BFH Beschluss v. - VIII B 227/07

§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken; Betriebsausgabecharakter von Aufwendungen einer Kapitalgesellschaft schließt verdeckte Gewinnausschüttungen nicht aus

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 76, FGO § 96, KStG § 8 Abs. 3

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen das angefochtene Urteil des Finanzgerichts (FG) ist unbegründet.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen nicht vor.

1. Eine Zulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO kommt nicht in Betracht, weil der Rechtsstreit weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Zulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts geboten ist.

a) Soweit die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Beschwerde mit der Verfassungswidrigkeit des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO begründen, hat ihr Begehren schon deshalb keinen Erfolg, weil die Vorschrift nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs —BFH— (vgl. , BFH/NV 2005, 896) und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) auch im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet (vgl. , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1990, 447, unter Bezugnahme auf , BVerfGE 65, 76).

b) Des Weiteren hat der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Sie liegt nach ständiger Rechtsprechung nämlich nur vor, wenn über Rechtsfragen zu entscheiden ist, deren Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt und die klärungsbedürftig sowie im Streitfall auch klärbar sind (vgl. BFH-Beschlüsse vom VIII B 101/03, BFH/NV 2004, 777; vom VIII B 229/02, BFH/NV 2003, 909; vom VIII B 138/01, BFH/NV 2003, 303).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall hinsichtlich der von den Klägern für klärungsbedürftig gehaltenen Rechtsfragen,

- "nach welchen Grundsätzen das FG in einem Steuerprozess den seiner Urteilsfindung zu Grunde zu legenden Tatbestand aufzunehmen hat und

- ob das FG den Tatbestand Rechtsgrundsätzen aufgrund gesicherter einheitlicher Rechtsprechung anpassen darf”,

ersichtlich nicht erfüllt.

Zum einen sind die Anforderungen an die Sachaufklärung durch das FG von der Rechtsprechung geklärt. Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen unter Ausschöpfung aller verfügbaren Beweismittel bis zur Grenze des Zumutbaren so vollständig wie möglich (, BFH/NV 2007, 732, m.w.N.) und hat dabei Aufklärungsmaßnahmen zu ergreifen, wenn sich dafür ein Anlass aus den beigezogenen Akten, dem Beteiligtenvorbringen oder sonstigen Umständen ergibt (, BFH/NV 2005, 2227). Zum anderen ist durch die Rechtsprechung geklärt, dass das FG seiner Überzeugungsbildung nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO das Gesamtergebnis des Verfahrens, also den gesamten konkretisierten Prozessstoff, insbesondere den Inhalt der vorgelegten Akten sowie das Vorbringen der Beteiligten (quantitativ) vollständig wie auch (qualitativ) einwandfrei zu berücksichtigen und nur auf dieser Grundlage seine Entscheidung zu treffen hat (, BFH/NV 2007, 486). Wird dagegen verstoßen, liegt ein Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vor (vgl. BFH-Beschlüsse vom IX B 194/03, BFH/NV 2005, 1354; vom II B 106/05, BFH/NV 2006, 975, m.w.N.).

c) Auch die für klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage,

„ob sich der Charakter von betrieblichen Aufwendungen und Erträgen einer Kapitalgesellschaft dadurch ändert, dass sie in Verbindung mit an der Gesellschaft beteiligten Personen stehen”,

ist ersichtlich durch die Rechtsprechung in dem Sinne geklärt, dass der Betriebsausgabencharakter von Aufwendungen einer Kapitalgesellschaft deren Erfassung als verdeckte Gewinnausschüttung zugunsten ihrer Gesellschafter oder ihnen nahestehender Personen nicht ausschließt (vgl. , BFHE 206, 58; vom I R 45/07, BFH/NV 2008, 1534).

d) Entsprechendes gilt für die Einwendungen der Kläger gegen die Protokollierung ihres Antrags auf Vernehmung des Sachverständigen als bloße „Anregung” sowie ihre Einwendungen gegen die Heranziehung von Entscheidungen und von Kommentaren zur Begründung des angefochtenen Urteils.

Nach der Rechtsprechung ist nämlich geklärt, dass ein Kläger bei fehlerhafter Aufnahme eines Beweisantrags gemäß § 164 der Zivilprozessordnung die Berichtigung des Protokolls beantragen muss. Von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht zu haben, ist mit der Beschwerdebegründung vorzutragen (vgl. BFH-Beschlüsse vom II B 201/91, BFHE 166, 574, BStBl II 1992, 562; vom X B 173/04, BFH/NV 2005, 1850).

Des Weiteren ist durch die Rechtsprechung geklärt, dass die Entscheidungsgründe gerichtlicher Urteile auch auf andere Urteile Bezug nehmen dürfen (, BFHE 141, 113, BStBl II 1984, 591; vom I R 175/94, BFH/NV 1996, 552; , BFH/NV 1998, 482).

