68/99, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2000, 741, und in BFHE 220, 558, BStBl II 2008, 401).

Zur Begründung einer gleichwohl vorliegenden grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hätte die Beschwerde eingehend begründen müssen, warum sie eine erneute Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu den betreffenden Fragen im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung für erforderlich hält, und hätte hierfür substantiiert darlegen müssen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die bereits höchstrichterlich beantworteten Fragen umstritten sind, insbesondere welche neuen gewichtigen, vom BFH bislang nicht geprüften Einwände in der Literatur und/oder in der Rechtsprechung der Instanzgerichte gegen die höchstrichterliche Auffassung erhoben werden (vgl. , BFH/NV 2000, 985, m.w.N.).

Diesen Anforderungen wird die Beschwerde jedoch nicht gerecht. Mit der von ihr bezeichneten Frage, ob „weiterhin für den Widerruf der Bestellung die potentielle (abstrakte) Gefährdung der Interessen der Auftraggeber ausreichend ist oder ob hier generell eine konkrete Gefährdung vorliegen muss”, verkennt sie zum einen, dass es nach der vorstehend dargestellten Rechtsprechung des Senats hinsichtlich des sog. Entlastungsbeweises ohnehin auf die konkrete Gefährdungssituation für die Mandanten ankommt, und zum anderen, dass insoweit die Darlegungs- und Feststellungslast nicht der Steuerberaterkammer, sondern dem betroffenen Steuerberater obliegt.

Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) hinsichtlich des von einem in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 der Bundesrechtsanwaltsordnung zu führenden sog. Entlastungsbeweises. Auch der BGH beurteilt die Frage, ob der Entlastungsbeweis geführt ist, aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände (vgl. BGH-Beschlüsse vom AnwZ (B) 43/03, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 2005, 511; vom AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924). Wenn daher der BGH in einem zu entscheidenden Einzelfall eines Rechtsanwalts im Rahmen der Gesamtwürdigung bestimmte einzelne Umstände zu dessen Gunsten berücksichtigt hat, so stellt es keine Abweichung von dieser Entscheidung dar und führt auch nicht zu klärungsbedürftigen Rechtsfragen, wenn in einem anderen Fall diesen Umständen bei der Gesamtwürdigung ein geringeres Gewicht beigemessen wird und andere Umstände in den Vordergrund rücken.

So hat das FG im Streitfall entscheidend auf die Unzuverlässigkeit des Klägers abgestellt, die dadurch deutlich geworden ist, dass er Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt, seine Steuerschulden nicht beglichen und Steuererklärungen nicht abgegeben hat. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des beschließenden Senats, der wiederholt darauf hingewiesen hat, dass eine konkrete Gefährdung von Auftraggeberinteressen nicht verneint werden kann, wenn festgestellt worden ist, dass der Steuerberater in sonstigen geschäftlichen oder auch eigenen Angelegenheiten unzuverlässig ist und sich an gesetzliche Vorgaben nicht hält, denn in diesem Fall ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Steuerberater unter dem Druck seiner Vermögenslosigkeit auch Mandanteninteressen unter Missachtung vertraglicher Vereinbarungen verletzt, so groß, dass von einer konkreten Gefährdung von Auftraggeberinteressen auszugehen ist (Senatsurteil in BFHE 220, 558, BStBl II 2008, 401, m.w.N.).

Auf die Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) kann sich der Kläger —wie das FG zutreffend ausgeführt hat— nicht berufen, da er den Vorschriften des StBerG unterliegt, weshalb der Hinweis der Beschwerde auf die im RDG geregelten Registrierungsvoraussetzungen bzw. die Voraussetzungen für den Widerruf der Registrierung nicht geeignet ist, für den Streitfall maßgebliche grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfragen darzulegen.

Der beschließende Senat hat auch bereits wiederholt ausgeführt, dass § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG mit der nach Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) garantierten Berufsfreiheit in Einklang steht (Senatsurteil in BFHE 220, 558, BStBl II 2008, 401, m.w.N.) und dass es auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, wenn der Gesetzgeber für unterschiedliche Berufsgruppen jeweils anders lautende Berufszulassungsregelungen erlässt (Senatsurteil vom VII R 56/03, BFH/NV 2004, 1426). Allein mit der Behauptung der Beschwerde, dass § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG bzw. seine Anwendung durch die Gerichte verfassungswidrig sei, wird die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt.

2. Soweit die Beschwerde rügt, dass das FG hinsichtlich der an den Entlastungsbeweis zu stellenden Anforderungen seine Hinweispflicht verletzt habe, fehlt es an Ausführungen, was der Kläger vorgetragen hätte, wenn der von ihm für erforderlich gehaltene Hinweis erfolgt wäre.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 972 Nr. 6
FAAAD-20469