BAG Beschluss v. - 1 ABR 78/07

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BetrVG § 77 Abs. 4 S. 1

Instanzenzug: LAG München, 9 TaBV 82/06 vom ArbG München, 3 BV 2/06 vom

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten über den Inhalt einer Betriebsvereinbarung.

Antragsteller ist der für den Betrieb O der Arbeitgeberin errichtete Betriebsrat. Vorgängergesellschaft sowohl der Arbeitgeberin als auch der E GmbH war die M B B GmbH (MBB). Diese schloss am mit dem bei ihr errichteten Gesamtbetriebsrat eine "Betriebsvereinbarung über Vergütung von Dienstreisestunden" (BV 1985).

Die BV 1985 enthält unter Nr. 2 folgende Regelung:

"2. AT-Bereich

2.1 Vergütungsfähig ist die notwendige Reisezeit bei angeordneten Dienstreisen im Inland und Ausland

- soweit sie außerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit liegt und

- 4 Stunden an Arbeitstagen und 12 Stunden an arbeitsfreien Tagen nicht übersteigt.

2.2 AT-Mitarbeiter, deren monatliches Bruttogehalt das höchste Tarifgehalt für Angestellte der bayerischen Metallindustrie um nicht mehr als 50 % übersteigt (derzeit 6.530,00 DM) wird die vergütungsfähige Reisezeit als Gleitzeitguthaben vergütet.

2.3 AT-Mitarbeiter, deren monatliches Bruttogehalt über der in 2.2 definierten Gehaltsgrenze von derzeit 6.530,00 DM liegt, wird die vergütungsfähige Reisezeit zur Hälfte als Gleitzeitguthaben vergütet."

Mit Wirkung vom ging der Bereich "Hubschrauber" der MBB, zu dem ein Teil des vormaligen Betriebs O gehörte, auf die jetzige Arbeitgeberin über. Dabei wurde der übergegangene Betriebsteil O verselbständigt. Aus ihm entstand der jetzige Betrieb. Am vereinbarten die Arbeitgeberin und der für den Betrieb errichtete Betriebsrat in einer Betriebsvereinbarung (BV 1992) "die Übernahme der zum Zeitpunkt des Übergangs des Betriebs Eu GmbH in O bestehenden Arbeitsbedingungen und sozialen Leistungen in O, dh. insbesondere die Übernahme der Rechte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem bei MBB OTN bestehenden Tarifverträgen, Betriebs- und Gesamtbetriebsvereinbarungen und Einzelzusagen."

Bei Abschluss der BV 1985 fand im Betrieb der Arbeitgeberin der Manteltarifvertrag für die Angestellten der bayerischen Metallindustrie (MTV 1985) Anwendung. Nach § 1 Ziff. 3 (II) Buchst. d) MTV 1985 gelten nicht als Angestellte im Sinne dieses Vertrags "sonstige Angestellte, deren Gehalt auf außertariflicher Grundlage über den Rahmen des höchsten Tarifsatzes der Gruppe VII von 25 % hinausgehend geregelt wird."

Die Anmerkung zu § 1 Ziff. 3 Abs. (II) Buchst. d) MTV 1985 lautet:

"Unter dem höchsten Tarifsatz der Gruppe VII ist bei einer individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden das höchste Tarifgehalt der Gehaltstafel zu verstehen. Bei Vereinbarung einer von 38,5 Stunden abweichenden individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit wird das höchste Tarifgehalt nach der Formel gemäß § 6 Ziff. 1 zugrunde gelegt."

In § 6 Ziff. 1 MTV 1985 heißt es:

"Das Gehalt stellt die Vergütung für einen Kalendermonat bei einer Arbeitszeit von 38,5 Stunden dar.