2. Schließlich liegen die Voraussetzungen für eine Zulassung wegen Verfahrensmängeln i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht vor.

a) Dabei kann der Senat seine Prüfung nur auf den Vortrag von Verfahrensmängeln erstrecken, die die Kläger innerhalb der Begründungsfrist nach § 116 Abs. 3 FGO vorgetragen haben. Spätere Darlegungen müssen unberücksichtigt bleiben, soweit es sich nicht um bloße Erläuterungen und Ergänzungen des bisherigen Vortrags handelt (BFH-Beschlüsse vom X B 23/00, BFH/NV 2001, 437; vom X B 152/02, BFH/NV 2003, 1603; vom X B 94/05, BFH/NV 2006, 1142). Danach sind insbesondere die erst nach Ablauf der Begründungsfrist erhobenen Einwendungen wie die behauptete Befangenheit der an der FG-Entscheidung beteiligten Richter für die Prüfung der Revisionszulassungsgründe ohne Bedeutung.

b) Soweit die Kläger innerhalb der Begründungsfrist gerügt haben, das FG hätte die von ihnen im Einzelnen benannten Zeugen

„zu dem Thema, ob Liquidität der A GmbH in den Jahren 1991 bis 1993 vorhanden war”,

hören müssen, liegt ein Verfahrensfehler nicht vor.

aa) Das FG darf allerdings auf die von einem Beteiligten beantragte Beweiserhebung im Regelfall nur verzichten, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist, wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel unerreichbar ist oder wenn das Beweismittel unzulässig oder absolut untauglich ist (, BFH/NV 1998, 711; vom VI R 209/98, BFH/NV 2001, 1281; vom VI R 71/99, BFH/NV 2006, 753).

Unerheblich ist insbesondere ein Beweisantrag, der sich nicht mindestens auch auf eindeutig bezeichnete objektiv erkennbare Umstände erstreckt und infolgedessen wegen unzureichender Substantiierung unbeachtlich ist (, BFH/NV 1993, 656). Denn die Mitwirkungspflicht fordert von den Beteiligten, Beweisanträge nur zu bestimmten, substantiierten Tatsachenbehauptungen zu stellen. Beweisermittlungs- oder Beweisausforschungsanträge, die so unbestimmt sind, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken kann, brauchen regelmäßig dem Gericht eine Beweisaufnahme nicht nahe zu legen (, BFH/NV 2005, 2166).

bb) Nach diesen Grundsätzen hat das FG im Ergebnis zu Recht keine Veranlassung für die beantragte Beweisaufnahme über die Frage, „ob Liquidität der A GmbH in den Jahren 1991 bis 1993 vorhanden war”, gesehen.

Dies folgt für das Jahr 1992 schon aus dem Urteil des Senats vom VIII R 9/03 (BFH/NV 2005, 526), mit dem die von den Klägern bestrittene Zahlungsfähigkeit der GmbH mit bindender Wirkung nach § 110 FGO gegenüber den Klägern als Beteiligte jenes Verfahrens bejaht wurde.

Für das Streitjahr 1993 folgt dies des Weiteren aus der fehlenden Substantiierung der unter Beweis gestellten Tatsachen. Denn die Erheblichkeit einer beantragten Beweisaufnahme kann nur hinsichtlich solcher Tatsachen bejaht werden, auf die es nach der maßgeblichen materiellen Rechtsauffassung des FG ankommt (BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 753). Solche Tatsachen haben die Kläger im Rahmen ihrer Pflicht zur Substantiierung der für beweisbedürftig gehaltenen Tatsachenbehauptungen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 2166) mit der Benennung der Beweisfrage, „ob Liquidität…vorhanden war”, nicht vorgetragen.

Nach der materiell-rechtlichen Auffassung des FG kam es nämlich für die Beurteilung der Zahlungsfähigkeit der GmbH (als Voraussetzung für die Annahme möglicher Zahlungen auf Honoraransprüche des Klägers) —wie im Regelfall— auf den Umstand an, dass im Streitzeitraum ein Konkursverfahren (heute Insolvenzverfahren) nicht eingeleitet worden war und deshalb mangels Anhaltspunkten für eine Kreditunwürdigkeit von der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft ausgegangen werden kann. Diesen rechtlichen Ausgangspunkt hat der Senat bereits mit seinem Urteil zum Jahr 1992 in BFH/NV 2005, 526 als rechtmäßig angesehen.

Gleichwohl haben die Kläger für das Streitjahr 1991 im zweiten Rechtsgang vor dem FG (nach Zurückverweisung aus prozessualen Gründen durch das , BFH/NV 2003, 585) mit Schriftsatz vom im Wesentlichen nur diesen rechtlichen Ausgangspunkt (Fehlendes Konkurs- oder Insolvenzverfahren als Indiz für die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens und damit für die Erfüllbarkeit seiner Zahlungspflichten gegenüber dem Mehrheitsgesellschafter) als „zu enge Auslegung” angegriffen und den Hinweis des FG auf die wirtschaftliche Verfügungsmacht des Klägers als Mehrheitsgesellschafter über die Liquidität des Unternehmens wegen seiner gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht sowie wegen der Notwendigkeit, „auf Reserven in der Kreditlinie zu achten” für unbeachtlich gehalten.

Angesichts dieses Vortrags —insbesondere mit Blick auf die von dem Kläger angestrebten „Reserven in der Kreditlinie"— stellt sich die streitige Beweisfrage, „ob Liquidität…vorhanden war” lediglich als unzulässiger Antrag auf Ausforschungsbeweis dar, weil die Tatsache einer solchen Kreditlinie ersichtlich nicht in Zweifel gezogen wird und andere objektive Tatsachen, die gegen eine Durchsetzbarkeit der Honoraransprüche des Klägers gegen die Gesellschaft hätten sprechen können, nicht durch den Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung konkret benannt wurden.

Fundstelle(n):
UAAAD-19820