Finanzbehörde Hamburg - 51 - S 0284 - 002/09

Öffentliche Zustellung nach § 10 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG)

1. Vorbemerkung

Das VwZG ist durch Artikel 1 des Gesetzes zur Novellierung des Verwaltungszustellungsrechts vom ( BGBl. 2005 I S. 2354; BStBl. 2005 I S. 855 Auszüge) mit Wirkung zum neu gefasst worden (vgl. Erlass vom  – 51 – S 0284 – 002/03). Rechtsgrundlage für die öffentliche Zustellung, die zuvor in § 15 VwZG a. F. geregelt war, ist ab diesem Zeitpunkt § 10 VwZG. § 10 Abs. 1 Satz 1 VwZG ist durch Artikel 6b des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom (BGBl. 2008 I S. 2026) mit Wirkung vom zum geändert worden. Diese Rechtsänderungen geben Anlass, die Grundsätze für die öffentliche Zustellung im Folgenden zusammenzufassend darzustellen.

2. Fälle der öffentlichen Zustellung

Die Zustellung kann durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen, wenn

  • der Aufenthaltsort des Empfängers unbekannt ist und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwZG)

  • bei juristischen Personen, die zur Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift zum Handelsregister verpflichtet sind, eine Zustellung weder unter der eingetragenen Anschrift noch unter einer im Handelsregister eingetragenen Anschrift einer für die Zustellung empfangsberechtigten Person oder einer ohne Ermittlung bekannten anderen Anschrift möglich ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwZG)

  • sie im Fall des § 9 VwZG nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VwZG).

3. Voraussetzungen für die öffentliche Zustellung

Die öffentliche Zustellung als besondere Form der Zustellung ist nur zulässig, wenn alle Möglichkeiten erschöpft sind, das Dokument dem Empfänger in anderer Weise zu übermitteln. Dabei ist auf Folgendes zu achten:

  1. Ermittlung nach dem Aufenthaltsort des Empfängers

    Der Aufenthaltsort des Empfängers ist nicht schon deshalb unbekannt, weil das Finanzamt seine Anschrift im Zeitpunkt der beabsichtigten Bekanntgabe nicht kennt oder Briefe als unzustellbar zurückkommen. Die Anschrift muss vielmehr allgemein unbekannt sein [1]. Dies ist durch eine Bescheinigung der zuständigen Meldebehörde oder der Polizei oder auf andere Weise zu belegen. Die bloße Abmeldung bei der Meldebehörde ist hierzu nicht ausreichend.

    Das Finanzamt muss daher vor der öffentlichen Zustellung die nach Sachlage gebotenen und zumutbaren Ermittlungen nach dem Aufenthaltsort des Empfängers anstellen. Dazu gehören Nachforschungen bei der zuletzt zuständigen Meldebehörde, u. U. aber auch die Befragung von Angehörigen oder des bisherigen Vermieters [2]. Mutmaßlichen Aufenthaltsorten des Empfängers muss durch Rückfragen bei der zuständigen Meldebehörde bzw. bei anderen in Betracht kommenden Institutionen oder Personen nachgegangen werden.

    Ist dem Finanzamt eine bereits erfolgreich für Zustellung benutzte Wohnanschrift eines Beteiligten bekannt, rechtfertigt allein der Umstand, dass ein erneuter Zustellungsversuch unter dieser Anschrift fehlschlägt, nicht die Anordnung der öffentlichen Zustellung unter der Annahme, dass der Aufenthaltsort des Empfängers unbekannt sei [3]. Auch die bloße Vermutung, dass eine Adresse, an die sich der Zustellungsempfänger bei der Meldebehörde abgemeldet hat, eine Scheinadresse sei, rechtfertigt eine öffentliche Zustellung nicht. Erforderlich sind vielmehr Tatsachen, die es von vornherein als ausgeschlossen erscheinen lassen, dass der Zustellungsempfänger unter der von ihm genannten Anschrift wohnt [4].

    Bei einer auf Verheimlichung des Aufenthaltsorts gerichteten Handlungsweise eines Zustellungsempfängers ist es unbillig und ungerechtfertigt, besonders eingehende Ermittlungen des Zustellenden zu fordern. In diesem Fall obliegt es dem Zustellungsempfänger, entweder dem Zustellenden seinen Aufenthaltsort mitzuteilen oder eine Person zu benennen, die ermächtigt ist, für ihn das zuzustellende Schriftstück in Empfang zu nehmen. Befindet sich ein Steuerpflichtiger auf der Flucht, um sich der Strafverfolgung (wegen Steuerhinterziehung) zu entziehen, erfüllt das Finanzamt seine Verpflichtung zu prüfen, ob der Aufenthaltsort des Steuerpflichtigen allgemein unbekannt ist, wenn sie versucht, die Anschrift des Steuerpflichtigen durch die Meldebehörde oder die Polizei zu ermitteln und sich ggf. beim Bevollmächtigten des Steuerpflichtigen erkundigt [5].

    Ist das Finanzamt seiner Ermittlungspflicht nachgekommen, ist die öffentliche Zustellung zulässig, auch wenn das Ergebnis der Ermittlungshandlungen, z. B. in Folge unrichtiger Auskunft, falsch war, das Finanzamt jedoch auf die Richtigkeit der Auskunft vertrauen durfte [6].

    Verletzt das Finanzamt seine Ermittlungspflicht, ist die öffentliche Zustellung unwirksam; der Zustellungsmangel ist aber nach § 8 VwZG heilbar [7].

  2. Öffentliche Zustellung in sonstigen Fällen

    Eine öffentliche Zustellung kommt auch dann in Betracht, wenn die Zustellung im Ausland undurchführbar ist, weil z. B. ein ausländischer Staat Amts- und Rechtshilfe verweigert oder weil es in dem Gebiet des Empfängerstaates in Folge (Bürger)Krieges an geordneten staatlichen Verhältnissen fehlt.

4. Anordnung der öffentlichen Zustellung

Gemäß § 122 Abs. 5 Satz 1 AO wird ein Verwaltungsakt zugestellt, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder behördlich angeordnet wird. Die Anordnung der Zustellung ist mangels eigenen Regelungscharakters kein Verwaltungsakt und daher nicht rechtsbehelfsfähig [8].

5. Durchführung der öffentlichen Zustellung

Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 VwZG erfolgt die öffentliche Zustellung durch Bekanntmachung einer Benachrichtigung an der Stelle, die von der Behörde hierfür allgemein bestimmt ist (Aushang), oder durch Veröffentlichung einer Benachrichtigung im Bundesanzeiger oder im elektronischen Bundesanzeiger. Die Finanzbehörde bittet, ausschließlich von der Bekanntmachung durch Aushang Gebrauch zu machen.

Die Benachrichtigung muss die Behörde, für die zugestellt wird, den Namen und die letzte bekannte Anschrift des Zustellungsadressaten, das Datum und das Aktenzeichen des zuzustellenden Dokuments sowie die Stelle, wo das Dokument eingesehen werden kann, erkennen lassen (§ 10 Abs. 2 Satz 2 VwZG). Da in der Benachrichtigung der bekannt zu gebende Verwaltungsakt so zu bezeichnen ist, dass seine zweifelsfreie Identifikation möglich ist, müssen bei Steuerverwaltungsakten neben Datum und Aktenzeichen auch die Steuerart(en) und ggf. der Besteuerungszeitraum angegeben werden (z. B. Bescheid für 2007 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom ).

Die Benachrichtigung muss ferner den Hinweis enthalten, dass das Dokument öffentlich zugestellt wird und Fristen in Gang gesetzt werden können, nach deren Ablauf Rechtsverluste eintreten können (§ 10 Abs. 2 Satz 3 VwZG). Bei der Zustellung einer Ladung muss die Benachrichtigung den Hinweis enthalten, dass das Dokument eine Ladung zu einem Termin enthält, dessen Versäumnis Rechtsnachteile zur Folge haben kann (§ 10 Abs. 2 Satz 4 VwZG).

Für die Benachrichtigung ist die UNIFA-Vorlage „Öffentliche Zustellung” zu verwenden.

6. Beurkundung der öffentlichen Zustellung

  1. Aktenvermerk

    Nach § 10 Abs. 2 Satz 5 VwZG ist in den Akten zu vermerken, wann und wie die Benachrichtigung bekannt gemacht Würde.

    Nach der Rechtsprechung des BFH [9] ist die Wirksamkeit einer öffentlichen Zustellung nur dann gegeben, wenn der Vermerk über die Zeitpunkte des Aushängens und der Abnahme auf dem zuzustellenden Dokument selbst oder auf der Benachrichtigung mit dem vollen Namen des zuständigen Bearbeiters unterzeichnet ist. Sind die Datumsvermerke nur mit einem Namenszeichen versehen, so ist die Zustellung unwirksam.

    Es ist deshalb dafür Sorge zu tragen, dass der zuständige Bearbeiter auf der Benachrichtigung (UNIFA-Vorlage „Öffentliche Zustellung”) in dem dafür vorgesehenen Feld sowohl bei dem Datum des Aushangs als auch bei dem Datum der Abnahme seinen vollständigen Namenszug (Unterschrift) anbringt.

  2. Tag der Zustellung

    Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 6 VwZG gilt das Dokument als zugestellt, wenn seit dem Tag der Bekanntmachung der Benachrichtigung zwei Wochen vergangen sind. Die Benachrichtigung muss stets bis zu diesem Zeitpunkt ausgehängt werden. Das gilt auch dann, wenn der Empfänger vor Fristablauf bei der Behörde erscheint und ihm das zuzustellende Dokument ausgehändigt wird. Die Aushändigung ist auf dem Aushang zu vermerken. Auch in diesen Fällen verbleibt es bei dem durch § 10 Abs. 2 Satz 6 VwZG bestimmten Zustellungstag. Ein Aushang über die Frist hinaus ist unschädlich.

  3. Fristen

    Die Fristen des § 10 Abs. 2 Satz 6 VwZG bestimmen sich nach § 108 AO i. V. m. §§ 187 Abs. 1 und 188 Abs. 2 BGB. Danach ist bei der Berechnung der Aushangsfrist der Tag des Aushangs nicht mitzurechnen. Der letzte Tag der Frist gilt als der Tag der Bekanntgabe (Zustellung). § 108 Abs. 3 AO ist anwendbar (vgl. Nr. 2 des AEAO zu § 108).

  4. Rechtsbehelfsbelehrung, Zahlungsfristen

    Es ist darauf zu achten, dass Zahlungsaufforderungen und Rechtsbehelfsbelehrungen an die verlängerte Zustelldauer des § 10 Abs. 2 Satz 6 VwZG angepasst werden.

Finanzbehörde Hamburg v. - 51 - S 0284 - 002/09

Fundstelle(n):
UAAAD-13900

1 BFH/NV 1987, S. 98

2 EFG 1996, S. 515

3 BFH/NV 2005, S. 830

4 BStBl 2000 II S. 560

5 BFH/NV 2005, S. 998

6 BFH/NV 1991, S. 13

7 BFH/NV 1992, S. 81

8 BFH/NV 1991, S. 335; BStBl 2000 II S. 520

9 BStBl 1985 II S. 597