BFH Urteil v. - VI R 66/06

Prämienzahlungen des Arbeitgebers bei Leistungen aus Gruppenunfallversicherung zur Absicherung beruflicher Unfälle als Werbungskostenersatz

Leitsatz

1. Erhält ein Arbeitnehmer Leistungen aus einer durch Beiträge seines Arbeitgebers finanzierten Gruppenunfallversicherung, die ihm keinen eigenen unentziehbaren Rechtsanspruch einräumt, so führen im Zeitpunkt der Leistung die bis dahin entrichteten, auf den Versicherungsschutz des Arbeitnehmers entfallenden Beiträge zu Arbeitslohn, begrenzt auf die dem Arbeitnehmer ausgezahlte Versicherungsleistung.
2. Der auf das Risiko beruflicher Unfälle entfallende Anteil der Beiträge führt als Werbungskostenersatz auch zu Werbungskosten des Arbeitnehmers, mit denen der entsprechende steuerpflichtige Arbeitslohn zu saldieren ist.
Vergleichbar .

Gesetze: EStG § 9 Abs. 1 Satz 1, EStG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wurde im Streitjahr (2000) mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Seit ist der Kläger in einem Krankenhaus als Arzt beschäftigt und erzielt aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In der Einkommensteuererklärung für 2000 erklärte der Kläger auch „Einkünfte aus Notarzteinsätzen (DRK)” in Höhe von 7 050 DM, die nicht dem Lohnsteuerabzug unterworfen wurden. In seinem Einkommensteuerbescheid 2000 vom erfasste der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) die Einkünfte aus den Notarzteinsätzen als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Nach den Feststellungen einer im Dezember 2003 beim DRK durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung unterhält das DRK bei der X Versicherung als Versicherungsnehmer eine Gruppenunfallversicherung. Versicherte Personen sind „Notärzte im Einsatz”. Zum Versicherungsumfang ist u.a. ausgeführt: „Versichert gilt ein durch die Rettungsleitstelle eingesetzter Notarzt.” Das DRK unterwarf die Beiträge seit dem nicht dem Lohnsteuerabzug.

Weiter wurde festgestellt, dass das DRK am eine Versicherungsleistung aus der vorgenannten Unfallversicherung in Höhe von 120 000 DM in voller Höhe an den Kläger ausgezahlt hatte. Auf Anfrage des FA gab der Kläger hierzu an, dass der Unfall bei einem Notfalleinsatz für das DRK eingetreten sei. Als Notarzt sei er im Auftrag seines Arbeitgebers, des Krankenhauses, im Rahmen des regulären Notarztdienstes tätig gewesen. Unfalltag sei der . April 1999 gewesen, Unfallort die damalige Baustelle der Z auf der Autobahn. Nach Absturz eines Baukranes von der Brücke sei bei Dunkelheit und Regen versucht worden, die Aufschlagstelle durch Abstieg über eine steile Waldböschung zu erreichen. Dabei habe er —der Kläger— sich eine Handverletzung zugezogen, die im weiteren Verlauf nach Behandlung und Begutachtung zur Auszahlung der Unfallversicherungssumme geführt habe. Bei Abgabe der Einkommensteuererklärung 2000 hätte er den zuständigen Sachbearbeiter darauf hingewiesen, Leistungen aus einer Unfallversicherung erhalten zu haben. Daraufhin sei ihm mitgeteilt worden, Leistungen aus einer Unfallversicherung seien steuerrechtlich nicht relevant und müssten bei der Einkommensteuererklärung nicht angegeben werden.

Mit Bescheid vom änderte das FA die Einkommensteuerfestsetzung für 2000 wegen neuer Tatsachen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO). Dabei wurden die vom DRK an den Kläger ausgekehrten Leistungen aus der Gruppenunfallversicherung zusätzlich als Arbeitslohn nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes erfasst.