Für Angestellte, deren individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden abweichend geregelt wird, errechnet sich das Tarifgehalt wie folgt:

Tarifgehalt laut Gehaltstafel x individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit in Stunden : 38,5 Stunden"

Nach § 3 Ziff. 1 Abs. 1 MTV 1985 beträgt die wöchentliche Arbeitszeit 38,5 Stunden. Nach § 3 Ziff. 1 Abs. 3 MTV 1985 kann die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von Vollbeschäftigten zwischen 37 und 40 Stunden betragen. Nach der ab dem geltenden Gehaltstafel für die Angestellten der bayerischen Metallindustrie betrug das "monatliche Tarifgehalt" in der - höchsten - Gehaltsgruppe VII ab dem 4. Gruppenjahr 4.351,00 DM.

§ 1 Ziff. 3 Abs. (II) Buchst. d) des derzeit geltenden Manteltarifvertrags für die Angestellten der bayerischen Metall- und Elektroindustrie (MTV 2002) ist gegenüber der früheren Fassung - nahezu - wortgleich. Nach § 3 Ziff. 1 Abs. (I) MTV 2002 beträgt die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit 35 Stunden. Nach § 3 Ziff. 1 Abs. (III) Satz 1 MTV 2002 "kann die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf bis zu 40 Stunden verlängert werden."

In § 14 des derzeit geltenden Lohn- und Gehaltsrahmentarifvertrags (LGRTV) heißt es unter Ziff. 1 (II):

"Bei einer von der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit abweichenden individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit (IRWAZ) errechnen sich Monatsgrundlohn und Tarifgehalt nach folgender Formel:

Monatsgrundlohn/Tarifgehalt x IRWAZ in Stunden : 35 Stunden"

Nach der ab dem geltenden Gehaltstafel beträgt das monatliche Tarifgehalt in Gehaltsgruppe VII ab dem 4. Gruppenjahr bei einer 35-Stunden-Woche 4.302,00 Euro.

Der Betriebsrat hat das Beschlussverfahren mit dem Ziel eingeleitet, gerichtlich feststellen zu lassen, dass der in Nr. 2.2 und 2.3 BV 1985 genannte Schwellenwert für AT-Angestellte, deren wöchentliche Arbeitszeit nicht 35, sondern 40 Stunden beträgt, ausgehend von dem höchsten Tarifgehalt der in der 35-Stunden-Woche Beschäftigten hochzurechnen sei. Für die Ermittlung des Grenzwerts habe dasselbe zu gelten wie für die Beurteilung, wer im Sinne des Manteltarifvertrags AT-Angestellter sei. Dies gebiete auch der Gleichbehandlungsgrundsatz.

Der Betriebsrat hat - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Bedeutung - zuletzt beantragt

festzustellen, dass sich die in Ziffern 2.2 und 2.3 der Betriebsvereinbarung über die Vergütung von Dienstreisestunden vom (32 D 16) angesprochene Gehaltsgrenze für außertarifliche Angestellte mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden nach dem auf die 40-Stunden-Woche hochzurechnenden höchsten Tarifgehalt für Angestellte der Bayerischen Metallindustrie (Gehaltsgruppe VII, 4. Gruppenjahr nach der Gehaltstafel der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie, Stand Euro 4.302) richtet.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, maßgeblich für die Nr. 2.2 und 2.3 BV 1985 sei nicht ein hochzurechnender, sondern der in der jeweils maßgeblichen Gehaltstafel genannte Betrag.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin weiterhin die Abweisung des Antrags des Betriebsrats.

B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Vorinstanzen haben dem Antrag des Betriebsrats zu Unrecht entsprochen. Die Arbeitgeberin muss die BV 1985 nicht in der vom Betriebsrat für zutreffend erachteten Auslegung durchführen.

I. Die Rechtsbeschwerde ist nicht wegen Vorliegens eines absoluten Rechtsbeschwerdegrunds nach § 93 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 2 Satz 1, § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 547 Nr. 2 oder Nr. 3 ZPO oder wegen eines Verfahrensfehlers des Landesarbeitsgerichts im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.

1. Die Voraussetzungen des § 547 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. An der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hat kein von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossener Richter mitgewirkt. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin war der ehrenamtliche Richter S nicht nach § 41 Nr. 1 ZPO von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen. Er war weder selbst Partei noch stand er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen. Beteiligter und damit "Partei" im Sinne des entsprechend anwendbaren § 41 Nr. 1 ZPO ist neben der Arbeitgeberin der Betriebsrat. Ihm gehörte der ehrenamtliche Richter S weder an noch war er diesem gegenüber mitberechtigt, mitverpflichtet oder regresspflichtig. Im Übrigen steht der Anwendung von § 547 Nr. 2 ZPO entgegen, dass die Arbeitgeberin das - vermeintliche - Hindernis mit dem zurückgewiesenen Ablehnungsgesuch bereits ohne Erfolg geltend gemacht hat.

2. Auch der absolute Revisionsgrund des § 547 Nr. 3 ZPO liegt nicht vor. Das gegen den ehrenamtlichen Richter S gerichtete Ablehnungsgesuch war vom Landesarbeitsgericht nicht für begründet erklärt, sondern als unbegründet zurückgewiesen worden.

3. Ebenfalls ohne Erfolg macht die Arbeitgeberin geltend, das Landesarbeitsgericht habe das Ablehnungsgesuch zu Unrecht zurückgewiesen. Nach § 557 Abs. 2 ZPO iVm. § 72 Abs. 5 ArbGG unterliegen der Beurteilung des Revisionsgerichts nicht die dem Endurteil vorausgegangenen unanfechtbaren Entscheidungen. Zu diesen gehört die nach § 49 Abs. 3 ArbGG unanfechtbare Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch. Deshalb ist eine inzidente Überprüfung der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts über ein Ablehnungsgesuch im Rahmen einer Revision oder Rechtsbeschwerde gegen die unter Mitwirkung der erfolglos abgelehnten Richter getroffene Hauptentscheidung ausgeschlossen ( - Rn. 5; - MDR 2007, 599). Ob hiervon eine Ausnahme zu machen ist, wenn die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs auf einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör oder auf willkürlichen oder manipulativen Erwägungen beruht (vgl. dazu - Rn. 6; - Rn. 29), kann dahinstehen, da eine derartige Fallgestaltung nicht vorliegt.

II. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Begehr des Betriebsrats zu Unrecht entsprochen. Dessen zulässiger Antrag ist unbegründet.

1. An dem Verfahren sind nach § 83 Abs. 3 ArbGG keine weiteren Personen oder Stellen beteiligt. Andere im Unternehmen der Arbeitgeberin errichtete Betriebsräte oder der Gesamtbetriebsrat sind durch die Entscheidung über den vom Betriebsrat gestellten Antrag in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung nicht unmittelbar betroffen (vgl. zu diesem Erfordernis - Rn. 11 f., BAGE 117, 334). Die im vorliegenden Verfahren zu treffende Entscheidung darüber, wie die BV 1985 im Betrieb O durchzuführen ist, entfaltet für andere Betriebe der Arbeitgeberin keine Bindungswirkung. Geltungsgrund für die Anwendbarkeit der BV 1985 im Betrieb O ist die BV 1992. Auf dieser Grundlage verlangt der Betriebsrat im Betrieb O die Durchführung der BV 1985. Damit sind etwaige Durchführungsansprüche anderer Betriebsräte nicht präjudiziert.

2. Der Antrag ist zulässig.

a) Wie die gebotene Auslegung ergibt, ist der Antrag der Sache nach auf die Feststellung gerichtet, die Arbeitgeberin sei verpflichtet, die BV 1985 in der Weise durchzuführen, dass die in Nr. 2.2 und 2.3 BV 1985 genannte Gehaltsgrenze bei AT-Angestellten mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden ausgehend von dem höchsten Tarifgehalt für Angestellte mit 35 Wochenstunden - durch Multiplikation mit dem Faktor 40/35 - hochzurechnen ist.

b) Mit dieser Auslegung ist der Antrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Umfang der materiellen Rechtskraft einer dem Antrag entsprechenden oder ihn abweisenden Sachentscheidung ist zuverlässig feststellbar.

c) Der so verstandene Antrag genügt den Erfordernissen des § 256 Abs. 1 ZPO.

aa) Der Antrag ist auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet.

(1) Ein Rechtsverhältnis ist jede durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandene rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache. Ein Antrag nach § 256 Abs. 1 ZPO muss sich dabei nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis als Ganzes erstrecken. Er kann sich auf daraus folgende einzelne Beziehungen, Ansprüche oder Verpflichtungen und auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken. Bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses können jedoch ebenso wie abstrakte Rechtsfragen nicht Gegenstand eines Feststellungsantrags sein. Das liefe auf die Erstellung eines Rechtsgutachtens hinaus. Dies ist den Gerichten verwehrt ( - Rn. 19 mwN, EzA ArbGG 1979 § 81 Nr. 19).

(2) Hiernach ist Gegenstand des Antrags die Feststellung eines Rechtsverhältnisses. Die abstrakte Frage, wie die BV 1985 auszulegen sei, wäre als solche allerdings kein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO. Ihre Beantwortung hätte den Charakter eines Rechtsgutachtens. Dagegen betrifft die Frage, wie die BV 1985 durchzuführen ist, ein Rechtsverhältnis, für dessen Inhalt die Auslegung der Betriebsvereinbarung lediglich eine Vorfrage darstellt. Dementsprechend hat das Bundesarbeitsgericht wiederholt entschieden, dass die Betriebsparteien den Streit, mit welchem Inhalt eine Betriebsvereinbarung durchzuführen sei, im Wege eines Feststellungsantrags im Beschlussverfahren klären lassen können (vgl. etwa - 3 ABR 21/04 - zu B III 3 der Gründe mwN, BAGE 113, 173; - 1 ABR 3/88 - zu B I 2 a der Gründe, AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 33 = EzA BetrVG § 87 Nr. 4).

bb) Der Betriebsrat hat das erforderliche rechtliche Interesse an der begehrten alsbaldigen gerichtlichen Feststellung. Die Arbeitgeberin wendet die BV 1985 in anderer als der vom Betriebsrat für richtig erachteten, zwischen den Beteiligten streitigen Auslegung an. Der grundsätzliche Vorrang des Leistungsantrags vor einem Feststellungsantrag lässt im Streitfall das Feststellungsinteresse nicht entfallen. Der hier gestellte, nicht mit den Bestimmtheitsproblemen eines Leistungsantrags verbundene Feststellungsantrag dient der Prozessökonomie. Es ist zu erwarten, dass die Arbeitgeberin sich an eine entsprechende gerichtliche Feststellung halten wird.

d) Der Betriebsrat ist antragsbefugt. Er verfolgt nicht die Individualinteressen einzelner AT-Angestellter, sondern begehrt die Feststellung zur Durchsetzung seines eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Durchführungsanspruchs.

3. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist der Antrag des Betriebsrats unbegründet. Der in Nr. 2.2 und 2.3 BV 1985 genannte Grenzwert entspricht auch für AT-Angestellte mit 40 Wochenstunden dem 1,5-fachen des nach der jeweils maßgeblichen Gehaltstabelle für Angestellte mit 35 Wochenstunden höchsten Tarifgehalts und ist nicht - mit einem Faktor von 40/35 - hochzurechnen. Das ergibt die Auslegung der BV 1985.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats richtet sich die Auslegung von Betriebsvereinbarungen wegen des aus § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG folgenden normativen Charakters nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung. Auszugehen ist dementsprechend zunächst vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Darüber hinaus kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Von besonderer Bedeutung sind ferner Sinn und Zweck der Regelung. Der tatsächliche Wille der Betriebsparteien ist zu berücksichtigen, soweit er in dem Regelungswerk seinen Niederschlag gefunden hat. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt ( - 1 AZR 824/06 - Rn. 32 mwN, EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 21).

b) Hiernach richtet sich das als Berechnungsfaktor in den Grenzwert der Nr. 2.2 und 2.3 BV 1985 einfließende "höchste Tarifgehalt für Angestellte der bayerischen Metallindustrie" ausschließlich nach der jeweils maßgeblichen Gehaltstabelle und ist nicht nach dem Umfang der individuellen Arbeitszeit umzurechnen.

aa) Für diese Auslegung spricht bereits der Wortlaut der Bestimmung. Nr. 2.2 BV 1985 knüpft an "das höchste Tarifgehalt" an. Die Bestimmung verwendet den Begriff in der Einzahl, geht also ersichtlich davon aus, dass es nur ein höchstes Tarifgehalt gibt und nicht etwa mehrere, die sich je nach dem Umfang der individuellen Arbeitszeit unterscheiden. Sowohl Nr. 2.2 als auch Nr. 2.3 BV 1985 nennen ferner ausdrücklich den sich konkret ergebenden absoluten Betrag der "Gehaltsgrenze". Dieser beläuft sich danach auf "derzeit" 6.530,00 DM. Es ist dies annähernd - exakt sind es 6.526,50 DM - der Betrag, der zum Zeitpunkt des Abschlusses der BV 1985 das 1,5-fache des damals nach der Gehaltstabelle höchsten monatlichen Tarifgehalts von 4.351,00 DM ausmachte. Dabei macht das Wort "derzeit" deutlich, dass die BV 1985 eine zeitliche Dynamik vorsieht. Das "höchste" Tarifgehalt ist nicht festgeschrieben, sondern kann sich durch den Abschluss späterer Tarifverträge ändern. Dagegen lässt der Wortlaut der BV 1985 nicht erkennen, dass nach ihrer Konzeption zum selben Zeitpunkt unterschiedliche "höchste" Tarifgehälter möglich sein sollen. Andernfalls hätte es nahe gelegen, in der Betriebsvereinbarung klarzustellen, dass der Betrag von "derzeit 6.530,00 DM" nur für Angestellte mit 38,5 Wochenstunden, nicht dagegen für Angestellte mit einer höheren oder auch mit einer geringeren wöchentlichen Arbeitszeit maßgeblich sein soll.

bb) Systematische Erwägungen gebieten kein anderes Ergebnis.

(1) Allerdings ist zur Bestimmung des "AT-Mitarbeiters" iSd. BV 1985 ein Rückgriff auf § 1 Ziff. 3 Abs. (II) Buchst. d) des Manteltarifvertrags möglich und geboten. Dieser grenzt - sowohl in der Fassung von 1985 als auch in derjenigen von 2002 - die Gruppe der AT-Angestellten danach ab, ob ihr außertariflich vereinbartes Gehalt den höchsten Tarifsatz der Gruppe VII um 25 % übersteigt. Durch die Anmerkung zu § 1 Ziff. 3 Abs. (II) Buchst. d) MTV 1985 wurde in Verbindung mit der Formel in § 6 Ziff. 1 MTV 1985 zugleich klargestellt, dass der maßgebliche Grenzwert für die Eigenschaft eines AT-Angestellten vom Umfang der individuellen regelmäßigen Arbeitszeit abhängt. Die Anwendung dieser Formel führt dazu, dass der Grenzwert für die Eigenschaft eines AT-Angestellten bei einer über 38,5 Wochenstunden hinausgehenden wöchentlichen Arbeitszeit höher liegt.

(2) Die Ermittlung der Gehaltsgrenze in Nr. 2.2 und 2.3 BV 1985 muss jedoch nicht notwendig nach derselben Methode wie die Abgrenzung des Kreises der AT-Angestellten erfolgen. Es ist nicht widersprüchlich, den Kreis der AT-Angestellten entsprechend den tariflichen Bestimmungen zu definieren, die Gehaltsgrenze in Nr. 2.2 und 2.3 BV 1985, die für die Vergütung der außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit liegenden Reisezeiten maßgeblich sein soll, dagegen unabhängig von der individuellen Dauer der Arbeitszeit auf einen fixen, lediglich einer zeitlichen Dynamik unterworfenen Betrag festzulegen. Die Schwellenwerte haben unterschiedliche Funktionen und gebieten nicht zwingend ein und dieselbe Berechnungsmethode.

cc) Sinn und Zweck der in Nr. 2 BV 1985 enthaltenen Regelung sprechen entscheidend für eine fixe, nicht vom Umfang der individuellen Arbeitszeit abhängige Grenzziehung.

(1) Die Betriebsparteien haben die Differenzierung in Nr. 2.2 und Nr. 2.3 BV 1985 ersichtlich deshalb getroffen, weil sie es für sachgerecht erachten, ab einem bestimmten monatlichen Bruttogehalt die außerhalb der Arbeitszeit liegende Reisezeit nicht mehr in vollem Umfang als vergütungsfähig zu behandeln. Dem liegt erkennbar die Annahme zugrunde, dass bei einem hohen Einkommen ein nicht vollständig eigens vergütetes Freizeitopfer eher angemessen ist. Der Bestimmung dieser "Opfergrenze" entspricht eine absolute Grenzziehung eher als diejenige, die sich am individuellen Umfang der Arbeitszeit orientiert. Das wird am Beispiel teilzeitbeschäftigter AT-Angestellter besonders deutlich. Bei ihnen wäre nach der vom Betriebsrat vertretenen Auslegung der BV 1985 der Grenzwert, von dem an die Reisezeit nur noch zur Hälfte als Gleitzeitguthaben zu vergüten ist, herunterzurechnen und damit geringer als der 1,5-fache Betrag des in der jeweiligen Gehaltstabelle ausgewiesenen höchsten Tarifgehalts. Dies entspräche erkennbar nicht dem Sinn und Zweck der Regelung und wäre auch mit § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 TzBfG schwerlich zu vereinbaren.

(2) Darüber hinaus führt die vom Betriebsrat reklamierte Auslegung zu einer sachlich nicht gebotenen Bevorzugung der AT-Angestellten mit einer 40-Stunden-Woche gegenüber denjenigen, deren regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 35 Stunden beträgt. Nach Nr. 2.1 BV 1985 ist die notwendige Reisezeit vergütungsfähig, soweit sie außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit liegt und vier Stunden an Arbeitstagen oder zwölf Stunden an arbeitsfreien Tagen nicht übersteigt. Die während der regelmäßigen Arbeitszeit liegende Reisezeit ist ohnehin zu vergüten. Dies hat zur Folge, dass AT-Angestellte mit einer 40-Stunden-Woche - und damit bei einer 5-Tage-Woche mit einer regelmäßigen täglichen Arbeitszeit von acht Stunden - bei Dienstreisen an Arbeitstagen insgesamt bis zu zwölf Stunden vergütet erhalten, während dies bei AT-Angestellten mit einer 35-Stunden-Woche nur maximal elf Stunden sind. Angesichts dieser Besserstellung erscheint es nach dem Sinn und Zweck der Regelung nicht geboten, die Gruppe der AT-Angestellten mit einer höheren Arbeitszeit außerdem durch eine Erhöhung der Gehaltsgrenze der Nr. 2.3 BV 1985 zu privilegieren.

dd) Der Grundsatz möglichst gesetzeskonformer Auslegung gebietet nicht die vom Betriebsrat vertretene Auslegung der BV 1985. Der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz wird durch die Annahme einer festen, vom Umfang der individuellen Arbeitszeit unabhängigen Gehaltsgrenze nicht verletzt.

Fundstelle(n):
LAAAD-17814

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein