BGH Urteil v. - IX ZR 198/07

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: InsO § 96 Abs. 1; InsO § 134 Abs. 1; InsO § 143 Abs. 1; BGB § 814

Instanzenzug: LG Weiden, 2 S 66/07 vom AG Weiden, 1 C 144/07 vom

Tatbestand

Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom am eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der P. GmbH (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin bot ihren Kunden die Möglichkeit an, am Erfolg oder Misserfolg von Optionsgeschäften teilzunehmen. Sie warb mit jährlich zu erzielenden Renditen zwischen 8,7 v.H. und 14,07 v.H. Die Beklagten erklärten am gemeinsam ihren Beitritt. Tatsächlich erlitt die Schuldnerin im Zeitraum der Beteiligung der Beklagten Verluste. Um diese zu verschleiern, leitete sie den Anlegern Kontoauszüge zu, in denen frei erfundene Gewinne ausgewiesen waren. Die Gelder der Anleger wurden nur zu einem geringen Teil und später überhaupt nicht mehr in Termingeschäften angelegt. Die Einlagen von Neukunden verwendete die Schuldnerin in der Art eines "Schneeballsystems" für Aus- und Rückzahlungen an Altkunden. Die Beklagten leisteten im Jahr 2000 eine Einlage von 7.669,38 EUR und ein Agio von 230,08 EUR sowie im Jahr 2001 eine weitere Einlage von 5.112,92 EUR und ein weiteres Agio von 153,39 EUR. Sie erhielten Auszahlungen am in Höhe von 8.000 EUR und am von 8.062,40 EUR.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger aus Insolvenzanfechtung den Differenzbetrag zwischen den an die Beklagten geleisteten Auszahlungen und ihren Einlagen (3.280,10 EUR) zuzüglich vorgerichtlicher, auf die gerichtliche Verfahrensgebühr nicht anrechenbarer Rechtsanwaltskosten (174,87 EUR), jeweils zuzüglich Zinsen. Das Amtsgericht hat der Klage nur zu gut einem Fünftel stattgegeben. Die teilweise erfolgreiche Berufung des Klägers führte zu einer Verurteilung in Höhe von 1.928,79 EUR. Mit seiner zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren in vollem Umfang weiter.

Gründe

Die Revision des Klägers hat Erfolg und führt zur vollständigen Verurteilung der Beklagten.

I.

Das Berufungsgericht hat gemeint, dem Kläger stehe ein Anspruch aus § 134 Abs. 1, § 143 Abs. 1 InsO zu. Da die Schuldnerin nur vorgespiegelt habe, aus Termingeschäften Gewinne erzielt zu haben, seien die Gewinne objektiv ohne Gegenleistung der Beklagten ausgezahlt worden. Die Beklagten seien jedoch trotz gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO eingreifenden Aufrechnungsverbots so zu stellen, als könnten sie mit einem Schadensersatzanspruch auf Rückzahlung der beiden Agio und des entgangenen Gewinns aus einer versäumten anderweitigen Anlage des bei der Schuldnerin eingelegten Betrages aufrechnen. Dies habe der Bundesgerichtshof unter Geltung der Konkursordnung so entschieden (BGHZ 113, 98, 105 f) . Diese Rechtsprechung sei auf den vorliegenden Fall übertragbar.

II.

Dies hält rechtlicher Prüfung in einem entscheidenden Punkt nicht Stand.

1.

Noch zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, der Insolvenzverwalter könne die Auszahlung von in "Schneeballsystemen" erzielten Scheingewinnen durch den späteren Insolvenzschuldner als objektiv unentgeltliche Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO anfechten. Dies entsprach schon der Rechtsprechung unter Geltung der Konkursordnung (BGHZ 113, 98, 101 ff ; , WM 1991, 331, 332 f), die der Senat im Anwendungsbereich der Insolvenzordnung fortgeführt hat (, ZIP 2008, 975 f Rn. 6 ff; v. - IX ZR 195/07, WM 2009, 178, 179 f; zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Die Anfechtbarkeit ausgezahlter Scheingewinne nach § 134 InsO zieht die Revisionserwiderung weder im Allgemeinen in Zweifel noch greift sie die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts an, dass die Schuldnerin die Auszahlungen an die Anleger vollumfänglich in Form eines "Schneeballsystems" erbracht habe.