Nach erfolglosem Vorverfahren gab das Finanzgericht Rheinland-Pfalz (FG) mit Urteil vom   1 K 1854/05 (juris) der Klage statt.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass das FA zu Unrecht die Leistungen aus der Gruppenunfallversicherung als steuerpflichtigen Arbeitslohn erfasst hat. Soweit die vom DRK geleisteten Beiträge zur Unfallversicherung im Streitfall als Arbeitslohn zu erfassen sind, sind sie Werbungskostenersatz und berechtigten deshalb den Kläger in gleicher Höhe zum Werbungskostenabzug.

1. Leistungen aus einer vom Arbeitgeber als Versicherung für fremde Rechnung abgeschlossenen Gruppenunfallversicherung sind kein Arbeitslohn. Der erkennende Senat hat mit Urteil vom heutigen Tage in der Sache VI R 9/05 entschieden, dass die aufgrund einer vom Arbeitgeber abgeschlossenen Gruppenunfallversicherung an den Arbeitnehmer ausgezahlte Versicherungsleistung nicht zu Arbeitslohn führt. Zum Zufluss von Arbeitslohn im Zeitpunkt der Auszahlung einer Versicherungsleistung an den Arbeitnehmer führen vielmehr die vom Arbeitgeber zur Erlangung des Versicherungsschutzes des Arbeitnehmers bis zur Auskehrung der Versicherungsleistung erbrachten Beitragsleistungen, der Höhe nach begrenzt auf die an den Arbeitnehmer ausgezahlte Versicherungsleistung. Bei dem auf das Risiko beruflicher Unfälle entfallenden Teil der vom Arbeitgeber geleisteten Beiträge zu einer Gruppenunfallversicherung handelt es sich um Werbungskostenersatz. Der als Werbungskostenersatz anzusehende Beitragsanteil führt deshalb auch zu —fiktiv anzusetzenden— Werbungskosten des Arbeitnehmers, mit denen der entsprechende steuerpflichtige Arbeitslohn saldiert werden kann. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die Gründe seines zur Veröffentlichung bestimmten Urteils vom VI R 9/05.

2. Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen hat das FA in seinem angefochtenen Änderungsbescheid zu Unrecht weitere 120 000 DM als Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt. Die Versicherungsleistung selbst führt nicht zu Arbeitslohn. Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und deshalb den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen waren versicherte Personen ausschließlich „Notärzte im Einsatz”, denn als versichert galt ein durch die Rettungsleitstelle eingesetzter Notarzt. Mithin bezog sich die Gruppenunfallversicherung im Streitfall ausschließlich auf das Risiko beruflicher Unfälle. Deshalb bedarf es im Streitfall keiner weiteren Feststellungen zur Höhe der entrichteten Beiträge. Der Senat kann vielmehr selbst entscheiden, dass die Beiträge Werbungskostenersatz bildeten und deshalb —soweit sie zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führten— mit Werbungskosten in gleicher Höhe zu saldieren wären. Schon deshalb führt die Revision des FA nicht zum Erfolg.

Offen bleiben kann, ob das FG —was zweifelhaft ist— zu Recht die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bejaht hat. Dahingestellt bleiben kann auch, ob Arbeitgeber des Klägers im Rahmen der Notarzteinsätze das DRK gewesen ist, wofür die vom DRK an den Kläger geleisteten Vergütungen sprechen, oder das Krankenhaus mit der Folge, dass es sich bei der Zuwendung der Versicherungsbeiträge durch das DRK um Lohnzahlungen eines Dritten gehandelt hätte. Ebenso ist nicht mehr von Bedeutung, dass das FG nicht geprüft hat, ob der Abschluss der Gruppenunfallversicherung unter den besonderen Umständen des Streitfalles im ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers des Klägers gelegen hat. Schließlich braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob —worauf die Feststellungen des FG hindeuten— bereits der Lohnsteuer unterworfene Beitragsleistungen bei der Bemessung des bei Auszahlung der Versicherungsleistung zugeflossenen Arbeitslohns auszuscheiden sind.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
HFR 2009 S. 672 Nr. 7
PAAAD-18507