OFD Hannover - S 2140 - 8 - StO 241

Ertragsteuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen;
Steuerstundung und Steuererlass aus sachlichen Billigkeitsgründen (§§ 163, 222, 227 AO)

Nach Aufhebung der Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen gem. § 3 Nr. 66 EStG durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom richtet sich die ertragsteuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen nach dem (BStBl 2003 I S. 240). Gem. Rn. 8 des BMF-Schreibens bedeutet die Erhebung der Steuer auf einen nach Ausschöpfen der ertragsteuerrechtlichen Verlustverrechnungsmöglichkeiten verbleibenden Sanierungsgewinn für den Steuerpflichtigen aus sachlichen Billigkeitsgründen eine erhebliche Härte.

Nach der Rechtsprechung des BFH zu § 3 Nr. 66 EStG, die auch zur Anwendung des o. g. BMF-Schreibens herangezogen werden kann, sind unter Sanierung geeignete Maßnahmen, insbesondere zur finanziellen Gesundung eines Not leidenden, sanierungsbedürftigen Unternehmens zu verstehen (z. B. BStBl 1981 II S. 181). Begünstigt ist nur die unternehmensbezogene Sanierung (Rn. 1 und 2 des BMF-Schreibens). Voraussetzungen für die Annahme eines im Sinne des BMF-Schreibens begünstigten Sanierungsgewinns sind die Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsfähigkeit des Unternehmens, die Sanierungseignung des Schulderlasses und die Sanierungsabsicht des Gläubigers, vgl. Rn. 4 des BMF-Schreibens. Maßgebend ist dabei der Zeitpunkt des Schulderlasses ( BStBl 1998 II S. 537). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Steuerpflichtige darzulegen. Nur wenn ein Sanierungsplan vorliegt, kann davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen erfüllt sind (Rn. 4 Satz 2 des BMF-Schreibens).

Für die Frage, ob ein Unternehmen objektiv sanierungsbedürftig ist, sind

  • die Ertragslage,

  • die Höhe des Betriebsvermögens vor und nach der Sanierung,

  • die Kapitalverzinsung durch die Erträge des Unternehmens,

  • die Möglichkeiten zur Bezahlung von Steuern und sonstigen Schulden,

  • die Gesamtleistungsfähigkeit des Unternehmens und

  • mit Einschränkungen die Höhe des Privatvermögen

maßgeblich (vgl. z. B. a. a. O.). Sanierungsbedürftigkeit ist zu bejahen, wenn das Unternehmen infolge Zahlungsunfähigkeit von der Insolvenz bedroht ist ( BFH/NV 1987 S. 493, und vom , BFH/NV 1987 S. 635). Sie muss objektiv bestanden haben und ist vom Steuerpflichtigen nachzuweisen ( BStBl 1964 III S. 128). Die Überschuldung allein ist kein Grund, die Sanierungsbedürftigkeit anzunehmen, wenn die übrigen Umstände (eigene Umsätze, Umsatzrendite und Bruttorendite) einen Zusammenbruch des Unternehmens ausschließen und nicht von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit auszugehen ist ( BStBl 1990 II S. 955). Aus handelsrechtlichen oder gar nur steuerlichen Verlusten kann noch nicht auf die Sanierungsbedürftigkeit geschlossen werden.

Für die Frage der Sanierungsfähigkeit des Unternehmens und der Sanierungseignung des Schulderlasses sind alle Umstände zu berücksichtigen, die die Ertragsaussichten des Unternehmens beeinflussen können, z. B.

  • die Höhe der Verschuldung,

  • die Höhe des Erlasses,

  • die Gründe, die die Notlage bewirkt haben und

  • die allgemeinen Ertragsaussichten.

Das BMF-Schreiben sieht mehrere Billigkeitsmaßnahmen vor (abweichende Steuerfestsetzung, Steuerstundung und Steuererlass):

In einem ersten Schritt ist die anteilig auf den Sanierungsgewinn entfallende Steuer zu ermitteln. Zur ihrer Ermittlung erfolgt gem. Rn. 8 des BMF-Schreibens vorrangig eine Verrechnung mit sämtlichen zur Verfügung stehenden Verlusten und negativen Einkünften. Dies gilt unbeschadet von gesetzlichen Ausgleichs- und Verrechnungsbeschränkungen (Rn. 8 Satz 3 des BMF-Schreibens). Insofern hat ggf. eine abweichende Steuerfestsetzung (§ 163 AO) zu erfolgen.

Bei zusammenveranlagten Ehegatten ist nur ein nach horizontalem und vertikalem Verlustausgleich verbleibender Verlust eines Ehegatten mit dem Sanierungsgewinn des anderen Ehegatten zu verrechnen. Die Wahl der getrennten Veranlagung durch die Ehegatten zur Vermeidung dieser Verrechnung steht einer Billigkeitsmaßnahme nach dem BMF-Schreiben nicht entgegen.

Die danach auf den Sanierungsgewinn entfallende Steuer ist durch Gegenüberstellung des unter Einbeziehung des Sanierungsgewinns festgesetzten Steuerbetrages und des Steuerbetrages zu ermitteln, der sich in der „Schattenveranlagung” ohne Einbeziehung des (nach Verrechnung mit Verlusten und negativen Einkünften) verbleibenden Sanierungsgewinns ergibt.

In einem zweiten Schritt ist die auf den Sanierungsgewinn entfallende Steuer zum Zweck der Überwachung der Verlustverrechnungsmöglichkeiten, der Ausnutzung des Verlustrücktrages, Berücksichtigung von Zahlungen auf Grund eines Besserungsscheins oder Änderung der Steuerermäßigung nach § 35 EStG aufgrund von Billigkeitsmaßnahmen der jeweiligen Gemeinde (Rn. 15 des BMF-Schreibens) bis zur Durchführung der nächsten noch ausstehenden Veranlagung, längstens bis zu einem besonders zu benennenden Zeitpunkt zu stunden, ggf. sind Anschlussstundungen auszusprechen (Rn. 10 und 11 des BMF-Schreibens).

Die Stundungen sind nicht davon abhängig zu machen, dass Zahlungstermine eingehalten und künftig fällig werdende Steuern pünktlich bezahlt werden. Die Stundungsverfügung ist entsprechend abzuändern.

Nach abschließender Prüfung und nach Feststellung der endgültigen auf den verbleibenden zu versteuernden Sanierungsgewinn entfallenden Steuer ist diese in einem dritten Schritt zu erlassen (Rn. 12 des BMF-Schreibens).

Die Zuständigkeit für Billigkeitsmaßnahmen nach dem BMF-Schreibens richtet sich nach A.II der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom (BStBl 2008 I S. 534). Dies gilt auch für die Stundung. Danach ist bei Beträgen (Steuern) über 20.000,00 EUR unter Vorlage der Steuerakten zu berichten.

OFD Hannover v. - S 2140 - 8 - StO 241

Fundstelle(n):
BB 2009 S. 923 Nr. 18
DStR 2009 S. 532 Nr. 11
AAAAD-15463