2.

Hingegen bestehen durchgreifende Bedenken gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagten seien jedenfalls so zu stellen, als könnten sie mit ihrem gegen die Schuldnerin begründeten Schadensersatzanspruch gegen den aus der Anfechtung gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO folgenden Rückgewähranspruch aufrechnen. Die Vorinstanz hat sich hierbei auf eine noch unter Geltung der Konkursordnung ergangene Rechtsprechung des Senats gestützt (BGHZ 113, 98, 105 f) , die im Anwendungsbereich der Insolvenzordnung jedoch nicht fortzuführen ist (vgl. aaO S. 179 Rn. 7). Das jüngst ergangene Senatsurteil betrifft ein Parallelverfahren zu dem vorliegenden Rechtsstreit; auf die dort niedergelegten Gründe wird verwiesen. Insbesondere wird - anders als noch im Anwendungsbereich der Konkursordnung - durch § 814 BGB ein Normwiderspruch nicht mehr hervorgerufen. Auch wenn es diese Vorschrift nicht gäbe und sich bereits vor Insolvenzeröffnung ein Bereicherungsanspruch der Schuldnerin und der Schadensersatzanspruch der Beklagten gegenübergestanden hätten, wäre eine wirksame Aufrechnung wegen § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO nicht in Betracht gekommen (vgl. aaO S. 179 Rn. 8 ff).

Der Normzweck des § 814 BGB fordert auch aus anderen Gründen als dem durch die Insolvenzordnung beseitigten Wertungswiderspruch keine Einschränkung des aus § 143 Abs. 1 InsO folgenden Rückgewähranspruchs. Auf die Ausführungen in der Parallelsache wird auch insoweit Bezug genommen ( aaO S. 180 f Rn. 14 ff).

3.

Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).

a)

Der Anspruch scheitert nicht an einem Wegfall der Bereicherung (§ 143 Abs. 2 Satz 1 InsO). Zu Unrecht meinen die Beklagten, sie seien nicht bereichert, weil ihnen in Höhe der Klageforderung ein Schadensersatzanspruch gegen die Schuldnerin zugestanden habe. Die Auszahlungen sind nicht auf einen Schadensersatzanspruch der Beklagten, sondern nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen auf die angeblich erzielten Gewinne sowie die Einlage erfolgt. Damit hat die Schuldnerin die Zahlung einem bestimmten (fiktiven) Schuldverhältnis zugeordnet. Eine andere Sicht verbietet sich insbesondere im Hinblick auf den mit den Zahlungen verfolgten Zweck, der dahin ging, die Machenschaften der Schuldnerin zu verdecken (vgl. aaO S. 181 Rn. 19).

Soweit die Beklagten außerdem meinen, sie dürften die Einlage als Aufwand für den Erwerb des Anspruchs auf Zinsen abziehen, übersehen sie, dass die Einlage bereits bei der Berechnung der Klageforderung berücksichtigt worden ist und nicht doppelt in Abzug gebracht werden darf.

b)

Treu und Glauben (§ 242 BGB) stehen dem Rückgewähranspruch nicht entgegen. Es gibt keinen Grund, die Beklagten gegenüber anderen getäuschten Anlegern besser zu stellen (vgl. auch hierzu aaO Rn. 21).

III.

1.

Das angefochtene Urteil kann damit nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und die Sache nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine ersetzende Sachentscheidung getroffen (§ 563 Abs. 3 ZPO).

2.

Der Zinsanspruch auf die Hauptforderung ist in der begehrten Höhe ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens berechtigt (§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4 BGB, § 291 ZPO; BGHZ 171, 38, 43 Rn. 13 ff). Da die Zinsen erst ab einem Zeitpunkt nach der Eröffnung begehrt werden, ist für den Zinsbeginn jener maßgeblich (§ 308 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Die Nebenforderung auf Ersatz der außergerichtlich angefallenen Anwaltsgebühren ist aus dem Gesichtspunkt des Verzuges begründet.

Fundstelle(n):
DAAAD-20409

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein