BFH Beschluss v. - III B 204/07

Verletzung der Sachaufklärungspflicht; Anspruch auf rechtliches Gehör; Hinweispflicht des FG nach § 76 Abs. 2 FGO

Gesetze: FGO § 76, FGO § 96 Abs. 2, GG Art. 103 Abs. 1

Instanzenzug: FG des Landes Sachsen-Anhalt Urteil vom 1 K 115/06

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Sie wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Die Revision ist nicht wegen der gerügten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen.

1. Das Finanzgericht (FG) hat hinsichtlich der Streitjahre 1998 und 2000 weder seine Pflicht zur Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) noch den Anspruch der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO) verletzt.

a) Die Kläger machen in erster Linie geltend, das FG habe ihren neuen Vortrag in der mündlichen Verhandlung, das Gebäude auf dem Grundstück L sei bereits 1993 buchhalterisch erfasst worden, nicht vollständig zur Kenntnis genommen. Aus dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Schriftsatz vom und der beigefügten Vorstandsvorlage der B-AG sowie dem Protokoll vom ergebe sich, dass der Verkauf des Grundstücks L bereits 1993 festgestanden habe. Obwohl der notarielle Vertrag erst 1995 geschlossen worden sei, sei der Unternehmenssitz bereits 1993 auf das Grundstück L verlegt worden. Der Zugang in der Bilanz „Fassadendämmung/Fenster/Türen” und „Werkstattgebäude” betreffe das Gebäude auf dem Grundstück L. Auch wenn diese Buchung zu früh durchgeführt worden sei, weil der Kläger noch nicht Eigentümer gewesen sei, so sei das Gebäude doch —entgegen den bisherigen Annahmen— in der Bilanz erfasst gewesen, sodass eine Bilanzberichtigung im Jahr 1998 nicht mehr möglich sei. Das FG habe diesen neuen Vortrag als abwegig und unglaubwürdig bezeichnet. Damit habe es ihren, der Kläger, Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Das FG habe sich weder mit ihrem Vortrag auseinandergesetzt noch die vorgelegten Unterlagen geprüft. Es hätte auf eine weitere Sachaufklärung und ggf. Beweiserhebung hinwirken müssen. Dann hätten sie weitere Unterlagen eingereicht und Rechtsanwalt Dr. A als Zeugen für die Nutzung des Grundstücks benannt.

Ferner habe sich das FG überraschend darauf gestützt, die Jahresabschlüsse seien noch 1995 nicht unter der Anschrift L, sondern unter der Anschrift zum C in D erstellt worden. Hätte das FG nachgefragt, hätten sie erklären können, dass das dort befindliche Büro, „quasi die Postanschrift”, auch nach dem Umzug noch einige Zeit beibehalten worden sei.

b) Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des GrundgesetzesGG—, § 96 Abs. 2 FGO) verpflichtet das FG, die Beteiligten über den Verfahrensstoff zu informieren und ihnen Gelegenheit zur Äußerung zu geben, ihre Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und sich mit dem entscheidungserheblichen Kern ihres Vorbringens auseinanderzusetzen. Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 FGO sind erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls deutlich ergibt, dass das Gericht Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (z.B. Senatsbeschluss vom III S 8/07, BFH/NV 2007, 2135, m.w.N.). Die Gewährung rechtlichen Gehörs bedeutet jedoch nicht, dass das FG die Kläger „erhören”, sich also ihren rechtlichen Ansichten anschließen müsste (, BFH/NV 2008, 397, m.w.N.).

c) Entgegen der Behauptung der Kläger hat das FG das neue Vorbringen in der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen.

Es hat im Urteil den neuen Vortrag der Kläger wiedergegeben und sich damit sowie mit den vorgelegten Unterlagen eingehend befasst. Es hat detailliert ausgeführt, warum es dem neuen Vortrag der Kläger nicht folgt.

Es liegt auch keine das rechtliche Gehör verletzende Überraschungsentscheidung vor. Denn der Hinweis des FG darauf, dass die Jahresabschlüsse noch im Jahr 1995 unter der seit 1991 verwendeten Anschrift zum C in D erstellt worden seien, war für die Entscheidung nicht ausschlaggebend, sondern lediglich ein zusätzliches Indiz dafür, dass das Gebäude auf dem Grundstück L im Jahre 1993 noch nicht dem Betrieb zugeführt worden war.

d) Nicht erkennbar ist, auf welche Weise das FG nach dem Vortrag der Kläger in der mündlichen Verhandlung den Sachverhalt hätte weiter aufklären sollen. Einen Antrag auf Vernehmung von Rechtsanwalt Dr. A haben die Kläger nicht gestellt. Dafür, dass dieser für das Verfahren erhebliche Aussagen machen konnte, lagen keine Anhaltspunkte vor, sodass das FG auch nicht von sich aus dessen Vernehmung anordnen musste.

2. Ebenso wenig hat das FG hinsichtlich des Streitjahres 2001 seine Hinweispflichten (§ 76 Abs. 2 FGO) verletzt.

a) Die Kläger tragen vor, das FG habe selbst den nach den Feststellungen des FA unstreitigen Aufgabeverlust von 33 000 DM nicht berücksichtigt. Darüber hinaus habe es ohne vorherigen Hinweis die vorgelegten Kontoauszüge nicht als Nachweis für ihr Darlehen an die inzwischen liquidierte GmbH anerkannt. Das FG hätte durch entsprechende Hinweise zur Sachaufklärung beitragen müssen.

b) Das FG hat bereits im Aussetzungsbeschluss erläutert, warum nicht wenigstens ein Verlust in Höhe von 33 372 DM zu berücksichtigen sei. Abgesehen davon, dass die Kläger nicht dargelegt haben, was sie bei entsprechendem Hinweis noch nachgewiesen oder vorgetragen hätten, ist das FG auch nicht verpflichtet, die maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte mit den Beteiligten vorher umfassend und im Einzelnen zu erörtern oder ihnen die einzelnen für die Entscheidung erheblichen Gesichtspunkte, Schlussfolgerungen oder das Ergebnis einer Gesamtwürdigung im Voraus anzudeuten oder mitzuteilen. Daher muss ein Beteiligter gerade bei —wie hier— umstrittener Sach- und Rechtslage grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einrichten (, BFH/NV 2008, 1350, m.w.N.).

Fundstelle(n):
UAAAD-18994